"Der alte Thurm" (1797)

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Der alte Thurm.

Ein alter Thurm drohte den Einsturz. /

Täglich fielen Steine und Ziegel von ihm herab / auf die Straße.

Von Kumer und Sorgen gebeugt / ließ sein Bewohner alle Tag, was / die Nacht durch herabfiel, wieder zusammen / lesen und an den Thurm anlegen.

Das wird ihn nicht auf den Beinen / halten, wen er will auf den Kopf stehen, / sagte ihm sein Nachbar.

Er erwiederte: lch weiß es wohl, / aber ich muß doch einmahl und mit / etwas anfangen helfen.

In der gedruckten Fassung von 1823 lautet die Fabel (Nr. 34):

Ein alter Thurm drohete seinen Einsturz: täglich fielen Ziegel und Steine von ihm herab.

Mißmuthig, daß er den schlechten Zustand seines alten Thurmes nicht mehr vor Fremden verbergen könne, ließ sein armseliger, spießbürgerlicher Bewohner alle Abende, was den Tag über von ihm herabfiel, wieder zusammen lesen und an den Rand einer Nebenmauer anlegen.

Ein Nachbar, der es sah, sagte zu ihm: das wird dem Umsturz deines Thurmes nicht vorbeugen. – Er antwortete: ich weiß es wohl, aber ich muß doch einmal den Boden von dem reinigen, was von ihm herabfällt. Der Nachbar aber erwiederte noch einmal: das wird dem Thurme nichts helfen.

Er: Ich weiß auch das wohl, aber schweig' doch und plage mich nicht mit solchen Bemerkungen über mein Elend. Ich bin zufrieden, wenn es nur niemand sieht.

Jetzt schwieg der Nachbar, aber sah ihn mitleidig an. Dieser verstand den Blick und sagte noch: ich bin zuletzt zufrieden, wenn ich nur machen kann, daß ich selber meine, es sehe mein Elend niemand.


Fraget mich nicht, wer der Besitzer dieses alten Thurmes sey, wenn ihr ihm auch schon ein Almosen geben wolltet – ich darf es euch nicht sagen.