Kleine Schriften zur Volkserziehung und Menschenbildung.

Johann Heinrich Pestalozzi

Hrsg. v. Theo Dietrich. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 7. Aufl. 1999. 88 S. (Klinkhardts Pädagogische Quellentexte).

Die von Theo Dietrich herausgegebene Textsammlung enthält vier kleine Schriften Pestalozzis: "Die Abendstunde eines Einsiedlers" (S. 5-17), "Pestalozzis Brief an einen Freund über seinen Aufenthalt in Stans" (S. 18-38), "Über die Entstehung der sittlichen Begriffe in der Entwicklung der Menschheit" (S. 39-59) und "Über den Sinn des Gehörs in Hinsicht auf Menschenbildung durch Ton und Sprache" (S. 59-81). Die vier Schriften folgen wörtlich den Textfassungen der Kritischen Ausgabe, nur Rechtschreibung und Zeichensetzung sind vorsichtig den heutigen Regeln angepaßt und der Herausgeber macht in einem Nachwort zu den Schriften jeweils einige erklärende Anmerkungen (S. 83-85) und im Text zur besseren Lesbarkeit einige Ergänzungen in eckigen Klammern.

Die Abendstunde folgt dem Erstdruck in den von Iselin herausgegebenen "Ephemeriden der Menschheit" von 1780 und der Stanser Brief, geschrieben 1799, von dem das handschriftliche Original nicht mehr vorhanden ist, der Textfassung in der Cotta-Ausgabe von 1822. "Über die Entstehung der sittlichen Begriffe" ist als Fragment aus den Jahren 1786/87 erhalten und thematisch als eine der Vorarbeiten zu den Nachforschungen zu verstehen und die Schrift "Über den Sinn des Gehörs" aus dem Jahr 1803/04 wurde zuerst in der "Wochenschrift für Menschenbildung" von Niederer redigiert veröffentlicht. Der Text folgt der sog. jüngeren Fassung aus der Kritischen Ausgabe auf die der Herausgeber für die schwierigen textkritischen Fragen pauschal verweist. Gerade bei der Edition dieser Schrift, bei der sich unterschiedliche handschriftliche Fassungen so zahlreich wie bei fast keiner anderen Schrift Pestalozzis erhalten haben, versäumt es der Herausgeber, eine lesbare Übersicht über das handschriftliche Quellenmaterial zu geben und exemplarisch die Schwierigkeiten bei der Edition von Texten Pestalozzis und bei der Entscheidung für eine möglichst authentische Textvariante zu zeigen. Allein der textkritische Anhang zu dieser Schrift, die in der Kritischen Ausgabe vollständig in einer älteren und einer jüngeren Fassung veröffentlicht ist (PSW 16, S. 263-346), umfaßt wegen der Wiedergabe zahlreicher Textvarianten ca 100 Druckseiten (PSW 16, S. 495-595).

Die Zusammenstellung gerade dieser vier kleinen Schriften begründet der Herausgeber damit, daß sie mit unterschiedlichen Schwerpunkten und aus unterschiedlichen Schaffensperioden zu den gleichen Grundfragen im Denken Pestalozzis hinführen: "zu seinem Denken über den Menschen, die sittliche Erziehung, den Naturbegriff und die Methode als Inbegriff der naturgemäßen Erziehung" (S. 85) und damit besonders eindringlich die Entwicklung seiner geistigen Welt erkennen lassen. In diesen vier Schriften trete Pestalozzi zugleich als Volkserzieher, Unterrichtsreformer und Wahrheitssucher hervor.

Im ganzen ein gutes Angebot einer Einzelausgabe mit vier unterschiedlichen kleinen Texten Pestalozzis, auch wenn mit gleichem Recht andere kleine Texte oder Textauszüge für Pestalozzis Denken oder seine Entwicklung stehen könnten. In einer sechsten Auflage sollten allerdings offenkundige Fehler korrigiert sein: an Iselin hat Pestalozzi nicht geschrieben, daß die Abendstunde die Vorrede zu allem sei, was er geschrieben habe (S. 84), das war 1780 ja noch sehr wenig, sondern sie sollte die Vorrede zu allem sein, was er noch schreiben werde (Pestalozzi an Iselin, 29. September 1780. In: PSB 3, S. 96).