Stoffels Brunnen

Nr. 53 (PSW 11, S.128-129)

Als des eiteln armen Stoffels Hausbrunnen beinahe abstund, befahl er seinem Knecht: "Wenn niemand um den Weg ist, so stopfe die Röhre; wenn aber ein Fremder durch den Hof geht, so lasse sie laufen."

Der Knecht antwortete: "Damit wird der Brunnen immer schlechter, und ich kann weder zur rechten Zeit tränken, noch zur rechten Zeit schöpfen."

Der Meister erwiderte: "Ich will für einmal alles lieber, als daß mein Herr Nachbar merke, daß mein Brunnen schlecht ist."


Man sollte nicht glauben, wie viele solche eitle Gimpel es in unsrer Zeit gibt.

Ganz neulich sagte in meiner Gegenwart eine solche Gimpelmutter zu ihrem Kinde: "Mach doch in allem, was du tust, daß es auch eine Art hat." – "Aber wie muß ich das machen?" fragte das Kind. Die Mutter erwiderte: "Ich will es dir sagen. In allem, was du tust, mußt du immer darauf sehen, daß niemand merke, was du damit suchst, und dir niemand ansehe, was du dabei denkst."

Das verstand ein Hummel vom Dorfe vortrefflich; er sagte auch seinem Vertrauten es gerade heraus: wenn er einen Burschen, den er hasse, auf der Mücke habe, und ihn sicher zu Grunde richten wolle, so sei er Jahr und Tag freundlicher mit ihm, als mit keinem anderen im Dorfe.