Lienhard und Gertrud

Rechtschreibung und Interpunktion entsprechen nicht der Kritischen Ausgabe von Pestalozzis Schriften, sondern der regularisierten Fassung auf der CD-ROM.

39.

Eine Predigt.

Meine Kinder! Wer den Herrn fürchtet, und fromm und aufrichtig vor seinen Augen wandelt, der wandelt im Licht.

Aber wer des Herrn seines Gottes in seinem Tun vergißt, der wandelt in der Finsternis.

Darum lasset euch nicht verführen, es ist nur einer gut, und der ist euer Vater.

Warum laufet ihr in der Irre umher, und tappet in der Finsternis? Es ist niemand euer Vater, als nur Gott. Hütet euch vor den Menschen, daß ihr von ihnen nicht Dinge lernt, die eurem Vater mißfallen.

Selig ist der Mensch, dessen Vater Gott ist. Selig ist der Mensch, der sich vor dem Bösen fürchtet, und der das Arge hasset; denn es geht denen nicht wohl, die Böses tun, und der Arge verstrickt sich in seiner Arglist. Es geht denen nicht wohl, die ihren Nächsten drücken und drängen. Nein, es geht dem Menschen nicht wohl, über den der Arme zu Gott schreit.

Weh dem Elenden, der im Winter den Armen speiset, und in der Ernte das Doppelte von ihm wieder abnimmt. Weh dem Gottlosen, der dem Armen im Sommer Wein aufdringt, und im Herbst ihm zweimal soviel wieder fordert. Weh ihm, wenn er dem Armen sein Stroh und sein Futter abdrückt, daß er sein Land nicht mehr bauen kann. Weh ihm, wenn die Kinder des Armen um seiner Hartherzigkeit willen Brot mangeln.

Weh dem Gottlosen, der den Armen Geld leiht, daß sie seine Knechte werden, ihm zu Gebote stehen, ohne Lohn arbeiten, und doch zinsen müssen.

Weh ihm, wenn sie vor Gericht und Recht für ihn aussagen, falsches Zeugnis geben, und Meineide schwören, daß er recht hat.

Weh ihm, wenn er Böswichter in seinem Haus versammelt, und mit ihnen dem Gerechten auflauert, ihn zu verführen, daß er auch werde wie sie, und daß er seines Gottes, und seines Weibs, und seiner Kinder vergesse, und verschwende bei ihnen den Lohn seiner Arbeit, auf den die Mutter samt den Kindern hoffet.

Und weh auch dem Elenden, der sich also von dem Gottlosen verführen läßt, und in seinem Unsinn verschwendet das Geld, das in seiner Haushaltung nötig ist.

Weh ihm, wenn sein Weib über ihn zu Gott seufzt, daß sie nicht Milch hat, den Säugling zu nähren.

Weh ihm, wenn der Säugling um seines Saufens willen serbet. Weh ihm, wenn die Mutter über seiner Kinder Brotmangel und über unvernünftig aufgebürdete Arbeit weint.

Weh dem Elenden, der das Lehrgeld seiner Söhne verspielt; wenn sein Alter kommen wird, werden sie zu ihm sagen: Du warst nicht unser Vater, du lehrtest uns nicht Brot verdienen, womit können wir dir helfen?

Weh denen, die mit Lügen umgehen, und das Krumme gerad und das Gerade krumm machen, denn sie werden zuschanden werden.

Weh euch, wenn ihr der Witwe Äcker und des Waisen Haus zu wohlfeil gekauft habt, weh euch! denn der Witwe und des Waisen Vater ist euer Herr, und die Armen und die Witwen und die Waisen sind ihm lieb, und ihr seid ihm ein Greuel und ein Abscheu, darum, daß ihr bös seid und hart mit den Armen.

Weh euch, die ihr euer Haus voll habt von dem, was nicht euer ist.

Ob ihr gleich jauchzet beim Saufen des Weins, der in den Reben des Armen gewachsen ist.

Ob ihr gleich lachet, wenn elende hungernde Menschen ihr Korn mit Seufzen in eure Säcke ausschütten.

Ob ihr gleich spöttelt und scherzet, wenn euer Unterdrückte sich vor euch wie ein Wurm windet, und den zehnten Teil eures Raubs von euch wieder um Gottes willen auf Borg bittet; ob ihr euch gleich gegen alles das verhärtet, so ist es euch doch keine Stunde wohl in eurem Herzen.

Nein, es ist dem Menschen nicht wohl auf Gottes Erdboden, der den Armen aussaugt.

Mög er sein, wer er will, mög er über alle Gefahr, über alle Verantwortung und über alle Strafe auf der Erde hinaus sein.

Mög er sogar Richter im Lande sein, und Elende, die besser, als er, sind, mit seiner Hand gefangennehmen und mit seinem Munde anklagen.

Mög er sogar sitzen und richten selber über sie, auf Leben und Tod, und sprechen das Urteil auf Schwert und Rad. Er ist schlimmer als sie.

Wer den Armen aus Übermut drückt, und elenden Leuten Fallstricke legt, und die Häuser der Witwen aussaugt - der ist schlimmer, als Diebe und Mörder, deren Lohn der Tod ist. Darum ist dem Menschen auf Erden, der das tut, auch keine Stunde wohl in seinem Herzen.

Er irret auf Gottes Erdboden umher, belastet mit dem Fluche des Brudermörders, der seinem Herzen keine Ruhe läßt. Er irret umher, und will und sucht immer die Schrecken seines Inwendigen vor sich selber zu verbergen. Mit Saufen und Prassen,

Mit Mutwillen und Bosheiten, Mit Hader und Streit, Mit Lug und Betrug, Mit Zoten und Possen, Mit Schmähen und Schimpfen, Mit Aufhetzen und Hinterreden, will er sich selbst die Zeit, die ihm zur Last ist, vertreiben. Aber er wird die Stimme seines Gewissens nicht immer ersticken, er wird dem Schrecken des Herrn nicht immer entgehen können; es wird ihn überfallen, wie ein Gewaffneter, und ihr werdet ihn sehen zittern und zagen, wie einen Gefangenen, dem der Tod droht.

Aber selig ist der Mensch, der keinen Teil hat an seinem Tun.

Selig ist der Mensch, der nicht schuld ist an der Armut eines seiner Nebenmenschen.

Selig ist der Mensch, der von keinem Armen Gaben oder Gewinn in seiner Hand hat.

Selig seid ihr, wenn euer Mund rein ist von harten Worten, und euer Aug von harten Blicken.

Selig seid ihr, wenn der Arme euch segnet, und wenn Witwen und Waisen Tränen des Danks über euch zu Gott weinen. Selig ist der Mensch, der in der Liebe wandelt vor dem Herrn seinem Gott, und vor allem seinem Volk.

Selig seid ihr, ihr Frommen! Kommet und freuet euch beim Mahl des Herrn der Liebe.

Der Herr, euer Gott, ist euer Vater. Die Pfänder der Liebe aus seiner Hand werden euch erquicken, und das Heil eures Herzens wird wachsen, weil eure Liebe gegen Gott, euren Vater, und gegen die Menschen, eure Brüder, wachsen und stark werden wird.

Aber ihr, die ihr ohne Liebe wandelt, und in eurem Tun nicht achtet, daß Gott euer Vater ist, daß eure Nebenmenschen Kinder eures Gottes sind, und daß der Arme euer Bruder ist, ihr Gottlosen! was tut ihr hier? Ihr, die ihr morgen wieder wie gestern den Armen drücken und drängen werdet! was tut ihr hier? Wollet ihr das Brot des Herrn essen, und seinen Kelch trinken, und sagen: daß ihr ein Leib und ein Herz, ein Geist und eine Seele mit euren Brüdern seid?

Verlasset doch diese Vorhöfe, und meidet das Mahl der Liebe! Bleibet, bleibet von hinnen - daß der Arme nicht beim Mahl des Herrn über eurem Anblick erblasse, und daß er in der Stunde seiner Erquickung nicht denken müsse, ihr werdet ihn morgen erwürgen. Gönnet, ach! gönnet ihm doch diese Stunde des Friedens, daß er Ruhe habe vor euch, und euch nicht sehe.

Denn der Arme zittert vor euch, und dem Waisen klopfet das Herz, wo ihr um den Weg seid.

Aber warum rede ich mit euch? Ich verschwende umsonst meine Worte. Ihr geht nicht von da weg, wo ihr Menschen kränken könnet; wo ihr sie vor euch zitternd und angstvoll sehet, da ist euch wohl, und ihr meinet, es müsse, wie ihr, niemand Ruhe haben in seinem Herzen.

Aber ihr irret euch; siehe, ich wende mich von euch weg, als ob ihr nicht da wäret.

Und ihr Arme und Gedrückte in meiner Gemeinde, wendet euch von ihnen weg, als ob ihr sie nicht sähet, als ob sie nicht da wären.

Der Herr ist da! Auf den ihr hoffet - Der Herr ist da!

Glaubet und trauet auf ihn; und die Frucht eurer Trübsal und eurer Leiden wird euch zum Segen werden. Glaubet und trauet dem Herrn euerm Gott, und fürchtet euch nicht vor den Gottlosen; aber hütet euch vor ihnen, geduldet euch lieber, traget lieber allen Mangel, leidet lieber Schaden, als daß ihr Hilfe bei dem Hartherzigen suchet; denn die Worte eines harten Mannes sind Lügen, und seine Hilfe ist eine Lockspeise, womit er den Armen fange, daß er ihn töte. Darum fliehet den Gottlosen, wenn er euch lächelnd grüßet, wenn er seine Hand euch bietet und die eure schüttelt und drücket. Wenn er euch alle seine Hilfe anträgt, so fliehet, denn der Gottlose verstrickt den Armen. Fliehet vor ihm, und bindet nicht mit ihm an; aber fürchtet ihn nicht, wenn ihr ihn sehet stehen fest und groß - wie die hohe Eiche fest und groß! Fürchtet ihn nicht.

Gehet hin, ihr Lieben! in euern Wald, an den Ort, wo die hohen alten Eichen standen, und sehet, wie die kleinen Bäume, die unter ihrem Schatten serbten, jetzt zugenommen haben, wie sie grünen und blühen. Die Sonne scheint jetzt wieder auf die jungen Bäume, und der Tau des Himmels fällt auf sie in seiner Kraft, und die großen weiten Wurzeln der Eiche, die alle Nahrung aus der Erde sogen, faulen jetzt und geben den jungen Bäumen Nahrung, die im Schatten der Eiche serbten. Darum hoffet auf den Herrn, denn seine Hilfe mangelt denen nie, die auf ihn hoffen.

Der Tag des Herrn wird über den Gottlosen kommen, und an demselben Tage wird er, wenn er den Unterdrückten und Elenden ansehen wird, heulen und sprechen: Wär ich wie dieser einer!

Darum trauet auf den Herrn, ihr Betrübten und Unterdrückten! und freuet euch, daß ihr den Herrn erkennet, der das Mahl der Liebe eingesetzt hat.

Denn durch die Liebe tragt ihr der Erde Leiden, wie einen Schatz von dem Herrn, und unter euern Lasten wachsen eure Kräfte und euer Segen.

Darum freuet euch, daß ihr den Herrn der Liebe erkennet, denn ohne Liebe würdet ihr erliegen, und werden wie die Gottlosen, die euch plagen und betrügen.

Lobpreiset den Herrn der Liebe, daß er das Abendmahl eingesetzt, und unter seinen Millionen auch euch zu seinem heiligen Geheimnis berufen hat!

Lobpreiset den Herrn!

Die Offenbarung der Liebe ist die Erlösung der Welt! Liebe ist das Band, das den Erdkreis verbindet. Liebe ist das Band, das Gott und Menschen verbindet. Ohne Liebe ist der Mensch ohne Gott; und ohne Gott und ohne Liebe was ist der Mensch?

Dürft ihr's sagen? Dürft ihr's aussprechen? Dürft ihr's denken? Was der Mensch ist ohne Gott und ohne Liebe. Ich darf's nicht sagen. Ich kann's nicht aussprechen. Nicht Mensch.

Unmensch ist der Mensch ohne Gott und ohne Liebe. Darum freuet euch, daß ihr den Herrn der Liebe erkennet, der den Erdkreis von der Unmenschlichkeit zur Liebe, von der Finsternis zum Licht, und vom Tod zum ewigen Leben berufen hat!

Und noch einmal sage ich euch: Freuet euch, daß ihr den Herrn erkennet, und betet für alle die, so ihn nicht erkennen, daß sie zur Erkenntnis der Wahrheit und zu eurer Freude gelangen.

Meine Kinder! Kommet zum heiligen Mahl eures Herrn - Amen!

Nachdem der Pfarrer dieses gesagt, und fast eine Stunde seine Gemeinde christlich gelehret hatte, betete er mit ihnen, und die ganze Gemeinde nahm das Nachtmahl des Herrn. Der Vogt Hummel aber dienete zu beim Nachtmahl des Herrn; und nachdem alles Volk dem Herrn gedankt hatte, sangen sie wieder ein Lied, und der Pfarrer segnete die Gemeinde; und ein jeder ging in seine Hütte.

40.

Ein Beweis, daß die Predigt gut war. Item, vom Wissen und Irrtum; und von dem, was heiße, den Armen drücken.

Der Vogt Hummel aber ergrimmte über die Rede des Pfarrers, die er über den Gottlosen gehalten hatte, in seinem Herzen, und am Tage des Herrn, den die ganze Gemeinde in stiller Feier heiligte, tobte und wütete er, schimpfte und redete er greuliche Dinge über den Pfarrer.

Sobald er vom Tisch des Herrn heimging, sandte er sogleich zu den gottlosen Gesellen seines Lebens, daß sie geschwind zu ihm kämen. Diese waren bald da, und führten mit dem Vogt lasterhafte, leichtfertige Reden über den Pfarrer und über seine christliche Predigt.

Der Vogt fing zuerst an: Ich kann das verdammte Schimpfen und Sticheln nicht leiden.

Es ist auch nicht recht, es ist Sünde, besonders an einem heiligen Tage ist es Sünde, daß er's tut, sagte Aebi. Und der Vogt: Er weiß es, der Bösewicht, daß ich es nicht leiden kann; aber desto mehr tut er's. Es muß ihm ein rechtes Wohlleben sein, wenn er die Leute mit seinem Predigen, und mit seinem Verdrehen alles dessen, was er nicht versteht, und was ihn nichts angeht, recht in Zorn und Wut bringen kann.

Aebi: Einmal der liebe Heiland und die Evangelisten und die Apostel im Neuen Testament haben niemand geschimpft.

Christen: Das mußt du nicht sagen, sie haben auch geschimpft, und noch mehr als der Pfarrer.

Aebi: Das ist nicht wahr, Christen!

Christen: Du bist ein Narr, Aebi! Ihr blinden Führer, ihr Schlangen, ihr Ottergezüchte, und so tausenderlei. Du verstehst die Bibel, Aebi!

Bauern: Ja, Aebi! Es ist wahr, sie haben auch geschimpft.

Christen: Ja, aber Rechtshändel! die sie nicht verstanden, und Rechnungssachen die vor der Oberkeit ausgemacht und in der Ordnung sind, ahndeten sie doch nicht; und zu dem, es waren andere Leute, die das wohl durften.

Bauern: Es versteht sich, es waren andere Leute.

Christen: Ja, es mußten wohl andere Leute sein, denn sonst hätten sie es nicht dürfen; denket, wie sie es machten - Einst einem Annas - ja Annas hieß er - und hintennach auch seiner Frauen; nur daß sie eine Lüge sagten, sind sie zu Boden gefallen, und waren tot.

Bauern: Ist das auch wahr, um einer Lüge willen?

Christen: Ja, so wahr ich lebe, und da vor euch stehe.

Aebi: Es ist doch schön, wenn man die Bibel versteht.

Christen: Ich dank's meinem Vater unter dem Boden; er war leider, Gott erbarm! eben nichts Sonderbares. Er hat uns unser ganzes Muttergut durchgebracht, bis auf den letzten Heller; und das könnte ich noch wohl verschmerzen, hätte er sich nur nicht mit dem gehängten Uli so eingelassen! So etwas trägt man Kind und Kindskindern nach; aber lesen konnte er in der Bibel, trotz einem Pfarrer, und das mußten wir auch können; er ließ es keinem nach.

Aebi: Es hat mich tausendmal gewundert, wie er auch so ein Schlimmling hat sein können, da er doch so viel wußte.

Bauern: Ja, es ist freilich wunderlich, soviel er wußte.

Jost: (Ein Fremder, der eben im Wirtshaus ist.) Ich muß nur lachen, Nachbarn! daß ihr euch hierüber verwundert. Wenn vieles Wissen die Leute brav machen würde, so wären ja eure Anwälte und eure Tröler, und eure Vögte und eure Richter, mit Respekt zu melden, immer die Bravsten.

Bauern: Ja, es ist so, Nachbar! Es ist so.

Jost: Glaubet es nur, Nachbarn! Es ist zwischen Wissen und Tun ein himmelweiter Unterschied. Wer aus dem Wissen allein sein Handwerk macht, der hat wahrlich groß acht zu geben, daß er das Tun nicht verlerne.

Bauern: Ja, Nachbar! Es ist so, was einer nicht treibt, das verlernt er.

Jost: Natürlich, und wenn einer den Müßiggang treibt, so wird er nichts nütze. Und so geht's denen, die sich aus Müßiggang und langer Zeit aufs Frägeln und Schwatzen legen, sie werden nichts nütze. Gebt nur acht, die meisten dieser Burschen alle, die immer bald Kalender und bald Bibelhistorien, und bald die alten und bald die neuen Mandate in der Hand oder im Mund haben, sind Tagediebe. - Wenn man mit ihnen etwas, das Hausordnung, Kinderzucht, Gewinn und Gewerb antrifft, reden will, wenn sie Rat geben sollen, wie dieses oder jenes, das jetzt notwendig ist, anzugreifen wäre; so stehen sie da, wie Tropfen, und wissen nichts, und können nichts. Nur da, wo man müßig ist, in Wirtshäusern, auf Tanzplätzen, bei dem Sonn- und Feiertagsgeschwatzen - da wollen sie sich dann zeigen; sie bringen aber Quacksalbereien, Dummheiten und Geschichten an, an denen hinten und vorne nichts wahr ist. Und doch ist's weit und breit eingerissen, daß ganze Stuben voll brave Bauern bei Stunden so einem Großmaul, das ihnen eine Lüge nach der anderen aufbindet, zuhören können.

Aebi: Es ist bei meiner Seel so, wie der Nachbar da sagt; und, Christen! er hat deinen Vater durch und durch abgemalt. Vollkommen so hatten wir's mit ihm. Dumm war er in allem, was Holz und Feld, Vieh und Futter, Dreschen und Pflügen, und alles dergleichen antraf, wie ein Ochs, und zu allem, was er angreifen sollte, träg wie ein Hammel - Aber im Wirtshaus und bei den Kirchständen *) , bei Lichtstubeten und auf den Gemeindplätzen redete er, wie ein Weiser aus Morgenland - bald vom Doktor Faust, bald vom Herrn Christus, bald von der Hexe von Endor, oder deren von Hirzau, und bald von den Stiergefechten in Mastricht und dem Pferdrennen in Londen - So toll und dumm er alles machte, und so handgreiflich er Lügen aufband, so hörte man ihm dennoch immer gern zu, bis er fast gehenkt wurde, da hat endlich sein Kredit mit dem Erzählen abgenommen.

Jost: Das ist ziemlich spät.

Aebi: Ja, wir waren lang Narren, und zahlten ihm manchen guten Krug Wein für lauter Lügen.

Jost: Ich denke, es wäre ihm besser gewesen, ihr hättet ihm keinen bezahlt.

Aebi: Bei Gott! Ich glaube selbst, wenn wir ihm keinen bezahlt hätten, so wäre er nicht unter den Galgen gekommen, er hätte alsdann arbeiten müssen.

Jost: So ist ihm eure Gutherzigkeit eben übel bekommen.

Bauern: Jawohl, in Gottes Namen.

Jost: Es ist ein verflucht verführerisches Ding um das müßiggängerische Histörlein-Aufsuchen und Histörlein-Erzählen, und gar heillos, die Bibel in diesen Narrenzeitvertreib hineinzuziehen.

Leupi: Mein Vater hat mich einst tüchtig geprügelt, da ich so über einem Histörlein, ich glaube, es war auch aus der Bibel, vergessen, das Vieh ab der Weide zu holen.

Jost: Er hatte auch recht. Tun, was in der Bibel steht, ist unsereinem seine Sache, und davon erzählen, des Pfarrers - Die Bibel ist ein Mandat, ein Befehl, und was würde der Kommandant zu dir sagen, wenn er einen Befehl ins Dorf schickte, man sollte Fuhren in die Festung tun, und du dann, anstatt in den Wald zu fahren, und zu laden, dich ins Wirtshaus setztest, den Befehl zur Hand nähmest, ihn abläsest, und den Nachbarn bei deinem Glas Wein bis auf den Abend erklärtest, was er ausweise und wolle.

Aebi: Ha! Was würd er mir sagen? Alle Schand und Spott würd er mir sagen, und mich ins Loch werfen lassen, daß ich ihn für einen Narren gehalten habe.

Jost: Und just das sind die Leute auch wert, die aus lauter Müßiggang, und damit sie im Wirtshaus Histörlein erzählen können, in der Bibel lesen.

Christen: Ja; aber man muß doch darin lesen, damit man den rechten Weg nicht verfehle.

Jost: Das versteht sich; aber die, so bei allen Stauden stillstehen, und vor allen Brunnen und Marksteinen und Kreuzen, die sie auf dem Weg antreffen, Geschwätz treiben, sind nicht die, welche auf dem Weg fortwandeln wollen *)

Aebi: Aber wie ist denn das, Nachbar? Man sagt sonst, man trage an nichts zu schwer, das man wisse; aber es dünkt mich, man könne am Vielwissen auch zu schwer tragen.

Jost: Ja freilich, Nachbar! Man trägt an allem zu schwer, was einen an etwas besserem und notwendigerem versäumt. Man muß alles nur wissen um des Tuns willen. Und wenn man sich darauf legt, um des Schwätzens willen viel wissen zu wollen, so wird man gewiß nichts nütze. Es ist mit dem Wissen und Tun, wie mit einem Handwerk. Ein Schuhmacher, z.E. muß arbeiten, das ist seine Hauptsache; er muß aber auch das Leder kennen und seinen Einkauf verstehen, das ist das Mittel, durch welches er in seinem Handwerk wohl fährt, und so ist's in allem. Ausüben und Tun ist für alle Menschen immer die Hauptsache. Wissen und Verstehen ist das Mittel, durch welches sie in ihrer Hauptsache wohl fahren. Aber darum muß sich auch alles Wissen des Menschen bei einem jeden nach dem richten, was er auszuüben und zu tun hat, oder was für ihn die Hauptsache ist.

Aebi: Jetzt fang ich's bald an zu merken - Wenn man den Kopf mit zu vielem und fremdem voll hat, so hat man ihn nicht bei seiner Arbeit und bei dem, was allemal am nötigsten ist.

Jost: Eben das ist's. Gedanken und Kopf sollten einem jeden bei dem sein, was ihn am nächsten angeht. Einmal ich mach's so. - Ich habe keine Wassermatten, darum liegt es mir nicht schwer im Kopf, wie man wässern muß, und bis ich eigenes Gehölze habe, staune ich gewiß nicht mit Mühe nach, wie man es am besten besorge. Aber meine Güllenbehälter sind mir wohl im Kopf, weil sie meine mageren Matten fett machen - So würde es in allen Ecken gut gehen, wenn ein jeder das Seine recht im Kopf hätte. Man kommt immer früh genug zum Vielwissen, wenn man lernt recht wissen, und recht wissen lernt man nie, wenn man nicht in der Nähe bei dem Seinigen und bei dem Tun anfängt. Auf den Fuß kommt das Wissen in seiner Ordnung in den Kopf. Und man kommt gewiß weit im Leben, wenn man so anfängt; aber beim müßigen Schwatzen und von Kalenderhistorien oder anderen Träumen aus den Wolken und aus dem Mond lernt man gewiß nichts als liederlich werden.

Aebi: Man fängt das in der Schule an. Während dem ganzen Gespräch stand der Vogt am Ofen, staunte, wärmte sich, hörte kaum, was sie sagten; und sprach nur wenig und ganz verwirrt in das, so sie redeten. Er vergaß sogar den Wein bei seinem Staunen, darum währete auch das Gespräch mit dem Aebi und dem Fremden so lange. Vielleicht aber hat er seinen Kram nicht gerne ausgeleert, bis der Fremde ausgetrunken hatte, und fort war - Denn er fing da endlich auf einmal damit an, und sagte ihnen, als ob er's bei seinem langen Staunen auswendig gelernt hätte, herunter. Der Pfarrer kommt immer mit dem, daß man die Armen drücke. Wenn das, was er die Armen drücken heißt, niemand täte, so wären, mich soll der Teufel holen, wenn es nicht so ist, gar keine Arme in der Welt; aber wo ich mich umsehe, vom Fürsten an bis zum Nachtwächter, von der ersten Landeskammer bis zur letzten Dorfgemeinde, sucht alles seinen Vorteil, und drückt jedes gegen das, das ihm im Weg steht. Der alte Pfarrer hat selbst Wein ausgeschenkt, wie ich, und Heu und Korn und Haber so wohlfeil an die Zahlung genommen, als ich's immer bekomme. Es drückt in der Welt alles den Niederen, ich muß mich auch drücken lassen. Wer etwas hat, oder zu etwas kommen will, der muß drücken, oder er muß das Seine wegschenken und betteln. Wenn der Pfarrer die Armen kennte wie ich, er würde nicht soviel Kummer für sie haben; aber es ist ihm nicht um die Armen. Er will nur schimpfen, und die Leute hintereinander richten und irre machen. Ja, die Armen sind Bursche, wenn ich zehn Schelmen nötig habe, so finde ich elfe unter den Armen *) . Ich wollte wohl gerne, man brächte mir mein Einkommen auch alle Fronfasten richtig ins Haus; ich würde zuletzt wohl auch lernen, es fromm und andächtig abnehmen. Aber in meinem Gewerb, auf einem Wirtshaus und auf Bauernhöfen, wo alles auf den Heller muß ausgespitzt sein, und wo man einen auch in allen Ecken rupft - da hat's eine andere Bewandtnis. Ich wette, wer da gegen Taglöhner und Arme nachsichtig und weichmütig handeln wollte, der würde um Hab und Gut kommen - Das sind allenthalben Schelmen - So redete der Vogt, und verdrehte sich selber in seinem Herzen die Stimme seines Gewissens, die ihn unruhig machte, und ihm laut sagte, daß der Pfarrer recht habe, und daß er der Mann sei, der allen Armen im Dorf den Schweiß und das Blut unter den Nägeln hervordrücke.

Aber wie er auch mit sich selber künstelte, so war ihm doch nicht wohl. Angst und Sorgen quälten ihn sichtbar. Er ging in seiner Unruhe beklemmt die Stube hinauf und hinunter. Alsdann sagte er wieder: Ich bin so erbittert über des Pfarrers Predigt, daß ich nicht weiß, was ich tue; und es ist mir sonst nicht wohl. Ist's auch so kalt, Nachbarn? Es friert mich immer, seitdem ich daheim bin.

Nein, sagten die Nachbarn, es ist nicht kalt; aber man sah dir's in der Kirche schon an, daß dir nicht wohl ist; du sahst todblaß aus.

Vogt: Sahe man mir's an? Ja es war mir schon da wunderlich - ich kriege das Fieber - es ist mir so blöd - ich muß saufen - wir wollen in die hintere Stube gehen während der Predigt.

41.

Der Ehegaumer zeigt dem Pfarrer Unfug an.

Aber der Ehegaumer *) , der an's Vogts Gasse wohnte, und den Aebi, den Christen und die anderen Lumpen zwischen der Predigt ins Wirtshaus gehen sah, ärgerte sich in seinem Herzen, und gedachte in dieser Stunde an seinen Eid, den er geschworen hatte, achtzugeben auf allen Unfug und auf alles gottlose Wesen, und solches dem Pfarrer anzuzeigen. Und der Ehegaumer bestellte einen ehrbaren Mann, daß er achtgeben sollte auf diese Burschen, ob sie vor der Predigt wieder aus dem Wirtshaus heimgingen oder nicht? Und da es bald zusammenläuten wollte, und noch niemand wieder herauskam, ging er zum Pfarrer, und sagt' ihm, was er gesehen und wie er den Samuel Treu bestellt hätte, achtzugeben.

Der Pfarrer aber erschrak über diesen Bericht; seufzete still bei sich selber, und redete nicht viel.

Da dachte der Ehegaumer, der Herr Pfarrer studiere noch an seiner Predigt, und redete bei seinem Glas Wein auch minder, als er sonst gewöhnt war.

Endlich als der Pfarrer eben in die Kirche gehen wollte, kam der Samuel, und der Ehegaumer sagte zu ihm:. Du kannst jetzt dem Wohlehrwürdigen Herrn Pfarrer alles selber erzählen.

Da sagte der Samuel: Gott grüß euch, Wohlehrwürdiger Herr Pfarrer!

Der Pfarrer dankt' ihm, und sagte: Sind denn die Leute noch nicht wieder heim?

Samuel. Nein, Herr Pfarrer! Ich ging von dem Augenblick an, da mich der Ehegaumer bestellte, immer um das Wirtshaus herum, und es ist kein Mensch, außer die Vögtin, die in der Kirche ist, zum Haus herausgegangen.

Pfarrer: Sie sind also noch alle ganz gewiß im Wirtshause?

Samuel. Ja, Herr Pfarrer! Ganz gewiß. Ehegaumer. Da seht ihr jetzt, Wohlehrwürdiger Herr Pfarrer! daß ich mich nicht geirrt habe, und daß ich es habe anzeigen müssen.

Pfarrer: Es ist ein Unglück, daß an einem heiligen Tage solche Sachen einem Zeit und Ruhe rauben müssen. Ehegaumer. Was wir taten, Wohlehrwürdiger Herr Pfarrer! war unsere teure Pflicht.

Pfarrer: Ich weiß es, und ich danke euch für eure Sorgfalt; aber Nachbarn! vergesset doch ob einer kleinen leichten Pflicht die schwereren und größeren nicht. Acht auf uns selber zu haben, und über unsere eigene Herzen zu wachen, ist immer die erste und wichtigste Pflicht des Menschen. Darum ist es allemal ein Unglück, wenn solche böse Sachen einem Menschen Zerstreuungen veranlassen.

Nach einer Weile sagte er dann wieder: Nein, es ist doch nicht länger auszustehen, dieses grenzenlose Unwesen - und mit aller Nachsicht wird es immer nur ärger.

Und darauf ging er mit diesen Männern zur Kirche.

42.

Zugabe zur Morgenpredigt.

Es folgeten ihm aber in der Leidensgeschichte die Worte: Und da Judas den Bissen genommen hatte, fuhr der Satan in sein Herz usw.

Und er redete mit seiner Gemeinde über die ganze Geschichte des Verräters - Und er kam in einen großen Eifer, also daß er mit den Händen stark auf das Kanzelbrett schlug, welches er sonst bei Jahren nicht getan hatte.

Und er sagte: daß alle die, so vom Nachtmahl des Herrn zum Spiel und Saufen weglaufen, nicht um ein Haar besser wären als Judas; und daß ihr Ende sein würde, wie das Ende des Verräters.

Und die Leute in der Kirche fingen an zu staunen und nachzusinnen, was doch der große Eifer des Pfarrers bedeute? Da und dort stieß man die Köpfe zusammen, und murmelte umher: der Vogt habe sein Haus voll von seinen Lumpen. Und bald warf alles links und rechts die Augen auf seinen leeren Kirchstuhl und auf die Vögtin.

Diese merkte es - zitterte - schlug die Augen nieder - durfte keinen Menschen mehr ansehen - und lief im Anfang des Singens zur Kirche hinaus.

Da sie aber das tat, ward das Gerede erst noch größer, daß man auch mit den Fingern auf sie zeigte; und es standen in den hintersten Weiberstühlen einige sogar auf die Bänke, sie zu sehen, und der Gesang selbst mißtönte ob dem Gemurmel.

43.

Die Bauern im Wirtshause werden beunruhiget.

Sie aber lief, so schnell sie vermochte, heim. Und als sie in die Stube kam, warf sie das Kirchenbuch im Zorn mitten unter die Flaschen und Gläser, und fing an überlaut zu heulen.

Der Vogt und die Nachbarn fragten: Was ist das?

Vögtin: Ihr solltet's wohl wissen - Es ist nicht recht, daß ihr an einem heiligen Tage hier saufet.

Vogt: Ist's nur das? So ist's wenig.

Bauern: Und das erstemal, daß du darüber heulst!

Vogt: Ich glaubte auf's wenigste, du habest den Geldsäckel verloren.

Vögtin: Treib jetzt noch den Narren; wenn du in der Kirche gewesen wärst, du würdest nicht narren.

Vogt: Was ist's denn? Heul doch nicht so, und rede; was ist's denn?

Vögtin: Der Pfarrer muß vernommen haben, daß deine Herren da saufen während der Predigt.

Vogt: Das wäre verflucht!

Vögtin: Er weiß es gewiß.

Vogt: Welcher Satan kann es ihm jetzt schon gesagt haben?

Vögtin: Welcher Satan, du Narr! Sie kommen ja mit ihren Tabakspfeifen über die Straße und nicht zum Kamin hinab ins Haus; und dann noch ordentlich neben des Ehegaumers Haus vorbei. Jetzt hat der Pfarrer getan, daß es nicht auszusprechen ist; und alle Leute haben mit den Fingern auf mich gezeigt.

Vogt: Das ist abermal ein verdammtes Stück, das mir so ein Satan angerichtet hat!

Vögtin: Warum mußtet ihr eben heut kommen - ihr Saufhunde - Ihr wußtet wohl, daß es nicht recht ist.

Bauern: Wir sind nicht schuld; er hat uns einen Boten geschickt.

Vögtin: Ist das wahr?

Bauern: Ja, ja!

Vogt: Es war mir so wunderlich als es mir sein konnte; und unausstehlich allein zu sein.

Vögtin: Das ist gleichviel. Aber Nachbarn! Geht doch so schnell ihr könnet durch die hintere Tür heim, und machet, daß das Volk, wenn es aus der Kirche kommt, einen jeden vor seinem Hause antreffe; so könnt ihr die Sache noch bemänteln. Man hat noch nicht vollends ausgesungen; aber gehet, es ist doch Zeit.

Vogt: Ja, gehet - gehet - das ist ein Abigailsrat.

Die Bauern gingen. Da erzählte die Frau ihm erst recht, daß der Pfarrer vom Judas geprediget hätte; wie der Teufel ihm in sein Herz gefahren wäre - wie er sich erhängt hätte, und wie die, so vom Nachtmahl weggingen, zu saufen und zu spielen, ein gleiches Ende nehmen würden. Er war so eifrig, sagte die Frau, daß er mit den Fäusten auf's Kanzelbrett schluge, und mir ist schier geschwunden und ohnmächtig worden.

Der Vogt aber erschrak über das, so die Frau erzählte, so sehr, daß er war wie ein Stummer, und kein Wort antwortete. Aber schwere tiefe Seufzer tönten jetzt aus dem stolzen Munde, den man jahrelang nie so seufzen gehört hatte.

Seine Frau fragte ihn oft und viel: Warum er so seufze? Er antwortete ihr kein Wort. Aber mehr als einmal sagte er mit bangem Seufzen zu sich selber: Wohin kommt's noch weiter! Wohin kommt's noch mit mir?

So ging er jetzt lang seufzend die Stube hinauf und hinunter. Endlich sagt' er zur Frauen: Bring mir ein Jastpulver vom Scherer, mein Geblüt wallet in mir, und macht mich unruhig; ich will morgen zu Ader lassen, wenn's auf das Pulver nicht besser wird.

Die Frau bracht ihm das Pulver; er nahm's, und eine Weile darauf ward ihm wirklich leichter.

44.

Geschichte eines Menschenherzens, während dem Nachtmahle.

Da erzählte er der Frauen, wie er heute mit gutem versöhnten Herzen zur Kirche gegangen wäre, wie er auch in seinem Stuhl Gott um Verzeihung seiner Sünden gebeten hätte; aber da über die Predigt des Pfarrers toll geworden wäre, und seither keinen guten Gedanken mehr hätte haben können. Auch wie ihm erschreckliche und greuliche Dinge während dem Nachtmahl zu Sinn gekommen wären. Ich konnte, so sagte er zur Frauen: ich konnte während dem Nachtmahl nicht beten und nicht seufzen. Mein Herz war mir wie ein Stein - Und da mir der Pfarrer das Brot gab, so sah er mich an, daß es nicht auszusprechen war; nein! ich kann's nicht aussprechen; aber auch nicht vergessen, wie er mich ansah - Wenn ein Richter einen armen Sünder dem Rad und dem Scheiterhaufen übergibt, und eben über ihn den Stab bricht; er kann ihn nicht so ansehen. Vergessen kann ich's nicht, wie er mich ansah. Ein kalter Schweiß floß über meine Stirne, und meine Hand zitterte, da ich von ihm das Brot nahm.

Und da ich's gegessen hatte, übernahm mich ein wütender schrecklicher Zorn über den Pfarrer, daß ich mit meinen Zähnen knirschte, und ihn nicht mehr ansehen durfte.

Frau! Ein Abscheulicheres stieg mir dann nach dem anderen in's Herz.

Ich erschrak über diesen Gedanken, wie ich ob großen Donnerstrahlen erschrecke; aber ich konnte ihrer nicht loswerden.

Ich zitterte vor dem Taufsteine, *) daß ich den Kelch vor Schauer und Entsetzen nicht festhielt.

Da kam Joseph in zerrissenen Stiefeln, und schlug seine Schelmenaugen vor mir zu Boden - und meine drei Taler! Wie's mir durch Leib und Seel schauerte, der Gedanke an meine drei Taler.

Dann kam Gertrud, hub ihre Augen gen Himmel, und dann auf den Kelch, als ob sie mich nicht sähe; als ob ich nicht da wäre. Sie hasset und verflucht mich, und richtet mich zugrunde; und sie konnte tun, als ob sie mich nicht sähe; als ob ich nicht da wäre.

Dann kam der Maurer, sah mich so wehmütig an, als ob er aus tiefem Herzensgrunde zu mir sagen wollte: Verzeih mir, Vogt! Er, der mich, wenn er könnte, an Galgen bringen würde.

Dann kam auch Schabenmichel, blaß und erschrocken wie ich, und zitterte wie ich. Denk, Frau! wie mir bei dem allen zumute war. Ich fürchtete immer, auch Hans Wüst komme nach; dann hätte ich's nicht ausgehalten; der Kelch würde mir aus der Hand gefallen; ich selbst, ich würde gewiß zu Boden gesunken sein; ich konnte mich fast nicht mehr auf den Füßen halten. Und als ich in den Stuhl zurückkam, überfiel mich ein Zittern in meinen Gliedern, daß ich beim Singen das Buch nicht in den Händen halten konnte. Und bei allem kam mir immer in Sinn: Arner! Arner! ist an allem diesem Schuld; und Zorn und Wut und Rache tobeten in meinem Herzen während der Stunde meines Dienstes. Woran ich in meinem Leben nie dachte, das kam mir während dem Nachtmahl in Sinn. Ich darf's fast nicht sagen, es schauert mir, es nur zu denken.

Es kam mir in Sinn: ich soll ihm den großen Markstein auf dem Berg über den Felsen hinunterstürzen; es weiß den Markstein niemand als ich.

45.

Die Frau sagt ihrem Manne große Wahrheiten, aber viele Jahre zu spät.

Die Vögtin erschrak über diesen Reden ihres Mannes heftig; sie wußte aber nicht, was sie sagen wollte, und schwieg, solang er redete, ganz still. Auch eine Weile hernach schwiegen beide. Endlich aber fing die Vögtin wieder an und sagte zu ihm: Es ist mir angst und bang wegen allem, was du gesagt hast. Du mußt diesen Gesellen entsagen, das Ding geht nicht gut; und wir werden älter.Vogt: Du hast durchaus recht; aber es ist gar nicht leicht.Vögtin: Es mag schwer sein oder nicht, es muß sein;, sie müssen dir vom Hals.Vogt: Du weißest wohl, wieviel mich an sie bindet, und was sie wissen.Vögtin: Du weißest noch viel mehr von ihnen: Sie sind Schelmen, und dürfen nichts sagen; du mußt dich von ihnen losmachen.Der Vogt seufzet; die Frau aber fährt fort: Sie fressen und saufen immer bei dir, und zahlen dich nicht. Und wenn du besoffen bist, so lassest du dich noch von ihnen anführen, wie ein Tropf - Denk doch, um Gottes willen! nur wie es gestern mit dem Joseph gegangen ist: Ich habe dir, ach mein Gott! wie gut hab ich's gemeint, raten wollen, aber wie bist du mit mir umgegangen? Und ohne das sind auch gestern zwei Taler aus deinem Kamisolsack weiterspaziert, und sind nicht einmal aufgeschrieben - Wie lang kann das noch gehen? Wenn du bei deinen schlimmen Händeln nachrechnest, was nebenhin gegangen ist, so hast du bei allem verloren; und doch fährst du noch immer fort mit diesen Leuten, und oft und viel nur um deines gottlosen Hochmuts willen. Bald muß dir so ein Hund reden, was du willst, und bald ein anderer schweigen, wo du willst; dafür dann fressen und saufen sie bei dir, und zum schönen Dank, wenn dich einer kann in eine Grube bringen und verraten, so tut er's.Ja vor Alters, da dich alles fürchtete wie ein Schwert, da konntest du die Burschen in Ordnung halten; aber jetzt bist du ihrer nicht mehr Meister, und zähl darauf: Du bist ein verlorener Mann in deinen alten Tagen, wenn du ihrer nicht müßig gehest. Es steht so schlüpfrig um uns, als es nur kann; sobald du weg bist, lachen und narren die Knechte, arbeiten nicht, und wollen nur saufen - So sagte die Frau.Der Vogt aber antwortete auf alles kein Wort, sondern saß stillschweigend und staunend vor ihr, da sie so redete. Endlich stand er auf und ging in den Garten, aus dem Garten in seine Brunnenmatt, aus dieser in Pferdestall. Angst und Sorgen trieben ihn so umher; doch blieb er eine Weile im Pferdestall und redete da mit sich selber.

46.

Selbstgespräch eines Mannes, der mit seinem Nachdenken unglücklich weit kommt.

Mehr als Recht hat die Frau; aber was will ich machen? Ich kann nicht helfen; unmöglich kann ich mir aus allem, worin ich stecke, heraushelfen. So sagt er; flucht dann wieder auf Arner, als ob dieser ihm alles auf den Hals gezogen; und dann auf den Pfarrer, daß er ihn auch noch in der Kirche rasend gemacht hätte; dann kam er wieder auf den Markstein, und sprach: Ich versetze ihn nicht, den verwünschten Stein; aber wenn's jemand täte, so würde der Junker um den dritten Teil seiner Waldung kommen.Sodann wieder: Das ist ganz richtig, der achte und neunte obrigkeitliche Markstein würden ihm das Stück in gerader Linie wegschneiden; aber behüte mich Gott davor, ich versetze keinen Markstein.Dann wieder: Wenn's auch kein rechter Markstein wäre? Er liegt da, wie seit der Sintflut; er hat keine Nummer und kein Zeichen.Dann ging er in die Stube, nahm sein Hausbuch - rechnete - schrieb - blätterte - tat Papiere voneinander - legte sie wieder zusammen - vergaß, was er gelesen - suchte wieder, was er eben geschrieben hatte - legte dann das Buch wieder in den Kasten - ging die Stube hinauf und hinunter - und dachte und redete immer mit sich selber vom Markstein ganz ohne Schloßzeichen und Numero. Sonst ist kein einziger Markstein ohne Zeichen. Was mir in Sinn kommt: Ein alter Arner soll die obrigkeitliche Waldung so hart beschnitten haben; wenn es auch hier wäre. Bei Gott! es ist hier! Es ist die unnatürlichste Krümmung in die obrigkeitlichen Grenzen hinein; bei zwei Stunden geht sie sonst in geraderer Linie als hier; und der Stein hat kein Zeichen und die Scheidung keinen Graben.Wenn die Waldung der Obrigkeit gehörte, ich täte dann nicht Unrecht, ich wäre treu am Landesherrn. Aber wenn ich mich irrte - Nein, ich versetze den Stein nicht. Ich müßte ihn umgraben, in der finsteren Nacht müßte ich ihn einen starken Steinwurf weit auf der Ebene fortrücken bis an den Felsen, und er ist schwer. Er läßt sich nicht versenken, wie eine Brunnquell. Am Tage würde man jeden Karststreich hören, so nahe ist er an der Landstraße; und zu Nacht - ich darf nicht. Ich würde vor jedem Geräusch erschrecken. Wenn ein Dachs daherschliche, oder ein Reh aufspränge, es würde mir ohnmächtig bei der Arbeit werden. Und wer weiß, ob nicht im Ernst ein Gespenst mich über der Arbeit ergreifen könnte. Es ist wahrlich unsicher des Nachts um die Marksteine, und es ist besser, ich lasse es bleiben.Dann wieder nach einer Weile:. "Daß auch so viele Leute weder Hölle noch Gespenster glauben! Der alte Schreiber glaubte von allem kein Wort; und der Vicari es ist bei Gott! nicht möglich, daß er etwas geglaubt hat; aber der Schreiber, der sagte es überlaut und wohl hundertmal zu mir, wie mit meinem Hund, wie mit meinem Roß, sei es mit mir aus, wenn ich tot sein werde. Er glaubte das, fürchtete sich vor nichts, und tat, was er wollte. Wenn er auch recht gehabt hätte, wenn ich's glauben könnte, wenn ich's hoffen dürfte, wenn ich's in mein Herz hineinbringen könnte, daß es wahr wäre, bei der ersten Jagd würde ich hinter den Gebüschen Arnern auflauern und ihn totschießen - ich würde dem Pfaffen sein Haus abbrennen; aber es ist vergebens, ich kann's nicht glauben, ich darf's nicht hoffen - Es ist nicht wahr! Narren sind's, verirrte Narren, die es glauben, oder sie tun nur dergleichen.Oh! oh! es ist ein Gott! Es ist ein Gott! Markstein, Markstein! Ich versetze dich nicht. So redete der Mann, und zitterte, und konnte dieser Gedanken nicht loswerden.Entsetzen durchfuhr sein Innerstes. Er wollte sich selbst entfliehen, ging auf die Straße, stand zum ersten besten Nachbar, fragte ihn von Wetter und vom Wind, und von den Schnecken, die im Herbst vor drei Jahren den Roggen verdünnert hatten. Dann kam er nach einer Weile mit ein paar Durstigen wieder in sein Wirtshaus, gab ihnen zu trinken, daß sie blieben - nahm noch ein Jastpulver vom Scherer, und brachte so endlich den Tag des Herrn zu Ende.

47.

Häusliche Sonntagsfreuden.

Und nun verlaß ich dich eine Weile, Haus des Entsetzens - Mein Herz war mir schwer, mein Auge war finster, meine Stirn umwölkt, und bang war's mir im Busen, über deinen Greueln. Nun verlaß ich dich eine Weile, Haus des Entsetzens! Mein Auge erheitert sich wieder, meine Stirne entwölkt sich, und mein Busen atmet wieder unbeklommen und frei. Ich nähere mich wieder einer Hütte, in welcher Menschlichkeit wohnt.Da heut am Morgen der Lienhard und seine Frau zur Kirche gegangen waren, saßen ihre Kinder fromm und still in der Wohnstube beisammen, beteten, sangen und wiederholten, was sie in der Woche gelernt hatten; denn sie mußten solches alle Sonntage des Abends der Gertrud wiederholen.Lise, das Älteste, mußte allemal während der Kirche das kleine Grüteli versorgen, es aufnehmen, es trocknen, ihm seinen Brei geben; und das ist immer der Lise größte Sonntagsfreude, wenn sie allemal das Kleine so aufnimmt und speist, so meint dann Lise, sie sei auch schon groß. Wie sie dann die Mutter spielt, ihr nachäffet, das Kleine tausendmal herzt, ihm nickt und lächelt - Wie das Kleine ihr wieder entgegenlächelt, seine Hände zerwirft, und mit den Füßen zappelt auf ihrem Schoße; wie es seine Lise bald bei der Haube nimmt, bald bei den kleinen Zöpfen, bald bei der Nase; dann wie es über dem bunten Sonntagshalstuch J - ä J - ä macht - dann wie Niclas und Enne ihm J - ä antworten; wie dann das Kleine Kopf und Augen herumdreht, den Ton sucht, den Niclas erblickt, und auch gegen ihn lacht - wie Niclas dann zuspringt und das lachende Schwesterlein herzet - wie dann Lise den Vorzug will, und allem aufbietet, daß das Liebe gegen sie lache; Auch wie sie für es Sorge trägt, wie sie seinem Weinen vorkommt, wie sie ihm Freude macht, es bald in die Höhe hebt bis an die Bühne, bald wieder gleich lustig und sorgfältig hinunterläßt bis an den Boden - wie dann das Grüteli bei diesem Spiele jauchzet, auch wie sie Hände und Kopf dem Kind in Spiegel hineindrückt, und dann endlich, wie es beim Anblick der Mutter weit hinunter in die Gasse jauchzet - wie's ihr entgegen nickt und lächelt - wie's seine beiden Händchen nach ihr ausstreckt, und nach ihr hängend fast überwälzet auf des Schwesterleins Arm - das alles ist wahrlich schön; es ist die Morgenfreude der Kinder des Lienhards an den Sonntagen und an den heiligen Festen - und diese Freuden frommer Kinder sind wahrlich schön vor dem Herrn ihrem Gott. Er sieht mit Wohlgefallen auf die Unschuld der Kinder, wenn sie sich also ihres Lebens freuen, und er segnet sie, daß es ihnen wohlgehe ihr Leben lang, wenn sie folgen und recht tun. Gertrud war heute mit ihren Kindern zufrieden; sie hatten alles in der Ordnung getan, was ihnen befohlen war. Es ist die größte Freude frommer Kinder auf Erden, wenn Vater und Mutter mit ihnen zufrieden sind.Die Kinder der Gertrud hatten jetzt diese Freude, sie drängten sich an den Schoß ihrer Eltern, riefen bald Vater, bald Mutter, suchten ihre Hände, hielten sich an ihren Armen, und sprangen am Arme des Vaters und am Arme der Mutter an ihren Hals. Das war dem Lienhard und der Gertrud ein Labsal, am Festtage des Herrn.Solang sie Mutter ist, ist es die Sonntagsfreude der Gertrud, die Freude über ihre Kinder, und über ihre kindliche Sehnsucht nach Vater und Mutter - darum sind ihre Kinder auch fromm und sanft.Lienhard weinte heute, daß er oft diese Freuden des Lebens sich selber entriß.Die häuslichen Freuden des Menschen sind die schönsten der Erden.Und die Freude der Eltern über ihre Kinder, ist die heiligste Freude der Menschheit. Sie macht das Herz der Eltern fromm und gut. Sie hebt die Menschheit empor zu ihrem Vater im Himmel. Darum segnet der Herr die Tränen solcher Freuden, und lohnet den Menschen jede Vatertreue und jede Muttersorge an ihren Kindern.Aber der Gottlose, der seine Kinder für nichts achtet - der Gottlose, dem sie eine Last sind, und eine Bürde - der Gottlose, der in der Woche vor ihnen fliehet und am Sonntage sich vor ihnen verbirget - der Gottlose, der Ruhe suchet vor ihrer Unschuld und vor ihrer Freude, und der sie nicht leiden kann, bis ihre Unschuld und ihre Freude dahin ist, bis sie wie er gezogen sind –Der Gottlose, der das tut, stoßet den besten Segen der Erden weg von sich mit Füßen. Er wird auch keine Freude erleben an seinen Kindern, und keine Ruhe finden vor ihnen - In der Freude ihres Herzens redeten Lienhard und Gertrud mit ihren Kindern am heiligen Festtage, von dem guten Vater im Himmel und von den Leiden ihres Erlösers. Die Kinder hörten still und aufmerksam zu, und die Mittagsstunde ging schnell und frohe vorüber, wie die Stunde eines Hochzeitfestes. Da läuteten die Glocken zusammen, und Lienhard und Gertrud gingen nochmals zur Kirche.Der Weg führte sie wieder bei des Vogts Hause vorbei, und Lienhard sagte zu Gertrud: Der Vogt sah diesen Morgen in der Kirche erschrecklich aus; in meinem Leben sah ich ihn nie so. Der Schweiß tropfte von seiner Stirne, da er zudienete; hast du es nicht bemerkt, Gertrud? Ich sah, daß er zitterte, da er mir den Kelch gab. Ich habe es nicht bemerkt, sagte Gertrud.Lienhard: Es ging mir an's Herz, wie der Mann aussahe. Hätte ich's dürfen, Frau! ich hätte ihm überlaut zugerufen: Verzeih mir, Vogt! Und wenn ich ihm mit etwas zeigen könnte, daß ich's nicht bös meine, ich würde es gerne tun. Gertrud: Lohn dir Gott dein Herz, Lieber! Es ist recht, wann du Anlaß hast; aber des Rudis hungernde Kinder und noch mehr schreien Rache über den Mann, und er wird dieser Rache gewiß nicht entrinnen.Lienhard: Es geht mir an's Herz, der Mann ist höchst unglücklich. Ich sah es schon lang mitten im Lärm seines Hauses, daß ihn nagende Unruhe plagte.Gertrud: Mein Lieber! Wer von einem stillen eingezogenen frommen Leben abläßt, dem kann's niemals wohl sein in seinem Herzen.Lienhard: Wenn ich je etwas in meinem Leben deutlich erfahren und gesehen habe, so ist es dieses. Alles was immer die gewalttätigen Anhänger des Vogts in seinem Haus ratschlagten, vornahmen, erschlichen oder erzwangen, alles machte sie nie eine Stunde zufrieden und ruhig.Unter diesen Gesprächen kamen sie zur Kirche, und wurden da sehr von dem Eifer gerührt, mit welchem der Pfarrer über die Geschichte des Verräters redete.

48.

Etwas von der Sünde.

Gertrud hatte das Gemurmel, das in den Weiberstühlen allgemein war, des Vogts Haus sei schon wieder voll von seinen Lumpen, auch gehört, und sagte es nach der Kirche dem Lienhard: Dieser antwortete: Ich kann's doch fast nicht glauben - während der Kirche an einem heiligen Tage. Gertrud: Es ist freilich erschrecklich! aber die Verwicklungen eines gottlosen Lebens führen zu allem, auch zu dem abscheulichsten!Lienhard seufzt. Gertrud fährt fort: Ich erinnere mich, solang ich lebe, an das Bild, das unser Pfarrer selig uns von der Sünde machte, da er uns das letzte Mal zum heiligen Nachtmahl vorbereitete.Er verglich sie mit einem See, der beim anhaltenden Regen nach und nach aufschwellt. Das Steigen des See's, sagte er, ist immer unmerklich; aber es nimmt doch alle Tage und alle Stunde zu. Der See wird immer höher und höher, und die Gefahr wird gleich groß, als wenn er plötzlich und mit Sturm so aufschwellte.Darum geht der Vernünftige und Erfahrene im Anfange zu den Wehren und Dämmen, sie zu besichtigen, ob sie dem Ausbruch zu steuern in Ordnung sind. Der Unerfahrene und der Unweise aber achten das Steigen des See's nicht, bis die Dämme zerrissen, bis Felder und Wiesen verwüstet sind, und bis die Sturmglocke dem Lande aufbietet, der Verheerung zu wehren. So, sagte er, sei es mit der Sünde und dem Verderben, das sie anrichte.Ich bin noch nicht alt, aber ich habe es doch schon hundertmal erfahren, daß der redliche Seelsorger recht hatte; und daß ein jeder, der in irgendeiner Sünde anhaltend fortwandelt, sein Herz so verhärtet, daß er das Steigen ihrer Greuel nicht mehr achtet, bis Verheerung und Entsetzen ihn aus dem Schlafe weckt.

49.

Kindercharakter und Kinderlehren.

Unter diesen Gesprächen kamen sie aus der Kirche wieder in ihre Hütte.Und die Kinder alle liefen dem Vater und der Mutter die Stiege hinunter entgegen; riefen und baten, sobald sie sie sahen: Wir wollen doch geschwind wiederholen, was wir diese Woche gelernt haben; komme doch geschwind, Mutter! daß wir bald fertig werden.Gertrud: Warum so eifrig heut, ihr Lieben? Warum tut es so not?Kinder: Ja, wir dürfen dann, Mutter, wenn wir's können, mit dem Abendbrot, gelt, Mutter! wir dürfen? Du hast's uns gestern versprochen.Mutter: Ich will gern sehen, wie ihr das könnt, was ihr gelernet habt.Kinder: Aber wir dürfen alsdann, Mutter?Mutter: Ja, wenn ihr fertig sein werdet.Die Kinder freuten sich herzlich, und wiederholten, was sie in der Woche gelernt hatten, geschwind und gut.Da gab die Mutter ihnen ihr Abendbrot und zwei Schüsseln Milch, von der sie den Rahm nicht abgenommen hatte, weil es Festtag war.Sie nahm jetzt auch das Grüteli an ihre Brust, und hörte mit Herzensfreude zu, wie die Kinder während dem Essen eines dem anderen erzählten, wem sie ihr Abendbrot geben wollten. Keines aß einen Mundvoll von seinem Brot - Keines tat ein Bröcklein davon in die Milch, sondern alle aßen sie darohne, und jedes freute sich über sein Brot, zeigte es dem anderen, und jedes wollte, das seine sei das größte. Jetzt waren sie fertig mit ihrer Milch - das Brot lag noch neben der Mutter.Niclas schlich zu ihr hin, nahm ihr die Hand und sagte: Du gibst mir doch auch noch einen Mundvoll Brot für mich, Mutter!Mutter: Du hast ja schon, Niclas!Niclas Ich muß es ja dem Rudeli geben.Mutter: Ich habe dir's nicht befohlen; du darfst es essen, wenn du willst.Niclas: Nein, ich will's nicht essen; aber du gibst mir doch noch einen Mundvoll?Mutter: Nein, gewiß nicht.Niclas: Ä - warum nicht?Mutter: Damit du nicht meinst, man müsse erst, wenn man den Bauch voll hat, und nichts mehr mag, an die Armen denken.Niclas: Ist's darum, Mutter?Mutter: Aber gibst du es ihm jetzt doch ganz?Niclas: Ja, Mutter! gewiß, gewiß. Ich weiß, er hungert entsetzlich - und wir essen um sechs Uhr zu Nacht.-Mutter: Und, Niclas! ich denke, er bekomme dann auch nichts.Niclas: Ja, weiß Gott, Mutter! Er bekommt gewiß nichts zu Nacht.Mutter: Ja, das Elend der Armen ist groß, und man muß grausam und hart sein, wenn man nicht gern, was man kann, an sich selbst und an seinem eignen Maul erspart, ihnen ihre große Not zu erleichtern.Tränen stehen dem Niclas in den Augen. Die Mutter frägt sodann auch noch die anderen Kinder: Lise! gibst du deines auch ganz weg?Lise: Ja gewiß, Mutter!Mutter: Und du Enne! du auch?Enne: Ja freilich, Mutter!Mutter: Und du auch, Jonas?Jonas: Das denk ich, Mutter!Mutter: Nun das ist brav, Kinder! Aber wie wollt ihr es jetzt auch anstellen? - Es hat alles so seine Ordnung; und wenn man's noch so gut meint, so kann man etwas doch unrecht anstellen - Niclas! wie willst du's machen mit dem Brot?Niclas: Ich will laufen; was ich vermag, und ihm rufen, dem Rudeli; ich steck es nur nicht in Sack, daß er's geschwind kriege. Laß mich doch jetzt gehen, Mutter!Mutter: Wart noch ein wenig, Niclas! Und du, Lise! wie willst du es machen?Lise: Ich will's nicht so machen, wie der Niclas. Ich winke dem Betheli in eine Ecke; ich verstecke das Brot da unter meine Schürze, und ich gebe ihm's, daß es niemand siehet, nicht einmal sein Vater.Mutter: Und du, Enne! wie willst du's machen?Enne: Weiß ich's, wie ich den Heirli antreffen werde? Ich werde es ihm geben, wie's mir kommen wird.Mutter: Und du, Jonas! du kleiner Schelm, du hast Tücke im Sinn, wie willst du's machen?Jonas: In's Maul stecke ich's ihm, mein Brot, Mutter! wie du mir's machst, wenn du lustig bist - Das Maul auf und die Augen zu, sag' ich ihm; dann leg ich's ihm zwischen die Zähne. Es wird lachen, gelt, Mutter! er wird lachen.Mutter: Das ist alles recht, Kinder! Aber ich muß euch doch etwas sagen: Ihr müßt das Brot den Kindern still und allein geben, daß es niemand sehe, damit man nicht meine, ihr wollet großtun.Niclas: Potztausend, Mutter! So muß ich mein Brot auch in Sack tun?Mutter: Das versteht sich, Niclas!Lise: Ich habe mir das wohl eingebildet, Mutter! und sagte es vorher, ich wolle es nicht so machen.Mutter: Du bist immer das Allerwitzigste, Lise! Ich habe nur vergessen, dich dafür zu rühmen; du tust also recht wohl, daß du mich selbst daran erinnerst.Lise errötete und schwieg; und die Mutter sagte zu den Kindern: Ihr könnet jetzt gehen; aber denket an das, was ich euch gesagt habe - Die Kinder gehen.Niclas läuft und springt, was er vermag, zu des Rudis Hütte hinunter; aber dieser ist nicht auf der Gasse. Niclas hustet ihm, räuspert sich - ruft, aber vergebens, er kommt nicht hinunter und nicht ans Fenster.Niclas zu sich selber: Was soll ich jetzt machen? Geh ich zu ihm in die Stube? Ja, ich muß es ihm allein geben. Ich will doch hineingehen, und ihm nur sagen, er soll herauskommen auf die Gasse.Der Rudeli saß eben mit seinem Vater und mit seinen Geschwistern bei dem offenen Sarge der lieben gestorbenen Großmutter, die man in ein paar Stunden begraben sollte - und der Vater und die Kinder redeten alle mit Tränen von der großen Treue und Liebe, die die Verstorbene ihnen im Leben erzeigt hatte; sie weinten über ihrem letzten Kummer wegen den Erdäpfeln, und versprachen vor dem offenen Sarg dem lieben Gott im Himmel, in keiner Not, auch wenn sie noch so sehr hungern würden, keinem Menschen mehr etwas zu stehlen.Eben jetzt öffnet Niclas die Türe - sieht die Gestorbene - erschrickt - und läuft wieder aus der Stube.Der Rudi aber, der ihn sieht, denkt, der Lienhard wolle ihm etwas sagen lassen, läuft dem Knaben nach, und fragt ihn, was er wolle? Nichts, nichts, antwortete Niclas! nur zu dem Rudeli hab ich wollen; aber er betet jetzt.Rudi: Das macht nichts, wenn du zu ihm willst.Niclas: Laß ihn doch nur ein wenig zu mir auf die Gasse.Rudi: Es ist ja so kalt, und er geht nicht gern von der Großmutter weg. Komm doch zu ihm in die Stube.Niclas: Ich mag nicht hinein, Rudi! Laß ihn doch nur einen Augenblick zu mir herauskommen. Ich mag's wohl leiden, antwortete der Rudi, und geht zurück nach der Stube.Niclas geht ihm nach bis an die Türe, und ruft dem Rudeli: Komm doch einen Augenblick zu mir heraus.Rudeli: Ich mag jetzt nicht auf die Gasse, Niclas! Ich bin jetzt lieber bei der Großmutter; man nimmt sie mir bald weg.Niclas: Komm doch nur einen Augenblick.Rudi: Geh doch und sieh, was er will.Der Rudeli geht hinaus. Der Niclas nimmt ihn bei dem Arm und sagt: Komm, ich muß dir etwas sagen - führt ihn in eine Ecke, steckt ihm sein Brot geschwind in den Sack, und läuft davon.Der Rudeli dankt und ruft ihm nach: Dank doch auch deinem Vater und deiner Mutter.Niclas kehrt sich um, deutet ihm mit den Händen, daß er doch schweige, und sagt: Es muß es niemand wissen; und läuft wie ein Pfeil davon.

50.

Unarten und böse Gewohnheiten verderben dem Menschen auch die angenehmen Stunden, in denen er etwas Gutes tut.

Lise geht indessen allgemach in ihrem Schritt ins obere Dorf zu des Reutimarxen Betheli. Dieses stand eben am Fenster. Lise winkt ihm, und das Betheli schleicht aus der Stube zu ihm heraus - Der Vater aber, der es merkt, schleicht ihm nach, und versteckt sich hinter das Tenntor.Die Kinder vor dem Tenntor denken an keinen Vater, und schwatzen nach Herzenslust.Lise: Du, Betheli! ich habe dir da Brot.Betheli: (Das zitternd die Hand danach streckt) Du bist gut, Lise! Es hungert mich; aber warum bringst du mir jetzt Brot?Lise: Weil du mir lieb bist, Betheli! Wir haben jetzt genug Brot; mein Vater muß die Kirche bauen.Betheli: Meiner auch.Lise: Ja, aber deiner ist nur Handlanger.Betheli: Das ist gleich viel, wenn's nur Brot gibt.Lise: Habt ihr großen Hunger leiden müssen?Betheli: Ach! wenn's nur jetzt besser wird.Lise: Was habt ihr zu Mittag gehabt?Betheli: Ich darf dir's nicht sagen.Lise: Warum nicht?Betheli: Wenn es der Vater vernähme, er würde mir –Lise: Ich würd es ihm gewiß gleich sagen?Das Betheli nimmt ein Stück ungekochte weiße Ruben aus dem Sack, und sagt: Da siehe –Lise: Herr Jesus! sonst nichts?Betheli: Nein, weiß Gott! jetzt schon zwei Tage.Lise: Und du darfst es niemand sagen, und niemand nichts fordern?Betheli: Ja, wenn er nur wüßte, was ich dir gesagt habe, es würde mir gehen! –Lise: Iß doch das Brot, ehe du wieder hinein mußt.Betheli: Ja, ich will; ich muß bald wieder hinein, sonst fehlts - Es fängt an zu essen, und eben öffnet der fromme Marx ab der Reuti das kleinere Türlein der Tenne, und sagt: Was issest du da, mein Kind!Sein Kind würget und schluckt ganz erschrocken über dem lieben Vater den ungekauten Mundvoll herunter, und sagt:. Nichts, nichts, Vater!Marx: Ja - nichts - wart nur - Und du, Lise - es ist mir kein Gefallen, wenn man meinen Kindern hinterrücks Brot gibt, damit sie erzählen, was man im Hause esse oder trinke, und dabei so gottlos lügen. Du gottloses Betheli! Aßen wir nicht einen Eierkuchen zu Mittag?Lise zieht jetzt so geschwind wieder ab, als es allgemach dahergekommen war.Das Betheli aber nimmt der liebe Vater mit wildem zornigem Blick am Arm in die Stube.Und Lise hört es weit, weit vom Haus weg noch schreien - Enne trifft den Heirli unter seiner Haustüre an, und sagt ihm: Willst du Brot?Heirli. Ja, wenn du hast. Enne gibt's ihm; er dankt und ißt, und Enne geht wieder fort.Der Jonas schlich um des Schabenmichels Haus herum, bis Bäbeli ihn sah, und herabkam. Was machst du da, Jonas? sagte BäbeliJonas: Ich möchte gern etwas Lustiges machen. Bäbeli: Ich will mich mit dir lustig machen, Jonas! Jonas: Willst du tun, was ich will, Bäbeli? Es geht dann gewiß lustig.Bäbeli: Was willst du denn machen?Jonas: Du mußt s' Maul auftun und die Augen zu.Bäbeli: Jä, du tust mir etwas Garstiges in's Maul.Jonas: Nein, das tue ich dir nicht, Bäbeli! Meiner Treue! nicht.Bäbeli: Nu - - aber sieh zu, wenn du mich anführst. (Es tut das Maul auf und die Augen nur halb zu.)Jonas: Recht zu mit den Augen, sonst gilt's nicht.Bäbeli: Ja; aber wenn du ein Schelm bist? (Es tut jetzt die Augen ganz zu.Flugs schiebt ihm Jonas das Brot in's Maul, und läuft fort. Das Bäbeli nimmt das Brot aus dem Maul, und sagt: das ist lustig; sitzt nieder und ißt.

51.

Es kann keinem Menschen in Sinn kommen, was für gute Folgen auch die kleinste gute Handlung haben kann.

Sein Vater Michel sieht das Spiel der Kinder vom Fenster, und erkennt den Jonas des Lienhards; und es geht ihm ein Stich ins Herz.Was ich für ein Satan bin! sagt er zu sich selber. Ich verkaufe mich dem Vogt zum Verräter wider den Maurer, der mir Brot zeigt und Verdienst - und jetzt muß ich noch sehen, daß auch dieser Kleine ein Herz hat, wie ein Engel - Ich tue diesen Leuten nichts Böses; der Vogt ist mir seit gestern ein Greuel. Ich kann's nicht vergessen, wie er aussah, da er mir den Kelch gab - So sagte der Mann, und blieb den ganzen Abend in ernsten Betrachtungen über sein Leben bei Hause. Die Kinder Lienhards waren jetzt auch wieder zurück, erzählten dem Vater und der Mutter, wie's ihnen gegangen war, und waren sehr munter. Lise allein war es nicht, zwang sich aber fröhlich zu scheinen, und erzählte mit viel Worten, wie sie das Betheli so herzlich erfreut habe.Es ist dir gewiß etwas begegnet, sagte Gertrud? Nein, es ist mir gewiß nichts begegnet, und es hat ihm gewiß Freude gemacht, antwortete Lise. Die Mutter fragte jetzt nicht weiter, sondern betete mit ihren Kindern, gab ihnen ihr Nachtessen, und begleitete sie zur Ruhe. Gertrud und Lienhard lasen noch eine Stunde in ihrer Bibel, und redeten miteinander von dem, was sie lasen; und es war ihnen herzinniglich wohl am Abend des heiligen Fests.

52.

Am Morgen sehr früh ist viel zu spät für das, was man am Abend vorher hätte tun sollen.

Am Morgen aber sehr früh, sobald der Maurer erwachte, hörte er jemand ihm vor dem Fenster rufen.Er stand alsobald auf, und öffnete die Türe.Es war Flink, der Harschier aus dem Schloß. Er grüßte den Maurer und sagte:Maurer! ich habe dir schon gestern den Befehl bringen sollen, daß man ungesäumt heute mit dem Steinbrechen anfangen soll.Maurer: Soviel ich gehört habe, hat der Vogt die Arbeiter heute in's Schloß gehen heißen; doch es ist noch früh, ich denk, sie werden noch nicht fort sein; ich will es ihnen sagen. Da rief er dem Lenk, der in der Nähe wohnte, vor seinem Fenster; aber es antwortete niemand.Nach einer Weile kam Killer, der mit ihm unter einem Dach wohnt, hervor und sagte: Der Lenk ist bei einer halben Stunde schon fort, mit den anderen ins Schloß. Der Vogt hat ihnen gestern nach dem Nachtessen noch sagen lassen, daß sie unfehlbar vor den Vieren fort sollen, weil er auf den Mittag wieder daheim sein müsse.Der Harschier war ernstlich betroffen über diesen Bericht, und sagte: Das ist verflucht; aber was ist zu machen, erwiderte der Maurer?Flink: Kann ich sie vielleicht noch einholen?Maurer: Auf des Martis Hügel siehest du ihnen ja auf eine halbe Stunde nach; da kannst du sie, nachdem der Wind geht, zurückrufen, so weit du sie siehest.Dieser säumt sich jetzt nicht, läuft schnell auf den Hügel, ruft, pfeift und schreit da, was er aus dem Hals vermag; aber vergebens - Sie hören ihn nicht, gehen ihres Wegs fort, und sind ihm bald aus den Augen.Der Vogt aber, der noch nicht so weit entfernt war, hörte das Rufen vom Hügel, kehrte sich um, das Gewehr des Harschiers glänzte im Morgenstrahl der Sonne, daß der Vogt ihn erkannte; und es wunderte ihn, was der Harschier wolle; er ging zurück und der Harschier ihm entgegen.Dieser erzählte ihm jetzt, wie er gestern bis zum Sterben Kopfweh gehabt und versäumt habe, dem Maurer anzusagen, daß man schon heute mit dem Steinbrechen anfangen müsse.

53.

Je mehr der Mensch fehlerhaft ist, je unverschämter begegnet er denen, die auch fehlen.

Du vermaledeiter Schlingel! was du für Streiche machest; antwortete der Vogt.Flink: Es wird so gar übel nicht sein. Wie hab ich vom Teufel wissen können, daß die Kerl alle vor Tag zum Dorf hinausfliegen werden - Hast du es ihnen befohlen?Vogt: Ja eben, du Hund! Ich muß jetzt vielleicht deinen Fehler ausfressen.Flink: Ich werde auch kaum leer draus kommen.Vogt: Es ist verflucht –Flink: Das war genau auch mein Wort, da ich hörte, daß sie fort wären.Vogt: Ich mag jetzt nicht spaßen, Schlingel!Flink: Ich eben auch nicht; aber was machen?Vogt: Du Narr! Nachdenken.Flink: Es ist eine halbe Stunde zu spät für meinen Kopf.Vogt: Wart, man muß nur nie verzagt sein. Es fällt mir etwas ein. Sag du nur keck und mit Ernst, du habest den Befehl am Abend der Frau oder einem Kind des Maurers gesagt. Sie richten wider dich nichts aus, wenn du mit Ernst daran setzest.Flink: Mit dem hab ich nichts zu tun; es könnte fehlen.Vogt: Nein, es könnte nicht fehlen, wenn du daransetztest; aber bei mehrerem Nachdenken fällt mir etwas ein, das noch besser ist.Flink: Was denn?Vogt: Du mußt zurücklaufen zum Maurer, dich grämen und jammern und sagen: Es könne dir übel gehen, daß du den Befehl versäumt habest; aber er könne dir mit einem einzigen guten Wort aus allem helfen, wenn er nur etwann einmal dem Junker sage, er habe den Zettel am Sonntag empfangen, und aus Mißverstand, da es heiliger Abend gewesen wäre, es ihnen erst heute ansagen wollen - Das schadet dem Maurer kein Haar, und tut er's, so ist vollkommen geholfen.Flink: Du hast recht; ich glaube, das würde angehen.Vogt: Es fehlt gewiß nicht.Flink: Ich muß gehen, ich habe noch Briefe; aber ich will doch noch diesen Morgen zum Maurer hin. Behüt dich Gott,Vogt! (Er geht. Der Vogt allein: Ich erzähle es einmal jetzt so, wie abgeredet, im Schloß. Fehlts dann, so sage ich, der Harschier hat mir's so erzählt.

54.

Armer Leute unnötige Arbeit.

Indessen kamen die Taglöhner zum Schloß, setzten sich auf die Bänke bei der Scheune, und warteten da, bis jemand sie rufen, oder bis der Vogt kommen würde, der ihnen versprochen hatte, alsobald nachzukommen. Als aber der Hausknecht im Schlosse sie bei der Scheune sah, ging er zu ihnen hinunter, und sagte: Warum seid ihr da, Nachbarn? Unser Herr glaubt, ihr seid an der Arbeit beim Kirchbau.Die Männer antworteten: Der Untervogt habe ihnen befohlen, hieher zu kommen, dem Junker für die Arbeit zu danken.Das war nicht nötig, erwiderte Claus! Er wird euch auch nicht viel darauf halten; aber ich will euch melden.Der Hausknecht meldete die Männer. Der Junker ließ sie sogleich vor sich, und fragte sie freundlich, was sie wollten? Nachdem sie es gesagt, und mit Mühe und Arbeit etwas vom Dankenwollen gestammelt hatten - sagte der Junker:. Wer hat euch befohlen, um deswillen hieher zu kommen? Der Untervogt! antworteten die Männer, und wollten noch einmal danken.Das ist wider meinen Willen geschehen, sagte Arner! Geht jetzt in Gottes Namen, und seid fleißig und treu, so freut's mich, wenn der Verdienst diesem oder jenem unter euch aufhelfen kann; aber sagt dem Meister: daß man noch heute mit dem Steinbrechen anfangen müsse.Da gingen die Männer wieder heim.