Kurzbeschriebe zu den Ateliers

Atelier 1

Vergleich der Rezeption deutscher Geistesgeschichte durch chinesische Rezipienten

Prof. Ye Jun

Seit dem 19ten Jahrhundert spielte das "Lernen vom Westen" für China eine entscheidende Rolle. Für den Entwicklungsprozess des modernen China bezeichnete die Wende von der Bildungsvermittlung durch fremde Missionare hin zur Versendung chinesischer Studenten ins Ausland einen Paradigmenwechsel. Bei diesem Prozess, in dem immer neue Teilnehmer auftraten, kommt den geistigen Quellen der einzelnen westlichen Länder grosse Wichtigkeit zu. Vor allem Deutschland als weltweites Zentrum der Wissenschaft nimmt dabei eine herausragende Position ein. Wichtige Strömungen der deutschen Philosophie, Literatur und des deutschen Geschichtsdenkens traten mit der Zeit in den Blickwinkel der chinesischen Eliten, wo man vor allem den Fragen der Bildung und Erziehung grosse Aufmerksamkeit zumass. In der Forschung ist diesem Aspekt bislang nur wenig Beachtung geschenkt worden. Wenn Deutschland in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Westen für einen „anderen Westen“ steht, dann muss sich das auch in einer differenzierten Wahrnehmung des Bildungsgedankens ausdrücken. Die Bildungsvorstellungen des Schweizers Pestalozzi etwa besitzen einen ganz eigenen Charakter. Im Prozess der Globalisierung und der Begegnung Chinas mit dem Westen im Prozess der Herausbildung einer Moderne kam den zum Studium ins Ausland gereisten Studenten Chinas eine massgebliche Rolle zu. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich schwerpunktmässig mit zwei herausragenden Vertretern der intellektuellen Elite im frühmodernen China, nämlich Wang Guowei, der sich zum Studium in Japan entschlossen hatte und Cai Yuanpei, welcher in Europa studierte. Während Wang insbesondere durch die von ihm herausgegebene Zeitschrift „Bildungswelt“ grossen Einfluss nahm, schuf Cai dank seines kulturellen und politischen Einflusses die Grundlagen für das moderne chinesische Universitätswesen. Als Bildungsminister und Rektor der Universität Peking konnte er dabei wichtige Prozesse konkret mit begleiten.

Atelier 2

Pestalozzi-Rezeption im deutschen Sprachraum

Prof. Gerhard Kuhlemann

Pestalozzis Erziehungsroman „Lienhard und Gertrud“ (1781) war nach seinem Erscheinen ein viel gelesener „Bestseller“ und das Netz seiner Korrespondenz mit bis heute ca. 6.000 erhaltenen Briefen trug ebenfalls zu seiner Bekanntheit bei. Hinzu kam das Erscheinen der 15bändigen Cotta-Ausgabe (1819-1826) mit einer von Pestalozzi zusammengestellten Ausgabe seiner Schriften. 1846 führte Pestalozzis 100. Geburtstag zu einem ersten Höhepunkt seiner Rezeption. Ein weiterer Rezeptionsschub fand zu Pestalozzis 150. Geburtstag 1896 mit dem Abschluss der 20-bändigen Seyffarthschen Gesamtausgabe seiner Werke (1869-1896) statt. Zum 100. Todestag Pestalozzis 1927 wurden wiederum zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen publiziert. Zu diesem Zeitpunkt startete auch die Edition der wissenschaftlichen Gesamtausgabe von Pestalozzis Werken und Briefen. Pestalozzi entwickelte sich in diesen Jahren zum bekanntesten Schweizer, gleich nach Wilhelm Tell. 1996 wurde zu einem weiteren Höhepunkt der Pestalozzi-Rezeption. Thema war jetzt erstmals die kritische Auseinandersetzung mit Pestalozzi. Mit ausgewählten Zitaten eines überzogenen Pestalozzi-Kults wurde zugleich die Stellung und Bedeutung Pestalozzis innerhalb der Pädagogik infrage gestellt. Die Website www.heinrich-pestalozzi.de will einen Betrag zu einem realistischen Pestalozzibild leisten, danach ist Pestalozzi nach wie vor ein herausragender pädagogischer Schriftsteller. Seine Anregungen für die Pädagogik und Schule sind nicht eins zu eins umzusetzen, aber sie bieten für die heutige Bildung und Erziehung nach wie vor beachtens- und bewahrenswerte Anregungen und Ansätze.

Atelier 3

Sinn und Bedeutung der chinesischen Rezeption von Pestalozzis Erziehungslehre

Prof. Yang Hanlin, Yang Jia

Pestalozzis Erziehungslehre wurden ab dem späten 19 Jh. in China rezipiert. Mit der zunehmenden Öffnung Chinas ab 1980 gewannen die Ansätze Pestalozzis zusätzliche Aufmerksamkeit. Im Rahmen der historischen Wissenschaft gilt Pestalozzis Erziehungslehre exemplarisch für soziale Entwicklungsprozesse sowie für ein harmonisches Erziehungsideal.

Atelier 4

Pestalozzi-Rezeption in der schweizerischen Lehrerbildung des 20. Jahrhunderts am Beispiel des Kantons Luzern

lic. theol. Guido Estermann

Die pädagogischen und methodischen Ideen von Johann Heinrich Pestalozzi wurden im Kontext der katholischen Pädagogik differenziert rezipiert. Das System der katholischen Pädagogik, rückbezogen und legitimiert aus einem katholisch-theologischen Offenbarungsverständnis, war nur bedingt kompatibel mit den pädagogischen Ideensystemen von Pestalozzi. Innerhalb dieses Ateliers wird die Referatsthematik vom Morgen vertieft.

Atelier 5

Pestalozzis Bildungskonzepte und der chinesische Pädagoge Tao Xingzhi

Prof. Yuan Zhiying

1. Leben von Tao Xingzhi
2. Ob Pestalozzi und Tauxingzhi überhaupt miteinander vergleichbar sind?
2.1 Trotz der zeitlichen und räumlichen Distanz zwischen den beiden Pädagogen und ihrem unterschiedlichen kulturellen Hintergrund befanden sich die beiden in ziemlich ähnlichen politischen Situationen.
2.2 Die beiden Pädagogen standen unter dem Einfluss der Aufklärung und des Humanismus
2.3 Die beiden sind nicht nur Pädagogen, sondern auch Philosophen.
3. Gemeinsamkeiten
3.1 Die ganzheitliche Bildung des Volkes bei Pestalozzi und die Bewegung der Volkesbildung bei Taoxingzhi
3.2 Elementarbildung bei Pestalozzi: eine naturgemässe Erziehung und Bildung, die Kräfte und Anlagen des Kopfes (intellektuelle Kräfte), des Herzens (sittlich –religiöse Kräfte) und der Hand (handwerkliche Kräfte) in Harmonie entfaltet. Also die Dreiteilung in “Kopf, Herz und Hand“. Bei Taoxingzhi, die Dreiteilung in „Lehren, Lernen und Hand (Tun)“ (教学做)
3.3 Mit lebhafter Anteilnahme auf die sozialschwachen Menschen eingehen: Führung eines Waisen- und Armenhauses in Stans; Gründung der Yucai-Schule, um arme Kinder, Waisenkinder und obdachlose Kinder aufzunehmen
3.4 Sowohl Pestalozzi als auch Taoxingzhi waren gesellschaftlich und politisch sehr engagiert
3.5 Die beiden Pädagogen betonen bei der Sittlichkeit die Bildung der elementaren Gefühle von Liebe und Vertrauen.
4. Unterschiede Pestalozzi betrachtet elementare Gefühle von Liebe und Vertrauen als Basis für höhere Fertigkeiten wie Geduld und Gehorsam bis hin zur höchsten Stufe der religiösen Gottesverehrung. Taoxingzhi denkt anders.

Atelier 6

Das schweizerische Schulsystem und dessen aktuelle Herausforderung

Prof. Dr. Michael Fuchs S

chulsysteme präsentieren sich gemeinhin als sehr stabil und sind von einer "Schulgrammatik" bestimmt, die Veränderungen nur marginal und in langwierigen Prozessen zulassen. Im schweizerischen Schulsystem bahnen sich derzeit aber verschiedene Entwicklungen an, welche das Potenzial haben, das gesellschaftliche Verständnis von Schule und das Berufsverständnis der Lehrperson nachhaltig zu beeinflussen. Die wichtigsten Veränderungen resultieren aus dem Projekt HarmoS (Harmonisierung der obligatorischen Schule), dem Lehrplan 21, der Etablierung geleiteter Schulen und weiteren Projekten wie längere Lernzyklen, integrativen Schulformen etc. Das Atelier bietet Gelegenheit, diese Veränderungen und ihre vermuteten Auswirkungen zu diskutieren.

Atelier 7

Pestalozzis Theorie der harmonischen Entwicklung

Prof. Fang Xiaodong

Pestalozzi ist ein berühmter schweizerischer Erziehungspraktiker und –denker des 19. Jahrhunderts. Seine Erziehungsgedanken sind in vielen Ländern verbreitet und haben grossen Einfluss auf die Erziehung der neueren Zeit ausgeübt. Hier wird versucht, über die Erforschung von Pestalozzis Theorie der harmonischen Entwicklung hinaus auf seine Gedanken über die bürgerliche und berufliche Erziehung und deren Bedeutung für die Gegenwart und für die Erziehung in China einzugehen.

Atelier 7

Im Gespräch mit einem chinesischen Junglehrer

Huang Yong & Prof. Ye Jun (Gesprächsleitung)

Huang Yong wird im Gespräch darüber berichten, was es heisst im heutigen China als Junglehrperson an einer Mittelschule in Shanghai zu unterrichten und welche Herausforderungen damit verbunden sind.