Lienhard und Gertrud

Rechtschreibung und Interpunktion entsprechen nicht der Kritischen Ausgabe von Pestalozzis Schriften, sondern der regularisierten Fassung auf der CD-ROM.

Vorrede.

Leser!

Diese Bogen sind die historische Grundlage eines Versuchs, dem Volk einige ihm wichtige Wahrheiten auf eine Art zu sagen, die ihm in Kopf und ans Herz gehen sollte. Ich suchte sowohl das gegenwärtige Historische als das folgende Belehrende auf die möglichst sorgfältige Nachahmung der Natur, und auf die einfache Darlegung dessen, was allenthalben schon da ist, zu gründen.

Ich habe mich in dem, was ich hier erzähle, und was ich auf der Bahn eines tätigen Lebens meistens selbst gesehn und gehört habe, sogar gehütet, nicht einmal meine eigene Meinung hinzuzusetzen, zu dem, was ich sah und hörte, daß das Volk selber empfindet, urteilt, glaubt, redet und versucht.Und nun wird es sich zeigen; sind meine Erfahrungen wahr, und gebe ich sie, wie ich sie empfangen habe, und wie mein Endzweck ist, so werden sie bei allen denen, welche die Sachen, die ich erzähle, selber täglich vor Augen sehn, Eingang finden. Sind sie aber unrichtig, sind sie das Werk meiner Einbildungen und der Tand meiner eigenen Meinungen, so werden sie, wie andere Sonntagspredigten, am Montag verschwinden.Ich sage nichts weiter, sondern ich füge nur noch zwei Betrachtungen bei, welche meine Grundsätze über die Art eines weisen Volksunterrichts, ins Licht zu setzen geschickt scheinen. Die erste ist aus einem Buche unseres seligen Luthers, dessen Feder in jeder Zeile Menschlichkeit, Volkskenntnis und Volksunterricht atmet. Sie lautet also:."Die heilige Schrift meint es auch darum so gut mit uns, daß sie nicht bloß mit den großen Taten der heiligen Männer rumpelt, sondern uns auch ihre kleinsten Worte an Tag gibt, und so den inneren Grund ihres Herzens uns aufschließt.Die zweite ist aus einem jüdischen Rabbiner, und lautet nach einer lateinischen Übersetzung also: "Es waren unter den Völkern der Heiden, die ringsumher und um das Erbteil Abrahams wohnen, Männer voll Weisheit, die weit und breit auf der Erde ihresgleichen nicht hatten; diese sprachen: Lasset uns zu den Königen und zu ihren Gewaltigen gehen, und sie lehren, die Völker auf Erden glücklich machen.Und die weisen Männer gingen hinaus, und lernten die Sprache des Hauses der Könige und ihrer Gewaltigen, und redeten mit den Königen und mit ihren Gewaltigen in ihrer Sprache."Und die Könige und die Gewaltigen lobten die weisen Männer, und gaben ihnen Gold und Seide und Weihrauch, taten aber gegen die Völker wie vorhin. Und die weisen Männer wurden von dem Gold und der Seide und dem Weihrauch blind, und sahen nicht mehr, daß die Könige und ihre Gewaltigen unweise und töricht handeln, an allem Volk, das auf Erden lebt.Aber ein Mann aus unserm Volk beschalt die Weisen der Heiden, gab dem Bettler am Weg seine Hand, führte das Kind des Diebes, und den Sünder, und den Verbannten in seine Hütte, grüßte die Zoller, und die Kriegsknechte, und die Samariter, wie seine Brüder, die aus seinem Stamme sind. Und sein Tun, und seine Armut, und sein Ausharren in seiner Liebe gegen alle Menschen gewann ihm das Herz des Volks, daß es auf ihn traute, als auf seinen Vater. Und als der Mann aus Israel sah, daß alles Volk auf ihn traute, als auf seinen Vater, lehrte er das Volk, worin sein wahres Wohl bestehe; und das Volk hörte seine Stimme, und die Fürsten hörten die Stimme des Volks."Das ist die Stelle des Rabbiners, zu der ich kein einziges Wort hinzusetze.Und jetzt, ehe ihr aus meiner Stille geht, liebe Blätter! an die Orte, wo die Winde blasen, und die Stürme brausen, an die Orte, wo kein Friede ist –Nur noch dies Wort, liebe Blätter! Möge es euch vor bösen Stürmen bewahren!Ich habe keinen Teil an allem Streit der Menschen über ihre Meinungen; aber das, was sie fromm und brav und treu und bieder machen, was Liebe Gottes und Liebe des Nächsten in ihr Herz, und was Glück und Segen in ihr Haus bringen kann, das, meine ich, sei, außer allem Streit, uns allen und für uns alle in unsere Herzen gelegt.

1.

Ein herzguter Mann, der aber doch Weib und Kind höchst unglücklich macht.

Es wohnt in Bonnal ein Maurer *) . Er heißt Lienhard - und seine Frau Gertrud. Er hat sieben Kinder und ein gutes Verdienst. - Aber er hat den Fehler, daß er sich im Wirtshaus oft verführen läßt. Wann er da ansitzt, so handelt er wie ein Unsinniger; - und es sind in unserem Dorf schlaue abgefeimte Burschen, die darauf losgehen, und daraus leben, daß sie den Ehrlicheren und Einfältigeren auflauern, und ihnen bei jedem Anlaß das Geld aus der Tasche locken. Diese kannten den guten Lienhard, und verführten ihn oft beim Trunk noch zum Spiel, und raubten ihm so den Lohn seines Schweißes. Aber allemal, wenn das am Abend geschehen war, reuete es Lienharden am Morgen - und es ging ihm ans Herz, wenn er Gertrud und seine Kinder Brot mangeln sah, daß er zitterte, weinte, seine Augen niederschlug, und seine Tränen verbarg. Gertrud ist die beste Frau im Dorf - aber sie und ihre blühenden Kinder waren in Gefahr, ihres Vaters und ihrer Hütte beraubt, getrennt, verschupft ins äußerste Elend zu sinken, weil Lienhard den Wein nicht meiden konnte.

Gertrud sah die nahe Gefahr, und war davon in ihrem Innersten durchdrungen. Wenn sie Gras von ihrer Wiese holte, wenn sie Heu von ihrer Bühne nahm, wenn sie die Milch in ihrem reinlichen Becken besorgte; ach! bei allem, bei allem ängstigte sie immer der Gedanke - daß ihre Wiese, ihr Heustock und ihre halbe Hütte ihnen bald werden entrissen werden, und wenn ihre Kinder um sie her standen, und sich an ihren Schoß drängten, so war ihre Wehmut immer noch größer; allemal flossen dann Tränen über ihre Wangen.

Bis jetzt konnte sie zwar ihr stilles Weinen vor den Kindern verbergen; aber am Mittwoch vor dem letzten Ostern - da ihr Mann auch gar zu lang nicht heimkam, war ihr Schmerz zu mächtig, und die Kinder bemerkten ihre Tränen. Ach Mutter! riefen sie alle aus einem Munde, du weinest, und drängten sich enger an ihren Schoß. Angst und Sorge zeigten sich in jeder Gebärde. - Banges Schluchzen, tiefes, niedergeschlagenes Staunen, und stille Tränen umringten die Mutter, und selbst der Säugling auf ihrem Arme verriet ein bisher ihm fremdes Schmerzengefühl. Sein erster Ausdruck von Sorge und von Angst - Sein starres Auge, das zum erstenmale ohne Lächeln hart und steif und bang nach ihr blickte - alles dieses brach ihr gänzlich das Herz. Ihre Klagen brachen jetzt in lautem Schreien aus, und alle Kinder und der Säugling weinten mit der Mutter, und es war ein entsetzliches Jammergeschrei, als eben Lienhard die Türe eröffnete. Gertrud lag mit ihrem Antlitz auf ihrem Bette; hörte das Öffnen der Türe nicht, und sah nicht den kommenden Vater - Auch die Kinder wurden seiner nicht gewahr - Sie sahen nur die jammernde Mutter - und hingen an ihren Armen, an ihrem Hals und an ihren Kleidern. So fand sie Lienhard. Gott im Himmel sieht die Tränen der Elenden - und setzt ihrem Jammer ein Ziel.

Gertrud fand in ihren Tränen Gottes Erbarmen! - Gottes Erbarmen führte den Lienhard zu diesem Anblick, der seine Seele durchdrang, - daß seine Glieder bebten. Todesblässe stieg in sein Antlitz - und schnell und gebrochen konnte er kaum sagen - Herr Jesus! was ist das? Da erst sah ihn die Mutter, da erst sahen ihn die Kinder, und der laute Ausbruch der Klage verlor sich - Oh Mutter! der Vater ist da! riefen die Kinder aus einem Munde; und selbst der Säugling weinte nicht mehr –

So wie wenn ein Waldbach oder eine verheerende Flamme nun nachläßt - so verliert sich auch das wilde Entsetzen, und wird stille, bedächtliche Sorge. –

Gertrud liebte den Lienhard - und seine Gegenwart war ihr auch im tiefsten Jammer Erquickung - und auch Lienharden verließ jetzt das erste bange Entsetzen - Was ist, Gertrud! sagte er zu ihr, dieser erschreckliche Jammer, in dem ich dich antraf?

Oh mein Lieber! erwiderte Gertrud - finstere Sorgen umhüllen mein Herz - und wenn du weg bist, so nagt mich mein Kummer noch tiefer –

Gertrud, erwiderte Lienhard, ich weiß, was du weinest - ich Elender!

Da entfernte Gertrud ihre Kinder, und Lienhard hüllte sein Antlitz in ihren Schoß, und konnte nicht reden! –

Auch Gertrud schwieg eine Weile - und lehnte sich in stiller Wehmut an ihren Mann, der immer mehr weinte und schluchzte, und sich ängstigte auf ihrem Schoße.

Indessen sammelte Gertrud alle ihre Stärke, und faßte Mut, nun an ihn zu dringen, daß er seine Kinder nicht ferner diesem Unglück und Elend aussetzte.

Gertrud war fromm - und glaubte an Gott - und ehe sie redete, betete sie still für ihren Mann und für ihre Kinder, und ihr Herz war sichtbarlich heiterer; da sagte sie:. Lienhard trau auf Gottes Erbarmen, und fasse doch Mut - ganz recht zu tun –

Oh Gertrud, Gertrud! - sagte Lienhard, und weinte, und seine Tränen flossen in Strömen –

Oh mein Lieber! fasse Mut, sagte Gertrud, und glaube an deinen Vater im Himmel, so wird alles wieder besser gehen. Es gehet mir ans Herz, daß ich dich weinen mache. Mein Lieber! ich wollte dir gern jeden Kummer verschweigen, - du weißest, an deiner Seite sättigt mich Wasser und Brot, und die stille Mitternachtsstunde ist mir viel und oft frohe Arbeitsstunde, - für dich und meine Kinder. Aber, mein Lieber! wenn ich dir meine Sorgen verhehlte - daß ich mich noch einst von dir und diesen Lieben trennen müßte - so wär ich nicht Mutter an meinen Kindern - und an dir wär ich nicht treu - Oh Teurer! Noch sind unsere Kinder voll Dank und Liebe gegen uns - aber, mein Lienhard! wenn wir nicht Eltern bleiben - so wird ihre Liebe und ihre gute Herzlichkeit, auf die ich alles baue, notwendig verloren gehen müssen - und dann denke, oh Lieber! denk auch, wie dir sein müßte, wenn dein Niclas einst keine Hütte mehr hätte! und Knecht sein müßte - Er, der jetzo schon so gern von Freiheit und eigenem Herde redet - Lienhard - wenn er und alle die Lieben - durch unseren Fehler arm gemacht, einst in ihrem Herzen uns nicht mehr dankten - sondern weinten ob uns, ihren Eltern - könntest du leben, Lienhard! und sehen, wie dein Niclas, dein Jonas, wie dein Liseli (Lise) und dein Anneli, (Enne) *) oh Gott! verschupft, an fremden Tischen Brot suchen müßten - ich würde sterben, wenn ich das sehen müßte - so sagte Gertrud - und Tränen flossen von ihren Wangen - Und Lienhard weinte nicht minder - Was soll ich tun? - Ich Unglücklicher! Was kann ich machen? - Ich bin noch elender als du weißest - Oh Gertrud! Gertrud! Dann schwieg er wieder, rang seine Hände und weinte lautes Entsetzen - Oh Lieber! verzage nicht an Gottes Erbarmen - oh Teurer! was es auch sein mag - rede - daß wir uns helfen und raten -

2.

Eine Frau, die Entschlüsse nimmt, ausführt, und einen Herrn findet, der ein Vaterherz hat.

Oh Gertrud, Gertrud! es bricht mir das Herz, dir mein Elend zu sagen - und deine Sorgen zu vergrößern - und doch muß ich es tun.

Ich bin Hummel, dem Vogt **) , noch dreißig Gulden schuldig und der ist ein Hund, und kein Mensch gegen die, so ihm schuldig sind - Ach! daß ich ihn in meinem Leben nie gesehn hätte - Wenn ich nicht bei ihm einkehre, so droht er mir mit den Rechten - und wenn ich einkehre, so ist der Lohn meines Schweißes und meiner Arbeit in seinen Klauen. - Das, Gertrud, das ist die Quelle unseres Elends. - Oh Lieber! sagte hierauf Gertrud, darfst du nicht zu Arner, dem Landesvater, gehen? Du weißt, wie alle Witwen und Waisen sich seiner rühmen - Oh Lieber, ich denke, er würde dir Rat und Schutz gewähren gegen diesen Mann - Oh Gertrud! erwiderte Lienhard - ich kann nicht - ich darf nicht - was wollte ich gegen den Vogt sagen? - der tausenderlei anbringt und kühn ist - und schlau und hundert Helfershelfer und Wege hat, einen armen Mann vor der Obrigkeit zu verschreien, daß man ihn nicht anhört. Gertrud: Oh Lieber! Ich habe noch mit keiner Obrigkeit geredet - Aber wenn Not und Elend mich zu ihr führten, ich weiß, ich würde die Wahrheit gerade gegen jedermann sagen können. - Oh Teurer! fürchte dich nicht - denke an mich und deine Kinder, und gehe - Oh Gertrud! sagte Lienhard - ich kann nicht - ich darf nicht - ich bin nicht unschuldig - Der Vogt wird sich kaltblütig aufs ganz Dorf berufen - daß ich ein liederlicher Tropf bin - Oh Gertrud! ich bin nicht unschuldig - was will ich sagen? Niemand wird ihn vor den Kopf stoßen - und aussagen, daß er mich zu allem verleitet hat - Oh Gertrud! könnt ich's! dürft ich's! wie gerne wollt ich's! Aber tät ich's und mißlänge es, denk, wie würde er sich rächen. Gertrud: Aber auch wenn du schweigst, richtet er dich unausweichlich zugrunde. Lienhard, denk an deine Kinder und gehe - diese Unruhe unseres Herzens muß enden - gehe oder ich gehe.

Lienhard: - Oh Gertrud! ich darf nicht! Darfst du's, ach Gott! Gertrud! ach Gott! darfst du's, so gehe schnell hin zu Arner - und sag ihm alles –

Ja, ich will gehen, sagt Gertrud - und schlief keine Stunde in der Nacht - aber sie betete in der schlaflosen Nacht - und ward immer stärker und entschlossener, zu gehen zu Arner, dem Herrn des Orts –

Und am frühen Morgen nahm sie den Säugling, der wie eine Rose blühete, und ging zwei Stunden weit zum Schlosse des Junkers.

Arner saß eben bei seiner Linde, vor der Pforte des Schlosses, als Gertrud sich ihm nahete - Er sah sie - er sah den Säugling auf ihrem Arme - und Wehmut und Leiden und getrocknete Zähren auf ihrem Antlitz –

Was willst du, meine Tochter? wer bist du? sagte er so liebreich, daß sie Mut faßte zu reden –

Ich bin Gertrud, sagte sie - das Weib des Maurers Lienhard von Bonnal.

Du bist ein braves Weib, sagte Arner. Ich habe deine Kinder vor allen anderen im Dorf ausgezeichnet - Sie sind sittsamer und bescheidener als alle übrigen Kinder, und sie scheinen besser genährt - und doch, höre ich, seid ihr sehr arm - Was willst du, meine Tochter?

Oh Gnädiger Herr! mein Mann ist längst dem Vogt Hummel dreißig Gulden schuldig - und das ist ein harter Mann - Er verführt ihn zum Spiel und zu aller Verschwendung - Und da er ihn fürchten muß, so darf er sein Wirtshaus nicht meiden; wenn er schon fast alle Tage sein Verdienst und das Brot seiner Kinder darin zurücklassen muß. Gnädiger Herr! es sind sieben unerzogene Kinder. Und ohne Hilf und ohne Rat gegen den Vogt ist's unmöglich, daß wir nicht an Bettelstab geraten; und ich weiß, daß Sie sich der Witwen und der Waisen erbarmen, und darum durfte ich es wagen, zu Ihnen zu gehn, und Ihnen unser Unglück zu sagen. Ich habe aller meiner Kinder Spargeld bei mir - in der Absicht, es Ihnen zu hinterlegen, damit ich Sie bitten dürfe, Verfügungen zu treffen, daß der Vogt meinen Mann, bis er bezahlt sein wird, nicht mehr drängen und plagen dürfe –

Arner hatte längst einen Verdacht auf Hummel - Er erkannte sogleich die Wahrheit dieser Klage, und die Weisheit der Bitte - Er nahm eine Schale Tee, die vor ihm stand, und sagte: Du bist nüchtern, Gertrud? Trink diesen Tee, und gib deinem schönen Kind von dieser Milch.

Errötend stand Gertrud da - Diese Vatergüte ging ihr ans Herz, daß sie ihre Tränen nicht halten konnte - Und Arner ließ sie jetzt die Taten des Vogts und seiner Mitgesellen und die Not und die Sorgen vieler Jahre erzählen; hörte aufmerksam zu, und einmal fragte er sie - Wie hast du, Gertrud! das Spargeld deiner Kinder retten können in aller dieser Not?

Da antwortete Gertrud - Das war wohl schwer, Gnädiger Herr! aber es mußte mir sein, als ob das Geld nicht mein wäre, als ob es ein Sterbender mir auf seinem Todbette gegeben hatte, daß ich es seinen Kindern aufbehalten sollte. So, fast ganz so sah ich es an - Wenn ich zu Zeiten in der dringendsten Not den Kindern Brot daraus kaufen mußte, so ruhete ich nicht, bis ich mit Nachtarbeit wieder so viel nebenhin erspart und den Kindern wieder erstattet hätte.

War das allemal wieder möglich - Gertrud? fragt Arner - Oh Gnädiger Herr! wenn der Mensch sich etwas fest vornimmt - so ist ihm mehr möglich, als man glaubt - und Gott hilft im äußersten Elend - wenn man redlich für Not und Brot arbeitet - Gnädiger Herr! mehr, als Sie es in ihrer Herrlichkeit glauben und begreifen können.

Arner war durch und durch von der Unschuld und von der Tugend dieses Weibes gerührt - fragte aber immer noch mehr - und sagte: Gertrud, wo hast du dieses Spargeld? Da legte Gertrud sieben reinliche Päckchen auf Arners Tisch - und bei jedem Päckchen lag ein Zettel, von wem alles wäre - und wenn Gertrud etwas davon genommen hatte - so stand es aufgeschrieben - und wie sie es wieder zugelegt hätte.

Arner las diese Zettel aufmerksam durch - Gertrud sah's und errötete. Ich habe diese Papiere wegnehmen sollen, Gnädiger Herr!

Arner lächelte - und las fort - aber Gertrud stand beschämt da und sichtbarlich pochte ihr Herz ob diesen Zetteln -; denn sie war bescheiden - und demütig - und grämte sich auch über den mindesten Anschein von Eitelkeit –

Arner sah ihre Unruhe, daß sie die Zettel nicht beiseits gelegt hatte, und er fühlte die reine Höhe der Unschuld, die beschämt da steht, wenn ihre Tugend und ihre Weisheit bemerkt wird, - und beschloß dem Weib mehr, als es bat, und hoffete, Gnade zu erweisen; dann er fühlte ihren Wert - und daß unter Tausenden kein Weib ihr gleich käme. Er legte jetzt einem jeden Päckchen etwas bei, und sagte: - Bring deinen Kindern ihr Spargeld wieder, Gertrud! - und ich lege aus meiner Börse dreißig Gulden beiseits für den Vogt - bis er bezahlt ist. - Gehe nun heim, Gertrud - morgen werde ich ohnedies in dein Dorf kommen; und da werde ich die Ruhe schaffen vor dem Hummel.

Gertrud konnte vor Freuden nicht reden - Kaum brachte sie stammelnd ein gebrochenes schluchzendes "Gott lohne es ihnen, Gnädiger Herr!" hervor; und nun ging sie mit ihrem Säugling und mit ihrem Trost in ihres Mannes Arme - Sie eilete - betete - und dankte Gott auf dem langen Wege - und weinte Tränen des Danks und der Hoffnung, bis sie in ihrer Hütte war.

Lienhard sah sie kommen - und sah den Trost ihres Herzens- in ihren Augen - Bist du schon wieder da? rief er ihr entgegen - es ist dir wohl gegangen bei Arner –

Wie weißt du's schon, sagte Gertrud? Ich sehe dir's an, du Gute! du kannst dich nicht verstellen –

Das kann ich nicht, sagte Gertrud, und ich möcht es nicht - wenn ich's auch könnte, dir die gute Botschaft einen Augenblick vorenthalten, Lienhard! Da erzählte sie ihm die Güte des Vaters Arner, wie er ihren Worten glaubte - und wie er ihr Hilfe versprach - Denn gab sie den Kindern des Arners Geschenke und küßte ein jedes wärmer und heiterer als es schon lange geschehen war, und sagte ihnen: Betet alle Tage, daß es Arner wohl gehe, Kinder - wie ihr betet, daß es mir und dem Vater wohl gehe! Arner sorgt, daß es allen Leuten im Lande wohl gehe - er sorgt, daß es euch wohl gehe - und wann ihr brav, verständig und arbeitsam sein werdet - so werdet ihr ihm lieb sein, wie ihr mir und dem Vater lieb seid. Von dieser Zeit an beteten die Kinder des Maurers, wenn sie am Morgen und am Abend für ihren Vater und Mutter beteten, auch für Arner, den Vater des Landes. –

Gertrud und Lienhard faßten nun neue Entschlüsse für die Ordnung ihres Hauses und für die Bildung ihrer Kinder zu allem Guten - und dieser Tag war ihnen ein seliger Festtag. - Lienhards Mut stärkte sich wieder, und am Abend machte Gertrud ihm ein Essen, das er liebte - und sie freueten sich beide des kommenden Morgens der Hilfe Arners - und der Güte ihres Vaters. –

Auch Arner sehnete sich nach dem kommenden Morgen - eine Tat zu tun - wie er tausende tat, um seinem Dasein einen Wert zu geben. –

3.

Ein Unmensch erscheint.

Und da am gleichen Abend sein Vogt zu ihm kam, nach seinen Befehlen zu fragen, sagte er ihm: - Ich werde morgen selbst nach Bonnal kommen: Ich will einmal den Bau der Kirche in Ordnung haben - Der Untervogt aber antwortete:. Gnädiger Herr! Hat Euer Gnaden Schloßmaurer jetzt Zeit? Nein, erwiderte Arner; aber es ist in deinem Dorf ein Maurer Lienhard, dem ich dieses Verdienst gern gönne. Warum hast du mir ihn noch nie zu einer Arbeit empfohlen?

Der Vogt bückte sich tief und sagte: Ich hätte den armen Maurer nicht empfehlen dürfen zu Euer Herrlichkeit Gebäuden. Arner: Ist er ein braver Mann, Vogt? daß ich auf ihn gehn kann –

Vogt: Ja, Ihr Gnaden können sich auf ihn verlassen, er ist nur gar zu treuherzig.

Arner: Man sagt, er habe ein braves Weib! ist sie keine Schwätzerin? fragte hierauf Arner mit Nachdruck.

Nein, sagte der Vogt; sie ist wahrlich eine arbeitsame stille Frau.

Gut, sagte Arner! sei morgen um neun Uhr auf dem Kirchhof - Ich werde dich daselbst antreffen –

Da ging der Vogt fort; ganz erfreut über diese Rede; denn er dachte bei sich selber, das ist eine neue Milchkuh in meinen Stall, und sann schon auf Ränke, dem Maurer das Geld, das er bei diesem Bau verdienen möchte, abzulocken; und schnell eilte er heim und nach des Maurers kleiner Hütte.

Es war schon dunkel, als er mit Ungestüm anpochte. Lienhard und Gertrud saßen noch beim Tische. Noch stand der Rest ihres Essens vor ihnen. Lienhard aber erkannte die Stimme des neidischen Vogts. Er erschrak und schob das Essen in einen Winkel.

Gertrud ermunterte ihn zwar, daß er sich nicht fürchten, und daß er auf Arner vertrauen sollte. Dennoch wurd er todblaß, als er dem Vogt die Türe öffnete. Dieser roch schnell wie ein gieriger Hund das verborgene Nachtessen; tat aber doch freundlich und sagte - nur lächelnd –

Ihr laßt euch recht wohl sein, ihr Leute; so endlich ist's leicht ohne das Wirtshaus zu sein; nicht wahr, Lienhard? Dieser schlug die Augen nieder und schwieg; aber Gertrud war kühner - und sagte; was befiehlt dann der Herr Vogt - Es ist ganz sonderbar, daß er einem so schlechten Haus näher, als ans Fenster kommt –

Hummel verbarg seinen Zorn, lächelte, und sagte: Es ist wahr, ich hätte eine so gute Küche hier nicht erwartet; sonst hätte ich vielleicht mehr zugesprochen.

Das erbitterte Gertrud. Vogt! antwortete sie ihm, du riechst unser Nachtessen, und mißgönnst es uns; du solltest dich schämen, einem armen Mann ein Nachtessen, das er liebt und vielleicht im Jahr nicht dreimal hat, zu verbittern. - Es ist nicht so bös gemeint, antwortete der Vogt, immer noch lächelnd. Eine Weile darauf aber setzte er etwas ernsthafter hinzu: Du bist gar zu trotzig, Gertrud; das steht armen Leuten nicht wohl an. Du solltest wohl denken, ihr ginget mich vielleicht auch etwas an; - doch ich will jetzt nicht hievon anfangen. Ich bin deinem Mann immer gut; und wenn ich ihm dienen kann, so tue ich's; davon kann ich Proben geben.

Gertrud: Vogt! - Mein Mann wird alle Tage in deinem Wirtshaus zum Spiel und zum Trunke verführt - und denn muß ich daheim mit meinen Kindern alles mögliche Elend erdulden; das ist der Dienst, den wir von dir zu rühmen haben. Hummel: Du tust mir Unrecht, Gertrud! Es ist wahr, dein Mann ist etwas liederlich; ich habe es ihm auch schon gesagt, aber in meinem Wirtshause muß ich in Gottes Namen einem jeden, der's will, Essen und Trinken geben; - das tut ja jedermann –

Gertrud: Ja - aber nicht jedermann drohet einem unglücklichen armen Mann mit den Rechten, wann er nicht alle Jahre seine Schuld wieder doppelt groß macht.

Nun konnte sich der Vogt nicht mehr halten; mit Wut fuhr er den Lienhard an –

Bist du so ein Gesell Lienhard, daß du solches von mir redest? Muß ich noch in meinen Bart hinein hören, wie ihr Lumpenvolk mich alten Mann um Ehr und guten Namen bringen wollt? Hab' ich nicht jeweilen vor Vorgesetzten mit dir gerechnet? gut, daß deine Zettel fein alle noch bei mir und in meinen Handen sind - Willst du mir etwa gar meine Anforderung leugnen, Lienhard? –

Es ist ganz nicht die Rede hievon - sagte Lienhard: Gertrud sucht nur, daß ich ferner nicht neue Schulden mache - Der Vogt besann sich schon wieder, milderte den Ton und sagte: Das ist endlich nicht so gar übel, doch bist du der Mann - sie wird dich nicht wollen in ein Bockshorn hineinschieben - Gertrud: Nichts weniger, Vogt! ich möchte ihn gern aus dem Bockshorn, darin er steckt, herausbringen - und das ist dein Buch, Vogt, und seine schönen Zettel –

Hummel: Er hat mich nur zu bezahlen; so ist er augenblicklich aus diesem Bockshorn, wie du's heißest - Gertrud: Das wird er wohl tun können - wenn er nichts Neues mehr macht –

Hummel: Du bist stolz, Gertrud - es wird sich zeigen - Gelt Gertrud, du willst lieber mit deinem Mann daheim allein bröselen *) , als ihm ein Glas Wein bei mir gönnen.

Gertrud: Du bist niederträchtig, Vogt! aber deine Rede tut mir nicht weh.

Hummel konnte diese Sprache nicht länger aushalten. Er empfand, daß etwas vorgefallen sein mußte, das dieses Weib so kühn machte. Darum durfte er nicht seinen Mut kühlen, und nahm Abschied.

Hast du sonst was zu befehlen, sagte Gertrud. Nichts, wenn's so gemeint ist, antwortete Hummel. Wie gemeint? erwiderte Gertrud lächelnd - und sah ihm steif ins Gesicht. Das verwirrte den Vogt noch mehr, daß er sich nicht zu gebärden wußte.

Er ging jetzt - und brummete bei sich selbst die Treppe hinunter, was doch das sein möchte.

Dem Lienhard war zwar nicht wohl bei der Sache; aber dem Vogt noch viel weniger.

4.

Er ist bei seinesgleichen, und da ist's, wo man Schelmen kennen lernt.

Es war jetzt fast Mitternacht, und doch war er kaum heim, so sandte er noch zu zweien von Lienhards Nachbarn, daß sie des Augenblicks zu ihm kämen.

Sie waren schon im Bette, als er nach ihnen schickte; aber doch säumten sie sich nicht. Sie standen auf und gingen in der finsteren Nacht zu ihm hin.

Und er fragte über alles, was Lienhard und Gertrud seit einigen Tagen getan hätten. Da sie ihm aber nicht gleich etwas sagen konnten, das ihm Licht gab, stieß er seine Wut gegen sie aus.

Ihr Hunde! was man von euch will, ist immer nichts mit euch ausgerichtet. Wofür muß ich immer euer Narr sein? Wenn ihr Holz frevelt, und ganze Fuder raubet - so muß ich nichts wissen - wenn ihr in den Schloßtriften weidet - und alle Zäune wegtraget, so muß ich schweigen.

Du Buller! mehr als ein Dritteil von deiner Waisenrechnung war falsch - und - ich schwieg - meinst du, das bißchen verschimmelt Heu stelle mich zufrieden? - es ist noch nicht verjährt –

Und du Kreuel! deine halbe Matte gehört deines Bruders Kindern. Du alter Dieb! - was habe ich von dir, daß ich dich nicht dem Henker überlasse, dem du gehörst? –

Dieses Gerede machte den Nachbarn bang. Was können wir tun? was können wir machen - Herr Untervogt - weder Tag noch Nacht ist uns zuviel - zu tun, was du uns heißest. Ihr Hunde! ihr könnt nichts, ihr wißt nichts. Ich bin außer mir vor Wut. Ich muß wissen, was des Maurers Gesindel diese Woche gehabt hat - was hinter diesem Pochen steckt - so wütete er –

Indessen besann sich Kreuel. Halt, Vogt - ich glaub', ich könne dienen, erst fällt mir's ein - Gertrud war heute bis Mittag über Feld - und am Abend hat ihr Liseli beim Brunnen den Schloßherrn sehr gerühmt - gewiß war sie im Schloß - am Abend vorher war ein Geheul in ihrer Stube - aber niemand weiß warum. Heute sind sie alle ganz besonders fröhlich. Der Vogt war nun überzeuget, daß Gertrud im Schloß gewesen wäre. Zorn und Unruhe wüteten nun noch gewaltiger in seiner Seele.

Er stieß greuliche Flüche aus, schimpfte mit abscheulichen Worten auf Arner, der alles Bettelgesindel anhörte, und Lienhard und Gertrud schwur er Rache ernstlich empfinden zu machen. Doch müßt ihr schweigen, Nachbarn - ich will mit dem Gesindel freundlich tun, bis es reif ist. Forschet fleißig nach, was sie tun, und bringt mir Nachricht. Ich will euer Mann sein, wo es nötig sein wird.

Da nahm er noch Buller beiseits, und sagte - Weißt du nichts von den gestohlenen Blumengeschirren? Man sah dich vorgestern über den Grenzen, mit einem geladenen Esel; was hattest du zu führen?

Buller erschrack - ich -ich - hatte - Nu! nu! sprach der Vogt - sei mir treu! ich bin dir Mann, wo es die Not erheischt.

Da gingen die Nachbarn fort. Der Morgen aber war schon nahe –

Und Hummel wälzte sich noch eine Stunde auf seinem Lager, staunte, sann auf Rache, knirschte oft im wilden Schlummer mit den Zähnen, und stampfte mit seinen Füßen - bis der helle Tag ihn aus dem Bette trieb.

Er beschloß jetzt noch einmal Lienharden zu sehen, sich zu überwinden und ihm zu sagen, daß er ihn Arnern zum Kirchbau empfohlen hätte. Er raffte alle seine Kräfte zum Heucheln zusammen, und ging zu ihm hin.

Gertrud und Lienhard hatten diese Nacht sanfter geruht, als es ihnen seit langem nicht geschehn war. Und sie beteten am heiteren Morgen um den Segen dieses Tages. Sie hofften auf die nahe Hilfe vom Vater Arner. Diese Hoffnung breitete Seelenruhe und ungewohnte wonnevolle Heiterkeit über sie aus. So fand sie Hummel. Er sah's - und es ging dem Satan ans Herz, daß sein Zorn noch mehr entbrannte; aber er war seiner selbst mächtig, wünschete ihnen freundlich einen guten Morgen, und sagte: Lienhard! wir waren gestern unfreundlich gegeneinander; das muß nicht so sein. Ich habe dir etwas Gutes zu sagen. Ich kam eben vom Gnädigen Herrn; er redete vom Kirchbau, und fragte auch dir nach. Ich sagte, daß du den Bau wohl machen könntest; und ich denke, er werde ihn dir geben. Sieh, so kann man einander dienen, - man muß sich nie so leicht aufbringen lassen.

Lienhard: Er soll ja den Bau dem Schloßmaurer verdungen haben, das hast du längst an der Gemeind gesagt. Hummel: Ich hab's geglaubt, aber es ist nicht; der Schloßmaurer hat nur ein Kostenverzeichnis gemacht, und du kannst leicht denken, er habe sich selber nicht vergessen. Wenn du ihn nach diesem Überschlag erhaltest, so verdienest du Geld wie Laub. - Lienert - da siehst du jetzt, ob ich's gut mit dir meine –

Der Maurer war von der Hoffnung des Baus übernommen und dankte ihm herzlich.

Aber Gertrud sah, wie der Vogt vom erstickten Zorn blaß war - und wie hinter seinem Lächeln verbissener Grimm verborgen lag; und sie freuete sich gar nicht. Indessen ging der Vogt weg, und im Gehen sagte er noch: Innert einer Stunde wird Arner kommen, und Lienhards Lise, die an der Seite ihres Vaters stand, sagte zum Vogt: wir wissens schon seit gestern. Hummel erschrak zwar ob diesem Wort, aber er tat doch nicht als ob er's hörte –

Und Gertrud, die wohl sah, daß der Vogt dem Geld, so beim Kirchbau zu verdienen wäre, auflauerte, war hierüber sehr unruhig.

5.

Er findet seinen Meister.

Indessen kam Arner auf den Kirchhof; und viel Volk aus dem Dorfe sammelte sich um ihn her - den guten Herrn zu sehen.

Seid ihr so müßig, oder ist's Feiertag, daß ihr alle so Zeit habt, hier herumzuschwärmen? sagte der Vogt zu einigen, die ihm zu nahe standen; denn er verhütete immer, daß niemand vernehme, was er für Befehle erhielte –

Aber Arner bemerkte es, und sagt laut: Vogt! Ich habe es gern, daß meine Kinder auf dem Kirchhof bleiben, und selbst hören, wie ich es mit dem Bau haben will; warum jagst du sie fort?

Tief bis an die Erde krümmte sich Hummel, und rief den Nachbarn alsobald laut; kommt doch wieder zurück, ihr Gnaden mag euch wohl dulden –

Arner: Hast du die Schätzung vom Kirchbau gesehen? Vogt: Ja, Gnädiger Herr!

Arner: Glaubst du, Lienhard könne den Bau um diesen Preis gut und dauerhaft machen?

Ja, Gnädiger Herr! antwortete der Vogt laut; und sehr leise setzte er hinzu, ich denke, da er im Dorfe wohnt - könnte er es vielleicht noch etwas weniger wohlfeiler übernehmen. Arner aber antwortete ganz laut. So viel ich dem Schloßmaurer hätte geben müssen, so viel gebe ich auch diesem. Laß ihn rufen, und sorge, daß alles, was aus dem Wald und aus den Magazinen dem Schloßmaurer zukommen sollte, auch diesem ausgeliefert werde.

Lienhard war eben wenige Minuten ehe Arner ihn rufen ließe, ins obere Dorf gegangen; und Gertrud entschloß sich alsobald mit dem Boten selbst auf den Kirchhof zu gehn, und Arnern ihre Sorgen zu entdecken.

Als aber der Vogt Gertrud und nicht Lienhard mit dem Boten zurück kommen sah, wurde er todblaß - Arner bemerkt es und fragte ihn; wo fehlt's Herr Untervogt –

Vogt: Nichts, Gnädiger Herr! gar nichts, doch ich habe diese Nacht nicht wohl geschlafen –

Man sah dir fast so was an, sagte Arner, und sah ihm steif in die roten Augen, kehrte sich denn zu Gertrud, grüßte sie freundlich, und sagte: Ist dein Mann nicht da? doch es ist gleichviel, du mußt ihm nur sagen, daß er zu mir komme. Ich will ihm diesen Kirchenbau anvertrauen –

Gertrud stand eine Weile sprachlos da, und durfte vor so viel Volk fast nicht reden.

Arner: Warum redest du nicht, Gertrud? Ich will deinem Mann den Bau so geben, wie ihn der Schloßmaurer würde übernommen haben. Das sollte dich freuen, Gertrud –

Gertrud hatte sich wieder erholt - und sagte jetzt: Gnädiger Herr! die Kirche ist so nahe am Wirtshaus –

Alles Volk fing an zu lachen - und da die meisten ihr Lachen vor dem Vogt verbergen wollten, kehrten sie sich von ihm weg gerade gegen Arner.

Der Vogt aber, der wohl sah, daß dieser alles bemerkt hätte, stand jetzt entrüstet auf, stellte sich gegen Gertrud und sprach: Was hast du gegen mein Wirtshaus?

Schnell aber unterbrach Arner den Vogt und sagte; geht diese Rede dich an, Untervogt! daß du darein redest? Dann wandte er sich wieder zu Gertrud und sagte: Was ist das? Warum steht dir die Kirche zu nahe am Wirtshaus?

Gertrud: Gnädiger Herr! Mein Mann ist beim Wein leicht zu verführen, und wenn er täglich so nahe am Wirtshaus arbeiten muß; ach Gott! ach Gott! ich fürchte, er halte die Versuchung nicht aus.

Arner: Kann er denn das Wirtshaus nicht meiden, wenn's ihm so gefährlich ist?

Gertrud: Gnädiger Herr! Bei der heißen Arbeit dürstet man oft, und wenn denn immer Saufgesellschaft vor seinen Augen auf jede Art mit Freundlichkeit und mit Spotten, mit Weinkäufen und mit Wetten ihn zulocken wird; ach Gott! ach Gott! wie wird er's aushalten können. Und wenn er denn nur ein wenig wieder Neues schuldig wird so ist er wieder angebunden. Gnädiger Herr! Wenn Sie doch wüßten, wie ein einziger Abend in solchen Häusern arme Leute ins Joch und in Schlingen bringen kann, wo es fast unmöglich ist, sich wieder heraus zu wickeln.

Arner: Ich weiß es, Gertrud - und ich bin entrüstet über das, was du mir gestern sagest; da vor deinen Augen und vor allem Volk will ich dir zeigen, daß ich arme Leute nicht will drücken und drängen lassen.

Sogleich wandte er sich gegen dem Vogt, und sagte ihm mit einer Stimme voll Ernst und mit einem Blicke, der durch Mark und Beine drang,;

Vogt! ist's wahr, daß die armen Leute in deinem Hause gedrängt, verführt, und vervorteilt werden?

Betäubt und blaß, wie der Tod, antwortete der Vogt; in meinem Leben, Gnädiger Herr! ist mir nie so etwas begegnet; und so lang ich lebe und Vogt bin, sagt er, wischt den Schweiß von der Stirne - hustet - räuspert - fängt wieder an - Es ist erschrecklich –

Arner: Du bist unruhig, Vogt! Die Frage ist einfältig. Ist's wahr, daß du arme Leute drängest, in Verwirrungen bringest, und ihnen in deinem Wirtshause Fallstricke legest, die ihre Haushaltungen unglücklich machen?

Vogt: Nein, gewiß nicht, Gnädiger Herr! Das ist der Lohn, wenn man Lumpenleuten dient; ich hätte es vorher denken sollen. Man hat allemal einen solchen Dank, anstatt der Bezahlung.

Arner: Mache dir vor die Bezahlung keine Sorge; es ist nur die Frage, ob dieses Weib lüge.

Vogt: Ja gewiß, Gnädiger Herr! ich will es tausendfach beweisen.

Arner: Es ist genug am einfachen, Vogt! Aber nimm dich in acht. Du sagtest gestern, Gertrud sei eine brave, stille, arbeitsame Frau und gar keine Schwätzerin.

Ich weiß nicht - ich - - - ich - - - besinne - - - Sie haben mich - - -ich habe sie - - - ich habe sie - - dafür angesehen - sagte der keichende Vogt –

Arner: Du bist auf eine Art unruhig, Vogt! daß man jetzt nicht mit dir reden kann; es ist am besten, ich erkundige mich gerade da bei diesen da stehenden Nachbarn. Und sogleich wandte er sich zu zwei alten Männern, die still und aufmerksam und ernsthaft da standen, und sagte ihnen: Ist's wahr, liebe Nachbarn! Werden die Leute in eurem Wirtshaus so zum Bösen verführt und gedrückt? Die Männer sahen sich einer den anderen an, und durften nicht reden.

Aber Arner ermunterte sie liebreich. Fürchtet euch nicht. Sagt mir gerade zu die reine Wahrheit.

Es ist mehr als zu wahr, Gnädiger Herr! aber was wollen wir arme Leute gegen den Vogt klagen? sagte endlich der ältere, doch so leise, daß es nur Arner verstehn konnte.

Es ist genug, alter Mann! sagte Arner, und wandte sich denn wieder zum Vogt.

Ich bin eigentlich jetzt nicht da, um diese Klage zu untersuchen; aber gewiß ist es, daß ich meine Armen vor aller Bedrückung will sicher haben, und schon längst dachte ich, daß kein Vogt Wirt sein sollte. Ich will aber das bis Montag verschieben - Gertrud! sage deinem Mann, daß er zu mir komme, und sei du wegen den Wirtshausgefahren seinethalben jetzt nur ruhig.

Da nahm Arner noch einige Geschäfte vor, und als er sie vollendet hatte, ging er noch in den nahen Wald - und es war spät, da er heim fuhr - Auch der Vogt, der ihm in den Wald folgen mußte, kam erst des Nachts wieder heim in sein Dorf.

Als dieser jetzt seinem Hause nahe war, und nur kein Licht in seiner Stube sah, auch keine Menschenstimme darin hörte, ahndete ihm Böses; denn sonst war alle Abende das Haus voll - und alle Fenster von den Lichtern, die auf allen Tischen standen, erheitert, und das Gelärm der Saufenden tönte in der Stille der Nacht immer, daß man's zu unterst an der Gasse noch hörte, obgleich die Gasse lang ist, und des Vogts Haus zu oberst daran steht.

Über dieser ungewöhnlichen Stille war der Vogt sehr erschrocken. Er öffnete mit wilder Ungestümheit die Türe, und sagte: Was ist das? was ist das? daß kein Mensch hier ist. Sein Weib heulete in einem Winkel. Oh Mann! bist du wieder da. Mein Gott! was ist vor ein Unglück begegnet! Es ist ein Jubilieren im Dorf von deinen Feinden, und kein Mensch wagt mehr auch nur ein Glas Wein bei uns zu trinken. Alles sagt, du seist aus dem Wald nach Arnburg geführt worden.

Wie ein gefangenes wildes Schwein in seinen Stricken schnaubet, seinen Rachen öffnet, seine Augen rollt, und Wut grunzet; so wütete jetzt Hummel, stampfte und tobte, sann auf Rache gegen Arner, und rasete, über den Edlen. Denn redete er mit sich selbst: So kommt das Land um seine Rechte. Er will mir das Wirtsrecht rauben, und den Schild in der Herrschaft allein aushängen. Bei Mannsgedenken haben alle Vögte gewirtet. Alle Händel gingen durch unsere Hände. Dieser läuft jetzt allenthalben selbst nach, und frägelt jeden Floh aus, wie ein Dorfschulmeister. Daher trotzet jetzt jeder Bub einem Gerichtsmann und sagt daß er selbst mit Arner reden könne. So kommt das Gericht um alles Ansehen und wir sitzen und schweigen, wie andere Schurken, da er so an uns alle alte Landesrechte kränkt und beugt.

So verdrehte der alte Schelm die guten und weisen Taten des edlen Herrn bei sich selbst, schnaubte und sann auf Rache, bis er entschlief.

6.

Wahrhafte Bauerngespräche.

Am Morgen aber war er frühe auf, und sang und pfiff unter dem Fenster, auf daß man glaube, er sei wegen dem, so gestern vorgefallen war, ganz unbesorgt.

Aber Fritz, sein Nachbar, rief ihm über die Gasse: Hast du schon so frühe Gäste, daß es so lustig geht? und lächelte bei sich selbst.

Sie werden schon kommen, Fritz! - Hopsasa und Heisasa, Zwetschgen sind nicht Feigen, sagt der Vogt, streckt das Brandtsglas zum Fenster hinaus, und ruft: Willst eins Bescheid tun, Fritz?

Es ist mir noch zu früh, antwortete Fritz, ich will warten, bis mehr Gesellschaft da ist.

Du bist immer der alte Schalk, sagte der Vogt; aber glaub's, der gestrige Spaß wird nicht so übel ausschlagen. Es fliegt kein Vögelein so hoch, es läßt sich wieder nieder.

Ich weiß nicht, antwortete Fritz. Der Vogel, den ich meine, hat sich lange nicht herunter gelassen. Aber wir reden vielleicht nicht vom gleichen Vogel. Willst's mithalten, Vogt! man ruft zur Morgensuppe, und hiermit schob Fritz das Fenster zu. Das ist kurz abgebunden, murrete der Vogt bei sich selbst, und schüttelte den Kopf, daß Haar und Backen zitterten.

Ich werde, denk' ich, des Teufels Arbeit haben, bis das gestrige Henkerszeug den Leuten allen wieder aus dem Kopf sein wird,; So sagt er zu sich selber, schenkt sich ein - trinkt - sagt denn wieder - Mut gefaßt! Kommt Zeit! Kommt Rat!

Heute ist's Samstag, die Kälber lassen sich scheren, ich gehe ins Barthaus, da gibt sich um ein Glas Wein eins nach dem anderen. Die Bauern glauben mir immer eher zehen, als dem Pfarrer ein halbes.

So sagt der Vogt zu sich selber, und dann zur Frau: Füll mir die Saublatter mit Tabak; - aber nicht von meinem, nur vom Stinker, er ist gut für die Pursche. Und wenn des Scherers Bub Wein holt, so gib ihm vom dreimal geschwefelten, und tue in jede Maß ein halb Glas Brendts.

Er ging fort. Aber auf der Gasse, noch nahe beim Hause, besann er sich wieder, kehrte zurück und sagte der Frau; es könnten Schelme mitsaufen. Ich muß mich in acht nehmen. Schick mir vom gelbgesottenen Wasser, wenn ich La Côte *) fordern lasse, und bring das selber. Drauf ging er wieder fort.

Aber ehe er noch im Barthaus war, unter der Linde beim Schulhaus, trifft er Nickel Spitz und Jogli Rubel an. Wohinaus so im Sonnabend-Habit, Herr Untervogt! fragte Nickel Spitz - Vogt: Ich muß den Bart herunter haben –

Nickel: Das ist sonderbar, daß du am Samstagmorgen schon Zeit hast –

Vogt: Es ist wahr, es ist nicht so das Jahr durch –

Nickel: Nein. Einmal seit langem kamst du immer Sonntags zwischen der Morgenpredigt zum Scherer.

Vogt: Ja; ein paar mal.

Nickel: Ja - ein paar Mal, die letzten. Da der Pfarrer dir deinen Hund aus der Kirche jagen ließ, seitdem kamst du ihm nicht viel mehr ins Gehege.

Vogt: Du bist ein Narr, Nickel, daß du so was reden magst. Man muß essen und vergessen. Die Hundsjagd ist mir längst aus dem Kopf.

Nickel: Ich möchte mich nicht drauf verlassen, wenn ich Pfarrer wäre.

Vogt: Du bist nicht klug, Nickel. Warum das nicht? Aber kommt in die Stube, es gibt wohl etwa einen Weinkauf oder sonst kurze Zeit –

Nickel: Du würdest dem Scherer aufwarten, wenn er in seinem Haus einen Weinkauf trinken ließe *)

Vogt: Ich bin nicht halb so eigennützig. Man will mir ja das Wirtschaftsrecht ganz nehmen. Aber, Nickel! wir sind noch nicht da; der, den ich meine, hat noch aufs wenigste sechs Wochen und drei Tage Arbeit, eh er's bekommt –

Nickel: Ich glaub' es selbst. Doch ist's immer nicht die beste Ordnung für dich, daß der junge Herr seines Großvaters Glauben changiert hat.

Vogt: Ja, er hat einmal nicht völlig des Großvaters Glauben.

Nickel: Ich traue fast, er sei in keinem Punkt und in keinem Artikel von allen Zwölfen mit dem Alten des gleichen Glaubens.

Vogt: Es kann sein. Aber der Alte war mir in seinem Glauben ein anderer Mann.

Nickel: Ich denk's wohl. Der erste Artikel seines Glaubens hieß: Ich glaube an dich, meinen Vogt –

Vogt: Das ist lustig. Aber wie hieß denn der andere?

Nickel: Was weiß ich grad jetzt. Ich denk, er hieß: Ich glaub' außer dir, meinem Vogt, keinem Menschen kein Wort.

Vogt: Du solltest Pfarrer werden, Nickel, du würdest den Katechismus nicht bloß erklären; du würdest noch einen aufsetzen.

Nickel: Das würde man mir wohl nicht zulassen. Tät ich's, ich würde ihn machen so deutsch und so klar, daß ihn die Kinder ohne den Pfarrer verstünden; und denn würde er ja natürlich nichts nütze sein.

Vogt: Wir wollen beim Alten bleiben, Nickel! Es ist mir mit dem Katechismus wie mit etwas anderem. Es kommt nie nichts besseres hinten nach.

Nickel: Das ist so ein Sprichwort, das manchmal wahr ist, und manchmal nicht. Für dich, scheint's, trifft's diesmal ein mit dem neuen Junker –

Vogt: Es wird erst für andere nachkommen; wenn ihr ordentlich wartet. Und für mich fürchte ich mich nicht so übel vor diesem neuen Herrn. Es findet jeder seinen Meister.

Nickel: Das ist wahr. Doch ist deine alte Zeit mit dem vorigen Sommer *) unter dem Boden –

Vogt: Nickel! Ich habe sie doch einmal gehabt; suche sie ein anderer jetzt auch.

Nickel: Das ist wahr, du hast sie gehabt, und sie war recht gut. Aber wie hätt's können fehlen; der Schreiber, der Weibel und der Vicari waren dir schuldig.

Vogt: Man redete mir das nach; aber es war drum nicht wahr.

Nickel: Du magst jetzt auch das sagen; du hattest ja mit ein Paaren öffentlich Händel, daß das Geld nicht wieder zurück kommen wollte.

Vogt: Du Narr, du weißt auch gar noch alles!

Nickel: Noch viel mehr, als das, weiß ich noch. Ich weiß noch, wie du mit des Rudis Vater gedrölt - und wie ich dich da neben dem Hundstall unter den Strohwellen auf dem Bauch liegend vor des Rudis Fenstern antraf. Sein Anwalt war eben bei ihm; bis um zwei Uhr am Morgen horchtest du auf deinem Bauch, was in der Stube geredet wurde. Ich hatte eben die Nachtwache - und eine ganze Woche war mir der Wein frei bei dir, daß ich schwiege.

Vogt: Du bist ein Ketzer; daß du das sagst, es ist kein Wort wahr, und du würdest schön stehen, wenn du's beweisen müßtest.

Nickel: Vom beweisen ist jetzt nicht die Rede, aber ob's wahr sei, weißt du wohl.

Vogt: Es ist gut, daß du's einsteckst**) –

Nickel: Der Teufel gab dir das in Sinn, unter dem Stroh in tiefer Nacht zu horchen; du hörtest alle Worte, und hattest da gut mit dem Schreiber deine eigene Aussage zu verdrehen.

Vogt: Was du auch redest?

Nickel: Was ich auch rede? Hätte der Schreiber nicht vor der Audienz deine Aussage verändert, so hätte der Rudi seine Matte noch, und der Wüst und der Keibacher hätten den schönen Eid nicht tun müssen.

Vogt: Ja - Du verstehest den Handel wie der Schulmeister Hebräisch.

Nickel: Wenn ich ihn nicht verstünde, ich hätte ihn von dir gelernt. Mehr als zwanzigmal lachtest du mit mir ob deinem gehorsamen Diener dem Herrn Schreiber.

Vogt: Ja! das wohl; aber das, was du sagst, tat er doch nicht. Sonst ist's wahr: er war ein schlauer Teufel. Tröst Gott seine Seele - es wird nun zehn Jahr auf Michaelis, seitdem er unter dem Boden ist.

Nickel: Seitdem er hinabgefahren ist zur Höllen - wolltest du sagen.

Vogt: Das ist nicht recht. Von den Toten unter dem Boden muß man nichts Böses sagen.

Nickel: Du hast recht - sonst würde ich erzählen, wie er bei Nöppis Kindern geschrieben hat.

Vogt: Er wird dir auf dem Todbett gebeichtet haben! daß du alles so wohl weißt.

Nickel: Einmal weiß ich's.

Vogt: Das beste ist, daß ich den Handel gewonnen habe, wenn du wüßtest, daß ich den Handel verloren hätte, denn wär's mir leid.

Nickel: Nein! ich weiß wohl, daß du den Handel gewonnen hast; aber auch wie!

Vogt: Vielleicht, vielleicht nicht.

Nickel: Behüte Gott alle Menschen, die arm sind vor der Feder.

Vogt: Du hast recht. Es sollten nur Ehrenleute und wohlhabende Männer schreiben dürfen, vor Audienz. Das wär gewiß gut; aber es wäre noch mehr gut, Nickel! Was machen? man muß eben mit allem zufrieden sein, wie es ist.

Nickel: Vogt; dein weiser Spruch da mahnet mich an eine Fabel die ich von einem Pilgrim hörte. Es war einer aus dem Elsaß. Er erzählte vor einem ganzen Tisch Leute: Es habe ein Einsiedler in einem Fabelbuch die ganze Welt abgemalt, und er könne das Buch fast auswendig. Da baten wir ihn, er solle uns auch eine von diesen Fabeln erzählen, und da erzählte er uns eben die, an die du mich mahnest.

Vogt: Nun was ist sie denn, du Plauderer? –

Nickel: Sie heißt - ich kann sie zum Glück noch - "Es klagte und jammerte das Schaf, daß der Wolf, der Fuchs, der Hund und der Metzger es so schrecklich quälten - Ein Fuchs, der eben vor dem Stall stand, hörte die Klage - und sagte zum Schaf: Man muß immer zufrieden sein mit der weisen Ordnung, die in der Welt ist - wenn es anders wäre - so würde es gewiß noch schlimmer sein.

Das läßt sich hören, antwortete das Schaf, wenn der Stall zu ist - aber wenn er offen wäre - so würde es denn doch auch keine Wahrheit für mich sein.

Es ist freilich gut, daß Wölfe, Füchse und Raubtiere da sein - aber es ist auch gut, daß man die Schafställe ordentlich zumache - und daß die guten schwachen Tiere gute Hirten und Schutzhunde haben, gegen die Raubtiere.

Behüte mir Gott meine Hütte, setzte der Pilger hinzu. Es gibt eben allenthalben viel Raubtiere und wenig gute Hirten *) - Heiliger Gott! du weißest, warum es so ist; wir müssen schweigen. Seine Kameraden setzten hinzu: Ja wir müssen wohl schweigen - und denn - Heilige Mutter Gottes! bitte für uns jetzt und in der Stunde unseres Absterbens, Amen." Es rührete uns alle, wie die Pilger so herzlich redeten, und wir konnten einmal jetzt nicht den Narren treiben, wie sonst ob ihrem Heilige Mutter Gottes bitte für uns.

Vogt: Ja das Hl. Mutter Gottes gehört auch zu einer so herzlichen Schafsmeinung, nach welcher aber Wölfe und Füchse und alle Tiere von der Art Hunger krepieren müßten –

Nickel: Es wäre eben auch kein Schade –

Vogt: Weißt du das so gewiß? –

Nickel: Nein. Ich bin ein Narr - sie müßten nicht Hunger krepieren; sie würden noch immer Aase und Gewild finden, und das gehört ihnen, und nicht zahmes Vieh - das mit Mühe und Kosten erzogen und gehütet werden muß.

Vogt: So ließest du sie doch auch nicht ganz Hunger krepieren, das ist noch viel für einen Freund der zahmen Tiere. Aber es friert mich; komm in die Stube.

Nickel: Ich kann nicht; ich muß weiters.

Vogt: Nun so behüt euch Gott, Nachbarn! Auf Wiedersehen - (Er geht ab

Rubel und Nickel stehen noch eine Weile, und Rubel sagt zum Nickel: Du hast ihm Gesalzenes aufgestellt.

Nickel: Ich wollte, es wäre noch dazu gepfeffert gewesen, daß es ihn bis morgen auf der Zunge brennte.

Rubel. Du würdest vor acht Tagen nicht so mit ihm geredet haben.

Nickel: Und er würde vor acht Tagen nicht also geantwortet haben -

Rubel. Das ist auch wahr. Er ist zahm geworden wie mein Hund, als er das erstemal das Nasband trug.

Nickel: Wann die Maß voll ist, so überläuft sie - das war noch immer bei einem jeden wahr, und wird es auch beim Vogt werden -

Rubel. Behüte Gott einen vor Ämtern; ich möchte nicht Vogt sein mit seinen zwei Höfen - Nickel: Aber wenn dir jemand einen halben anböte und den Vogtsdienst dazu, was würdest du machen?

Rubel. Du Narr! -

Nickel: Du Gescheiter! was würdest du machen? Gelt, du würdest dem, der dir ihn anböte, geschwind einschlagen, das Tuch mit den zwei Farben um dich wickeln, und denn Vogt sein -

Rubel. Meinst du's so? -

Nickel: Ja ich mein's so -

Rub el. Wir schwätzen die Zeit weg - B'hüte Gott, Nickel -

Nickel: B'hüte Gott, Rubel -

7.

Er fängt eine Vogtsarbeit an.

Da der Vogt jetzt in die Scherstube kam - grüßte er den Scherer und die Frau und die Nachbarn - ohne Husten und ehe er sich setzte. Sonst hustete und räusperte er sich allemal vorher, und warf denn sein Gott grüß euch erst dar, wenn er ausgespien und sich gesetzt hatte –

Die Bauern antworteten mit Lächeln, und setzten ihre Kappen viel schneller wieder auf den Kopf, als sie sonst taten, wenn der Herr Untervogt sie gegrüßt hatte. Er aber fing alsobald das Gespräch an.

Immer gute Losung, Meister Scherer! sag er; und so viel Arbeit, daß mich wundert, wie ihr das alles nur so mit zwei Händen machen könnt.

Der Scherer war sonst ein stiller Mann, der auf solche Worte nicht gern antwortete. Aber der Vogt hatte ihn jetzt etliche Monate hintereinander und das allemal am Sonntag am Morgen zwischen der Predigt mit solchen Stichelreden verdrießlich gemacht; und wie's denn geht, er wollte einmal jetzt auch antworten, und sagte:

Herr Untervogt! Es sollte euch nicht wundern, wie man mit zwei Händen viel arbeiten und doch wenig verdienen könne. Aber wie man mit beiden Händen nichts tun, und dabei viel Geld verdienen könne: das sollte euch wundern. Vogt: Ja, das ist wahr, Scherer! Du solltest es auch probieren. Die Kunst ist - Man legt die Hände auf eine Art und Gattung zusammen, wie's recht ist - Denn regnet es Geld zum Dach hinein –

Der Scherer wagte noch eins und sagte: Nein, Vogt, man wickelt sie wohl unter den zweifarbigten Mantel, und sagt die drei Worte: Es ist so, bei meinem Eid es ist so - und bei gutem Anlaß streckt man kräftig drei Finger hinauf, zwei hinab - abrakadabra - und die Säcke strotzen von Geld –

Das machte den Vogt toll, und er antwortete: Du könntest zaubern, Scherer! Aber das ist nicht anders. Leute von deinem Handwerk müssen notwendig auch Zauber- und Henkerskünste verstehen.

Das war jetzt freilich dem guten Scherer zu rund, und es hat ihn übel gereuet, daß er sich mit dem Vog eingelassen. Er schwieg auch, ließ den anderen reden, und seifte mausstill den Mann ein, der ihm saß.

Der Vogt aber fuhr tüchtig fort, und sagte: Der Scherer ist ein ausgemachter Herr! er darf unsereinem wohl nicht antworten. Er trägt ja Spitzhosen - Stadtschuhe - und am Sonntag Manschetten. Er hat Hände so zart, wie ein Junker - und Waden, wie ein Stadtschreiber.

Die Bauern liebten den Scherer, hatten das auch schon gehört - und lachten nicht über des Vogts Witz. Nur der junge Galli, der eben saß, mußte über die Stadtschreiberwaden lachen; denn er kam eben aus der Kanzlei, wo der Spaß mit den Waden just eintraf. Aber der Scherer, dem er sich unter dem Messer bewege, schnitt ihn in die obere Lippe.

Das machte die Bauern unwillig, daß alle die Köpfe schüttelten. Und der alte Uli nahm die Tabakspfeife aus dem Munde, und sagte;

Vogt! es ist gar nicht recht, daß du da dem Scherer Molest machst.

Und da die anderen sahen, daß der alte Uli sich nicht scheute, und das laut sagte, murrten sie auch lauter, und sagten; Der Galli blutet! Ja wir können so dem Scherer nicht ansitzen.

Es ist mir leid, sagte der Vogt, ich will den Schaden wieder gutmachen.

Bub! hol drei Flaschen Wein vom guten, der heilt Wunden, ohne daß man ihn warm macht.

Sobald der Vogt vom Wein redete, verlor sich das ernste Murren der Bauern. Einige trauten zwar nicht, daß es Ernst gelte.

Aber Lenk, der in einer Ecke saß, löste ihnen das Rätsel auf, und sagte:

Des Vogts Wein hat gestern auf dem Kirchhof so abgeschlagen. Der Vogt aber nahm jetzt seinen Säckel voll Tabak, und legte ihn auf den Tisch.

Und Christen, der Ständlisänger *) , forderte ihm zuerst eine Pfeife voll ab.

Er gab sie. Da standen immer mehrere herbei; und die Stube war bald voll Rauch vom Stinktabak. Der Vogt aber rauchte vom besseren.

Indessen waren der Scherer und die Nachbarn immer noch still, und machten gar nicht viel Wesens. Das schien dem Meister Urias nicht gut. Er ging die Stube hinauf und hinunter, und drehte den Zeigefinger über die Nase, wie er es immer macht, wenn ihm sein Krummes nicht grad gehen will. Es ist verteufelt kalt in der Stube, so in der Kälte richte ich nichts aus, sagte er zu sich selber, geht aus der Stube, gibt der Magd einen Kreuzer, daß sie stärker einheize; und es war bald warm in der Stube –

8.

Wenn man die Räder schmiert, so geht der Wagen.

Indessen kommt der geschwefelte Wein. Gläser, Gläser her, Meister Scherer; ruft der Vogt. Und Frau und Junge bringen bald Gläser's genug.

Die Nachbarn nähern sich sämtlich den Weinkrügen, und der Vogt schenkt ihnen ein.

Jetzt sind der alte Uli und alle Nachbarn wieder zufrieden. Und des jungen Gallis Wunde ist ja nicht der Rede wert. Wäre der Narr nur still gesessen, so würde ihn der Scherer nicht geschnitten haben.

Nach und nach geht jetzt einem jeden das Maul auf, und lautes Saufgewühl erhebt sich.

Alles lobt wieder den Vogt, und der Maurer Lienhard ist jetzt am vorderen Tisch ein Schlingel, und am hinteren ein Bettler. Da erzählt der eine, wie er sich alle Tage vollsoff, und jetzt den Heiligen mache, und der andere, wie er wohl merke, warum die schöne Gertrud, und nicht der Maurer, zum jungen Herrn ins Schloß gegangen sei; und wieder ein anderer, wie ihm diese Nacht von der Nase geträumt habe, die der Vogt dem Maurer nach Verdienen bald drehen werde.

Wie ein garstiger Vogel den Schnabel in Sumpf steckt, und sich von fäulendem Kot nährt, so labete Hummel bei dem Gerede der Nachbarn sein arges Herz.

Doch mischet' er sich sehr bedachtsam und ernsthaft in das verworrene Gewühl dieser Säufer und Schwätzer.

Nachbar Richter! sagt er und reicht ihm das Glas dar, das er annimmt: Ihr waret ja selber bei der letzten Rechnung, und noch ein beeidigter Mann. Ihr wisset, daß mir damals der Maurer dreißig Gulden schuldig geblieben ist. Nun ist's schon ein halbes Jahr; und er hat mir noch keinen Heller bezahlt. - Ich habe auch ihm das Geld nicht einmal gefordert, und ihm kein böses Wort gegeben, und doch kann es leicht kommen, ich verliere die Schuld bis auf den letzten Heller. Das versteht sich, schwuren die Bauern. Du wirst keinen Heller mehr von deinem Geld sehen, und schenkten sich ein. Der Vogt aber nahm aus seinem Sackkalender die Handschrift des Maurers, legte sie auf den Tisch, und sagte; da könnet ihr sehen, ob's wahr ist.

Die Bauern beguckten die Handschrift, als ob sie lesen konnten, und sprachen: Das ist ein Schurke, der Maurer. Und Christen, der Ständlisänger, der bis jetzt viel und stillschweigend heruntergeschluckt hatte, wischt mit dem Rockärmel das Maul ab, steht auf, hebt sein Glas in die Höhe, und ruft:.

Es lebe der Herr Untervogt! und alle Kalfakter müssen verrecken, so ruft er, trinkt aus, hebt das Glas wieder dem dar, der einschenkt, trinkt wieder aus, und singt:

"Der, der dem andern Gruben gräbt, "Der, der dem andern Stricke legt, "Und wär er wie der Teufel fein,; "Und wär er noch so hoch am Brett, "Er fällt, wie man zu sagen pflegt - "Am Ende selbst in Dr.. hinein - "In Dr.. hinein - " Juhe, "Maurer! "Juhe -

9.

Von den Rechten im Land.

Nicht so lärmend, Christen! sagte der Vogt; das nützt nichts. Es wäre mir leid, wenn dem Maurer ein Unglück begegnete. Ich verzeihe es ihm gerne. Er hat's aus Armut getan. Aber das ist schlimm, daß keine Rechte mehr im Land sicher sind, Die Nachbarn horchten steif, als er von den Rechten im Land redete. Etliche stellten sogar die Gläser beiseits, da sie von den Rechten im Land höreten, und horchten.

Ich bin ein alter Mann, Nachbarn! und mir kann nicht viel dran liegen. Ich habe keine Kinder, und mit mir ist's aus. Aber ihr habt Jungens - Nachbarn! Euch muß an euern Rechten viel gelegen sein.

Ja. Unsere Rechte! riefen die Bauern. Ihr seid unser Vogt. Vergebt kein Haar von unsern Rechten.

Vogt: Ja, Nachbarn! Es ist mit dem Wirtsrecht eine Gemeindsache, und ein teures Recht um das Wirtsrecht; wir müssen uns wehren.

Etliche wenige Bauern schüttelten die Köpfe, und sagten einander leise ins Ohr:

Er hat der Gemeind nie nichts nachgefragt. Jetzt will er die Gemeind in den Kot hinein ziehen, in dem er steckt. Aber die mehreren lärmten immer stärker, stürmten und schwuren und fluchten, daß ihnen grad übermorgen Gemeind sein müsse.

Die Verständigeren schwiegen, und sagten nur ganz still untereinander: Wir wollen denn sehen, wenn ihnen der Wein aus dem Kopf sein wird.

Indessen trank der Vogt bedächtlich immer von seinem gesottenen Wasser, und fuhr fort, die erhitzten Nachbarn wegen ihren Landesrechten in Sorgen zu setzen.

Ihr wißt alle, sagt' er zu ihnen, wie unser Altvater Rüppli vor zweihundert Jahren mit dem grausamen Ahnherrn dieses Junkers zu kämpfen hatte –

Dieser alte Rüppli *) (mein Großvater hat es mir tausendmal erzählt) hatte zu seinem liebsten Sprichwort - Wenn die Junker den Bettlern im Dorf höfeln, (gute Worte geben) so helf Gott den Bauern. Sie tun das nur, damit sie die Bauern entzweien, und denn allein Meister sein. Nachbarn! wir müssen immer nur die Narren im Spiel sein.

Bauern: Nichts ist gewisser. Wir müssen immer nur die Narren im Spiel sein.

Vogt: Ja, Nachbarn! Wenn eure Gerichtsmänner nichts mehr zu bedeuten haben, dann habet ihr's gerade wie die Soldaten, denen der Hinderhut abgeschnitten ist. Der neue Junker ist fein und listig wie der Teufel. Es sähe ihm's kein Mensch an, und gewiß gibt er ohne gute Gründe keinem Menschen kein gutes Wort. Wenn ihr nur das Halbe wüßtet, was ich, ich würde denn nicht nötig haben zu reden. Aber ihr seid doch auch nicht Stocknarren. Ihr werdet wohl etwas merken, und auf eurer Hut sein.

Aebi, mit dem es der Vogt abgeredet, und dem er ein Zeichen gegeben hatte, antwortete ihm:Meinst du, Vogt! wir merken den Griff nicht. Er will das Wirtsrecht ins Schloß ziehen.

Vogt: Merkt ihr etwas. Bauern: Ja, bei Gott. Aber wir leiden es nicht. Unsere Kinder sollen ein Wirtshaus haben, das frei ist, wie wir's jetzt haben.

Aebi: Er könnt uns im Schloß die Maß Wein für einen Dukaten verkaufen. Und wir würden Schelmen an unsern Kindern sein.

Vogt: Das ist auch zu viel geredet, Aebi! Auf einen Dukaten kann er die Maß Wein doch nicht bringen.

Aebi: Ja, ja. Schmied und Wagner schlagen auf, daß es ein Grausen ist, und selber das Holz ist zehnmal teurer als vor fünfzig Jahren. Was kannst du sagen, Vogt, so wie alles im Zwang ist, muß alles so steigen. Was kannst du sagen, wie hoch die Maß Wein noch kommen könnte, wenn das Schloß allein ausschenken dürfte. Er ist jetzt schon teufelsteuer wegen dem Umgeld.

Vogt: Es ist so; es ist in allem immer mehr Zwang und Hindernis, und das verteuert alles. –

Ja, ja, wenn wir's leiden, sagten die Bauern, lärmten, soffen und drohten. Das Gespräch wurd endlich wildes Gewühl eines tobenden Gesindels, das ich nicht weiter beschreiben kann.

10.

Des Scheerers Hund säuft Wasser zur Unzeit und verderbt dem Herrn Untervogt ein Spiel, das recht gut stand.

Die meisten waren schon tüchtig besoffen. Christen, der Ständlisänger, der neben dem Vogt saß, am stärksten. Dieser schrie einsmals: Laßt mich hervor. Der Vogt und die Nachbarn standen auf, und machten ihm Platz. Aber er schwankte über den Tisch, und stieß des Vogts Wasserkrug um. Erschrocken wischt dieser, so geschwind er kann, das verschüttete Wasser vom Tisch ab, damit niemand das Verschüttete auffasse, und den Betrug merke. Aber des Scheerers Hund, der unter dem Tische war, war durstig, lappete das verschüttete Wasser vom Boden, und unglücklicherweise sah es ein Nachbar, der wehmütig nach dem guten Wein unter dem Tische hinab guckte, daß Hektor ihn aufleckte. Er rief dem Vogt; Wunder und Zeichen, Vogt! seit wenn saufen die Hunde Wein?

Du Narr! seit langem, antwortet der Vogt, und winkt ihm mit der Hand und mit dem Kopf, und stößt ihn mit den Füßen unter dem Tisch, daß er doch schweige. Auch dem Hund gibt er einen Stoß, daß er anderswo hingehe. Aber der verstand den Befehl nicht, denn er gehörte dem Scherer; er gab Laut, murrete, und leckte denn ferner das verschüttete Wasser vom Boden. Der Herr Untervogt aber erblaßte über diesem Saufen des Hunds; denn es guckten immer mehrere Nachbarn unter den Tisch. Man stieß bald in allen Ecken die Köpfe zusammen, und zeigte auf den Hund. Des Scheerers Frau nahm jetzt sogar die Scherben des verbrochenen Kruges vom Boden auf und an die Nase; und da sie nach Wasser rochen, schüttelte sie mächtig den Kopf, und sagte laut:.

"Das ist nicht schön!

Nach und nach murmelten die Bauern an allen Ecken: Dahinter steckt was.

Und der Scherer sagte dem Vogt unter die Nase: Vogt! dein schöner Wein ist gesottenes Wasser.

Ist das wahr? riefen die Bauern. Was Teufels ist das, Vogt! warum saufest du Wasser? –

Betroffen antwortete der Vogt: Es ist mir nicht recht wohl,; Ich muß mir schonen.

Aber die Bauern glaubten die Antwort nicht - und links und rechts murmelte je länger je mehr alles; es geht hier nicht recht zu. Über das klagten jetzt noch einige, es schwindle ihnen von dem Weine, den sie getrunken hätten, und dies sollte von so wenigem nicht sein.

Die zwei Vornehmsten aber, die da waren, standen auf, gaben dem Scherer den Lohn, sprachen: Behüte Gott, Nachbarn, und gingen gegen der Stubentüre.

So einsmals, ihr Herren, warum so einsmals aus der Gesellschaft, rief ihnen der Vogt.

Wir haben sonst zu tun, antworteten die Männer und gingen fort.

Der Scherer begleitete sie außer der Stube, und sagte zu ihnen; ich wollte lieber, der Vogt wäre gegangen. Das ist kein Stücklein, bei dem er's gut meint, weder mit dem Wein noch mit dem Wasser.

Wir glauben's auch nicht; sonst würden wir noch da sitzen, antworteten die Männer.

Scherer. Und dieses Saufgewühl kann ich nicht leiden –

Die Männer: Du hast auch keine Ursache - und du könntest noch in Ungelegenheit kommen. Wenn ich dich wäre, setzte der Ältere hinzu, ich bräche selber ab.

Ich darf nicht wohl, antwortete der Scherer.

Es ist nicht mehr die alte Zeit, und du bist doch in deiner Stube etwann noch Meister, sagten die Männer.

Ich will euch folgen, sagte der Scherer, und ging wieder in die Stube.

Wo fehlt's diesen Herren, Scherer? daß sie so einsmals aufbrechen? fragte der Vogt.

Und der Scherer antwortete. Es ist mir eben wie ihnen; so