Der Stier und der Biber

Nr. 226 (PSW 11, S.304-305)

Der Stier sagte zum Biber: "So ein Leben unter dem Wasser, wie du eins hast, möchte ich um aller Welt willen nicht haben."

Der Biber schwieg und antwortete ihm nicht.

Aber der Stier fuhr fort und machte jetzt eine Lobrede seines bessern und glücklichern Lebens.

"Mein Stall", sagte er, "ist beinahe so viel wert als eine Menschenwohnung, und dann muß ich ihn nicht einmal bauen; der Bauer, der mich füttert, baut mir ihn selbst."

Der Biber antwortete ihm: "Ich weiß wohl, daß es viele Stierenställe gibt, die besser aussehen und im Winter gar viel wärmer sind als tausend armer Leute Wohnstuben, und ich kann auch gar wohl denken, es gefalle dir wohl darin, wenn dein Barren recht voll und dein Gras und dein Heu recht gut sind. Ich aber liebe die Wohnung, die ich mir selbst baue und in der ich frei bin, und möchte um alles in der Welt nicht eine Wohnung, die mir ein anderer baute, und mich nicht wie dich darin angebunden finden, wenn er dich anjocht und zum Pflug oder Wagen anspannen will."

Ein wohl besorgter Stallstier hat freilich eine bequemere Wohnung als ein Biber unter dem Wasser. Aber der Biber hat auch recht, daß er lieber frei lebt als bequem schläft. Wem seine Freiheit und sein Recht nicht mehr ist als seine Bequemlichkeit, der ist in jedem Falle ein armseliger Tropf. Ich habe in meinem Leben unter allen Gefangenen, die ich sah, niemals ob keinem lachen müssen, als ob einem, an Händen und Füßen gefesselten Mann, der mit stolzer Behaglichkeit in seinem dunkeln Loch saß.