Lienhard und Gertrud

Rechtschreibung und Interpunktion entsprechen nicht der Kritischen Ausgabe von Pestalozzis Schriften, sondern der regularisierten Fassung auf der CD-ROM.

25.

Wie Schelmen miteinander reden.

Vom Aebi weg ging der Vogt zum Schabenmichel. Dieser sieht ihn von ferne; winkt ihm in einen Ecken hinter das Haus, und fragt ihn: Was Teufels hast du?

Vogt: Etwas Lustiges.

Michel: Ja du bist der Kerl, den man schickt zu Hochzeiten, zum Tanz, und zum Lustigmachen einzuladen.

Vogt: Es ist einmal nichts Trauriges.

Michel: Was denn?

Vogt: Du seist in eine neue Gesellschaft gekommen.

Michel: Mit wem denn einmal, und warum?

Vogt: Mit dem Hübelrudi, mit dem Lenk, mit dem Leemann, mit dem Kriecher, und mit dem Marx auf der Reuti.

Michel: Du Narr! Was soll ich mit diesen?

Vogt: Aufbauen und ausbutzen das Haus des Herrn in Bonnal und seine Mauern am Kirchhof.

Michel: In Ernst?

Vogt: Bei Gott!

Michel: Aber wer hat hierzu die Blinden und die Lahmen ausersehn?

Vogt: Mein Wohledelgebohrener, der wohlweise und gestrenge Junker.

Michel: Ist er ein Narr?

Vogt: Was weiß ich.

Michel: Es hat einmal das Ansehen.

Vogt: Vielleicht ist es nicht das schlimmste, daß er so ist, leicht Holz ist gut drehen, aber ich muß fort. Komme diesen Abend zu mir, ich muß mit dir reden.

Michel: Ich will nicht fehlen. - Zu wem geht jetzt die Reise?

Vogt: Auf die Reuti zum Marx.

Michel: Das ist ein Kerl zur Arbeit. Man muß von Sinnen sein, so einen anzustellen. Ich glaube nicht, daß der bei Jahr und Tag einen Karst oder Schaufel in der Hand gehabt habe, und er ist auf der einen Seite halb lahm.

Vogt: Was macht das? Komme du auf den Abend richtig zu mir. - Jetzt ging der Vogt von ihm weg zum Marx auf der Reuti.

26.

Hochmut in Armut und Elend führt zu den unnatürlichsten abscheulichsten Taten.

Dieser war vor Zeiten wohlhabend und hatte Handelschaft getrieben; aber jetzt war er schon längst vergantet, und lebte fast gänzlich vom Almosen des Pfarrers und einiger bemittelter Verwandten, die er hatte.

In allem seinem Elend aber blieb er immer gleich hochmütig, und verbarg er den dringenden Mangel und Hunger seines Hauses, außer da, wo er bettelte, allenthalben, wie er konnte und mochte.

Dieser, als er den Vogt sah, erschrak heftig, aber er ward darum nicht blaß, denn er war ohne das schon todgelb. Er nahm schnell die umher liegenden Lumpen, und schob sie unter die Decke des Betts. Befahl den fast nackenden Kindern, auf der Stell sich in die Kammer zu verbergen - Herr Jesus! sagen die Kinder, es schneiet und regnet ja hinein - höre doch, wie's stürmt, Vater! es ist ja kein Fenster mehr in der Kammer.

Geht, ihr gottlosen Kinder! wie ihr mich so toll machet. Meint ihr, es sei euch nicht nötig, daß ihr euer Fleisch kreuzigen lernet. - Es ist nicht auszustehn, Vater! sagen die Kinder. Es wird ja nicht lang währen, ihr Ketzern, geht doch, sagt der Vater - stößt sie hinein, schließt die Türe, und ruft dann dem Vogt in die Stube.

Dieser sagte ihm den Bericht. Der Marx aber dankt dem Vogt, und fragt: Bin ich Aufseher unter diesen Leuten? Was denkst du, Marx? antwortete der Vogt. Nein, Arbeiter bist du, wie die anderen.

Marx: So! Herr Untervogt!

Vogt: Es steht dir frei; wenn du etwann allenfalls die Arbeit nicht willst.

Marx: Ich bin freilich sonst solcher Arbeit nicht gewohnt. Aber weil's das Schloß und den Herrn Pfarrer antrifft, so darf ich wohl nicht anders, und will ich sie annehmen.

Vogt: Es wird sie gar freuen, und ich denke fast, der Junker werde mich noch einmal zu dir schicken, dir zu danken.

Marx: Ha! ich mein's eben nicht so; aber insgemein möchte ich doch nicht bei jedermann taglöhnen.

Vogt: Du hast sonst Brot!

Marx: Gottlob! noch immer.

Vogt: Ich weiß wohl; aber wo sind deine Kinder?

Marx: Bei meiner Frauen sel. Schwester, sie essen da zu Mittag.

Vogt: Es war mir, ich hörte eben in der Kammer Kinder schreien.

Marx: Es ist kein einziges bei Hause.

Der Vogt hört das Geschrei noch einmal, öffnet ohne Komplimente die Kammertüre, sieht die fast nackenden Kinder, von Wind, Regen und Schnee, die in die Kammer hineinstürmen, zitternd und schlotternd, daß sie fast nicht reden konnten, und sagt dann: Essen deine Kinder da zu Mittag, Marx? - Du bist ein Hund und ein Heuchler, und du hast das um deines verdammten Hochmuts willen schon mehr so gemacht.

Marx: Um Gottes willen! sag es doch niemand, bring mir's doch nicht aus, Vogt! Um Gottes willen! unter der Sonne wäre kein unglücklicherer Mensch als ich, wenn's mir auskäme.

Vogt: Bist du denn auch von Sinnen? Auch jetzo sagst du nicht einmal, daß sie aus dem Hundsstall herauskommen sollen. Siehest du denn auch nicht, daß sie braun und blau sind vor Frieren? So würde ich einmal meinen Pudel nicht einsperren.

Marx: Kommet jetzt nur heraus; aber Vogt! um Gottes willen! sag's doch niemand.

Vogt: Und du spielst denn noch beim Pfarrer den Frommen-

Marx: Um Gottes willen! sag's doch niemand.

Vogt: Das ist doch hündisch - du Heiliger, ja du Ketzer! Hörst du, das bist du, ein Ketzer! Denn so macht es kein Mensch. Du hast dem Pfaffen den Schlaghandel die vorige Woche auch erzählt. Kein Mensch als du. Du gingst eben um 12 Uhr, da es geschah, von einer frommen Fresseten heim, und neben meinem Haus vorbei.

Marx: Nein, um Gottes willen! glaub' doch das nicht. Gott im Himmel weiß, daß es nicht wahr ist.

Vogt: Darfst du auch das sagen!

Marx: Weiß Gott, es ist nicht wahr. Vogt! ich wollte, daß ich nicht mehr hier vom Platze käme, wenn's wahr ist.

Vogt: Marx! darfst du das, was du jetzt sagst, vor meinen Augen dem Pfarrer unter die Nase sagen? Ich weiß mehr, als du glaubst.

Der Marx stotterte -ich weiß - ich möchte - ich ha - habe nicht davon angefangen.

So einen Hund und einen Lügner, wie du bist, habe ich in meinem Leben keinen gesehen. Wir kennen jetzt einander, sagte der Vogt, ging und erzählte alles in eben der Stunde des Pfarrers Köchin, die sich denn fast zu Tode lachte ob dem frommen Israeliten ab der Reuti, und heilig versprach es dem Pfarrer getreulich zu überbringen. Der Vogt aber freute sich in seinem Herzen, daß hoffentlich der Pfarrer dem wüsten Ketzer das Wochenbrot jetzt nicht mehr geben würde; worin er sich aber gröblich irrte, denn der Pfarrer hatte ihm bis jetzt das Brot wahrlich nicht um seiner Tugend, sondern um seines Hungers willen gegeben.

27.

Fleiß und Arbeitsamkeit, ohne ein dankbares und mitleidiges Herz.

Vom Marx weg ging der Vogt nun endlich zum letzten. Dieses war der Kienast, ein kränklicher Mann. Er ging zwar erst gegen die fünfzig; aber Armut und Sorgen hatten ihn gar abgeschwächt, und heute war er besonders in einem erschrecklichen Kummer.

Seine älteste Tochter hatte gestern in der Stadt Dienste genommen, und zeigte dann heute dem Vater den Dingpfenning, worüber der arme Mann gewaltig erschrocken war. Seine Frau, die noch kindete, war eben jetzt nähig, und das Susanneli war unter den Kindern das einzige, das der Haushaltung Hilfe leisten konnte, jetzt aber sollte es in 14 Tagen den Dienst antreten.

Der Vater bat es mit weinenden Augen, und um Gottes willen, es solle das Haftgeld wieder zurückgeben, und bei ihm bleiben, bis nach der Mutter Kindbette.

Ich will nicht, antwortete die Tochter; wo finde ich denn gleich wieder einen anderen Dienst? wenn ich diesen aufsage.

Der Vater: Ich will nach der Kindbette selbst mit dir in die Stadt gehen, und dir helfen einen anderen suchen; bleib doch nur so lange.

Die Tochter: Es geht ein halbes Jahr, Vater! bis zum anderen Ziel, und der Dienst, den ich jetzt habe, ist gut. Wer kann wissen, wie dann der sein werde, den du mir willst suchen helfen. Und kurzum, ich warte nicht bis auf das andere Ziel.

Der Vater: Du weißest doch, Susanneli! daß ich auch alles an dir getan habe, was ich immer konnte. Denke doch auch an deine jüngeren Jahre, und verlasse mich jetzt nicht in meiner Not.

Die Tochter: Willst du mir denn vor meinem Glück sein? Vater!

Der Vater: Ach! es ist nicht dein Glück, daß du deine armen Eltern in diesen Umständen verlassest; tue es doch nicht, Susanneli! ich bitte dich. Meine Frau hat noch ein schönes Fürtuch, es ist das letzte, und es ist ihr lieb; sie hat es von ihrer sel. Gotten zum Seelgerät (Todesandenken):. aber sie muß es dir nach der Kindbette geben, wenn du nur bleibest.

Die Tochter: Ich mag nichts, weder von euern Lumpen, noch von euerer Hoffart. Ich kann das und besseres selber verdienen. Es ist einmal Zeit, daß ich für mich selber sorge. Wenn ich noch zehn Jahre bei euch bliebe, ich würde nicht zu Bett und Kasten kommen.

Der Vater: Es wird doch auch nicht alles auf dieses halbe Jahr ankommen - Ich will dich nach der Kindbette dann gewiß nicht mehr versäumen. Bleib doch nur noch diese wenigen Wochen.

Nein, ich tue es nicht, Vater! antwortete die Tochter - Kehrt sich um, und läuft fort zu einer Nachbarin.

Der Vater steht jetzt da! niedergeschlagen von seinen Sorgen und von seinem Kummer, und sagt zu sich selber: Wie will ich mir in diesem Unglück helfen - Wie will ich's nur meiner armen Frau anbringen, die Hiobsbotschaft? Ich bin doch ein elender Tropf, daß ich mit diesem Kind so gefehlt habe. Es arbeitet so brav, dacht ich immer, und verzieh ihm dann alles. Meine Frau sagte mir hundertmal: Es ist so frech und so grob gegen seine Eltern, und was es seinen Geschwistern tun und zeigen muß, das tut und zeiget es ihnen alles so häßig, so unartig, und so ganz ohne Anmut und Liebe, daß keines nichts von ihm lernt. - - Es arbeitet doch brav, vielleicht sind die anderen auch Schuld, man muß ihm etwas verzeihen, war immer meine Antwort. - Jetzt habe ich dieses Arbeiten; ich hätte es doch denken sollen, wenn bei einem Menschen das Herz einmal hart ist, so ist's aus, was er auch sonst Gutes hat, man kann nicht mehr auf ihn zählen. Aber, wenn ich's nur auch meiner Frau schon gesagt hätte; wie wird sie doch tun!

Da der Mann so mit ihm selber redete, stand der Vogt neben ihm zu, und er sah ihn nicht einmal.

Was darfst du denn deiner Frau nicht sagen, Kienast? fragt ihn jetzt dieser.

Der Kienast sieht auf, erblickt den Vogt, und sagt: Bist du da, Vogt? Ich sah dich nicht - Ha, was darf ich meiner Frau nicht sagen? Das Susanneli hat in der Stadt Dienste genommen, und wir hätten's jetzt auch so nötig! Aber ich hätte fast vergessen zu fragen, was willst du bei mir?

Vogt: Es kann dir vielleicht ein Trost sein, was ich bringe, weil's mit dem Susanneli so ist.

Kienast: Das wär wohl ein Glück in meiner Not.

Vogt: Du hast Arbeit an dem Kirchbau, und alle Tage 25 Kreuzer Taglohn; damit kannst du dir in allweg helfen. Kienast: Herrgott im Himmel! darf ich diese Hilfe hoffen?

Vogt: Ja, ja Kienast! Es ist gewiß, wie ich sage.

Kienast: Nun so sei Gott gelobt und ihm gedankt. (Es wird ihm blöd, seine Glieder zittern.) Ich muß niedersitzen, diese Freude hat mich so übernommen auf mein Schrecken. Er setzt sich auf einen nahen Holzstock, und lehnet sich an die Wand des Hauses, daß er nicht sinke.

Der Vogt sagte: Du magst wenig erleiden.

Und der Kienast: Ich bin noch nüchtern.

So spät, erwiderte der Vogt, und ging seines Weges fort. Die arme Frau in der Stube sah, daß der Vogt bei ihrem Mann war, und jammerte entsetzlich: Das ist ein Unglück! Mein Mann ist heute den ganzen Tag wie verwirrt, und weiß nicht, was er tut; und eben jetzt sah ich das Susanneli bei der Nachbarin beide Hände zerwerfen, als wenn es vor Verdruß außer sich wäre, und jetzt noch der Vogt! Was ist doch für ein Unglück obhanden? Es ist keine geplagtere Frau unter der Sonne. Schon so weit in vierzig, und noch alle Jahr ein Kind, und Sorgen und Mangel und Angst um mich her - So grämte sich die arme Frau in der Stube - Der Mann aber hatte sich indessen wieder erholt, und kam mit einem so heiteren und freudigen Gesicht hinein zu seiner Lieben, als er seit Jahren nicht hatte.

Du tust fröhlich! Meinst du, ich wisse nicht, daß der Vogt da war? sagte die Frau.

Und er antwortete: Wie vom Himmel herab ist er gekommen zu unserem Trost!

Ist das möglich? erwiderte die Frau.

Kienast: Setze dich nieder, Frau! ich muß dir Gutes erzählen - Da sagte er ihr, was eben mit dem Susanneli begegnet, und wie er in einer großen Herzensangst gewesen wäre, und wie ihm, gottlob! jetzt gänzlich aus der Not geholfen sei.

Da aß er die Suppe, die er in der Angst zu Mittag hatte stehenlassen; und er und die Frau weineten heiße Tränen des Danks und der Freude gegen Gott, der ihnen also geholfen in ihrer Not.

Und sie ließen das Susanneli noch desselbigen Tags gehen in seinen Stadtdienst, wie es wollte.

28.

Der Abend vor einem Festtage in eines Vogts Hause, der wirtet.

Nun eilte der Vogt von seinem Laufen ermüdet und durstig wieder heim, es war schon sehr spät; und der Kienast wohnte beinahe eine Stunde vom Dorf weg auf dem Berg.

Allenthalben hatte er heute durch seine Gesellen schon verkündet, daß er über den gestrigen Vorfall gar nicht erschrocken, und bei einem Jahre nie so lustig und munter gewesen wäre, wie heute.

Das machte denn, daß auf den Abend etliche wieder Mut faßten, und sich still dem Wirtshause zuschlichen. Da es dunkelte, kamen immer noch mehrere, und zu Nacht gegen den Sieben waren die Tische alle wieder fast ebenso voll, als gewöhnlich.

So geht es, wenn ein Jäger im Heuet von einem Kirschbaum einen Vogel herunterschießt, so fliegt die Schar der Vögel, die Kirschen fraß, erschrocken und schnell vom Baum weg, und alle die Vögel kreischen vor der Gefahr. Aber nach einer Weile setzt sich schon wieder einer, im Anfange nur einer, an den Baum; und sieht er dann den Jäger nicht mehr, so pfeift er, nicht das Gekreisch des erschreckten Vogels. Er pfeift dann den munteren Laut der Freßlust bei der nahen Speise. Auf den Ruf des kühneren Fressers rücken dann die furchtsameren auch wieder an; und alle fressen Kirschen, als ob der Jäger keinen erschossen hätte.

So war es und kam es, daß die Stube jetzt wieder voll war von Nachbarn, die gestern und heute vormittags sich noch nicht getrauten zu kommen.

Bei allem Bösen, und selbst bei Schelmentaten wird alles munter und mutig, wenn viel Volk beieinander ist, und wenn die, so den Ton geben, herzhaft und frech sind; und da das in den Wirtshäusern nie fehlt, so ist unstreitig, daß sie das gemeine Volk zu allen Bosheiten und zu allen schlimmen Streichen frech und leichtsinnig genug zu bilden und zu stimmen weit besser eingerichtet sind, als es die armen einfältigen Schulen sind, die Menschen zu einem braven, stillen, wirtschaftlichen Leben zu bilden. Aber zur Historie.

Die Nachbarn im Wirtshause waren jetzt alle wieder des Vogts Freunde, denn sie saßen bei seinem Wein. Da sprach der eine wie der Vogt ein Mann sei, und wie ihn bei Gott! noch keiner gemeistert habe. Ein anderer, wie Arner ein Kind sei, und wie der Vogt seinen Großvater in Ordnung gehalten habe. Ein anderer, wie es vor Gott im Himmel nicht recht und am jüngsten und letzten Tage nicht zu verantworten sei, daß er dem armen Gemeindlein das Wirtsrecht abstehlen wolle, das es doch seit Noahs und Abrahams Zeiten besessen hätte. Dann wieder ein anderer, wie er es beim Donner! doch noch nicht habe, und wie er's vor allen Teufeln erzwingen wolle - daß morgen schon darwider Gemeind sein müsse. Dann erzählt wieder ein anderer, wie es mit dem gar nicht so nottue, und wie der Vogt seine Feinde alle immer so schön in die Grube gebracht habe, und wie er jetzt weder mit dem Gnädigen Herrn, noch mit dem Bettler, dem Maurer, eine neue Mode anfangen werde. - So schwatzten die Männer und soffen.

Die Vögtin lachte mitunter, trug einen Krug nach dem anderen auf den Tisch, und zeichnete alle richtig an die Tafel in der Nebenstube mit ihrer Kreide.

Indessen kam der Vogt, und es freute ihn in seinem Herzen, daß er die Tische alle wieder so besetzt fand mit seinen Lumpen.

Das ist brav, ihr Herren! daß ihr mich nicht verlasset, sagte er zu ihnen.

Du bist uns noch nicht feil, antworteten die Bauern, und tranken mit Lärmen und Brüllen auf seine Gesundheit. Der Lärm ist groß, Nachbarn! Man muß ohne Ärgernis leben, sagte der Vogt; es ist heiliger Abend.

Mache die Fensterläden zu, Frau! und lösche die Lichter gegen der Gasse - Es ist besser, wie gehen in die hintere Stube, Nachbarn! Ist's warm dort, Frau?

Frau: Ja, ich habe daran gedacht, und einheizen lassen.

Vogt: Gut. Nehmet alles vom Tisch in die hintere Stube.

Da nahmen die Frau und die Nachbarn Gläser, Flaschen, Brot, Käse, Messer und Teller und Karten und Würfel, und trugen alles in die hintere Stube, in deren man, geschähe auch ein Mord, auf der Gasse nichts hört.

Da sind wir jetzt sicher vor Schelmen, die vor den Fenstern horchen, und vor den heiligen Knechten *) des Schwarzen.

Aber ich bin durstig wie ein Jagdhund, Wein her! Die Frau bringt ihn.

Und Christen fragt alsobald: Ist das vom heutigen, Vogt! den des Scherers Hund mitsäuft?

Vogt: Ja, so ein Narr bin ich wieder.

Christen: Was hattest du wohl für eine Teufelsabsicht dabei?

Vogt: Bei Gott! keine. Es war ein bloßer Narreneinfall. Ich war noch nüchtern, und wollte nicht saufen.

Christen: Pfeif das dem Scheitstock, vielleicht glaubt er's, ich mag nicht.

Vogt: Warum nicht?

Christen: Warum nicht? Weil dein Wein, den wir soffen, auch nach Schwefel roch wie die Pest?

Vogt: Wer sagt das?

Christen: Ich, Meister Urias! Ich merkte es nicht in der Stube; aber da ich den leeren Krug heim trug, roch es mir noch in die Nase, daß es mich fast zurückschlug - Alles und alles zusammengenommen, so ist einmal ziemlich am Tage, daß du mit Gunst etwas gesucht hast.

Vogt: Ich weiß so wenig, was für Wein die Frau geschickt hat, als ein Kind in der Wiege. - Mit deinen Einbildungen, du Narr!

Christen: Aber du weißt doch auch noch, daß du eine schöne Predigt von den Rechten im Lande gehalten hast? Du hast das, denk ich, auch so aus unbedachtem Mute getan, wie man eine Prise Tabak nimmt.

Vogt: Schweig jetzt, Christen! Das beste wär, ich ließe dich brav zerprügeln, daß du mir den Krug umgeleert hast. Aber ich muß jetzt wissen, wie es heute beim Scherer gegangen ist, da ich fort war.

Christen: Aber das Versprechen, Vogt?

Vogt: Was für ein Versprechen?

Christen: Daß ich weinfrei sein soll bis am Morgen, wenn ich was Rechts wisse.

Vogt: Wenn du denn aber nichts weißt, willst du doch saufen?

Christen: Ja, nichts wissen; nur Wein her, und hör dann.

Der Vogt gibt ihm, sitzt zu ihm hin, und Christen erzählt jetzt, was er weiß und was er nicht weiß. Einst machte er es so bunt, daß es der Vogt merkte. Lüg doch auch so, du Hund! daß man es nicht mit Händen greift, sagte er.

Nein, bei Gott! antwortete Christen, so wahr ich ein Sünder bin, es fehlt kein Haar und kein Punkt an dem, was ich sage.

Nun denn, sagte der Vogt, der jetzt doch genug hatte, der Schabenmichel ist eben gekommen, ich muß etwas mit ihm reden, und geht dann an den anderen Tisch, wo dieser saß, klopft ihm auf die Achsel und sagt:

29.

Fortsetzung, wie Schelmen miteinander reden und handeln.

Bist du auch unter den Sündern? Ich dachte, du seist, seit deinem Beruf an die Kirchmauer, auf einmal heilig geworden, so wie unser Metzger, als er einst eine Woche für den Siegrist Mittag läuten mußte.

Michel: Nein, Vogt! Meine Bekehrung geht nicht so blitzschnell; aber wenn's einmal angeht, so lasse ich dann nicht nach.

Vogt: Ich möchte dann dein Beichtiger sein, Michel!

Michel: Ich mag dich aber nicht hierzu.

Vogt: Warum das?

Michel: Du würdest mir die Sünden wohl doppelt machen mit deiner heiligen Kreiden.

Vogt: Wäre dir das nicht recht?

Michel: Nein, Vogt! Ich will einen Beichtiger haben, der die Sünden verzeiht und nachläßt, und nicht einen, der sie aufkreidet.

Vogt: Ich kann auch Sünden verzeihen und nachlassen.

Michel: Sünden aus deinem Buche?

Vogt: Freilich! Oft und viel muß ich's leider; aber besser ist's, man halte sich, daß ich's gern tue.

Michel: Kann man das, Herr Untervogt?

Vogt: Wir wollen sehen. (Er winkt ihm. Sie gehen miteinander an's kleine Tischlein am Ecken beim Ofen. Und der Vogt sagt: Es ist gut, daß du da bist, es kann dein Glück sein.

Michel: Ich habe Glück nötig.

Vogt: Ich glaub' es; aber wenn du dich anschickst, so fehlt's nicht, du machst Geld auf deinem Posten.

Michel: Aber wie muß ich das anstellen?

Vogt: Du mußt dich bei dem Maurer einschmeicheln, und recht hungrig und arm tun.

Michel: Das kann ich ohne Lügen.

Vogt: Du mußt dann viel und oft deinen Kindern dein Abendbrot geben, damit sie glauben, du habest ein Herz so weich, wie zerlassene Butter, und die Kinder müssen dir barfuß und zerlumpt nachlaufen.

Michel: Auch das ist nicht schwer.

Vogt: Und dann, wenn du unter allen zehen der Liebste sein wirst, erst dann wird deine rechte Arbeit angehen.

Michel: Und was ist denn die?

Vogt: Alles zu tun, was bei dem Bau Streit und Verdacht anzetteln, was die Arbeit in Unordnung bringen, und was die Taglöhner und den Meister dem Junker erleiden kann.

Michel: Das mag jetzt wohl ein bißchen ein schwereres Stücklein sein.

Vogt: Aber es ist so auch ein Stücklein, dabei du Geld verdienen kannst.

Michel: Ohne diese Hoffnung könnte wohl ein Gescheiter diese Wegweisung geben; aber nur ein Narr könnte sie annehmen.

Vogt: Das versteht sich, daß du Geld dabei verdienen mußt.

Michel: Zwei Taler Handgeld, Herr Untervogt! Das muß bar voraus bezahlt sein, sonst ding ich nicht in diesen Krieg.

Vogt: Du wirst alle Tage unverschämter, Michel! Du verdienst bei der Arbeit, die ich dir zeige, Geld mit Müßiggehen, und du willst denn noch, ich soll dir den Lohn geben, daß du den guten Rat annimmst.

Michel: Ich mag nichts hören. Du willst, daß ich in deinem Dienst den Schelmen mache, und ich will's tun, und treu sein und herzhaft; aber Handgeld und Dingpfenning, zwei Taler und keinen Kreuzer minder, das muß heraus, sonst stehe du selber hin, Vogt!

Vogt: Du Hund! Du weißt, wo du zwingen kannst; da sind die zwei Taler.

Michel: Nun ist's in der Ordnung, Meister! Jetzt nur befohlen.

Vogt: Ich denke, so etwann in der Nacht Gerüststangen abbrechen, und mit einem Schlag ein Paar Kirchenfenster von oben herunter spalten, das sei dir ein leichtes; und daß Seiler und Kärste und was Kleines herumliegt, bei einem solchen Ehrenanlaß verschwinden müssen, das versteht sich von selbst.

Michel: Natürlich.

Vogt: Und dann in einer dunklen Nacht die Gerüstbretter alle den Hügel hinab in Fluß tragen, daß sie weiter nach Holland fahren, das ist auch nicht schwer.

Michel: Nichts weniger; das kann ich vollkommen. Ich hänge ein großes weißes Hemd mitten auf den Kirchhof an eine Stange, daß der Wächter und die Frau Nachbarin, wenn sie ein Gepolter hören, das Gespenst sehen, sich segnen, und mir vom Leib bleiben.

Vogt: Du loser Ketzer du! Was für ein Einfall!

Michel: Ich tue es gewiß; es bewahrt vor dem Halseisen.

Vogt: Ja, aber das muß noch sein; wenn Zeichnungen, Rechnungen und Pläne, die dem Junker gehören, etwann umherliegen, die mußt du ordentlich hintragen, wo sie kein Hund sucht, und des Nachts dann abholen zum Einheizen. Michel: Ganz wohl, Herr Untervogt!

Vogt: Auch mußt du es so einfädeln, daß deine ehrende Gesellschaft im Herrndienst sich recht wohlsein lasse, daß sie liederlich arbeite, und besonders, daß, wenn der Junker oder jemand aus dem Schloß kommt, die Lumpenordnung am größten sei - Und daß du dann auch diesen winken mußt, wie schön es gehe, versteht sich.

Michel: Ich will alles probieren, und ich versteh jetzt ganz wohl, was du eigentlich willst.

Vogt: Aber vor allem aus ist's wahrlich nötig, daß du und ich Feinde werden.

Michel: Auch das versteht sich.

Vogt: Wir wollen damit gerade jetzt anfangen. Es könnten Mamelucken da sein, und erzählen, wie wir hier in Eintracht in diesem Ecken Rat gehalten haben.

Michel: Du hast recht.

Vogt: Trink noch ein Paar Gläser, dann tue ich dergleichen, als ob ich mit dir rechnen wollte, und du läugnest mir etwas. Ich fange Lärm an; du schmälst auch, und wir stoßen dich zur Türe hinaus.

Michel: Das ist gut ausgedacht. (Er säuft geschwind den Krug aus, und sagt dann zum Vogt: Fang jetzt nur an.

Der Vogt murmelt von der Rechnung, und sagt etwas vernehmlich: Nun einmal den Gulden hab ich nicht erhalten.

Michel: Besinn dich, Vogt!

Vogt: Ich weiß in Gottes Namen nichts davon. Er ruft seiner Frau: Frau! Hast du die vorige Woche einen Gulden vom Michel erhalten?

Die Frau: Behüt uns Gott! Keinen Kreuzer.

Vogt: Das ist wunderlich - Gib mir den Rodel. (Sie bringt ihn. Der Vogt liest - Da ist Montag - nichts von dir - Dienstag nichts von dir - Da ist Mittwochen - - Am Mittwochen, sagtest du ja, war es.

Michel: Ja.

Vogt: Da ist Mittwochen - siehe da, es ist nichts von dir - Und auch Donnerstag, Freitag und Samstag, es ist kein Wort da von dem Gulden.

Michel: Das ist vom Teufel; ich hab ihn doch bezahlt.

Vogt: Sachte, sachte, Herr Nachbar! Ich schreibe alles auf.

Michel: Was hab ich von deinem Aufschreiben, Vogt? Ich habe den Gulden bezahlt.

Vogt: Das ist nicht wahr, Michel!

Michel: Ein Schelm sagt, ich hab ihn nicht bezahlt.

Vogt: Was sagst du, ungehängter Spitzbub?

Etliche Bauern stehen auf: Er hat den Vogt gescholten, wir habens gehört.

Michel: Es ist nicht wahr; aber ich habe den Gulden bezahlt.

Bauern: Was sagst du, Schelm! du habest ihn nicht gescholten? Wir haben's alle gehört.

Vogt: Werft mir den Hund aus der Stube.

Michel: (Mit dem Messer in der Hand) Wer mich anrührt, der sehe zu –

Vogt: Nehmt ihm das Messer.

Sie nehmen ihm das Messer, stoßen ihn zur Tür hinaus, und kommen dann wieder.

Vogt: Es ist gut, daß er fort ist; er war nur ein Spion vom Maurer.

Bauern: Bei Gott! das war er. Es ist gut, daß der Schelm fort ist.

30.

Fortsetzung, wie Schelmen miteinander reden und handeln, auf eine andere Manier.

Wein her, Frau Vögtin! Vogt! Wir saufen auf die Ernte hin; eine Garbe vom Zehenden für die Maß.

Vogt: Ihr wollt mich bald bezahlen.

Bauern: Nicht so bald, aber desto schwerer.

Der Vogt setzt sich zu ihnen, und sauft auch mit ihnen nach Herzenslust, auf den künftigen Zehnden. Nun sind alle Mäuler offen, ein wildes Gewühl von Fluchen und Schwören, von Zoten und Possen, von Schimpfen und Trotzen, erhebt sich an allen Tischen. Sie erzählen von Hurereien und Diebstählen, von Schlaghändeln und Scheltworten, von Schulden, die sie listig geläugnet, von Prozessen, die sie mit feinen Streichen gewonnen hätten, von Bosheiten und Unsinn - davon das meiste erlogen, viel aber, leider Gott erbarm! wahr war; wie sie den alten Arner in Holz und Feld und Zehnden bestohlen hätten; auch wie ihre Weiber jetzt bei den Kindern Trübsal bliesen, wie die eine das Betbuch nähme - die andere einen Krug Wein in Spreuer oder in Strohsack verberge; auch von ihren Buben und Mädchen, wie eines dem Vater helfe die Mutter betrügen, und ein anderes der Mutter helfe den Vater erwischen; und wie sie es als Buben auch so gemacht hätten und noch viel schlimmer. Dann kamen sie auf den armen Uli, der über etlichen solchen Narrenpossen ertappt worden, und elendiglich umgekommen wäre, am Galgen; wie er aber andächtig gebetet hätte, und gewiß selig gestorben wäre; nachdem er, wie man wohl wisse, nicht das Halbe bekannt habe, aber doch um des unchristlichen Pfarrers willen hätte ins Gras beißen müssen.

Sie waren eben an dieser Geschichte und an des Pfarrers Bosheit, als die Vögtin ihrem Mann winkte, daß er herauskäme.

Wart', bis die Geschichte mit dem Gehängten vorüber ist, war seine Antwort. Sie aber sagt' ihm leise ins Ohr: Der Joseph ist da. Er antwortete: Versteck ihn, ich will bald kommen. Der Joseph hatte sich in die Küche geschlichen. Es war aber so viel Volk im Haus, daß die Vögtin befürchtete, man sehe ihn da.

Sie löschte das Licht aus, und sagte ihm: Joseph! Ziehe deine Schuhe ab, und schleich mir nach in die untere Stube, der Mann kommt hinunter.

Der Joseph nahm seine Schuhe in die Hand und folgte ihr nach auf den Zehen in die untere Stube.

Und es ging nicht lange, so kam der Vogt auch, und fragte ihn:

Was willst du noch so spät, Joseph?

Joseph: Nicht viel. Ich will dir nur sagen: Es sei mit den Steinen recht gut in der Ordnung.

Vogt: Das freut mich, Joseph!

Joseph: Der Meister redete heute von der Mauer, und schwatzte da, daß die nahen Kiesel und Feldsteine recht gut wären. Ich sagte ihm aber geradezu, daß er ein Narr sei und seine Sachen nie recht anstellen wolle. Die Mauer werde vom Schwendistein so schön und glatt werden wie ein Teller. Er sagte kein Wort dagegen, und ich fuhr fort: Wenn er nicht Schwendisteine nehme, so stoße er sein Glück mit Füßen von sich.

Vogt: Hat er sich dazu entschlossen?

Joseph: Ja freilich; das war im Augenblick richtig. Am Montag werden wir den Bruch angreifen.

Vogt: Die Taglöhner müssen ja am Montag ins Schloß.

Joseph: Sie werden zu Mittag schon wieder zurück und mit der Ware in dem Kalch sein. Das hat seine Richtigkeit, wie wenn's schon drinnen wäre.

Vogt: Das ist recht und gut; wenn's doch nur schon gemacht wäre. Dein Trinkgeld liegt schon parat, Joseph!

Joseph: Ich hätte es eben jetzt recht nötig, Vogt!

Vogt: Komm nur am Montag, wenn ihr den Bruch angefangen haben werdet; es liegt parat.

Joseph: Meinst du, ich halte nicht Wort?

Vogt: Wohl, Joseph! Ich traue dir.

Joseph: So gib mir doch gerade jetzo drei Taler - auf unsere Abrede - Ich wollte gern morgen meine neuen Stiefel beim Schuster abholen; es ist mein Namenstag, und ich mag jetzt dem Meister kein Geld fordern.

Vogt: Ich kann jetzt nicht wohl. Komme doch am Montag Abend.

Joseph: Da sehe ich, wie du mir trauest. Man mag wohl etwas versprechen, aber halten, das ist was anderes! Ich glaubte auf dein Trinkgeld zählen zu dürfen, Herr Untervogt!

Vogt: Meiner Seele! Ich geb es dir.

Joseph: Ich seh's ja –

Vogt: Es ist am Montag auch noch Zeit.

Joseph: Vogt! Du zeigest mir, daß man's mit Händen greifen kann, daß du mir nicht traust. Also darf ich auch sagen, wie's mir ist: Wird der Steinbruch einmal angegriffen sein, so wirst du mir kein gut Wort mehr geben.

Vogt: Das ist doch unverschämt, Joseph! Ich werde dir gewiß Wort halten.

Joseph: Ich mag nichts hören, wenn's nicht jetzt sein kann, so ist alles aus.

Vogt: Kannst du es jetzt nicht mit zwei Talern machen?

Joseph: Nein, ich muß drei haben; aber dann kannst du auch auf mich zählen, in allem.

Vogt: Ich will's endlich tun, aber du haltest dann mir doch dein Wort?

Joseph: Wenn ich dich dann anführe, so sage, wo du willst, ich sei der größte Schelm und Dieb auf der Erden.

Der Vogt rief jetzt der Frau, und sagt' ihr: Gib dem Joseph drei Taler.

Die Frau nimmt ihn beiseits, und sagt ihm: Tue doch das nicht.

Vogt: Rede mir nichts ein. Tue, was ich sage.

Frau: Sei doch doch kein Narr; du bist besoffen, es wird dich morgen reuen.

Vogt: Rede mir kein Wort ein. Drei Taler im Augenblick - hörst du, was ich sage?

Die Frau seufzt, holt die Taler, wirft sie dem Vogt dar.

Dieser gibt sie dem Joseph, und sagt noch einmal: Du wirst mich doch nicht anführen wollen?

Behüte mich Gott davor! Was denkst du auch, Vogt? antwortete Joseph - geht, zählt außer der Türe noch einmal seine drei Taler, und sagt zu sich selbst:

Nun ist mein Lohn zwischen den Fingern, und da ist er sicherer, als in des Vogts Kisten. Er ist ein alter Schelm, und ich will nicht sein Narr sein. Nehm jetzt meinethalben der Meister Kiesel- oder Blaustein.

Die Vögtin heulete vor Zorn auf der Herdstätte in der Küche; und ging nicht mehr in die Stube bis nach Mitternacht.

Auch dem Vogt ahndete, sobald er fort war, daß er sich übereilt hätte; aber er vergaß es bald wieder bei der Gesellschaft. Der Greuel der Saufenden dauerte bis nach Mitternacht. Endlich kam die Vögtin aus der Küche, und sagte: Es ist Zeit, es ist einmal Zeit aufzubrechen, es geht gegen dem Morgen, und ist heiliger Abend.

Heiliger Abend! sagten die Kerls, streckten sich, gähnten, soffen aus, und standen nach und nach auf.

Jetzt taumelten, wankten sie allenthalben umher, hielten sich an Tischen und Wänden, und kamen mit Mühe zum Hause hinaus.

Geht doch ein jeder allein, und macht kein Gewühl, sagte ihnen die Vögtin, sonst kriegen der Pfarrer und sein Chorgericht Strafen.

Nein, es ist besser, wir versaufen das Geld, antworteten die Männer.

Und die Vögtin: Wenn ihr den Wächter antrefft, so saget ihm, es stehe ein Glas Wein und ein Stück Brot für ihn da.

Und sie waren kaum fort, so erschien der Wächter vor den Fenstern des Wirtshauses, und rief:. Wollt ihr hören, was ich euch will sagen, Die Glock und die hat ein Uhr g'schlagen. Ein Uhr g'schlagen.

Die Vögtin verstand den Ruf, bracht ihm den Wein, und bat, daß er doch dem Pfarrer nicht sage, wie lange sie gewirtet habe.

Und nun half sie noch dem schlummernden Besoffenen aus den Schuhen und Strümpfen - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - *) Und sie brummte noch von Josephs Talern, und von der Dummheit ihres Manns; er aber schlummerte, schnarchte, wußte nicht, was er tat. Endlich kamen beide am heiligen Abend zur Ruhe.

Und nun, gottlob! Ich habe jetzt eine Weile nichts mehr von ihnen zu erzählen. Ich kehre zurück zu Lienhard und Gertrud - Wie das eine Welt ist! Bald steht neben einem Hundsstall ein Garten, und auf einer Wiese ist bald stinkender Unrat, bald herrliches, milchreiches Futter.

Ja, es ist wunderlich auf der Welt! Selbst die schönen Wiesen geben ohne den Unrat, den wir darauf schütten, kein Futter.

31.

Der Abend vor einem Festtage, im Hause einer rechtschaffenen Mutter.

Gertrud war noch allein bei ihren Kindern. Die Vorfälle der Woche und der morndrige festliche Morgen erfüllten ihr Herz. In sich selbst geschlossen und still bereitete sie das Nachtessen, nahm ihrem Mann und den Kindern und sich selber ihre Sonntagskleider aus dem Kasten, und bereitete alles auf morgen, damit denn am heiligen Tage sie nichts mehr zerstreue. Und da sie ihre Geschäfte vollendet hatte, setzte sie sich mit ihren Lieben an Tisch, um mit ihnen zu beten.

Es war alle Samstage ihre Gewohnheit, den Kindern in der Abendgebetstunde ihre Fehler und auch die Vorfälle der Woche, die ihnen wichtig und erbaulich sein konnten, ans Herz zu legen. Und heute war sie besonders eingedenk der Güte Gottes gegen sie in dieser Woche, und wollte diesen Vorfall, so gut ihr möglich war, den jungen Herzen tief einprägen, daß er ihnen unvergeßlich bliebe.

Die Kinder saßen still um sie her, falteten ihre Hände zum Gebet, und die Mutter redete mit ihnen.

Ich habe euch etwas Gutes zu sagen, Kinder! Der liebe Vater hat in dieser Woche eine gute Arbeit bekommen, an deren sein Verdienst viel besser ist, als an dem, was er sonst tun muß - Kinder! wir dürfen hoffen, daß wir in Zukunft das tägliche Brot mit weniger Sorgen und Kummer haben werden.

Danket, Kinder! dem lieben Gott, daß er so gut gegen uns ist; und denket fleißig an die alte Zeit, wo ich euch jeden Mundvoll Brot mit Angst und Sorgen abteilen mußte. Es tat mir da so manchmal im Herzen weh, daß ich euch so oft und viel nicht genug geben konnte; aber der liebe Gott im Himmel wußte schon, daß er helfen wollte, und daß es besser für euch sei, meine Lieben! daß ihr zur Armut, zur Geduld, und zur Überwindung der Gelüste gezogen würdet, als daß ihr Überfluß hättet. Denn der Mensch, der alles hat, was er will, wird gar zu gern leichtsinnig, vergißt seines Gottes, und tut nicht das, was ihm selbst das nützlichste und beste ist. Denkt doch, solang ihr leben werdet, Kinder! an diese Armut, und an alle Not und Sorgen, die wir hatten - und wenn es jetzt besser geht, Kinder! so denkt an die, so Mangel leiden, so wie ihr Mangel leiden mußtet. Vergesset nie, wie Hunger und Mangel ein Elend sind, auf daß ihr mitleidig werdet gegen den Armen. Und wenn ihr einen Mundvoll Überflüssiges habt, es ihm gern gebet - Nicht wahr, Kinder! ihr wollt es gern tun? Oh ja, Mutter! gewiß gerne - sagten alle Kinder.

32.

Die Freuden der Gebetsstunde.

Mutter: Niclas! wen kennest du, der am meisten Hunger leiden muß?

Niclas: Mutter! den Rudeli. Du warst gestern bei seinem Vater, der muß schier Hunger sterben; er isset Gras ab dem Boden.

Mutter: Wolltest du ihm gern dann und wann dein Abendbrot geben?

Niclas: Oh ja, Mutter! Darf ich gerad morgen.

Mutter: Ja, du darfst es.

Niclas: Das freuet mich!

Mutter: Und du, Lise! wem wolltest du dann und wann dein Abendbrot geben?

Lise: Ich besinne mich jetzt nicht gerade, wem ich's am liebsten gäbe.

Mutter: Kommt dir denn kein Kind in Sinn, das Hunger leiden muß?

Lise: Wohl freilich, Mutter!

Mutter: Warum weißt du denn nicht, wem du's geben willst? Du hast immer so kluges Bedenken, Lise!

Lise: Ich weiß es jetzt auch, Mutter!

Mutter: Wem denn?

Lise: Des Reutimarxen Beteli - Ich sah es heute auf des Vogts Mist verdorbene Erdäpfel heraussuchen.

Niclas: Ja, Mutter! ich sah es auch, und suchte in allen meinen Säcken, aber ich fand keinen Mundvoll Brot mehr - hätte ich's nur auch eine Viertelstunde länger gespart.

Die Mutter fragte jetzt eben das auch die anderen Kinder - und sie hatten alle eine herzinnige Freude darüber, daß sie morgen ihr Abendbrot armen Kindern geben sollten. Die Mutter ließ sie eine Weile diese Freude genießen - dann sagte sie zu ihnen: Kinder! es ist jetzt genug hievon - Denket jetzt auch daran, wie unser Gnädige Herr euch so schöne Geschenke gemacht hat.

Ja unsere schönen Batzen - willst du sie uns doch zeigen, Mutter? sagten die Kinder.

Hernach, nach dem Beten, sagte die Mutter.

Die Kinder jauchzeten vor Freuden.

33.

Die Ernsthaftigkeit der Gebetsstunde.

Ihr lärmet, Kinder! sagte die Mutter. Wenn euch etwas Gutes begegnet, so denket doch bei allem an Gott, der uns alles gibt. Wenn ihr das tut, Kinder! so werdet ihr in keiner Freude wild und ungestüm sein. Ich bin gern selber mit euch fröhlich, ihr Lieben! aber wenn man in Freude und Leid ungestüm und heftig ist, so verlieret man die stille Gleichmütigkeit und Ruhe seines Herzens. Und wenn der Mensch kein stilles, ruhiges und heiteres Herz hat, so ist ihm nicht wohl. Darum muß er Gott vor Augen haben. Die Gebetsstunde des Abends und Morgens ist dafür, daß ihr das nie vergesset. Denn, wenn der Mensch Gott dankt oder betet, so ist er in seinen Freuden nie ausgelassen und in seinen Sorgen nie ohne Trost. Aber darum, Kinder! muß der Mensch, besonders in seiner Gebetsstunde, suchen ruhig und heiter zu sein - Sehet, Kinder! wenn ihr dem Vater recht danket für etwas, so jauchzet und lärmet ihr nicht - Ihr fallet ihm still und mit wenig Worten um den Hals; und wenn's euch recht zu Herzen gehet, so steigen euch Tränen in die Augen - Sehet, Kinder! so ist's auch gegen Gott! Wenn's euch recht freuet, was er euch Gutes tut, und wenn es euch recht im Herzen ist zu danken, so machet ihr gewiß nicht viel Geschreies und Geredes - aber Tränen kommen euch in die Augen, daß der Vater im Himmel so gut ist - Sehet, Kinder! dafür ist alles Beten, daß einem das Herz im Leib gegen Gott und Menschen immer dankbar bleibe; und wenn man recht betet, so tut man auch Recht, und wird Gott und Menschen lieb in seinem ganzen Leben. Niclas: Auch dem Gnädigen Herrn werden wir recht lieb, wenn wir Recht tun, sagtest du gestern.

Mutter: Ja, Kinder! es ist ein recht guter und frommer Herr! Gott lohne ihm alles was er an uns tut. Wenn du ihm einst nur recht lieb wirst, Niclas!

Niclas: Ich will ihm tun, was er will; wie dir und dem Vater will ich ihm tun, was er will, weil er so gut ist.

Mutter: Das ist brav, Niclas! Denk nur immer so, so wirst du ihm gewiß lieb werden.

Niclas: Wenn ich nur auch einmal mit ihm reden dürfte.

Mutter: Was wolltest du mit ihm reden?

Niclas: Ich wollte ihm danken für den schönen Batzen.

Anneli: Dürftest du ihm danken?

Niclas: Warum das nicht?

Anneli: Ich dürft's nicht.

Lise: Ich auch nicht.

Mutter: Warum dürftet ihr das nicht, Kinder?

Lise: Ich müßte lachen –

Mutter: Was lachen? Lise! und noch voraus sagen, daß du nicht anders als läppisch tun könntest. Wenn du nicht viel Torheiten im Kopf hättest, es könnte dir an so etwas kein Sinn kommen.

Anneli: Ich müßte nicht lachen, aber ich würde mich fürchten.

Mutter: Er würde dich bei der Hand nehmen, Anneli! und würde auf dich herab lächeln, wie der Vater, wenn er recht gut mit dir ist. Dann würdest du dich doch nicht mehr fürchten, Anneli!

Anneli: Nein - dann nicht.

Jonas: Und ich dann auch nicht.

34.

So ein Unterricht wird verstanden und geht an's Herz, aber es gibt ihn eine Mutter.

Mutter: Aber ihr Lieben! Wie ist's in dieser Woche mit dem Rechttun gegangen?

Die Kinder sehen eines das andere an, und schweigen.

Mutter: Anneli! tatest du Recht in dieser Woche?

Anneli: Nein Mutter! du weißt es wohl mit dem Brüderlein.

Mutter: Anneli! es hätte dem Kind etwas begegnen können; es sind schon Kinder, die man so allein gelassen hat, erstickt. Und über das, denk nur, wie's dir wäre wenn man dich in eine Kammer einsperrte, und dich da hungern und dürsten und schreien ließe. Die kleinen Kinder werden auch zornig, und schreien, wenn man sie lang ohne Hilfe läßt, so entsetzlich, daß sie für ihr ganzes Leben elend werden können. - Anneli! so dürfte ich, weiß Gott! keinen Augenblick mehr ruhig vom Hause weg, wenn ich fürchten müßte, du hättest zu dem Kind nicht recht Sorge.

Anneli: Glaube mir's doch, Mutter! Ich will gewiß nicht mehr von ihm weggehen.

Mutter: Ich will's zum lieben Gott hoffen, du werdest mich nicht mehr so in Schrecken setzen. Und, Niclas! wie ist's dir in dieser Woche gegangen?

Niclas: Ich weiß nichts Böses.

Mutter: Denkst du nicht mehr dran, daß du am Montag das Grüteli umgestoßen hast?

Niclas: Ich hab's nicht mit Fleiß getan, Mutter!

Mutter: Wenn du es noch gar mit Fleiß getan hättest, schämest du dich nicht, das zu sagen?

Niclas: Es ist mir leid! Ich will's nicht mehr tun, Mutter!

Mutter: Wenn du einmal groß sein, und so, wie jetzt, nicht Achtung geben wirst, was um und an dir ist, so wirst du es mit deinem großen Schaden lernen müssen. Schon unter den Knaben kommen die Unbedachtsamen immer in Händel und Streit - und so muß ich fürchten, mein lieber Niclas! daß du dir mit deinem unbedachtsamen Wesen viel Unglück und Sorgen auf den Hals ziehen werdest.

Niclas: Ich will gewiß achtgeben, Mutter!

Mutter: Tue es doch, mein Lieber! und glaub' mir, dieses unbedachtsame Wesen würde dich gewiß unglücklich machen.

Niclas: Liebe, liebe Mutter! Ich weiß es und ich glaub' es, und ich will gewiß achtgeben.

Mutter: Und du, Lise! wie hast du dich in dieser Woche aufgeführt?

Lise: Ich weiß einmal nichts anderes diese Woche, Mutter!

Mutter: Gewiß nicht?

Lise: Nein einmal, Mutter! soviel ich mich besinne; ich wollte es sonst gern sagen, Mutter!

Mutter: Daß du immer, auch wenn du nichts weißt, mit so viel Worten antwortest, als ein anderes, wenn es recht viel zu sagen hat.

Lise: Was habe ich jetzt denn auch gesagt, Mutter?

Mutter: Eben nichts, und doch viel geantwortet. Es ist das, was wir dir tausendmal schon sagten, du seist nicht bescheiden, du besinnest dich über nichts, was du reden sollst, und müssest doch immer geredet haben - Was hattest du gerad vorgestern dem Untervogt zu sagen, du wissest, daß Arner bald kommen werde?

Lise: Es ist mir leid, Mutter!

Mutter: Wir haben's dir schon so oft gesagt, daß du nicht in alles, was dich nicht angeht, reden sollst, insonderheit vor fremden Leuten; und doch tust du es immerfort - Wenn jetzt dein Vater es nicht hätte sagen dürfen, daß er es schon wisse, und wenn er so Verdruß von deinem Geschwätze gehabt hätte?

Lise: Es würde mir sehr leid sein; aber weder du noch er haben doch kein Wort gesagt, daß es niemand wissen soll.

Mutter: Ja, ich will's dem Vater sagen, wenn er heimkommt. Wir müssen so zu allen Worten, die wir in der Stube reden, allemal hinzusetzen: Das darf jetzt die Lise sagen bei den Nachbarn, und beim Brunnen erzählen - aber das nicht - und das nicht - und das wieder - so weißt du denn recht ordentlich und richtig, wovon du plappern darfst.

Lise: Verzeih mir doch, Mutter! Ich meinte es auch nicht so.

Mutter: Man hat es dir für ein und allemal gesagt, daß du in nichts, was dich nicht angeht, plaudern sollst; aber es ist vergeblich. Der Fehler ist dir nicht abzugewöhnen, als mit Ernst, und das erstemal, daß ich dich wieder bei so unbesonnenem Geschwätz antreffen werde, werde ich dich mit der Rute abstrafen.

Die Tränen schossen der Lise in die Augen, da die Mutter von der Rute redete. Die Mutter sah es, und sagte zu ihr: Lise! Die größten Unglücke entstehen aus unvorsichtigem Geschwätz, und dieser Fehler muß dir abgewöhnt sein. So redete die Mutter mit allen, sogar mit dem kleinen Grüteli: Du mußt deine Suppe nicht mehr so ungestüm fordern, sonst laß ich dich ein andermal noch länger warten, oder ich gebe sie gar einem anderen.

Nach allem diesem beteten die Kinder ihre gewöhnten Abendgebete, und nach denselben das Samstagsgebet, das Gertrud sie gelehrt hatte. Es lautet also:

35.

Ein Samstagsabendgebet.

Lieber Vater im Himmel! Du bist immer gut mit den Menschen auf Erden, und auch mit uns bist du immer gut, und gibst uns alles, was wir nötig haben. Ja, du gibst uns Gutes zum Überfluß. Alles kommt von dir - das Brot und alles, was uns der liebe Vater und die liebe Mutter geben, alles gibst du ihnen, und sie geben es uns gern. Sie freuen sich über alles, was sie uns tun und geben können, und sagen uns, wir sollen es dir danken, daß sie so gut mit uns sind; sie sagen uns, wenn sie dich nicht kennten, und du ihnen nicht lieb wärest, so wären auch wir ihnen nicht so lieb, und sie würden, wenn sie dich nicht kennten und liebten, uns gar viel weniger Gutes tun können. Sie sagen uns ferner, daß wir es dem Heiland der Menschen danken sollen, daß sie dich, himmlischer Vater! erkennen und lieben, und daß alle Menschen, welche diesen lieben Heiland nicht kennen und lieben, und nicht allem guten Rate folgen, den er den Menschen auf Erden gegeben hat, auch dich, himmlischer Vater nicht so lieben, und ihre Kinder nicht so fromm und sorgfältig erziehen, als die, so dem Heiland der Welt glauben. Unser lieber Vater und die liebe Mutter erzählen uns immer viel von diesem lieben Jesus, wie er es so gut mit den Menschen auf Erden gemeint, wie er, damit er alles tue, was er könne, die Menschen zeitlich und ewig glücklich zu machen, sein Leben in tausendfachem Elend zugebracht habe, und wie er endlich am Kreuze gestorben sei; wie ihn Gott wieder vom Tode auferweckt habe, und wie er jetzt in der Herrlichkeit des Himmels zur Rechten auf dem Throne Gottes, seines Vaters, lebe, und noch jetzt alle Menschen auf Erden gleich liebe und suche glücklich und selig zu machen - Es geht uns allemal an's Herz, wenn wir von diesem lieben Jesus hören - wenn wir nur auch lernen so leben, daß wir ihm lieb werden, und daß wir einst zu ihm kommen in den Himmel. Lieber Vater im Himmel! Wir arme Kinder, die wir hier beisammen sitzen und beten, sind Brüder und Schwestern; darum wollen wir immer recht gut miteinander sein, und einander nie nichts zuleid tun, sondern alles Gute, was wir können und mögen. Zu den Kleinen wollen wir Sorge tragen mit aller Treue und mit allem Fleiß, daß der liebe Vater und die liebe Mutter ohne Sorgen ihrer Arbeit und ihrem Brote nachgehen können; das ist das einzige, so wir ihnen tun können für alle Mühe und Sorgen und Ausgaben, die sie für uns haben. Vergilt ihnen, du Vater im Himmel! alles, was sie an uns tun, und laß uns ihnen in allem, was sie wollen, folgen, daß wir ihnen lieb bleiben bis an's Ende ihres Lebens, da du sie von uns nehmen und belohnen wirst für ihre Treue, die sie uns werden erwiesen haben.

Lieber himmlischer Vater! Laß uns den morgenden heiligen Tag deiner Güte und der Liebe Jesu Christi, und auch alles dessen, was uns unser Vater und unsere Mutter und alle Menschen Gutes tun, recht eingedenk sein; damit wir gegen Gott und Menschen dankbar werden, und gehorsam, und damit wir in der Liebe wandeln vor deinen Augen unser Leben lang - Hier mußte Niclas innehalten. Dann sprach Gertrud allemal, nach den Vorfällen der Woche, das weitere vor.

Heute sagte sie ihnen: Wir danken dir, himmlischer Vater! daß du unseren lieben Eltern in dieser Woche die schweren Sorgen für ihr Brot und für ihre Haushaltung erleichtert, und dem Vater einen guten, einträglichen Verdienst gezeiget hast. Wir danken dir, daß unsere Obrigkeit mit wahrem Vaterherzen unser Schutz, unser Trost und unsere Hilfe in allem Elend und in aller Not ist. Wir danken dir für die Guttat unseres Gnädigen Herrn. Wir wollen, will's Gott! aufwachsen, wie zu deiner Ehre, also auch zu seinem Dienst und Wohlgefallen,; denn er ist uns, wie ein treuer Vater.

Hierauf sprach sie der Lise vor: Verzeih mir, oh mein Gott! meine alte Unart, und lehre mich, meine Zunge im Zaum halten schweigen, wo ich nicht reden soll, und behutsam und bedächtlich antworten, wo man mich fraget.

Sodann spricht sie dem Niclas vor: Bewahre mich, Vater im Himmel! doch in Zukunft vor meinem hastigen Wesen, und lehre mich, mich auch in achtnehmen, was ich mache, und wer um und an mir sei.

Dann dem Anneli: Es ist mir leid, mein lieber Gott! daß ich mein Brüderlein so leichtsinnig verlassen, und damit die liebe Mutter so in Schrecken gesetzt habe. Ich will es in meinem Leben nicht mehr tun, mein lieber Gott!

Und nachdem die Mutter allen Kindern so vorgesprochen hatte, betete sie ferner:

Herr! Erhöre uns.

Vater! Verzeih uns.

Jesus! Erbarm dich unser.

Dann betete Niclas das heilige Vaterunser.

Und dann Enne: Behüt mir, Gott! den lieben Vater und die liebe Mutter und die lieben Geschwister, auch unseren lieben Gnädigen Herrn von Arnheim, und alle guten lieben Menschen auf Erden –

Und dann die Lise:. Das walt Gott, Der Vater! Der Sohn! und der heilige Geist!

Und dann die Mutter: Nun Gott sei mit euch! Gott erhalte euch! Der Herr lasse sein heiliges Angesicht über euch leuchten, und sei euch gnädig!

Eine Weile noch saßen die Kinder und die Mutter in der ernsten Stille, die ein wahres Gebet allen Menschen einflößen muß..

36.

Noch mehr Mutterlehren. Reine Andacht und Emporhebung der Seele zu Gott.

Lise unterbrach diese Stille - Du zeigest uns jetzt die neuen Batzen, sagte sie zur Mutter - Ja, ich will sie euch zeigen, antwortete die Mutter.

Aber, Lise! Du bist immer das, so zuerst redet.

Niclas juckt jetzt vom Ort auf, wo er saß, drängt sich hinter dem Grüteli hervor, daß er näher beim Licht sei, um die Batzen zu sehen, und stößt denn das Kleine, daß es laut weint.

Da sagte die Mutter: Niclas! Es ist nicht recht; in eben der Viertelstunde versprachst du, sorgfältiger zu sein, und jetzt tust du das.

Niclas: Ach Mutter! Es ist mir leid; ich will's in meinem Leben nicht mehr tun.

Mutter: Das sagtest du eben jetzt zu deinem lieben Gott, und tatest es wieder; es ist dir nicht ernst.

Niclas: Ach ja, Mutter! Es ist mir gewiß ernst. Verzeih mir, es ist mir gewiß ernst und recht leid.

Mutter: Mir auch, du Lieber! Aber du denkst nicht daran, wenn ich dich nicht abstrafe. Du mußt jetzt ungeessen ins Bett. Sie sagts, und führt den Knaben von den anderen Kindern weg in seine Kammer. Seine Geschwister standen alle traurig in der Stube umher; es tat ihnen weh, daß der liebe Niclas nicht zu Nacht essen mußte.

Daß ihr euch doch nicht mit Liebe leiten lassen wollt, Kinder! sagte ihnen die Mutter. Laß ihn doch diesmal wieder heraus, sagten die Kinder. Nein, meine Lieben! Seine Unvorsichtigkeit muß ihm abgewöhnt werden, antwortete die Mutter.

So wollen wir jetzt die Batzen nicht sehen bis morgen; er sieht sie denn mit uns, sagte Enne.

Und die Mutter: Das ist recht, Enne! Ja, er muß sie alsdann mit euch sehen.

Jetzt gab sie noch den Kindern ihr Nachtessen, und ging dann mit ihnen in ihre Kammer, wo Niclas noch weinte. Nimm dich doch ein andermal in acht, lieber, lieber Niclas! sagte ihm die Mutter.

Und Niclas! Verzeih mir's doch, meine liebe, liebe Mutter! Verzeih mir's doch, und küsse mich; ich will gern nichts zu Nacht essen.

Da küßte Gertrud ihren Niclas und eine heiße Träne floß auf sein Antlitz, als sie ihm sagte: Oh Niclas! Niclas! Werde bedachtsam - Niclas mit beiden Händen umschlingt den Hals der Mutter und sagt: Oh Mutter! Mutter! Verzeih mir. Gertrud segnete noch ihre Kinder, und ging wieder in ihre Stube.

Jetzt war sie ganz allein - Eine kleine Lampe leuchtete nur schwach in der Stube, und ihr Herz war feierlich still, und ihre Stille war ein Gebet, das unaussprechlich ohne Worte ihr Innerstes bewegte. Empfindung von Gott und von seiner Güte! Gefühl von der Hoffnung des ewigen Lebens, und von der inneren Glückseligkeit der Menschen, die auf Gott im Himmel trauen und bauen; alles dieses bewegte ihr Herz, daß sie hinsank auf ihre Knie, und ein Strom von Tränen floß ihre Wangen herunter.

Schön ist die Träne des Kinds, wenn es von der Wohltat des Vaters gerührt schluchzend zurücksieht, seine Wange trocknet, und sich erholen muß, ehe es den Dank seines Herzens stammeln kann.

Schön sind die Tränen des Niclas, die er in dieser Stunde weint, daß er die gute gute Mutter erzürnet hat, die ihm so lieb ist.

Schön sind die Tränen des Menschen alle, die er also aus gutem Kinderherzen weint. Der Herr im Himmel sieht herab auf das Schluchzen seines Danks - und auf die Tränen seiner Augen, wenn er ihn liebhat.

Der Herr im Himmel sah die Tränen der Gertrud, und hörte das Schluchzen ihres Herzens, und das Opfer ihres Danks war ein angenehmer Geruch vor ihm.

Gertrud weinte lang vor dem Herrn ihrem Gott, und ihre Augen waren noch naß, als ihr Mann heimkam.

Warum weinest du, Gertrud? Deine Augen sind rot und naß. Warum weinest du heute, Gertrud? fragte sie Lienhard. Gertrud antwortete: Mein Lieber! Es sind keine Tränen von Kummer - fürchte dich nicht - Ich wollte Gott danken für diese Woche, da ward mir das Herz zu voll, ich mußte hinsinken auf meine Knie, ich konnte nicht reden - ich mußte nur weinen; aber es war mir, ich habe in meinem Leben Gott nie so gedankt.

Du Liebe! antwortete Lienhard; wenn ich nur auch mein Herz, wie du, so schnell emporheben und zu Tränen bringen könnte! Es ist mir jetzt auch gewiß ernst recht zu tun, und gegen Gott und Menschen redlich und dankbar zu sein; aber es wird mir nie so, daß ich auf meine Knie fallen und Tränen vergießen möchte.

Gertrud: Wenn's dir nur ernst ist, recht zu tun, so ist alles andere gleichviel. Der eine hat eine schwache Stimme, und der andere eine starke; daran liegt nichts. Nur wozu sie ein jeder braucht, darauf kommt's allein an - Mein Lieber! Tränen sind nichts, und Kniefallen ist nichts; aber der Entschluß, gegen Gott und Menschen redlich und dankbar zu sein, das ist alles. Daß der eine Mensch weichmütig, und daß der andere es weniger ist, das ist ebensoviel, als daß der eine Wurm schwerfälliger und der andere leichter in dem Staube daherschleicht. Wenn es dir nur Ernst ist, mein Lieber! so wirst du ihn finden. Ihn, der allen Menschen Vater ist. Lienhard senkt mit einer Träne im Aug sein Haupt auf ihren Schoß, und sie hält ihr Angesicht in stiller Wehmut über das seine.

Sie bleiben eine Weile in dieser Stellung still, staunen - und schweigen.

Endlich sagte Gertrud zu ihm: Willst du nicht zu Nacht essen?

Ich mag nicht, antwortete er. Mein Herz ist zu voll, ich könnte jetzt nicht essen.

Ich mag auch nicht, mein Lieber! erwiderte sie; aber weißt du, was wir tun wollen - Ich trage das Essen zu dem armen Rudi - Seine Mutter ist heute gestorben.

37.

Sie bringen einem armen Mann eine Erbsbrühe.

Lienhard: Ist sie endlich ihres Elends los?

Gertrud: Ja, gottlob! aber du hättest sie sollen sterben sehen; mein Lieber! Denk, sie entdeckte an ihrem Todestag, daß ihr Rudeli uns Erdäpfel gestohlen hätte. Der Vater und der Knab mußten zu mir kommen, und um Verzeihung bitten. Sie ließ uns auch ausdrücklich in ihrem Namen bitten, wir sollten es ihr verzeihen, daß sie die Erdäpfel nicht zurückgeben könne, und der gute Rudi versprach so herzlich, daß er es dir abverdienen wolle - Denk, wie mir bei dem allem war, mein Lieber! Ich lief zu der Sterbenden, aber ich kann dir's nicht erzählen; es ist nicht auszusprechen, mit welcher Wehmut, wie innig gekränkt sie mich noch einmal fragte, ob ich's ihnen verziehen hätte; und da sie sah, daß mein Herz gerührt war, empfahl sie mir ihre Kinder - wie sie das fast nicht tun und fast nicht wagen dürfte - wie sie es bis auf den letzten Augenblick verspart, und dann, da sie empfand, daß sie eilen müßte, endlich es wagte, und mit einer Demut und Liebe gegen die Ihrigen tat - und wie sie mitten, indem sie es tat, ausgelöscht ist, das ist nicht auszusprechen und nicht zu erzählen.

Lienhard: Ich will mit dir zu ihnen gehen.

Gertrud: Ja, komme, wir wollen gehen. Sie nimmt ihre Erbsbrühe und sie gehen.

Da sie kamen, saß der Rudi neben der Toten auf ihrem Bett, weinte und seufzte, und der Kleine rief dem Vater aus seiner Kammer und bat ihn um Brot - Nein, nicht um Brot - um rohe Wurzeln nur, oder was es wäre.

Ach! Ich habe nichts, gar nichts - um Gottes willen, schweig doch bis morgen; ich habe nichts, sagt ihm der Vater.

Und der Kleine: Oh! Wie mich hungert, Vater! Ich kann nicht schlafen - Oh! Wie mich hungert, Vater!

Oh wie mich hungert! hören ihn Lienhard und Gertrud rufen, öffnen die Türe, stellen das Essen den Hungrigen dar, und sagen zu ihnen: Esset doch geschwind, ehe es kalt ist. Oh Gott! sagte der Rudi, was ihr an mir tut. Rudeli, das sind die Leute, denen du Erdäpfel gestohlen hast; und auch ich habe davon gegessen.

Gertrud: Schweig doch einmal hiervon, Rudi!

Rudi: Ich darf euch nicht ansehen, so geht's mir an's Herz, daß wir euch das haben tun dürfen.

Lienhard: Iß doch jetzt, Rudi!

Rudeli: Iß doch, Vater! Wir wollen doch essen, Vater! Rudi: So bete eben.

Rudeli: Speis Gott – Tröst Gott - Alle armen Kind Die auf Erden sind An Seel und Leib, Amen! So betet der Knab, nimmt den Löffel, zittert, weint und ißt. So vergelt's euch Gott zu tausend Malen - sagt der Vater, ißt auch, und Tränen fallen über seine Wangen in seine Speise. Sie aßen aber das Essen nicht auf, sondern stellten ein Blättlein voll den Kindern beiseits, die schliefen, dann betete der Rudeli ab Tische:. Wer gegessen hat Gott danken soll; Der uns gespeist hat Abermal. Ihm sei Lob, Preis und Dank gesagt, Von nun an bis in Ewigkeit, Amen! Als nun der Rudi ihnen noch einmal danken wollte, entfuhr ihm ein Seufzer -

38.

Die reine stille Größe eines wohltätigen Herzens.

Fehlt dir etwas, Rudi? Wenn's etwas ist, da wir dir helfen können, so sag es, sagten Lienhard und Gertrud zu ihm. Nein, es fehlt mir jetzt nichts; ich dank euch, antwortete der Rudi.

Aber sichtbar erstickt' er das tiefe Seufzen des Herzens, das immer empordringen wollte.

Mitleidig und traurig sahen ihn Lienhard und Gertrud an, und sprachen: Du seufzest doch, und man sieht's, dein Herz ist über etwas beklemmt.

Sag's doch, ach sag's doch, Vater! Sie sind ja so gut, bittet ihn der Kleine.

Tu es doch, und sag es, wenn wir helfen können, bitten ihn Lienhard und Gertrud.

Darf ich's! erwiderte der Arme; ich habe weder Schuh noch Strümpfe, und sollte morgen mit der Mutter zum Grabe, und übermorgen in's Schloß gehen.

Lienhard: Daß du dich auch so grämen magst über dieses! Warum sagtest du doch das nicht auch geradezu? Ich kann und will dir ja das gern geben.

Rudi: Wirst du mir, ach mein Gott! nach allem, was vorgefallen ist, auch glauben, daß ich dir es unversehrt und mit Dank wieder zurückgeben werde?

Lienhard: Schweig doch hiervon, Rudi! Ich glaub' dir noch mehr als das; aber dein Elend und deine Not haben dich zu ängstlich gemacht.

Gertrud: Ja, Rudi! Trau auf Gott und Menschen, so wird dir durchaus leichter ums Herz werden, und du wirst dir in allen Umständen besser helfen können.

Rudi: Ja, Gertrud! Ich sollte wohl meinem Vater im Himmel mehr trauen, und euch kann ich nicht genug danken.

Lienhard: Rede nicht hiervon, Rudi!

Gertrud: Ich möchte deine Mutter noch sehen. Sie gehen mit einer schwachen Lampe an ihr Bett - und Gertrud und Lienhard und der Rudi und der Kleine, alle mit Tränen in den Augen - staunen in tiefem stillen Schweigen eine Weile sie an, decken sie dann wieder zu, und nehmen fast ohne Worte herzlich Abschied voneinander.

Und im Heimgehen sagte Lienhard zu Gertrud: Es geht mir an's Herz, welche Tiefe des Elends! Nicht mehr in die Kirche gehen können, nicht mehr um Arbeit bitten, nicht mehr dafür danken können, weil man keine Kleider, nicht einmal Schuh und Strümpfe dazu hat.

Gertrud: Wenn der Mann nicht unschuldig an seinem Elend wäre, er müßte verzweifeln.

Lienhard: Ja, Gertrud! Er müßte verzweifeln; gewiß, er müßte verzweifeln, Gertrud! Wenn ich meine Kinder so um Brot schreien hörte, und keines hätte, und schuld daran wäre, Gertrud! Ich müßte verzweifeln; und ich war auf dem Weg zu diesem Elend.

Gertrud: Ja, wir sind aus großen Gefahren errettet. Indem sie so redeten, kamen sie neben dem Wirtshaus vorbei, und das dumpfe Gewühl der Säufer und Prasser ertönte in ihren Ohren. Dem Lienhard klopfte das Herz schon von ferne,; aber ein Schauer durchfuhr ihn und ein banges Entsetzen, als er sich ihm näherte. Sanft und wehmütig sah ihn Gertrud jetzt an, und beschämt erwiderte Lienhard den wehmütigen Anblick seiner Gertrud, und sagte:

Oh des herrlichen Abends an deiner Seite! Und wenn ich jetzt auch hier gewesen wäre! So sagt er.

Die Wehmut der Gertrud wächst jetzt zu Tränen, und sie hebt ihre Augen gen Himmel. Er siehts - Tränen steigen auch ihm in die Augen, und gleiche Wehmut in das Antlitz, wie seiner Geliebten. Auch er hebt seine Augen gen Himmel, und beide hefteten eine Weile ihr Antlitz auf den schönen Himmel. Sie sahen mit wonnevollen Tränen den helleuchtenden Mond an, und noch wonnevollere innere Zufriedenheit versicherte sie, daß Gott im Himmel die reinen und unschuldigen Gefühle ihrer Herzen guthieße.

Nach dieser kleinen Verweilung gingen sie in ihre Hütte. Alsobald suchte Gertrud Schuhe und Strümpfe für den Rudi, und Lienhard brachte sie ihm noch am gleichen Abend.

Da er wieder zurück war, beteten sie noch ein Vorbereitungsgebet zum heiligen Nachtmahl, und entschliefen in gottseligen Gedanken.

Am Morgen standen sie früh auf, und freuten sich des Herrn, lasen die Leidensgeschichte des Heilands und die Einsetzung des heiligen Abendmahls, und lobten Gott in der frühen Stunde vor dem Aufgange der Sonne am heiligen Tage. Dann weckten sie ihre Kinder, warteten noch ihr Morgengebet ab, und gingen zur Kirche.

Eine Viertelstunde vor dem Zusammenläuten stand auch der Vogt auf. Er konnte den Schlüssel zum Kleiderkasten nicht finden, fluchte Entsetzen und Greuel, stieß den Kasten auf mit dem Schuh, kleidete sich an, ging zur Kirche, setzte sich in den ersten Stuhl des Chors, nahm den Hut vor den Mund, blickte mit den Augen in alle Ecken der Kirche, und betete zugleich unter dem Hute.

Bald darauf kam auch der Pfarrer.

Da sang die Gemeinde zwei Stücke von dem Passionslied: Oh Mensch! bewein' dein Sünden groß, und wie es weiter lautet. Dann trat der Pfarrer auf die Kanzel, und predigte und lehrte an diesem Tage seine Gemeinde also.