An die Unschuld, den Ernst und den Edelmut meines Zeitalters und meines Vaterlandes

Rechtschreibung und Interpunktion entsprechen nicht der Kritischen Ausgabe von Pestalozzis Schriften, sondern der regularisierten Fassung auf der CD-ROM.

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Die kollektive Existenz unseres Geschlechts hat als solche Erfordernisse, die mit den Ansprüchen der Individuen und mit den höheren Ansichten der Menschennatur und ihrer wesentlichen Bestimmung in einem ewigen Widerspruch stehen. Jede Staatsvereinigung hat den Keim dieses Widerspruchs in sich selbst. Der Staat muß bei jeder Kollision der kollektiven Existenz unseres Geschlechts mit der individuellen, die erste gegen die letzte als Regel seines Benehmens, als sein Gesetz anerkennen, und folglich in diesem Fall das Unheilige unserer Gemeinnatur über das Heilige, Göttliche unseres individuellen inneren Wesens emporheben. Tausendfacher Mangel an innerer Reinheit, an hohem Edelmut im öffentlichen Leben ist eine unausweichliche Folge dieses Umstands, und die daraus herfließende innere Abschwächung der die Menschennatur allein befriedigenden Sittlichkeit kann durch keine Weisheit der Gesetzgebungen und Verfassungen vollends aufgehoben werden. Die Menschennatur fordert hierfür höhere Mittel, aber der Gesetzgeber darf sich über den Kreis seiner diesfälligen Schranken nicht täuschen. Eine diesfällige Täuschung würde ihn als Mensch unaussprechlich entwürdigen, und sein Volk würde von seiner inneren Entwürdigung leidend auch das Gute, das in seinem gesetzgeberischen und bürgerlichen Tun ist, nicht genießen.

Ohne eine höhere Ansicht des Lebens veredelt sich die Menschennatur durch keine Art von bürgerlicher Verfassung, durch keine Art von Konstituierung ihrer selbst als Masse, durch keine Art ihrer kollektiven Existenz als solcher. Ohne eine höhere Ansicht des Lebens mangelt jeder, auch der besten Verfassung die heilige innere Schutzwehr gegen ihren Mißbrauch, gegen ihre Entheiligung, d.i. gegen den Anstoß ihrer Massebedürfnisse und ihrer Massekraft an die Zartheit und Reinheit der veredelten Individualstellungen und Individualbedürfnisse der Bürger, zu welcher schonenden Zartheit auch der ärmste, niederste Bürger ein Menschlichkeitsrecht hat, dem aber der Staat durchaus nicht durch seine zivilisierte Massekraft, sondern nur durch die Individualitätswürde seiner kultivierten Glieder ein Genüge leisten kann.

Im Gegenteil, das Leben in der kollektiven Existenz unseres Geschlechts greift der Zartheit, die das individuelle Leben und sein inneres heiliges Wesen mit großer reiner und hoher Gewalt anspricht, vielseitig ans Herz.

Vaterland! Laß dich hierüber nicht täuschen, blick auf die Menschen hin, die, durch das öffentliche Geschäftsleben in bürgerliche Einseitigkeit versunken, das Wesen des gesellschaftlichen Zustandes gleichsam verkörpert in sich selbst tragen; blick auf die Menschen, die durch ihre Stellung von Staats wegen ihre Mitmenschen zum Manipulieren in der Hand haben wie der Steuermann und die Bootsknechte das Schiff, das sie führen! Diese Menschen, die, vom ewig selbstsüchtigen Fundament der kollektiven Existenz unseres Geschlechts täglich durch ihren Beruf sinnlich ergriffen, für die Erhaltung derselben von Sonnenaufgang bis zu ihrem Niedergang physisch und geistig betätigt und dabei noch bürgerlich dafür verpflichtet sind; diese Menschen müssen notwendig das ganze menschliche Dasein mit der Brille ihrer Bürgerlichkeit, oder ihrer Stellung im Staat ins Auge fassen. Sie tragen auch alle das Malzeichen ihrer Stellung unauslöschlich an ihrer Stirne, und dieses ist oft gleichsam der Gegenschein aller höheren und rein menschlichen Ansichten und Gefühle des Lebens. Ein solcher Massemensch achtet auch gewöhnlich das Individuum unseres Geschlechts als solches soviel als der Strom den Wassertropfen, der in ihn hineinfällt, sich in ihm auflöst und also aufgelöst mit ihm fortläuft, bis endlich auch er, der Strom, sich in den Tiefen der Meere verliert, wie der Tropfen in ihm. Die im Zivilisationsverderben versunkene Welt achtet die Individualveredelung unseres Geschlechts, insofern sie mit den Masseansprüchendes gesellschaftlichen Lebens in Kollision kommt, nie höher. –

Das erscheint in einem erhabenen göttlichen Licht im Leben Jesu. Wenn er die Kinder in seine Arme nahm und im Anblick ihrer Anmut und Unschuld den seligsten Genuß der veredelten Menschennatur erkannte, so fand die jüdisch gebildete Welt, er sei ein verächtlicher Volksphantast, dessen Ansichten außer und unter ihrer Beachtung liegen. Und wenn er von Maria, die sich zu seinen Füßen setzte, indessen Martha die Honneurs des Hauses machte, sagte, sie habe den besseren Teil erwählt, so achtete die gute jüdische Hausmutter Martha für eine Tochter, die ihre Pflicht kenne und tue, und Maria für eine, die sie vielleicht auch kenne, aber nicht tue. Und hinwieder, wenn er den Großreichtum als ein fast unübersteigliches Hindernis der Veredelung der Menschennatur erklärte, so glaubten die jüdischen Reichen, er verstehe weder Mosen noch die Propheten, und Salomon, der doch gewiß auch reich gewesen, habe weder durch seine Sprichwörter, noch durch sein Beispiel gelehrt, daß ein Jude zur Ehre Jehovas so arm sein müsse als das Gesindel, das dem Volksphantasten Jesus bis in die Wüste nachlaufe. Und wenn er das Volk in dieser Wüste um sich her versammelte und ihnen Fische und Brot, ohne daß sie es zahlen mußten, zukommen ließ, und sogar einen Zoller von seinem Posten abrief, ohne sich darum zu bekümmern, ob derselbe wieder gut besetzt sei, so konnten weder die römischen noch die jüdischen Beamten als solche anders als glauben, er tue Unrecht, er störe die öffentliche Ordnung und Ruhe, seine Lehre sei irrig, sein Beispiel gefährlich und seine Handlungsweise sträflich. Der bloß zivilisierte Mensch kennt die Gerechtigkeit nicht, die aus Gott ist, er kennt die Gerechtigkeit nicht, die aus der Reinheit der Ansprüche der höheren Menschennatur hervorgeht. Er kann es auch nicht. Die bürgerliche Schule lehrt es ihn nicht, und das bürgerliche Recht verpflichtet ihn zu keinem ihrer Gebote. Der Bürger steht als solcher der Gerechtigkeit halber auf dem Punkt der Menschen, von denen Christus sagt: "Wenn eure Gerechtigkeit nicht übertreffen wird die Gerechtigkeit usw." Die gesellschaftliche Gerechtigkeit als solche fordert vom Bürger keine Tugend und keine Veredelung des Herzens, aus welcher die Tugend allein hervorgeht. Beides, infolge ihres Ursprungs und infolge ihres Kreises treibt sich dieselbe gänzlich nur um unsere sinnliche Existenz herum.

Fassen wir diesen Gesichtspunkt näher ins Auge, so finden wir: Das ursprüngliche Recht des noch nicht gesellschaftlich vereinigten Menschen ist tierische Freiheit. Das Mittel dieses Rechts ist tierische Gewalttätigkeit. Von dieser Seite ins Auge gefaßt, hat das gesellschaftlich vereinigte Staatsglied durchaus kein Menschenrecht. Auch der entfernteste Anspruch an ein solches ist, als das Prinzip der gesellschaftlichen Vereinigung zerstörend, Staatsverbrechen. Aber dennoch liegt die Neigung zu diesem tierischen Recht unauslöschlich in unserer sinnlichen Natur, und spricht sich im sinnlichen Leben der kollektiven Existenz unseres Geschlechts ebenso lebendig aus als im Privatleben. Wie der sinnliche Bürger, also spricht der Staat in allen seinen Verhältnissen das Wort: "Wär' alles mein, wär' alles mein!" gleich aus. Als kollektive Existenz unseres Geschlechts muß er sich als selbstsüchtig aussprechen, sonst hört er auf, Staat, er hört auf, in seiner kollektiven Existenz mit sich selbst in Harmonie zu sein und konsequent mit dem ursprünglichen ersten Zweck seiner Vereinigung zu handeln. Dieser aber ist durchaus nicht Veredelung, Vervollkommnung des Menschengeschlechts, sondern Sicherstellung der Möglichkeit der Ruhe, der Befriedigung und der Äufnung der Vorteile des Beieinanderlebens großer oder kleiner Menschenhaufen.

Aber eben darum, weil der gesellschaftliche Zustand an sich kein die Menschennatur in allen ihren Ansprüchen befriedigender und ihr über die Ansprüche seiner sinnlichen tierischen Natur erhebender Zustand ist, und der sinnliche Mensch im Gegenteil in diesem Zustand bleibt, was er vorher war, und er den wilden Weltanspruch des Naturstands: "Die Erde ist mein, alles ist mein", nur in den Schwachheitswunsch des gesellschaftlichen Zustands: "Wär' alles mein, wär' alles mein" umwandelt, eben darum hat der Mensch im gesellschaftlichen Zustand ein Recht notwendig. Der Schwachheits-Wunsch: "Wär' alles mein" muß im gesellschaftlichen Zustand eben wie der wilde Kraftanspruch: "Es ist alles mein" um so mehr zurückgedrängt werden, da das erste Recht des Besitzstandes und alle Maßregeln beim Übergang roher Völker in den Besitzstand gewöhnlich Handlungen des Unrechts und der gesetzlosen Gewalttätigkeit der Mächtigeren gegen die Schwächeren sind. Die Behauptung: "der Mensch habe im gesellschaftlichen Zustand kein Recht, und die Befriedigung seiner Ansprache an menschlichen Lebensgenuß und Lebensfreiheit hänge lediglich von dem guten Willen der Possidenti und derer, die Gewalt über ihn haben, ab", ist eine Lästerung ebensowohl gegen das Wesen des gesellschaftlichen Menschenvereins als gegen die Idee der Souveränität.

Der Zweck der gesellschaftlichen Vereinigung ist offenbar Verbesserung und nicht Verschlimmerung des Naturzustands, die unser Geschlecht durch die Kultur des Erdbodens und diejenige seiner selbst zu erzielen sucht. Diese Kultur aber ist nur durch die höhere Begründung des menschlichen Rechts und nicht durch seine Entwürdigung und seine Zernichtung erreichbar. Sie, die Erhebung unseres Geschlechts zur Menschlichkeit, die Kultur, ist in ihrem Wesen eine Umwandlung der tierisch gesetzlosen Gewalttätigkeit in eine menschliche, vom Recht und Gesetz möglich gemachte und durch dasselbe geschützte Gewaltlosigkeit, eine Unterordnung der Sinnlichkeitsansprüche unter die Ansprüche des menschlichen Geistes und des menschlichen Herzens. Sie stellt durch ihr Wesen sowohl den derben Weltanspruch des Wilden - "Es ist alles mein!" als seinen schwachen Nachhall, das bürgerliche Wort: "Wär' alles mein!" durch das Bewußtsein still: "Es ist etwas mein! ich bin mein, meine Kraft ist mein, sie ist durch das Recht und durch das Gesetz des gesellschaftlichen Zustands gesellschaftlich mein." Die Kultur stellt den tierischen Naturtrieb zum Raubanspruch an alles, zum Raubbesitz von allem und zum Raubrecht zu allem durch erhöhte Einsicht und erhöhten Genuß still; und macht Kunst, Erwerb, Verdienst, gesetzliches Recht und Bildung zum Verdienst, zum Erwerb und zur Kunst, zum gesetzlichen Fundament beides, sowohl des Besitzstandes als seines Rechtes und seiner Schranken.

Die Behauptung: "der Mensch habe im gesellschaftlichen Zustand kein Recht" ist aber auch der Idee der Souveränität und ihres heiligen Wesens geradezu entgegen und im eigentlichen Verstand eine Verleugnung des Daseins ihrer heiligen Macht selber. Sie, die Souveränität ist in ihrem Wesen offenbar ein Resultat des Anspruchs der Menschennatur an einen gesellschaftlichen Mittelpunkt, eines kraftvollen Schutzes des ewigen heiligen Allrechts des Menschengeschlechts an ihren Wohnplatz - die Erde, gegen die unheilige, zeitliche und wechselnde Allgewalt des Besitzstandes und den Mißbrauch des Eigentums, insofern dieses durch seinen, ihm ewig beiwohnenden selbstsüchtigen Anspruch an ungehemmte Willkür im Gebrauch gesellschaftlicher Kräfte auf die Zerstörung des Zwecks des gesellschaftlichen Zustandes und auf den Ruin der Entfaltung der Kräfte, durch welche dieser Zustand allein für unser Geschlecht wohltätig bestehen kann, hinwirken sollte und wollte.

Freund der Wahrheit und der Menschheit! Forsche dem Ursprung der Souveränität mit Ernst nach, und du wirst finden, wie und wodurch ihr (Dominium supremum)# von dem Macht- und Gewaltseinfluß des bloß sinnlich-tierischen Besitzstandes, von der Macht der einäugigen Zyklopen verschieden, von den Völkern als eine heilige göttliche Macht anerkannt worden. Du wirst finden, wie sie unter den religiösen Völkern durch die Salbung mit dem heiligen Öl von aller menschlichen Macht gesondert, als eine über die menschlichen Schwächen und über ihre Leidenschaften erhabene Macht ins Auge gefaßt und verehrt worden; wie sie im Christentum einerseits mit den geweihten heiligen Ansprüchen der Kirche innigst vereinigt, andererseits nach dem Grad der gestiegenen Erleuchtung aller christlichen Staaten allgemein durch landständische Verfassungen, d.i. durch mitwirkende Repräsentationen alles Edlen, Reinen, Hohen und Guten, das im Staat wirklich da war, durch Repräsentationen der Religiosität, der Kultur und des Eigentums - durch den Klerus, den Adel, den Gelehrten- und den Bürgerstand - gleichsam über das Menschliche der individuellen Schwäche und der individuellen Leidenschaften der Personalität des Staatschefs erhoben, als eine göttliche Obhut zur Sicherstellung der Menschlichkeit im höheren Sinn des Wortes da stand und zur Verhütung und Minderung alles Unrechts und aller Gewalttätigkeit, die die kollektive Existenz unseres Geschlechts und der Einfluß des Eigentums, auf dem des Wesen des gesellschaftlichen Zustandes ruht, soviel als notwendig macht.

Recht und Gesetz und Freiheit durch Recht und Gesetz sind also vermöge des Wesens des gesellschaftlichen Zustandes und vermöge des Wesens der Souveränität und ihrer heiligen Macht selber das unwidersprechliche Eigentum des gesellschaftlichen Zustandes, sie sind sein erstes Bedürfnis und nur durch ihn möglich, aber ihm auch absolut notwendig.

Es ist offenbar, solange Unrecht im Staat auch nur möglich ist, solange hat der Bürger unumgänglich ein Recht notwendig, und solange er im gesellschaftlichen Zustand die Mittel seiner Existenz sich durch Recht und Kunst selbst verschaffen und erhalten muß, so hat er dazu ebenso Freiheit, d.i. einen gesetzlich gesicherten Spielraum dafür notwendig. Von welcher Seite das Unrecht gegen den Bürger die größte Gewalt hat, von dieser Seite hat er auch ein hohes Recht, einen staatsrechtlichen Anspruch zum Recht notwendig, und von welcher Seite die Mittel, sich seine Existenz durch Recht und Kunst zu verschaffen, ihm am leichtesten widerrechtlich geraubt und er darin am leichtesten widerrechtlich bekümmert werden könnte - von dieser Seite hat er auch das größte Recht, zum Recht den größeren Schutz seiner Freiheit im Recht notwendig.

Es ist offenbar, das Staatsglied, der Bürger, soll im Staat seiner Existenz halber nicht durch die Gnade, er soll durch sein Recht, und durch ein sein Recht schützendes Gesetz existieren, sonst ist er kein Bürger, kein Staatsglied mehr; er ist dann eine Nadel im Webstuhl für den Mann, der sich auf demselben und durch ihn seinen Strumpf webt.

Aber das Nationalgefühl für den Anspruch dieses Rechts darf durchaus nicht von der sinnlichen Belebung des Volksgeistes und der Gefühle, die ein Resultat der kollektiven Existenz unseres Geschlechts sind, ausgehen; es muß wesentlich von der staatsrechtlich gesicherten, gesetzlich gewürdigten und verfassungsmäßig organisierten Freiheit der Einsicht, des Edelmuts und der Menschlichkeit, die im ganzen Umfang des Staates da ist, und von der höchsten Repräsentation und der höchsten Garantie dieser Einsicht, dieses Edelmuts und dieser Menschlichkeit, von der heiligen Macht der Souveränität selber ausgehen. Der Begriff der Sozietät fordert vor allem aus eine gesellschaftlich gesicherte Begründung der Kraft des Ganzen, eine von dem Widerspruch und dem Widerstand der Individuen und jeder klubistischen Vereinigung derselben unabhängende, gesetzlich konstituierte Macht der Regierung.

Eine Sozietät, die ihren Chef in der kraftvollen Ausübung seiner Rechte hemmen kann oder will, hat den Grund ihres Ruins im Trugschein ihrer gesetzlosen Ansprüche selbst gelegt. Aber ein Staatschef, der seine untergeordneten Staatsglieder vermöge der Selbstsucht seiner Persönlichkeit in dem Genuß ihrer Rechte und in der Äufnung der Kräfte, die diesen Rechten zum Grund liegen, hemmen will und kann, hat den Grund seines Ruins ebenfalls im Trugschein seiner gesetzlosen Persönlichkeitsansprüche selbst gelegt.

Das ist Gottes Ordnung, die fest steht, beides, gegen die Verirrungen der Throne und gegen diejenigen der Völker. Ihre Anerkennung ist beiden gleich wichtig, aber die sinnliche tierische Menschennatur steht ihr in allen Verhältnissen des gesellschaftlichen Zustandes allgemein entgegen.

Das sinnliche Kraftgefühl der kollektiven Existenz unseres Geschlechts macht den gesellschaftlichen Menschen leicht rechtlos, beides im Gebrauch der Gewalt und im Anspruch der Macht. Der Mensch auf dem Thron repräsentiert die kollektive Existenz unseres Geschlechts zwar in göttlicher Erhabenheit, aber dennoch als Mensch, und seine Behörden fühlen den Reiz dieser Repräsentation in allen ihren Adern, aber selten in göttlicher, über ihren Behördenkreis emporstehender Erhabenheit. Die Folgen sind heiter. Aber auch der Privatmensch, das Individuum fühlt den Reiz zur Rechtlosigkeit beim Zusammenstehen größerer oder kleinerer Volkshaufen, seien es Bauernhaufen, Bürgerhaufen, Zunfthaufen, Militärhaufen, selbst Literatur- und Klerusvolkshaufen, das ist gleichviel; die Folgen sind die nämlichen. Der gesellschaftliche Mensch bedarf in allen Verhältnissen ein Recht gegen jeden Gewaltsanspruch der Selbstsucht, der das Gefühl der kollektiven Existenz unseres Geschlechtes zu seiner Basis hat. Es ist unwidersprechlich, der Reiz zum Mißbrauch der gesellschaftlichen Kräfte gegen den gesellschaftlichen Zweck liegt so tief im Wesen der sinnlichen Menschennatur, daß das Individuum ohne ein Schutzrecht gegen alle böse Gewalt in diesem Zustand immer zur bestimmtesten inneren Verwilderung hinlenkt, und zwar ebenso, wenn es von dem gesetzlosen Spielraum zur Willkür unter dem Druck eines Mächtigeren leidet, als wenn es selber als Mächtiger andere unter sich durch sein Unrecht leiden macht. Im jedem Fall ist die Neigung zur Willkür und zu einem durch kein Gesetz und durch keinen Zwang beschränkten Spielraum derselben im bürgerlichen Leben wie im wilden Zustand gleich stark, und in Rücksicht auf den letzten Zustand ist historisch richtig: der Wilde läßt sich in allen Gegenden der Welt lieber totschlagen, als daß er sich dem Gesetz des Eigentums, der Verteilung und des Anbaues der Erde unterwirft. Nur die heilige Not, nur die göttliche Härte ihrer Erfahrungen, die einen vielseitigeren Gebrauch der Vernunft und eine vielseitigere Teilnahme an den Begegnissen der Welt und an den Bedürfnissen der Mitmenschen notwendig macht, ist fähig, die überwiegende Neigung zum freien, das Eigentum nicht erkennenden und den Anbau der Erde nicht bezweckenden Naturleben der wilden Völker auszulöschen.

Das nämliche hat im gesellschaftlichen Zustand statt. So wie der Wilde sich eher totschlagen läßt, als daß er der sinnlichen Freiheit seines Lebens entsagt, also ließe auch der kleinste Stadtrat und sogar jeder reichsstädtische Schneider seine liebe Vaterstadt leiden, was sie nur zu leiden vermöchte, ehe der eine sich den freien Spielraum, der ihm auf seinem Ratsherrenstuhl, und der andere denjenigen, der ihm auf seinem Schneidermeisterstuhl habituell geworden, freiwillig auch nur um ein Haar einschränken lassen würde.

Diese unbürgerliche, dem Zweck der gesellschaftlichen Vereinigung geradezu entgegenstehende sinnliche Gewaltsneigung im gesellschaftlichen Zustand ist in ihrem Wesen nichts anderes als die Fortdauer der tierischen Neigung zum Waldleben, die der gesellschaftliche Zustand dem Bürger zwar nicht gibt, aber auch nicht in ihm auslöscht.

Desnahen ist auch offenbar, der gesellschaftliche Zustand entsteht zwar an sich selber aus einem durch Not erzwungenen Erwachen der Vernunft und der Menschlichkeit, aber er ist um deswillen bei seinem Erwachen nichts weniger als ein Resultat der gebildeten Vernunft und der gebildeten Menschlichkeit; im Gegenteil, er ist bei dem Erwachen seiner Erscheinung immer nur ein Resultat des halbschlummernd gefühlten Bedürfnisses der Ausbildung von beiden.

Der Urzustand der bürgerlichen Vereinigung ist also kein Typus des bürgerlichen Rechts. Der Barbar organisiert sich im Urzustand der bürgerlichen Vereinigung nur barbarisch zum Bürger. Seine Gesetze sind Gesetze der Barbarei und sein Recht ist ein barbarisches Recht. Das gereifte bürgerliche Recht ist ein Resultat des gereiften Lebens im bürgerlichen Zustand, es ist ein Resultat von bürgerlichen Gesetzen und Einrichtungen, die sich progressiv in ihrer inneren Wahrheit, oder vielmehr in ihrer inneren Übereinstimmung mit den Ansprüchen der Menschennatur nach dem Grad der allmählich steigenden Völkerkultur immer mehr entfaltet haben und entfalten sollen. Und, Vaterland! die Nichtanerkennung dieser progressiven Entfaltung des bürgerlichen Rechtes, so wie der Köhlerglauben schwacher Menschen und sinkender Staaten an die Notwendigkeit des Ewigerhaltens veralteter barbarischer Rechts- und Regierungsformen ist in seinem Wesen ein lautes Zeugnis - des Stillstehens des Staates auf Stellen, wo er durchaus nicht stillstehen sollte; sie ist in ihren Folgen - Quelle von Staatsschwächen in allen Fächern, in denen die Staatskraft durchaus nicht geschwächt werden darf, und endlich ist sie beim Emporstreben der Völker zur bürgerlichen Kultur und rechtlichen Selbständigkeit - eine unversiegliche Quelle der schreiendsten Ungerechtigkeiten.

Vaterland, die Disharmonie der positiven Landesgesetze und des bestehenden Rechtsganges mit dem Vorschritt der Nationalkultur und den aus ihr hervorgehenden, wirklich besseren und mit der Menschennatur mehr in Übereinstimmung stehenden Ansichten der Gesetzgebung und des Rechtsganges ist, auf das mildeste gesagt, böser Widerstand der Ansprüche der sinnlich-tierischen Routine-Hartnäckigkeit gegen das Recht. Sie ist mehr - sie ist weit mehr - sie ist - sie wird die Ungerechtigkeit selber, wie sie, vermummt in die Scheingestalt des Rechts und begabt mit der Gewalt positiver wirklicher Gesetze, Unrecht tun kann, wenn sie nur will, und Unrecht tun will, wenn sie Lust dazu hat und der tierische Reiz der Sinnenstetigkeit, in der sie lebt, sie dazu hinlockt.

Es ist freilich wahr, solche alten barbarischen Gesetze können oft eben die Staatsübel, die durch die Disharmonie der Staatsverwaltung mit der Menschennatur und durch ihre Inkongruität mit der National- und Zeitkultur selber erzeugt worden, mit Sicherheit für den Augenblick ersticken, indessen sie ihr inneres Gift im Busen der Bürger verstärken.

Wohingegen Gesetzgebung und Administration mit der Nationalkultur in Übereinstimmung vorschreiten und aus mit der Nationalkultur und durch sie sich entwickelnden höheren und edleren Rechtsansichten hervorgehen, da beugen die Maßregeln der Regierungen dem Geist selber des Jakobinismus innerlich vor, sie löschen ihn im Herzen der Bürger durch Rechtlichkeit aus, und beugen dadurch dem Blut der Schuldigen und den Tränen der Unschuldigen vor, sie verwandeln den Geist der Rache in Tränen des dankenden Herzens.

Vaterland! Wenn noch in deinen Bergen und in deinen Tälern ein Funke dieses äußersten Übels der Staaten spukt, so denk an das Wort: Sie beugen dem Blut der Schuldigen und den Tränen der Unschuldigen vor und verwandeln den Geist der Rache in Tränen des dankenden Herzens.

Vaterland! Fühle auch diesfalls die Höhe deiner rechtlichen Stellung, fühle die Höhe der rechtlichen Stellung deiner Bürger und täusche dich nicht an den Scheinfolgen der bösen Gewalt! In welchem Gewand diese auch vor dir erscheine, täusche dich an ihr nicht! Deine Väter, in welcher Gestalt sie auch vor ihnen erschienen, täuschten sich an ihr nicht. Vaterland! Fürchte jeden Schimmer der bösen Gewalt und nimm es zu Herzen, - es ist kindermörderisch, das gewaltsam zu ersticken, was man unbedachtsam oder gar im bösen Mutwillen erzeugt und dann noch stiefmütterlich erzogen! Vaterland! Fühle es tief, der Unterschied, der zwischen dem bösen Tun einer rasenden Dirne oder eines in unmenschliche Härte versunkenen Weibes und der heiligen Zartheit einer edlen liebenden Mutter statthat - eben dieser Unterschied hat auch zwischen der blinden und leidenschaftlichen Anwendung von Gesetzen barbarischer Völker und dunkler Zeiten, und zwischen der Ausübung des heiligen Rechts väterlich erleuchteter Sorgfaltsmaßregeln und Bestrafungsweisen besonders von solchen Bürgerfehlern statt, die der Staat durch seine eigenen Fehler und durch die Inkongruität seines Benehmens mit dem Kulturfortschritt der Zeit selber veranlaßt hat. Vaterland! Erkenne wie ein guter Vater den guten Geist deiner Kinder, und handle in nichts, in gar nichts im Widerspruch mit demselben! Verbanne nicht bloß den Willen, Unrecht zu tun! Verbanne selber die Gemütsstimmung, die dazu führt! Verbanne auch jedes Parteiwort, das als eine Folge dunkler Zeiten und leidenschaftlicher Tage in deiner Mitte Mode geworden, selber aus deinem Sprachgebrauch, daß das liebliche Leben, das dem Geist deiner Väter und dem Geist der Freiheit so wesentlich angemessen, daß unser Leben, das Leben deines Volkes in seinen Bergen und in seinen Tälern auch nicht weiter durch einen Schatten der unlieblichen, barbarisch derben Ausdrücke, die der Meteor der großen Weltverirrung erzeugt, verkümmert und vergiftet werde!

Vaterland! Forthin spreche solche Wörter nur der Pöbel aus! Es sei unter der Würde des Schweizers, diesen Nachhall einer in ihren Ursachen erloschenen Parteiwut in den Mund zu nehmen.

Vaterland! Du hast an den Wörtern "Freiheit und Gleichheit" gesehen, was Parteiwörter, wenn sie zu Modewörtern werden und den bösen Ton der Leidenschaften zum guten Ton des Landes umwandeln, für Früchte bringen. Die Liebhaber der neueren Parteiwörter sagen freilich, sie seien nicht geeignet, wie die Wörter "Freiheit und Gleichheit" ein gewaltsames Feuer im Land anzuzünden. Aber ein giftiger Nebel, der ohne Feuer aus versumpftem Land aufsteigt, tötet den, der ihn einatmet, nicht minder, als Feuer und Dampf töten, die den Menschen ersticken.

Vaterland! Ich will nichts davon sagen, daß durch die Leidenschaftlichkeit unserer neuen Parteiwörter schon mancher edle Mann in deiner Mitte entwürdigt worden. Ich sage etwas weit Wichtigeres: Einmal das Volk in der öffentlichen Meinung als Jakobinergesindel ins Auge gefaßt, geht die erste Garantie des zarten, reinen und unbefangenen Rechtsgefühls der Possidenti gegen den eigentumslosen Mann im Land unausweichlich verloren, und es tritt denn bei ihnen fast ebenso notwendig eine Verhärtung des Gemüts und eine Herzenskälte ein, die das heilige Wesen der hohen erhabenen Menschlichkeit bis in ihr innerstes Mark zerreißen. Ich will die Geheimnisse der Finsternis nicht einmal berühren, mit welchen hier und da die Höhe und Größe der bürgerlichen Selbstsucht mit solchen Parteiwörtern ihre Sünden gegen den Armen und Schwachen im Land zu bedecken vermögen.

Vaterland! Du bist über solche Geheimnisse der Finsternis erhaben; es ist ewig von dir, es ist ewig von den Söhnen der Männer im Grüttli ferne, in irgendeinem Winkel unseres Lands, da, wo die gekränkte und überlistete bürgerliche Einfalt und Unschuld durch unwidersprechliches Unrechtleiden gereizt, in ihrem Streben nach der Erlösung vom Unrecht etwa die gesetzlichen Rechtsformen überschritten und verletzt, da, sage ich, nur leidenschaftliche Parteimenschen, nur **** zu sehen, und infolge solcher unvaterländisch und unschweizerisch selbstsüchtiger Ansichten, Szenen der Barbarei und der Blutgerüste auf einem weit und breit mit den Tränen der Unschuld bedeckten Boden eines Unrecht leidenden Landes aufzuführen.

Vaterland! Du bist ewig ferne davon, in den Rechtsansichten deiner Behörden und in der Rechtsbehandlung auch deiner irrenden, fehlenden Söhne hinter den Völkern zurückzustehen, deren Väter nicht wie die deinen ihr Volk und die Regierung ihres Volkes mit ihrem Blut zu einer Höhe der Einsicht, der Weisheit und des Edelmuts aufgefordert haben, die das unfehlbare und allgemeine Resultat aller wahrhaft konstitutionellen Verfassungen ist, und die vorzüglich auch das Erbteil der von unseren Vätern teuer erkauften Freiheit sein soll.

Väter des Landes! Mitglieder unserer bürgerlichen Behörden! Die Untertanen der Fürsten sind ihre Kinder, wir sind eure Brüder; unser Recht gegen euren Irrtum ist größer als das Recht der Untertanen gegen den Irrtum ihrer Könige, und unsere Irrtümer sind bei euren Schwächen bürgerlich verzeihlicher als die Irrtümer der Untertanen bei den menschlichen Schwächen ihrer Fürsten! Sie, diese unsere, die Irrtümer unseres freien Volkes sprechen auch allerdings, und das von unseres Rechts wegen eine mildere Behandlung an, als die Irrtümer der Untertanen bei den menschlichen Schwächen ihrer Fürsten von ihres, der Untertanen Rechts wegen erheischen. Vaterland! Es ist ferne von dir, daß unser seit Jahrhunderten freies Volk bei einem allfälligen Widerspruch gegen widerrechtlich geglaubte Anmaßungen einer, sein, des Volkes Recht nur verwaltenden bürgerlichen Obrigkeit, eine härtere Behandlung gefahren sollte als Völker, die geglaubten Anmaßungen ihrer ihnen vorgesetzten fürstlichen Behörden widerstehen. Vaterland! Unsere Väter dachten sich bei dem Wort: "Wir sind frei" neben vielem anderen auch dieses: Wir sind konstitutionell gesichert, von unseren Regierungen individualiter mit mehr Sorgfalt, mit mehr Schonung und mit mehr Edelmut behandelt zu werden, als wenn wir nicht frei wären. Der Vorzug freier, oder welches im Wesen gleichviel ist, wahrhaft konstitutioneller Verfassungen besteht bestimmt in der gesetzlich eingelenkten und konstitutionell gesicherten Mäßigung der kollektiven Ansprüche unseres Geschlechtes, d.i. des Staates und seiner Behörden gegen die Ansprüche der Individualexistenz der Bürger, gegen ihr häusliches Leben und ihren Stand und Beruf. Diese gesetzliche Sicherheit der Schonung der Individuallage der Bürger und der damit so innig verbundenen Schonung ihrer Standes-, Berufs- und Gemeinderechte, sowie der durch diese Rechte erworbenen Güter selber bis auf die Erziehungs- und Armenfonds hinab, ist von solcher Wichtigkeit, daß wir die Natur und den Unterschied der kollektiven und individuellen Existenz unseres Geschlechts in ihren Ursachen und in ihren Folgen nicht genug ins Auge fassen können.

Die erste, die kollektive Existenz unseres Geschlechts nimmt an sich und als solche vorzüglich diejenigen Kräfte und Anlagen unserer Natur in Anspruch, die wir mit den Tieren des Feldes gemein haben. Desnahen hat auch die Bildung zur Zivilisation wesentlich und vorzüglich die Ausbildung eben dieser Kräfte und Anlagen zum Gegenstand, woraus denn folgt, daß diese Bildung, wie sie an sich und isoliert in ihrer Beschränkung da steht, nichts anderes anspricht und ansprechen kann als gesellschaftliche Ausbildung des tierischen Sinnes und der tierischen Kraft unserer Natur; und hinwieder, daß tierische Beschränkung in menschlichen Anlagen und tierische Verwilderung im menschlichen Streben eine unausweichliche Folge dieser Bildung sein müßten, wenn sie, isoliert sich selbst überlassen, auf die menschliche Natur einwirkte.

Es ist offenbar, diese Bildung begünstigt, also ins Auge gefaßt, die Fortdauer des inneren Geistes und des inneren Strebens des wilden Naturlebens. Sie macht mitten im gesellschaftlichen Zustand eine tierisch gewaltsame Denkungs- und Handlungsweise nicht nur möglich, sondern selber als übereinstimmend mit ihr selbst und ihren Zwecken in die Augen fallen. - Nicht nur das, sie ist an sich auch geeignet, die bürgerliche Gewalttätigkeit solcher Denkungs- und Handlungsweisen im gesellschaftlichen Zustand in Kunst- und Rechtsformen umzugestalten, deren inneres Wesen nicht nur nicht edler und menschlicher, sondern vielmehr noch oft wesentlich niederträchtiger und der Menschennatur unwürdiger ist als die Handlungen der wilden Höhlenbewohner. In diesem Zustand geht das also umgestaltete gewaltsame Leben der bürgerlichen Übermacht nicht bloß, wie beim Wilden, von dem einfach, aber kraftvoll entfalteten Tiersinn unserer Natur aus, sondern es benutzt noch das innere Verderben der künstlichen Ausbildung der höheren menschlichen Kräfte zu seiner Unterstützung; es nährt sich an diesem Verderben und wird, wo eine wirkliche Kultur des Wesens der Menschennatur vorhanden, nur durch gewaltsame Unterdrückung der schon zum Bewußtsein gekommenen höheren Ansichten und höheren Ansprüche dieser Natur möglich gemacht.

Die zweite, die individuelle Existenz unseres Geschlechts, nimmt im Gegensatz gegen die kollektive den ganzen Umfang unserer Kräfte und Anlagen, und besonders diejenigen in Anspruch, die wir mit keinen Geschöpfen der Welt, die nicht Menschen sind, gemein haben. Daher ist denn auch die aus dem Bedürfnis dieser Existenz hervorgehende Kultur geeignet, den eingeschränkten und die Menschennatur nicht befriedigenden Erfolg der Zivilisationsbildung menschlich auszudehnen, zu erheben und zu veredeln. Sie ist geeignet, der sinnlich-tierischen Kraftentfaltung, die die bloße Zivilisationsbildung begünstigt, ein Gegengewicht zu verschaffen, durch welches die Fortdauer des inneren Geistes und des inneren Strebens des wilden Naturlebens im gesellschaftlichen Zustand gehemmt, seine tierisch-gewaltsame Denk- und Handlungsweise gemildert und selber der Kunstkraft, mit der es in diesem Zustand den Trug seiner Selbstsucht in Rechts- und Gerechtigkeitsformen umwandelt, ein Ziel gesetzt werden kann. Dadurch, nur dadurch allein kann aber auch dem Geist des wilden Naturlebens dem verfänglichen Raffinement, mit welchem [man] im bürgerlichen Zustande so oft das Übermaß der Niederträchtigkeit und der Unwürdigkeit bürgerlich bedeckt und als rechtsförmlich durchschlüpfen macht, sein gefährlichster Stachel benommen werden.

Das Individuum, wie es dasteht vor Gott, vor seinem Nächsten und vor sich selber, von Wahrheit und Liebe in sich selber gegen Gott und den Nächsten ergriffen, ist die einzige reine Basis der wahren Veredelung der Menschennatur und der sie bezweckenden wahren Nationalkultur.

Die Haushaltung, der enge Kreis von Vater und Mutter, wie er sich allmählich ausdehnt in Kinder, Verwandte, Hausgenossen, Gesinde und Arbeiter, ist in Rücksicht auf diese Veredelung der höchste Näherungspunkt des heiligen, ganz reinen Kultur-Standpunktes der Individualität. Da, im Umkreis seiner Haushaltung, in der heiligen Näherung zur Individualität, d.h. des Individuums an das Individuum, findet unser Geschlecht gleichsam von Gott gegeben die eigentlichen unwandelbaren Mittel der naturgemäßen, allgemein harmonischen und progressiv steigenden Entfaltung des ganzen Umfanges seiner humanen Kräfte und Anlagen, und mit diesen die eigentlichen unwandelbaren Mittel seiner Veredelung.

Je mehr sich der Mensch von diesem heiligen Kreis seiner naturgemäßen Entfaltung und der dadurch zu bezweckenden Veredelung seiner selbst entfernt, desto mehr entfernt er sich auch von dem Mittelpunkt seiner Gewalt gegen sein eigenes tierisches Sein und gegen alles unedle Treiben der kollektiven Existenz unseres Geschlechts, und mithin von der Basis der heiligen, in ihm wohnenden Selbstkraft gegen das Unterliegen unter seine sinnlich-tierische Natur und unter das mit ihm so innig verbundene Zivilisationsverderben. Das Recht der individuellen Kultur ist also in seinem Wesen ein höheres Recht der Menschennatur als das Recht der bürgerlichen Zivilisation und ihrer Ansprüche.

Die Regierungen der Staaten scheinen diesen Gesichtspunkt fast in allen Epochen der kultivierten Menschheit wirklich, wo nicht erkannt, doch anerkannt zu haben. Der Unterschied, den sie fast allgemein zwischen der Art, wie sie die Angelegenheiten der Justiz, der Finanzen, der Polizei und des Militärs, und hingegen diejenigen der Kirche, der Schulen und des Armenwesens ansehen und behandeln, zeigt unwidersprechlich, daß ein inneres Gefühl von dem höheren heiligen Wert der individuellen Existenz unseres Geschlechts gegen die kollektive - allgemein in der Tiefe der Menschennatur stattfinde, und in den Geist jeder Gesetzgebung, selber dem Gesetzgeber unbewußt, hineindringe. Alle Regierungen behandeln die Angelegenheiten der Justiz, der Polizei, der Finanzen und des Militärs unbedingt als reine Angelegenheiten der kollektiven Existenz unseres Geschlechts - des Staates; die Kirchen-, Schul- und Armenangelegenheiten hingegen als Gegenstände, die, von der Rechtsansprache der kollektiven Existenz unseres Geschlechts gewissermaßen unabhängig, die Sache der Individualität und des engeren häuslichen Lebens unseres Geschlechts sind. Sie sind selbst in ihrer höchsten Allgemeinheit nicht nur nie bloß statistisch, sondern überall und immer wesentlich vaterländisch betrachtet worden.

Sie sind dieses. Kirchen-, Schul- und Armenwesen sind im Staate unwidersprechlich und vorzüglich als die Sache der individuellen Existenz unseres Geschlechts anzusehen.

Die Kirche [ist dieses -], zwar nicht, insofern sie die persönlichen Schwächen der Regenten und die tiefsten Ungerechtigkeiten ihrer Behörden über Gott und sein Wort, über Wahrheit und Recht emporhebt, aber insofern sie das Menschengeschlecht ohne Unterschied der Person als gleiche Kinder Gottes behandelt, und dasselbe individualiter zum Edelsten, zum Erhabensten, zum Göttlichen und Ewigen hinlenkt; insofern sie dasselbe auf dieser Bahn über alles Unrecht und alle Leiden der Welt und selber auch über die Leiden, und das Unrecht der kollektiven Ansicht unseres Geschlechts und des aus ihr notwendig hervorgehenden Zivilisationsverderbens emporhebt. Hinwieder [sind es] die Schulen, zwar auch nicht, insofern sie den Kindern bloße Zivilisationskenntnisse mechanisch-mnemonisch und selber geistig verhärtet einüben, und ebensowenig dadurch, daß sie ihnen bloße Zivilisations-Fertigkeiten physisch habituell machen, sondern insofern sie die Menschlichkeit unserer Natur in allen ihren Anlagen harmonisch ansprechen, und ihre Kräfte mit dem Heiligtum des häuslichen Lebens und seinem göttlichen Sinn in Übereinstimmung entfalten. Auch das Armenwesen [ist es], freilich hinwieder nicht, insofern es der Staat auf das Fundament papierner Register und seelenloser Rapporte von eiskalten Behörde-Menschen nach den positiven Rücksichten der kollektiven Existenz unseres Geschlechts der Landesbevölkerung, des Militärwesens, der Fabrik- und Landbaubedürfnisse ins Auge faßt, sondern insofern der Arme als Individuum durch die individuelle Versorgung des Armenwesens selber den fünf Sinnen der nicht armen Individuen des Staates als einer menschlichen Besorgung würdig und zu derselben berechtigt nahegestellt, und zu einer ihr menschliches Herz lebhaft anregenden Anschauung gebracht wird; also daß die Pflicht, ihn menschlich zu besorgen, ihnen als der höchste, heiligste Segen ihres Menschenlebens in die Augen fallen muß. Nach dieser höheren und allein wahren Ansicht der Sache ist es, daß die Angelegenheiten der Kirche, der Schulen und des Armenwesens durchaus nicht als die Sache der kollektiven Existenz unseres Geschlechts angesehen werden können, sondern absolut als die Sache der Individuen und des heiligen höheren Interesses der Menschennatur, wie diese sich nur in den engsten, nächsten Verhältnissen des häuslichen Lebens ausspricht, angesehen werden müssen. Von dieser Seite ist es auch, warum die Fonds der Kirche, der Schulen und des Armenwesens von jeher nicht als Staatsfonds, sondern als Fonds der Individuen und der als Individuen in städtischen und ländlichen Gemeinden vereinigten Eigentümer derselben angesehen worden. Auch ihre Steuerfreiheit hatte ganz gewiß eben diese heilige innere Ansicht des Gegenstands zu ihrem Grund.

Bonaparte hat vielleicht im ganzen Umfang der Entnatürlichung der heiligen Macht der Fürsten, so wie im ganzen Umfang seiner Majestäts-Unmenschlichkeiten gegen das Volk nichts getan, das in die Zerstörung der Fundamente aller menschlichen Kultur und in die Heiligkeit alles menschlichen Zusammenlebens so tief einwirkte als das, daß er die Kirchen-, Schul-, Armen- und Gemeindegüter gänzlich Maßregeln und Verfügungen unterworfen, die aus dem isolierten ins-Auge-Fassen der kollektiven Existenz unseres Geschlechts hervorgingen. Er warf so das göttliche Recht der höheren Ansicht, die diese Güter von jeher näher an die Individualität der Staatsglieder ankettete, dem rohen Fußtritt unheiliger Staatsgewalten mit einer Kraft und mit einer Kunst dar, wie sie vielleicht, solange die Welt steht, nie also dem Fußtritt einer bösen Gewalt dargeworfen worden.

Er hat zwar den Staatsgrundsatz der einseitigen Unterordnung dieser Güter unter die Ansichten der kollektiven Existenz unseres Geschlechts nicht erfunden. Dieser Grundsatz war vor ihm schon da; aber vor ihm lebte noch ein stilles Bewußtsein des diesfälligen Unrechts, allgemein, selber im Herzen derer, die es taten. Es hinderte sie gewöhnlich, das ganz frei und ganz derb auszuführen, was sie zwar wie er gelüsteten, aber nicht wie er durften. Er hat aber das Bewußtsein dieses Unrechts aus der Seele auch des letzten Mannes, den er als Staatsmittel im Dienst seiner Selbstsucht hatte, bis auf seine letzte Spur ausgelöscht. Ob also die grellste Erscheinung des Übels gleich seine Sache ist, das Übel selber hat vor ihm tief in den Geist der meisten Staatsverwaltungen eingegriffen. Es mußte tief darein eingreifen, weil Religion, Kultur und häusliches Leben, diese ewigen und im gesellschaftlichen Zustand einzigen Stützen der Individualrechte unseres Geschlechts, in ihren Fundamenten erschüttert, bei dem zum Dienst ihrer Fonds kirchlich und bürgerlich aufgestellten Personal den heiligen Respekt unserer Väter für die Natur dieser Güter und die edle Zartheit im Gebrauch derselben ausgelöscht fanden. Es mußte darein eingreifen, weil das, was der Menschheit als ein Heiligtum vertraut war, von denen, in deren Hand es gelegt gewesen, im Innersten ihres Herzens nicht mehr als dieses Heiligtum anerkannt worden. Es mußte dieses, weil die Kirchengüter in der Hand der Geistlichen selber nicht mehr zu dem, was dem Christentum das Heiligste, die Armengüter in der Hand der Armenpfleger selber nicht mehr zu dem, was der Armut das Wichtigste, die Schulfonds von den Erziehungsbehörden selber nicht mehr zu dem, was für die Erziehung das Wesentlichste, weil endlich die Stadt- und Gemeindegüter von den Gemeindevorgesetzten selber nicht mehr zu dem, was der Aufgabe der Städte und Gemeinden das Unentbehrlichste und zur guten Besorgung des Interesse der Individuen derselben unumgänglich notwendig ist, angewandt wurden.

Mit diesem Zustand der Dinge mußte das (Dominium supremum) gegen den zum Nachteil der eigentlichen Eigentümer der Fonds zum höchsten gestiegenen Mißbrauch ihrer Administration notwendig eintreten, und Buonaparte hatte ganz Recht, daß er die Güter, die der Religion dienen sollten und ihr nicht dienten, nicht forthin in den Klostermauern verfaulen lassen wollte. Er fürchtete, und auch dieses mit Recht, die bösen Ausdünstungen ihres Verfaulens. - Ebenso hatte er ganz gewiß recht, zu verhüten, daß die Gemeindegüter in Städten und Dörfern nicht forthin als Apanage der bürgerlichen Ratsherrnfamilien und sogar der nicht einmal bürgerlichen Dorfvorgesetztenhäuser benutzt und verschleudert werden sollen. - Er hatte ganz gewiß recht, daß er die Schul- und Erziehungsfonds nicht mehr dem Trugdienst einer oberflächlichen und den ersten Bedürfnissen einer wahren Erziehung im Weg stehenden Scheinkultur dargeworfen wissen wollte. - Er hatte gewiß recht, daß er die Armenfonds dem Raub der Armenpfleger entrissen und nicht ferner, mitten im Hunger und Mangel zahlloser wirklicher Armer, der sogeheißenen standesmäßigen Erhaltung, d.h. dem Komödiantenleben und den Hoffartsausgaben und dem Müßiggang zurückgekommener begünstigter Familien-Verschwender und ihrer würdigen, aber zu allem unbrauchbaren Nachkommenschaft usw. usw. dargeworfen wissen wollte. - Er hatte gewiß recht, daß er die Rechnungen von diesen Fonds nicht in alle Ewigkeit durch von Behörden begünstigte Günstlinge und von Günstlingen begünstigte Behörden unbedingt als richtig erfunden erscheinen lassen wollte.

Es ist unstreitig, er hatte zu allem diesem als Souverän, als heilige Obhut über die Individualrechte der Bürger, als heilige Schutzwehr gegen die Leiden der Schwachen nicht nur ein hohes Recht, er hatte eine heilige Pflicht zur ernsten Dazwischenkunft gegen alle Verletzungen der ersten heiligsten Bedürfnisse des gesellschaftlichen Zustandes. - Aber sein einziges Recht dazu ging unzweideutig nur aus der inneren Natur seiner Stellung als Souverän zum Staat, es ging allerdings nur aus dem Wesen der heiligen Macht, die dieser Stellung eigen ist, und durchaus nicht aus seiner Persönlichkeit hervor. Es durfte von ihm durchaus nicht zum Dienst der von ihm selbst erschaffenen Bedürfnisse der kollektiven Existenz seines Reiches und zum Dienst seiner Militär-, Finanz- und Zivilbehörden und ihres durch ihn auf die oberste Stufe gebrachten Verderbens angesprochen und gebraucht werden. Man kann sich aber nicht verhehlen, er konnte auch nicht leicht zwischen den Gütern und Mitteln, die in seiner Hand lagen, den Unterschied machen, den er hätte machen sollen. Wie er war und lebte, konnte er gewiß die heiligsten Güter nicht leicht zum Dienst alles Reinen, Edlen und Hohen, das in seinem Reich noch wirklich war, gebrauchen. Wie er war und lebte, schien er selber nicht zum Mittelpunkt alles Reinen, Edlen und Hohen, er schien nicht zum Souverän geboren. - Ach! er hätte es sein, er hätte es werden können. - Wäre er gegen sich selbst der Held gewesen, der er gegen die Welt war, hätte er für seine Brüder, die Menschen, sich selbst überwunden, er wäre der menschliche Erlöser unseres gesellschaftlich so tief gesunkenen Geschlechts, er wäre der Engel des Weltteils, er wäre die Krone aller europäischen Weisen, er wäre der Souverän aller europäischen Herzen geworden. - Er ist es nicht geworden. Er hat sich nicht selbst überwunden, er hat sich in keinem Stück seinen Brüdern, den Menschen gleichstellen wollen.

So wie er war, Sieger aller Welt, aber überwunden von sich selbst und unterlegen seiner eigenen Schwäche und einer mit seiner Höhe wesentlich unvereinbaren Selbstsucht, schien er wirklich nicht zum Souverän, er schien nur zu einem Dienstmann, aber auch zu einem unvergleichbaren Dienstmann, er schien zum allergewandtesten Minister des erhabensten Souveräns geboren. - Wäre er dieses geworden, hätte er einem wahrhaftig menschlich-erhabenen Souverän gedient, er hätte sich wahrscheinlich zur ersten Höhe der Menschlichkeit erhoben. Ganz gewiß hätte er die tief in seiner Brust angegriffene Zartheit der reinen hohen Menschlichkeit in sich selbst wieder hergestellt. Er hätte, wäre er das geworden, den ganzen Umfang der Kräfte aller Staatsbehörden als erhabenes Mittel der Befriedigung des fürstlichen Vaterherzens zum Dienst des höchsten Staatsinteresses und zum Heil aller Staatsglieder unter sich selber in Harmonie gebracht, wie die Kräfte der Staatsbehörden vielleicht, solange die Welt stand, noch nie zur Befriedigung des Vaterherzens der Fürsten und zum Heil aller Staatsglieder in Harmonie gebracht worden sind. Aber der auch in der Vernichtung allen Edelmuts noch fast bis zur Erhabenheit große Mann verachtete alles, was ihn nicht beherrschte, und fand niemand, der ihn zu beherrschen vermochte.

Er fand keinen Herrn, im Gegenteil, er fühlte im entscheidenden Augenblick, daß er, ohne sich selbst zu beherrschen, die Welt zu beherrschen vermöge, und war (er machte sich selbst dazu) Selbstherr und damit Geißel der Welt, zu erwecken die schlummernde Schwäche unseres Geschlechtes und zu entfalten den Geist und die Natur des ewigen Krieges unseres sinnlichen Wesens gegen unser sittliches menschliches Sein; darzustellen die Natur dieses Krieges gegen die heiligsten Ansprüche unserer Natur in der ganzen Scheußlichkeit seiner höchsten gräßlichsten Gestalt.

Der Krieg gelang ihm - glaubte ich nicht an Gott, ich sagte, die Aufgabe der Hölle ist ihm gelungen, wie sie keinem Sterblichen, keinem Sünder gelungen. Ich vermag es nicht, das Bild, das er aus sich selber gemacht, auszumalen. Er hat das Wort, das ewig wie eine Scheidewand zwischen der Menschlichkeit und der Unmenschlichkeit unseres Geschlechtes feststeht, das Wort, das von jeher das Losungswort aller in der tierischen Ansicht der kollektiven Existenz unseres Geschlechts versunkenen Gewalthaber war, das Wort, das Kain gegen Gott selber auszusprechen wagte, das Wort: "Soll ich meines Bruders Hüter sein?", auf seinem Thron mit einer Kraft und mit einem Glück ausgesprochen, wie es vor ihm noch kein Mann auf dem Thron mit gleichem Glück und mit gleicher Kraft ausgesprochen, und es ging lang, sehr lang, ehe er für dieses Wort der Lästerung gegen die Menschennatur unstet und flüchtig werden mußte auf der ganzen Erde. Sein Krieg gegen das Menschengeschlecht gelang ihm im Süden und im Norden, er gelang ihm vom Rhein bis an die Wolga. Er setzte mit einer Hyänengewalt als sein Recht durch, was vor ihm nur von listigen Füchsen und von fetten schleichenden Dachsen, und zwar soviel möglich mit Ausweichung alles Maulbrauchens über ihr Recht nur erkapert worden.

Sein Weg war groß. Gott, der die Schicksale der Menschen leitet, hat uns durch ihn, den Stein des Anstoßes, der von jeher dem reinen Segen des gesellschaftlichen Zustandes im Wege stand, und ihm ewig im Wege stehen wird - das Verderben des überwiegenden Einflusses der kollektiven Existenz unseres Geschlechts über seine individuelle - auf eine Weise fühlen gemacht, wie das Menschengeschlecht in einer Reihe von Jahrhunderten diesen Stein des Anstoßes nicht gefühlt hat.

Er, der die Schicksale der Menschen leitet, hat uns in der Kraft des, ich möchte sagen, in der Unmenschlichkeit fast noch erhabenen Mannes, die ganze Nichtigkeit und die ganze Schrecklichkeit des gesellschaftlichen Zustandes, wenn er nur als der Zustand der kollektiven und nicht als der Zustand der individuellen Existenz unseres Geschlechts ins Auge gefaßt wird, auf eine Weise fühlen gemacht, wie sie die Welt noch nie gefühlt hat. Er, der die Schicksale der Menschen leitet, hat uns in dem allgemeinen Zeitanhang, den die böse Kraft seiner einseitigen Ansicht unseres Geschlechts auf dem ganzen Umfang des Weltteils, in Staaten wie bei Individuen, bei Fürsten und Regierungen wie beim Volke gefunden, ebenso wie es die Welt noch nie gesehen, gezeigt, wie leicht unser Geschlecht beim Hochgenuß der tierischen Befriedigung im kollektiven Leben sich gegen die ersten heiligsten Bedürfnisse und Ansprüche des individuellen Seins unseres Geschlechts tierisch verhärtet. Er hat uns gezeigt, wie unser Geschlecht leicht dahin kommt, alles, was die Lust des kollektiven Lebens, was auch der höchste Mutwille seines Verderbens und seiner Verworfenheit anspricht, als wahres Menschenrecht und als ein mit den reinen Ansprüchen unserer Natur übereinstimmendes und ihr wirklich genugtuendes Staatsrecht anzusehen.

Der Weltanhang, den ihm der Mutwille und die böse Lust seiner Kraft verschaffte, ging so weit, daß, indem er mit dem höchsten Anschein eines ganz sicheren Erfolges die Anbetung der Welt ansprach, er dann noch mit dem Wort jener Lästerung auf der Zunge, und zwar vom hochbewunderten Märtyrer der Ansprachen nicht nur des heiligen Stuhls, sondern auch der römischen Curia, zum Nachfolger des allerchristlichsten Königs und des apostolischen Kaisertums in einer christlichen Kirche mit dem heiligen Öl gesalbt worden. Die Art, wie er sich diesen Anhang vom niedrigsten Volksgesindel bis zu den ersten Häuptern der Kirche und Staaten hinauf so schnell zu erwerben und solange zu erhalten vermochte, bleibt ewig ein Meisterstück der höchsten menschlichen Kunst vom höchsten menschlichen Verderben. –

Es ist gar nicht sein Schwert, durch das er dieses bewirkt. Vor diesem floh freilich die Welt, aber um des Blutes willen, das er damit vergoß, hing auch keine Menschenseele an ihm. - Nein, um des Blutes willen, das er vergoß, um der Wüsten willen, die er schuf, hing auch keine Seele an ihm. Auch nicht um der Witwen und Waisen willen, die er machte - doch er machte in seinem Sinn nicht sowohl Witwen und Waisen - er machte nur Staatsgut. Also auch um des Staatsgutes willen, das er machte, hing keine Seele an ihm. Nein, es ist nicht sein Schwert - seine Geisteskraft ergriff die Schwäche der Menschheit mit unwiderstehlicher Gewalt. - Er sprach zu der Ehre: Sei nicht mehr Ehre - erhebe auch den Bettler und den Schurken für mich! - und die Ehre war nicht mehr Ehre, sie erhob auch den Bettler und den Schurken für ihn. Er gebot dem Mut: Achte das Recht nicht und sei im Unrecht verwegen wie ich!, und der Mut achtete das Recht nicht und war im Unrecht verwegen wie er. Er sprach zu der Wollust: Steh mir zur Seite und übertreffe dich selbst für mich! Und die Wollust stand ihm zur Seite und übertraf sich selbst für ihn. Er sprach zu der Erleuchtung und zu den Einsichten der Welt: Verschwindet für die Völker, leuchtet nur mir, nur durch mich, nur für mich, und die Erleuchtung und die Einsichten der Welt verschwanden für die Völker und leuchteten nur ihm, nur durch ihn, nur für ihn. Er sprach selber zur Treue: Werde untreu für mich, und selber die Treue ward untreu für ihn. Er sprach zum Fleiß: Arbeite in Ketten für mich, und der Fleiß arbeitete in Ketten für ihn. Er sagte zum Menschengeschlecht wie zu einem einzigen Mann: Gehe hin, und es ging hin; Komm her, und es kam her. Er sprach das Wort aus: Tust du das, dann hast du, und die Geschlechter der Menschen und selber ihre Führer verloren den Abscheu vor dem Schändlichsten, vor dem Niederträchtigsten, vor dem Abscheulichsten, aus Begierde nach seinem: dann hast du. Er sprach hinwieder: Tust du's nicht, dann wirst du, und die Geschlechter der Menschen und selber ihre Führer verloren die Achtung für das Heiligste und das Gefühl ihrer eigenen Natur und das Schlagen ihres eigenen Bluts aus Furcht vor seinem: dann wirst du. Er war die Seele, er war der Hauch, er war der Atem, er war das Leben aller Gewaltsgelüste seiner Tage. Er belebte sie auf dem Throne, er belebte sie in den Behörden, er belebte sie selber in den Schenken, wie sie noch niemals auf dem Throne, in den Behörden und in den Schenken belebt worden. Er war die Seele und die Lust aller verdorbenen Männer und Staatsmänner, die Mark in den Knochen, Blut in den Adern und hinter ihren fünf Sinnen gute Nerven hatten. Er war aber auch der Schrecken aller derer, denen dieses fehlte.

Mit dieser Kraft und mit diesem Anhang auf dem Throne hat er der Menschheit ein Licht über die Natur der Souveränität und ihren heiligen Zusammenhang mit den ersten Bedürfnissen der Individualitätsexistenz unseres Geschlechts angezündet, wie unter dem dunklen Himmel unseres gesellschaftlichen Zeitverderbens lange keines brannte; und indem er dieses getan, hat er der Welt das Bedürfnis einer heiligen, über die Ansprüche der kollektiven Existenz unseres Geschlechts und über alles Verderben des Personales ihrer bürgerlichen Organisation, über alles Verderben der Staatsbehörden und Staatsgewalten erhabenen heiligen Macht, eines über alles dieses Verderben erhabenen Individuums und einer Staatsverfassung, die die Individualität dieser geheiligten Person nicht nur gesetzlich, sondern auch psychologisch zum freien Vater aller ihrer Kinder und zum Mittelpunkt des Schutzes der Individualrechte und der Individualbedürfnisse von allen ihren Kindern emporzuheben geeignet ist, auf eine Weise gezeigt, wie es die Welt in einer Reihe von Jahrhunderten nicht gesehen. Er hat dem Weltteil über das Göttliche und über das Tierische des gesellschaftlichen Regierens und über das Göttliche und Tierische des gesellschaftlichen Gehorchens, und selber auch über das Göttliche und über das Tierische des gesellschaftlichen Freiseins und Freiseinwollens ein Licht angezündet, wie, solange der Weltteil bevölkert ist, noch keines auf demselben brannte. Der Weltteil sollte ihm einen Tempel bauen, kein Sonnenstrahl sollte in seine hohen Hallen eindringen, aber auf seinem Altar sollte ein ewiges Licht brennen, wie noch keines in einem hohen Tempel hoch auflodernd brannte, und am Fußgestell des Altars sollten, vom gleichen Feuer entflammt, die Worte leuchten:

Das ist Bonapartes Licht für den Weltteil!

Der Streit der Welt, der ewige Krieg des gesellschaftlichen Zustandes ist nichts anderes als der Hochkampf Bonapartes mit dem besseren, edleren Wesen der Menschennatur. Er ist nichts anderes als sein Hochkampf mit dem Recht der Menschennatur und der aus diesem Recht hervorgehenden Selbständigkeit des gesellschaftlichen Menschengeschlechts.

Buonaparte hat diesen Krieg des Menschengeschlechts gegen sich selbst, indem er ihn führte, wie ihn noch keiner führte, in das volle Licht seiner inneren Wahrheit gesetzt. Er hat ihn nicht aufgehoben, aber erleuchtet, und dadurch Entsetzen über ihn in der Brust von Männern erzeugt, die vorher über ihn Freude hatten. Das ist schon ein Großes für die Menschheit.

Bonaparte hat die Ansprüche der kollektiven Ansicht unseres Geschlechts gegen die Individualrechte desselben, indem er sie ad absurdum getrieben, in der höchsten Blöße ihres Irrtums und ihres Unrechts und so dargestellt, wie sie seit Jahrhunderten nie in der Blöße ihres Irrtums und ihres Unrechts dargestellt worden. Seine, Bonapartes Erscheinung war notwendig. Das Gute, das er gewirkt, ist neu, das Böse, das er tat, ist in seinem Wesen nichts weniger als neu.

Wir dürfen uns nicht verhehlen, das Zeitalter, das ihm vorherging, zeigte eben wie das, so er selber erschaffen, eine heillose Unaufmerksamkeit auf die Individualexistenz und die Individualbedürfnisse unseres Geschlechts. Und selber das Zeitalter, das ihm jetzt nachfolgt, und in dem wir leben, selber dieses Zeitalter, ob es gleich das Zeichen der höchsten Verirrungen der kollektiven Ansichten unseres Geschlechts mit blutigen Streifen auf seinem Rücken herumträgt, ist nicht mit dem Heldensinn, mit dem es sollte, von seiner heillosen Kunst zur Unschuld der frommen Aufmerksamkeit unserer Natur auf die Individuallage und auf die Individualbedürfnisse unseres Geschlechts zurückgekommen.

Gewiß ist, daß der von Bonaparte in Staub getretene und in seinem Blut gelegene Weltteil die schreckliche Erscheinung des großen Mannes und des großen Schauspiels nicht benutzt, wie man, da er, der Weltteil, noch im Staub und in seinem Blute lag, hätte glauben sollen, daß er sie, wenn er sich von seinem Lager wieder erheben sollte, benutzen würde. Er hätte Bonapartes Erscheinung als eine hohe Offenbarung Gottes über das Wesen der Menschennatur und des gesellschaftlichen Zustands anerkennen, und die Erlösung aus den erduldeten Leiden als die Erlösung der Kinder Israels aus der Hand Pharaos und aus der Dienstbarkeit von Ägypten ansehen und unauslöschlich in seiner Seele bewahren sollen.

Man sollte glauben, da die Freiheit des Landes in ihrem Wesen allemal ein Heldensieg der individuellen Ansichten unseres Geschlechts über die Verirrungen der kollektiven ist, so sollten wir in unserem Schweizerland mit einem enthusiastischen Hochjubel von den Verirrungen dieser unfreien Heillosigkeiten allgemein zurückgekommen sein. Aber das ist durchaus nicht der Fall. - Im Gegenteil, seit Bonapartes Erscheinung schwinden hier und da auch in unserem freien Vaterland immer noch mehr einige wesentliche Spuren der sanften Aufmerksamkeit auf die Rechtsansprüche der Individuallage und Individualrechte der Bürger und mit ihnen viele alte Regierungsgrundsätze, viele alte Regierungsformen, Mittel und Manieren, die den Geist dieser reinen, heiligen Aufmerksamkeit in lieblichen Näherungen zum Volksgeist väterlich an sich trugen, dahin, und machen ebenso immer mehr einem unväterlichen, unfreien, unsanften, gebieterischen Regierungston, Regierungsstil und Regierungsmanieren Platz, die dem Geist unserer anmaßungslosern Väter, denen unser gutes, leitbares, aber des "geführt" und des "angeführt Werdens" ungewohntes Volk so willig folgte, ganz fremd war. Es ist gewiß, eben diese Menschen, die Bonapartes heldenartige Heillosigkeiten wie gebrannte Kinder das Feuer fürchteten, gefallen sich jetzt wie noch nie in den Miniaturformen dieser Heillosigkeiten und in den kleinen, ich meine in denjenigen seiner Regierungsmittel, Grundsätze und Bonmots, die ihm allfällig auch Schülerknaben in der Komödie nachmachen und nachsprechen könnten.

Ich habe erst neulich einen bürgerlichen Regierungsstölzling, der noch vor keinem Jahr vor Bonapartes Konskription seines Söhnchens halber wie ein Espenlaub zitterte, jetzt nach seinem Sturz in unserer Mitte das Wort aussprechen hören: "Die Kinder gehören nicht den Eltern, sie gehören dem Staat." Aber nein, Mitbürger! unsere Kinder gehören gottlob noch uns, und durch uns, und durch niemand anders - dem Vaterland - dem Staat. - Wir kennen keinen anderen Staat - als unser Vaterland und verwechseln die Wörter: "Hoffart" und "Staat", wenn es die Sache des Vaterlands betrifft, nicht gerne als Synonyme miteinander.

Wir sind, durch Gesetz und Recht untereinander verbunden, unser Staat selber. Wir dürfen es sagen, denn wir sind es, und das konstitutionell und von Rechts wegen, und zwar solange - als wir keinen Fürsten haben, dem der Staat und wir selber zugehören. Noch haben wir keinen, noch sind wir frei, noch schlägt unser Herz in diesem Geist, und wir lieben über diesen Punkt keine Zweideutigkeiten und keine Einlenkungen zu Zweideutigkeiten: und es ist unser wirkliches Wohlgefallen, hierüber keinen Spaß zu verstehen, wo es darum zu tun ist, ob jemand in unserer Mitte uns anders als für freie Leute ansehen darf. Wir haben freilich wirklich von einigen Gelüsten des Vornehmseins und Vornehmtuns in unserer Mitte Kunde genommen, die - - - - - - - - aber die Alten sangen: "Es wird kein Faden so fein gesponnen, Er kommt doch endlich an die Sonnen." Und zum Glück sind einige Fäden unseres unpassenden Vornehmsein- und Vornehmtunwollens nicht einmal fein, sondern so grob gesponnen, daß man den schlechten Kuder, von dem sie mit Mägdenhänden abgeleitet und zusammengedreht sind, diesen Hoffartsfäden selber noch gar leicht ansieht.

Das Wort unseres eitlen, verirrten Stölzlings: "Der Mensch gehört dem Staat und nicht den Eltern", sagt indessen selbst nichts weniger als: Der Mensch muß die Ansprüche seiner kollektiven Existenz als die höchste ob ihm waltende und ihn allein beherrschende Gewalt anerkennen. Das Wort sagt nichts weniger als: Die kollektive Existenz unseres Geschlechts ist ihm alles, seine Individualität und ihr Recht ist ihm nichts. Es sagt nichts weniger als: Der Mensch muß seine Individualität und ihr heiliges Recht der kollektiven Existenz unseres Geschlechts aufopfern, wenn und wo und wie diese es begehrt. Das Wort sagt nichts weniger als: Der Mensch gehört der Welt, er gehört nicht mehr Gott und nicht mehr sich selbst, er gehört selber nicht mehr der heiligen Macht des Souveräns, er gehört jedem Gewaltsrecht seiner Behörden. - Das ist zuviel - das ist zuviel –

Ich sagte oben: Bonaparte hat die Entnatürlichung der heiligen Macht der Souveränität auf das äußerste getrieben, indem er die Armen-, Kirchen- und Gemeindegüter allgemein und unbedingt als Staatsgüter behandelt. Ich sage jetzt: er hat die Entnatürlichung des gesellschaftlichen Zustandes und seines Mittelpunkts der Souveränität auf das äußerste getrieben, indem er das Kind im Mutterleib als Staatsgut behandelt und es zu aller Schlechtheit des Menschendienstes erniedrigt, ehe es die Mutter in der Wohnstube zur heiligen Höhe des Gottesdienstes und durch diese zur Göttlichkeit des Menschendienstes erheben konnte. –

Aber so böse hat es mein eidgenössischer Stölzling mit seinem "Unsere Kinder gehören dem Staat" doch nicht gemeint. Man muß überhaupt alle dergleichen Worte in der Eidgenossenschaft (cum grano salis)# verstehen, auch wenn sie uns schon ganz vollkommen ungesalzen dargeworfen werden. Ich tue es auch nie anders. Wenn ich eine kleine Kapsel sehe, so denke ich immer, es ist wahrscheinlich auch nichts Großes darin. Und wenn ich in unseren kleinen Ländchen jemand Bonapartes große Herrscherworte nachplappern höre, so denke ich mir, das sind Kinderblattern, die beim ernsten Leben, das auf uns wartet, uns von selbst abfallen werden. Es denken zwar hierüber nicht alle Leute wie ich, ich hoffe aber immer das Beste.

Lücken meines Schweigens. Es ist unwidersprechlich, das Höchste, das sich im gesellschaftlichen Zustand und durch denselben als Resultat der kollektiven Existenz unseres Geschlechts möglich denken läßt, tut den Ansprüchen der Menschennatur kein Genügen. Der Zusammenhang der sozietätischen Bildung mit der sinnlichen, tierischen Entfaltung unseres Geschlechts ist innig und eng, und die höchste tierische Entfaltung ist durch eine ewige Scheidewand auch von der niedersten menschlichen getrennt. Die kollektive Existenz unseres Geschlechts kann es nur zivilisieren, sie kann es nicht kultivieren. Auch lenkt die Tendenz der Zivilisation an sich durchaus nicht zur Veredelung unseres Geschlechts hin. Sie stellt zwar das zaumlose Leben unseres wilden Zustands mit Gewalt still, aber sie tötet seinen Geist nicht, sie gibt ihm nur eine andere, eine bürgerliche Gestalt. Der bloß zivilisierte Mensch drängt sich eben sowohl als der Wilde zum vegetabilischen und animalischen Lebensgenuß unserer sinnlichen Natur hin wie hungrige Säugetiere zum mütterlichen Euter, und wer von allen bloß zivilisierten Menschen will ihn davon abhalten, und mit welchem Recht, mit welcher Kraft und mit welchem Geist? Der Mensch als ein sinnliches Wesen findet sich bei diesem Lebensgenuß wohl, er sucht keinen anderen. Im Gegenteil, er hängt auf Tod und Leben an ihm. Die Folgen davon auf seine sittliche und geistige Ausbildung sind ihm in diesem Zustande ganz gleichgültig. Wenn er dabei lieblos wird wie der Fisch im Wasser, schonungslos wie die Schlange, die mit Gift tötet, und gewalttätig wie das Tier, dessen Rachen nach Blut dürstet, das macht ihm nichts, er befindet sich wohl bei diesem Leben und er wünscht sich kein besseres. Und je mehr Menschen zusammenstehen und vereinigt beieinander leben, desto mehr belebt sich in ihnen allen die wilde Neigung zu diesem Leben. Blick auf sie hin und siehe, was sie zusammenstehend sind, was sie zusammenstehend werden! Dringe in das innerste Sein ihres sinnlich-tierischen Zusammenstehens! Blick auf sein großes, auf sein allgemein bekanntes Resultat, auf den Esprit du corps, wie er sich in allen einzelnen Verhältnissen, in den verschiedensten Eigenheiten derselben, in seinem Wesen ewig und allgemein als die nämliche sinnlich-tierische Verhärtung unseres Geschlechts ausspricht, wie er alles höhere und edlere Wesen, das in den Individuen in diesen Verhältnissen da ist und lebt, beschränkt und gleichsam erlahmt. Siehe, wie er zugleich auch die leiseste Regung des Schlechten, die in jedem einzelnen Individuum in diesem Verhältnisse da ist, innerlich gewaltsam belebt und allgemein dahin bestärkt, daß zahllose Individuen in diesem Verhältnis - Schlechtheiten, Roheiten und selbst Niederträchtigkeiten, die ihnen im Privatleben kein Mensch zumuten dürfte, in ihrem zusammenstehenden Verhältnis mitmachen, gut sein lassen, und dazu beistimmen. Siehe, wie sie ebenso zusammenstehend Unsinn und Ungereimtheiten im guten gesellschaftlichen Gemeinglauben als wahr annehmen, deren Ungründlichkeit ihnen, wenn sie sie einzeln, als Individua ins Auge gefaßt hätten, augenblicklich klar geworden wäre.

Blick auf das innerste Wesen dieses Zusammenstehens in seinen Folgen! Siehe, wie dasselbe den göttlichen Hauch der Zartheit des menschlichen Gemüts und mit ihm die tiefsten und reinsten Fundamente der reinen und hohen Wahrheitsempfänglichkeit unserer Natur in uns, ebenso wie der tödliche Stickstoff, den kein Lebenshauch mehr durchlüftet, die Flamme - erstickt! Oder ist es nicht wahr, siehst du es nicht alle Tage, je bedeutender der Menschenhaufen ist, der also herdenweise zusammensteht, und hinwieder, je freier der Spielraum und je größer die Gewalt von jeder Behörde ist, die die gesetzlich konzentrierte Gewalt dieser Massen repräsentiert, desto leichter löscht sich auch der göttliche Hauch der Zartheit des menschlichen Gemüts in den Individuen dieser Menschenhaufen und dieser Behörde-Menschen auf, und ebenso gehen auch die tieferen Fundamente der Wahrheitsempfänglichkeit der Menschennatur in ihnen leicht in dem gleichen Grad verloren?

Verfolge diese Menschenhaufen, verfolge diese Behörde-Menschen, verfolge sie in ihrer individuellen, verfolge sie in ihrer kollektiven Existenz, verfolge sie als Bauernstand, als Handwerksstand, als Bürgerstand, als Adelsstand, als Provinz, als Kanton, als Landschaft, - verfolge sie als Justiz-, als Finanz-, als Zivil-, als Militär-Behörden - wo sie immer also vereinigt dastehen, da wirst du allenthalben die Neigung zum freien Naturleben mitten durch alles Blendwerk ihrer ungleichen Zivilisationsformen dennoch als vorherrschend durchschimmern sehen.

Der kollektiv vereinigte Mensch, wenn er nichts anderes als das ist, versinkt in allen Verhältnissen in die Tiefen des Zivilisationsverderbens - und in dieses Verderben versunken, sucht er auf der ganzen Erde nichts anderes als was der Wilde im Walde auch sucht. Aber er läßt es ewig nicht an sich kommen, daß er dieses sucht. Er weiß es auch selbst nicht, daß er nur dieses sucht. Er tut und sucht es auch wirklich nicht völlig wie das Tier und der Wilde. Er tut es durchaus nicht mit der gänzlichen Unschuld und auch nicht mit der kraftvollen Freiheit weder - des Tiers noch des Wilden. Er tut es mit soviel gesellschaftlicher Kunst und soviel bürgerlicher Gewandtheit, daß er selbst an sich selber verirrt, und das wilde tierische Leben in seinem Tun und Lassen selber nicht als solches zu erkennen vermag. Er vermischt in seiner diesfälligen Täuschung den Wert und die Folgen seiner Zivilisationsbildung ganz mit dem Wert und den Folgen der Menschenbildung und verhärtet sich in der Mißkennung seines Seins und seines Tuns so sehr, daß es ihm ganz unmöglich scheint, daß ein unbescholtener Bürger, ein in Amt und Autorität stehender Mann, und sogar eine Autorität, eine Behörde selbst in irgendeinem Fall mit einem wilden Höhlenbewohner oder gar mit den Tieren des Feldes verglichen werden könne und dürfe.

Und je tiefer er in seiner sozietätischen Verhärtung versinkt, desto größer wird auch seine diesfällige Selbsttäuschung. Sie geht aber doch nur bis auf den Punkt, auf dem er sich selbst nicht mehr verleugnen kann und nicht mehr verleugnet, daß er wie ein Tier lebt. Auf diesem Punkt wird er dann aus einem Menschen, der sich selbst getäuscht hat - ein Heuchler, der andere täuscht. Und wie er sich vorher quälte, um nicht vor sich selbst zu erscheinen, wie er wirklich ist, also quält er sich jetzt - andere zu täuschen, und vor ihnen anders zu erscheinen als er ist. Das führt ihn weit - es führt ihn endlich dahin, daß er Unrecht auf Unrecht häuft, und ohne einiges Bedenken ein unendlich größeres Unrecht tut, damit ihm ein kleineres, dessen er sich schämt, nicht auskomme, so weit kommt es doch mit dem Wilden nie. Er lebt freilich wie der zivilisierte Schwächling ein unwürdiges, aber doch ein glückliches, ein weniger geplagtes, ein beruhigtes tierisches Leben. Er bemüht sich nicht, zu verbergen, was er ist, er quält sich nicht zu scheinen, was er nicht ist. Er weiß freilich nicht, daß er wie ein Tier lebt, aber er weiß auch nicht, daß das Tier anders als er lebt. Glücklich in seiner einfachen Schlechtheit, kennt er die Leiden der nicht einfachen, der gesellschaftlichen Kunstschlechtheit gar nicht. Er kann sie nicht kennen. Er ist kaum zum Bewußtsein der Kräfte gekommen, die ihn von allen Wesen, die nicht Menschen sind, unterscheiden. Wenn er sich also durch sein Leben zu ihnen herabsetzt, so weiß er nicht einmal, daß er sich herabsetzt.

Nur der zivilisierte Mensch weiß, daß er sich durch sein Verderben - herabsetzt, wo er nicht herabgehört. Nur er, nur der in der Zivilisation verdorbene Mensch weiß es und muß eitel werden, weil er es weiß. Er wird es auch. Er ist es, ich möchte sagen, er ist eitel, wo ihn die Haut anrührt. Er trägt, was ihm Menschliches innerlich mangelt, Schönheit, Würde, Übereinstimmung äußerlich zur Schau. Er trägt es auf seinem Kleid, er führt es mit sich in seinem Wagen, er ahmt es in seinen Manieren nach und drückt es oft in seinen Umgebungen so lebendig und täuschend aus, als ob es in ihm selbst läge - als ob es, als ob Schönheit, Übereinstimmung und Würde wie ein heiliger Duft seines inneren Wesens gleichsam aus ihm selbst ausflössen. Er schleift sich dafür ab, wie man den Stein im Gebirge abschleift, und meint, er veredle sich, indem er sich abschleift. Ob er gleich für das Hohe, Heilige der Menschlichkeit in sich so tot ist wie der Wurm, der sich im niedrigsten Kot nährt, er kann dennoch sich selber physisch und geistig mächtig beleben. Er kann sich über die Eitelkeit der Schwächlinge erheben und mächtig werden in seinem Stolz. Er kann dem Löwen gleich werden in seiner Stärke, und der Schlange in ihrer Gewandtheit. Aber Löwenkraft und Schlangenschlüpfrigkeit sind ihm, dem im Zivilisationsverderben versunkenen Mann in jeder Höhe und jedem Verhältnis nur Mittel seiner tierischen Gelüste, sie sind ihm nur Mittel, das Unrecht durchzusetzen mit böser Gewalt, und dem Recht zu entschlüpfen mit böser Gewandtheit. Sie sind ihm nur böse Mittel, mit gieriger Kraft zu haschen, wonach er nicht hätte haschen sollen, und auch mit mächtigem Arm vom Leben zum Tode zu bringen, was er mit liebender Hand vom Tod erretten und im Leben erhalten sollte.

Blick auf den ganzen Kreis der im Zivilisationsverderben versunkenen Menschen, blick auf diejenigen hin, die du unter ihnen für die Edelsten, für die Unschuldigsten halten solltest! Blick auf die Mutter! - Nein, sie nenne ich doch nicht. Blick auf das Zeitweib, das also im Zivilisationsverderben versunken ist! Auch sie, auch dieses Zeitweib will Mutter sein; und wie jedes Tier seinem Erzeugten zu geben sucht, was ihm wohltut, was ihm Freude macht und was es gelüstet, seinen ganzen Tiersinn, seine ganze Tierkraft und seinen ganzen Tierfraß, also möchte auch sie ihrem Kinde gerne alles geben, was sie ist, was sie vermag und was sie gelüstet. Auch sie würde vielleicht gern den Finger ab der Hand geben, wenn sie damit es lehren könnte, menschlich und recht zu leben bis an sein Grab. Aber sie weiß nicht, was recht, was menschlich leben ist. Sie kann ihrem Kinde nicht geben, was sie nicht hat und nicht kennt. Sie fühlt es zum Teil selber, und sucht dafür Hilfe bei der Welt - bei der Welt, die das, was sie sucht, die das, was ihr mangelt, in ihr selbst erstickt hat. Sie sucht für ihr Kind Licht in der Tiefe der Gräber. Sie sucht Gottes himmlische Flamme für dasselbe im Abgrund der schlammigen Tiefe der Meere. Indem sie für ihr Kind tot ist, wähnt sie, daß sie für dasselbe lebe. Vergeblich. - Selber der Gedanke, daß sie es tue, ist in ihr nur ein Gedanke ihres Traumes, in den sie sich freilich oft einen Augenblick einschläfert, aber sie erwacht immer schnell wieder für die Wahrheit ihres wirklichen Lebens in seiner sinnlichen Selbstsucht. Ihr Leben, ihr Mutterleben ist für ihr Kind ein wirklicher Tod. Sie weiß nicht, was Muttersorge, sie weiß nicht, was Mutterkraft, sie weiß nicht, was Muttertreue ist. Sie hat keine Sorge, keine Kraft, keine Treue für ihr Kind. Ihre Sorge, ihre Kraft und ihre Treue ist für das Spiel der Welt angesprochen, von dem sie um ihres Kindes willen keinen Augenblick eine Karte aus der Hand legt.

Denk dir jetzt ebenso einen Vater - ich will auch ihn nicht Vater nennen - einen Weltmann, der im Zivilisationsverderben versunken ist. Du wirst in ihm das nämliche Resultat des Zivilisationsverderbens, du wirst seines Sohnes halber die nämliche Geistesverirrung, die nämliche Herzensverödung in ihm finden, die wir an unserem Zeitweib gefunden. Er ist ein Geschäftsmann, und behandelt die Erziehung seines Sohnes wie jedes andere seiner Geschäfte. Doch hält er es für wichtig. Er läßt es an Informationen darüber nicht fehlen. Er will gar nicht unvorsichtig darin zu Werke gehen. Er will auch keine Kosten dafür sparen. Er setzt die nötigen Gelder dafür mit dem besten Willen aus. Er fragt der besten Erziehungsmethode nach, aber er kennt die Ware nicht, der er nachfragt. Er fragt dem ausgezeichnetsten Hofmeister nach, aber er hat dafür nicht die Nase, mit der er Kredit gibt und Kredit abschlägt. Er hat einen schlimmen Handel gemacht, die Methode geht nicht. Der Lehrer taugt nichts. Man sieht's.

Man will nachhelfen. Man macht Geschenke. Man flattiert. Es hilft nicht.

Es geht immer schlimmer. Man muß wechseln. Man hört von einer noch neueren Methode. Man will jetzt auch diese probieren. Man hört von einem noch ausgezeichneteren Lehrer. Man läßt ihn kommen. Man zahlt ihn noch höher. Aber was das erstemal fehlt, fehlt auch jetzt wieder. Man ist vom Regen in die Traufe gefallen. Man probiert wieder alles, mit Geschenken, mit Flattieren usw. Es hilft nichts. Man sieht's. Der Knabe fängt an, älter zu werden. Die Erziehung droht ganz zu fehlen. Man gibt dem Lehrer Schuld. Der Lehrer, je nachdem er in Laune ist, heute dem Haus, morgen seinem Vorfahren. Man brouilliert sich. Es geht noch schlimmer. Der Lehrer war träge, jetzt ist er unwillig. Der Vater war unzufrieden, jetzt ist er erbittert. Das Übel ist auf das Höchste gestiegen. Das Geschäft der Erziehung ist dem Vater wie ein Handlungsartikel, bei dem er viel Geld verloren, zum Ekel geworden, und dem Lehrer war es zum Ekel, ehe er die Stelle antrat. Er hatte andere Gründe, warum er die Stelle annahm, und der erste, der Geschäftsmann, wollte sich des Artikels, der so schwierig sei, ganz abtun. Er kündigt dem Lehrer auf, sendet den Sohn hundert Stunden von sich in eine Pension, und geht dann Tags darauf am frühen Morgen zu dem alten Stadtschulmeister, den er bisher für den armseligsten Schultropfen ansah, und sagt ihm: er habe ihm unrecht getan, daß er ihm seinen ältesten Sohn nicht in die Schule gegeben, er habe es besser machen wollen, aber es habe übel ausgeschlagen, sein Sohn sei schlechter erzogen und schlechter geraten als die Schneider- und Schuhmacherbuben, die zu ihm in die Schule gehen. Er habe es nicht geglaubt, aber jetzt sehe er es ein und sei überzeugt, das Alte, wenn es auch noch so schlecht sei, sei doch immer das Beste, oder wenigstens besser als alles Neue. Und von nun an schickt er seine jüngeren Kinder alle Morgen und alle Nachmittag fleißig in die Stadtschule, neben den meistens wirklich besser erzogenen Schneider- und Schuhmacherkindern, die vorher schon in diese Schule gegangen.

So wie mein Weltmann und mein Zeitweib, also denken, handeln und fühlen die im Zivilisationsverderben versunkenen Menschen soviel als alle. Und was soviel als alle denken, fühlen und tun - das denkt, fühlt und tut auch das Volk. - Und nun, was sagt man denn damit, wenn man sagt: "Das Volk ist schlecht?" Wo das Zivilisationsverderben tief eingerissen ist, und wo man es hat tief einreißen lassen, wie kann es anders sein? Ich sage auch:" Das Volk ist schlecht".

Jawohl ist das Volk schlecht - sehr schlecht. Wer kann das leugnen?! Aber, ob es wohl schlecht, ob es wohl sehr schlecht ist, so ist das doch nicht wahr, was einige wollen: "daß die Niedersten und Ärmsten im Volk allemal auch die Schlechtesten seien, und daß es so in aufsteigender Linie immer besser werde, so daß am Ende die Reichsten und Angesehensten immer auch die Besten und Edelsten seien", das sage ich nicht. Im Gegenteil, ich weiß, daß, wo das Feuer am meisten Brennstoff findet, da lodert es auch am höchsten auf, und wo das Wasser den lockersten Boden findet, da dringt es am tiefsten ein. Auch sagt man, "der Teufel kehre immer am liebsten bei einem Manne ein, der in der Welt immer tun darf, was er nur will." Er mag wohl wissen, warum. Gewiß ist, wer tun darf, was er nur immer will, bei dem wächst das, was der Teufel gern sieht, wenn ihn kein Engel umlagert, auf, wie die Zeder auf dem Berg Libanon und die Palme am Bach Kidron. Und auch das ist wahr; die Zeder auf Libanon und die Palme am Bach Kidron sind unfühlend für die Tränen, die unter ihren Schatten geweint werden. - Darum vermag ich es nicht, alle Schlechtheit unter der Sonne dem Volk und den Armen im Volke auf die müde Schulter zu werfen, und auf den wunden Rücken zu bürden.

Es hat freilich im niederen Tal mehr Nebel als in den Höhen der Berge, aber nicht die Nebel im Tal blitzen, donnern und hageln hinauf gegen die Höhen der Berge. Nein, die Nebel der Höhen und Berge blitzen, donnern und hageln hinunter in die Tiefen der Täler. Die Schlechtheit, die von oben herab ins Volk wirkt, hat ohne alle Vergleichung eine größere Kraft und größere Mittel als die Schlechtheit, die von unten heraufwirkt, und gleichsam wider den Strom hinaufschwimmen muß. Das muß die Schlechtheit, die von oben herabwirkt, gar nicht. Sie ist wie ein unergründlicher See, dessen Ausgänge ins niedere Tal, gleichsam von Ewigkeit her vorbereitet, offen an seinem Fuße stehen und in ihrem Lauf kein Hindernis finden bis an das Meeresufer. - Das ändert aber nicht, daß auch die Schlechtheit, die von unten herauf wirkt, oft tief hineingreife. Wo alles schlecht ist, da ist auch alles in Gefahr, von der Schlechtheit aller angesteckt zu werden, und jeder, der in diesem Fall mit dem Volk zu tun hat, ist dann in dieser Lage. Wer Pech in die Hand nimmt, dem klebt es an den Fingern. Wer täglich damit umgeht, der wird am Ende ganz davon voll. Und so ist unwidersprechlich, das im Zivilisationsverderben versunkene Volk steckt in der Folge von unten herauf wieder an, wie es von oben herab angesteckt war. Aber das Verderben der Zivilisation, komme es von oben herab, oder steige es von unten herauf, ist in seinem Wesen immer das nämliche, und der Staat nimmt beim eingerissenen Zivilisationsverderben von seinen Behörden aus eben die Richtung, die der Privatmensch, der diesem Verderben unterlegen ist, in diesem Fall von seiner Wohnstube aus auch nimmt. Männer, die dem tierischen Sinnlichkeitszweck ihrer Behördenstellung unterlegen sind, wie unser Geschäftsmann seinen Handlungsartikeln und unser Zeitweib seiner Tageseitelkeit, leben in allen Verhältnissen über das Wesentlichste, das sie für das Volk tun sollten und können, in einer vollendeten Täuschung. Eitle, ungegründete Ansichten für das Volkswohl verwandeln sich in der Täuschung ihres Verderbens und in der Schlechtheit ihres Seins und Lebens in jedem Fall in Zwecke ihrer Selbstsucht, denen sie jetzt mit tierischer Gierigkeit, Gewalttätigkeit und Hinterlist, entgegenstreben.

Es ist indessen bei alledem doch nicht, daß sie es im allgemeinen so ganz geradehin und mit Bewußtsein mit dem Volk eigentlich böse meinen. Im Gegenteil, viele von ihnen träumen sich oft ebenso Augenblicksträume über das Volkswohl wie unser Zeitweib und unser Geschäftsmann! Träume über das Wohl ihrer Kinder mögen geträumt haben. Einige von ihnen machen sich sogar mitten im lebhaftesten Treiben alles ihres selbstsüchtigen Tuns schlaflose Nächte für das Wohl des Volkes. Aber mein Großvater sagte: es sei immer besser, sich schlaflose Nächte zu ersparen, als sie zu haben, und man tue wohl, wenn man jeden Tag dafür sorge, daß man die Nacht darauf wohl schlafen könne, man tue in jedem Fall wohl, wenn man sie sich ganz erspare. Er meinte, sie kommen meistens zu spät und zur Unzeit. In jedem Fall aber ist's gewiß, ein im Zivilisationsverderben versunkener Mann macht sich von seinen Zivilisationsverirrungen durch Nachtwachen so wenig los als er sie, diese Verirrungen, leicht ausschläft.

Die Fehler der im Zivilisationsverderben versunkenen Behördemenschen sind indessen in ihrem Wesen genau dieselben, denen unser Zeitweib und unser Geschäftsmann unterlegen. Die nämliche Täuschung, die nämliche Gierigkeit, die nämliche falsche Scham, die an dem einen Orte stattfindet, findet auch an dem anderen statt. Es fehlt bei den im Zivilisationsverderben versunkenen Behörden eben wie bei den in demselben versunkenen Wohnstuben an Grundansichten und Grundkräften für das, was sie sollten und möchten.

Man träumt sich in den Behörden wie in den Wohnstuben Träume über das, was man nicht kennt, und macht sich selber schlaflose Nächte im Nachforschen von Mitteln über das, was man, wenn man es kennte, nicht einmal wollte.

Wie in den Wohnstuben, die als Wohnstuben keine reinen Grundansichten und keine reinen Grundkräfte haben, baut man auch in Behörden, die keine solchen Ansichten und Kräfte haben - Schlösser in die Luft. Ein Wind weht - und die Luftschlösser sind dahin. Man träumt sich wieder neue. Man baut wieder neue, - der Wind weht wieder und das gleiche Unglück begegnet wieder, aber die Erfahrung macht Toren nicht klüger. Man denkt jetzt, die Schlösser seien zu schwer und zu groß gewesen für - in die Wolken. Man baut jetzt welche, die nur halb so groß sind als die ersten hätten sein sollen - wieder in die Wolken, aber der Wind weht wieder, und es begegnet wieder was vorhin.

Endlich wird man des Spiels für das Volkswohl, das man träumend betrieben, so müde als mein Zeitweib und mein Geschäftsmann der Erziehung. In dieser Maßleidigkeit, die ihrer Natur nach jetzt immer größer wird, tritt dann nach einem Zwischenspiel einer das Innerste der menschlichen Seele verdrehenden und verkrümmenden Selbsttäuschung ein mit Bewußtsein verbundener verhärteter Gemütszustand ein, in dem man sich gesteht, was man sich vorher nicht gestand, die Regierung sei nicht um des Volkes willen, sie sei um ihrer selbst willen da, und habe wie ein jeder Mensch und wie eine jede Menschenklasse für sich selber zu sorgen, und von dieser Seite sei eine Art von Selbstsucht ihr Recht und selber ihre Pflicht, aber freilich doch keine böse Art.

Ich möchte den Zustand dieser Umwandlung, den Zustand der völlig vollendeten Verhärtung, die Staatsmännerschlechtheit heißen. Ihre Folgen sind wie die Psychologie ihrer Entstehung ganz heiter; sie verwandeln den Vatersinn der Regierung in häusliche Wirtschaftsgrundsätze des Eigentums. Sie selber, diese Umwandlung, erscheint als Tatsache in keinem Fall, ohne daß ein auffallender Kaltsinn gegen das Volk ihr lange, lange vorhergehe. Aus diesem Kaltsinn gegen das Volk, von dem die äußersten Übel der Regierungsverhärtung ausgehen, entspringt bei der ersten Veranlassung - Unwillen gegen das Volk. Der Unwille gegen das Volk erzeugt Verachtung desselben, die Verachtung des Volkes Sorglosigkeit für dasselbe, die Sorglosigkeit Ungerechtigkeit, die Ungerechtigkeit Niederträchtigkeit. Dies macht denn das äußerste Denkbare möglich, denn es ist ein arges Ding um das menschliche Herz. Wer da steht, der sehe zu, daß er nicht falle. Wenn einmal die Staatsbehörden das Wort aussprechen: "Es ist mit dem Volk doch nie nichts Wesentliches zu machen", so ist volkshalber eben der Fall da, der bei einem Sohne da ist, über den sein Vater das nämliche Wort ausgesprochen. Wundere dich nicht, wenn er ihn enterbt, wundere dich nicht, wenn er ihm Unrecht tut, wundere dich nicht, wenn er ihm noch so sehr Unrecht tut! Er hat das Wort ausgesprochen: "Es ist nichts mit ihm zu machen." - Wo der zarte Faden des Vaterherzens zerrissen ist, da ist für den Sohn, da ist für das Volk alles verloren. Ach, unsere Zeiten, auch diejenigen meines Vaterlandes, sind von dieser Seite vorzüglich böse. Unfähig, das große Weltübel der Revolutionsverirrungen in ihren Ursachen im noch fortdauernden Zivilisationsverderben unserer Zeit zu begreifen, und also in seiner wahren Bedeutung für das Menschengeschlecht zu erkennen, haben viele, selber auch unserer edleren Söhne, die innere Wärme unserer Väter für das Volk verloren. Noch mehr, unser Unglück ist noch größer, es ist so weit gekommen: Schwache, einseitige Räte - nicht Fürsten, die sich Väter nennen - nur reiche und anmaßliche Bürger, die sich Väter nennen, sprechen in unserer Mitte das Wort aus:

"Unsere Untertanen sind ungeratene Kinder." - Das Vaterland ist mit diesem Wort, wenn es unwahr und mit Unrecht ausgesprochen wird, verloren. Ich schweige feierlich und still, meine Tränen fallen über meine Wangen, Vaterland, Väter des Vaterlands!! Zensurlücke. Vaterland, Väter des Vaterlands! Es war nicht immer also, ich habe bessere Tage, ich habe Tage erlebt, in denen noch nicht von Untertanen, viel weniger von ungeratenen Untertanen die Rede sein durfte. Ich zähle meine Tage nicht einmal unter die guten Tage meines Vaterlandes; aber ich habe doch Tage erlebt, in denen wenigstens noch Träume über das Volksglück die Träume aller besseren und edleren Söhne des Vaterlandes waren. - Sie scheiterten zwar, die meisten dieser Träume, und mußten scheitern, denn wir lebten schon lange nicht mehr wie unsere Väter; diese taten das Gute und träumten es nicht. Doch auch die Tage der Träume deiner Volksliebe waren noch schön, ob sie wohl scheiterten - Vaterland! Ich gedenke ihrer noch heute gern, und auch deiner gedenke ich noch gern, Freund meiner Jugend, Verächter meiner kraftvollsten Tage und Hohnsprecher meines heutigen Strebens, das in der Schwäche meines Greisenalters noch immer das nämliche ist, das dir vor fünfzig Jahren an meiner Seite Tränen der Teilnahme entlockte.

Der Mann, an den ich heute noch mit Liebe denke, träumte sich als Jüngling himmlische Träume von dem Regentenleben, zu dem er berufen war. Er glaubte, wenn er nur einmal Landvogt wäre, so habe er schon die herrlichste Laufbahn. Er war sich des Ernstes seiner Studien über das Volkswohl bewußt. Und es ist wahr, er hat wohl über das Volk, aber nicht mit dem Volke denken gelernt. Jetzt war er Landvogt. Er glaubte sein Ziel erreicht zu haben. Er ging kindlichfroh auf seinen Posten. Aber er war kaum auf demselben, so fand er sich (es war keine sechs Stunden von seiner Heimat) unter den Leuten, die er jetzt regieren sollte, fremder, als wenn er hundert und hundert Stunden weit von ihnen ferne gelebt hätte, und benahm sich für seine Zwecke so übel als er nur immer konnte. Wenn ein gieriger Krämer ins Dorf kommt, er legt seine Waren nicht ungeduldiger zur Schau aus als der Herr Landvogt seine Projekte. Und so wie bei einem neuen Kramladen im Dorf in der ersten Woche alles zuläuft, die Waren angafft, nicht kauft, sich wieder wegschleicht und die andere Woche sie nicht einmal mehr angafft - so ging's dem Herrn Landvogt bei dem Auskramen seiner Volksträume.

Man hörte ihn im Anfang an, wie einen Mann, der eine neue Lehre oder eine neue Mär ins Land bringt. Es läßt sich über so etwas wohl einige Augenblicke miteinander reden, aber ins Leben greift es nicht leicht ein. Nur die Ehrlichen probieren so etwas, und diese sind selten die Gewandten und Klugen im Land, aber auch die Ehrlichen haben selten gerne viel Mühe mit etwas Neuem. Selber der gute Pfarrer fand, der Herr Landvogt mache ihm mit seiner Neuerung das Pfarramt beschwerlich, und mische sich in Sachen der Seelsorge, die ihn nichts angehe. Der Untervogt und der Amtsweibel aber äußerten sich: die obrigkeitlichen Offizialen seien nicht für das da, was der Landvogt wolle. Dafür entsetzte er beide. Aber die, so an ihre Stelle kamen, konnten das nicht, was die anderen nicht wollten, und die anderen halfen dem Nichtkönnen der Neuen mit lieblicher Lust. Es ging nicht lang, so war in der Landvogtei nur eine Stimme: "der Herr Landvogt verstehe nicht zu regieren, er könne nicht ruhig sein und auch niemandem, der ruhig sei, seine Ruhe lassen". So hatte er bald allen Kredit bei seinem Volk verloren. Aber das Volk hatte seinen Kredit bei ihm auch verloren.

Wer unter allen diesen am längsten bei ihm aushielt, war ein Mann, von dem die Bauern sagten: "keine Frau im Dorfe habe ihren Mann so unter dem Daumen, wie er seine Herren Landvögte". Der Landschreiber, der das, was der Landvogt wollte, wenn es geraten wäre, um alle Emolumente, die seinen Posten auf krummen Wagen gut gemacht haben, gebracht hätte, schien im Anfang sich in alles, was der Landvogt wollte, zu fügen; nur fand er allenthalben Schwierigkeiten, machte, wo er keine fand, selber welche und setzte diese, beides, die, so es wirklich waren, und die, so er machte, in ein Licht, für das der gute Landvogt keinen Gegenschein fand. Bald sah sich der Landvogt in jedem Stück, das er wollte, da stehen, wie ein Mann, der über einen Fluß will und harrt, und heute harrt und morgen harrt, und sich rufend den Hals ausschreit, aber kein Fahrzeug und keinen Fährmann findet, der ihn hinüberführt. Wie ein solcher Mann am Ufer allmählich des Rufens müde und mißmutig wird und doch wartet, und doch ruft, aber mit abnehmender Stimme, also ward unser Landvogt auch maßleidig und müde, aber trieb dennoch immer, zwar jetzo mit etwas leiserer Stimme, an seinen Projekten.

Jetzt, da er also in Mißmut und Maßleidigkeit versunken, warf ihm der Landschreiber den bösen Gedanken ins Herz: "Das Volk ist zu schlecht, es ist nichts mit ihm zu machen". Er sprach das Wort lange nicht aus; aber er bereitete den Landvogt schon längst dazu vor. Endlich sprach er ihn mit einer Art von Wehmut aus, die gedoppelt auf den Landvogt wirkte. - Er hatte diesen jetzt, wo er ihn haben wollte. Er hatte ihn da, daß er, wie die vorigen Landvögte alle, anstatt die Vorfälle, die ihm aufstießen, mit sich selbst und in sich selbst zu überdenken, sie jetzt, und das alle Tage mehr, mit dem Landschreiber beriet.

Der Geist dieser Kanzleiberatungen tötete allmählich alles das im Landvogt, woraus die Träume seiner Volksliebe hervorgingen, und füllte die öden Stellen seines zernichteten alten Sinns mit offiziellen Ansichten und Rücksichten seiner Stelle und seiner Behörde aus, und damit sank er in allen Schlendrian seiner Vorfahren hinab; hin war alles, was er fürs Volksheil wie ein neuer Krämer mit sich auf die Landvogtei brachte.

Als er von der Landvogtei wieder zurückkam, fragten ihn einige seiner alten Freunde, was er jetzt darauf ausgerichtet. Aber sie fanden nicht mehr den alten unbefangenen Jüngling, der er vorher war. Er wich es aus, sich mit ihnen darüber einzulassen, und sagte nur kurz: "Vielleicht ließe sich das eine und das andere, was er geglaubt, wirklich ausführen; aber es haben bei der Regierung notwendig Rücksichten statt, die jungen Leuten immer nur durch die Erfahrung recht klar werden. Übrigens seien sechs Jahre zu so etwas keine Zeit, und das abzuändern, wäre aus anderen Gründen auch nicht ratsam." Er ist jetzt Ratsherr geworden, und mir aus den Augen gekommen. Das einzige, was ich seither von ihm gehört, ist dieses: er habe einigen seiner Freunde, die sich zu etwas seiner Vaterstadt sehr Nützlichem und Notwendigem vereinigen und auch ihn dafür interessieren wollten, wörtlich folgende Antwort gegeben: "Das ist alles recht und gut, macht es nur, wir haben nichts dagegen, wir wollen euch nicht daran hindern; aber denket nur nicht, daß die Regierung sich in wenigem oder in vielem damit befassen werde; sie hat gar viel anderes zu tun."

Ja wohl! Er hat durchaus recht. Das an das Zivilisationsverderben angekettete Regierungspersonal, eben wie jedes Individuum, das den Gedanken, es sei mit dem Volk und für das Volk nicht viel zu machen, in sich selbst habituell werden lassen, hat natürlich immer viel anderes zu tun, wenn es für das Volk, für die Menschheit im reinen Sinn des Wortes etwas tun sollte. Ein Mensch, der das böse, das herzverhärtende Wort: "Es ist mit dem Volk nichts zu machen", einmal mit blindem Glauben ausspricht, ist nur noch einen kleinen Schritt von den Gefühlen entfernt, die Kain aussprechen machten: "Soll ich meines Bruders Hüter sein?" Ein solcher Mensch kommt unter gegebenen Umständen weit leichter dahin, zu gelüsten, den Bruder, der ihm im Wege steht, aus dem Wege zu räumen, als ihn in der Stellung, in der er ist, zu hüten, und der soweit versunkene Mensch begnügt sich nicht damit, seinen Bruder nicht hüten zu wollen. Es ist ihm nicht genug, die heilige Sache der Menschheit nicht aufzubauen, er reißt sie nieder. Er macht nicht nur nicht lebendig, er tötet im Volk, was er in ihm lebendig machen sollte. Und noch mehr, noch weit mehr: Tausend im Zivilisationsverderben versunkene Menschen nehmen es mit Pflicht, Amt und Eid auf sich, das im Volk zu hüten, zu beleben und durch ihre Pflege zu stärken und wachsen zu machen, was sie in jeder Stunde ihres Lebens, ich möchte sagen, mit jedem Hauch, den sie atmen, vergiften, und dem Tod und der Verwesung preis geben.

So weit ist es mit der zarten, heiligen Sorgfalt fürs Volk, die aller menschlichen Kultur und aller menschlichen Bildung zum Grunde liegen soll, durch unser Zivilisationsverderben gekommen. Wir erkennen es aber nicht an uns selber, im Gegenteil, jeder von uns, dem man auch nur von ferne darauf deuten würde, er gehöre auch zu diesen Versunkenen, würde wie ein edler, sich keiner Schuld bewußten Ritter jedem darüber die Handschuhe darwerfen. Auch wäre er sicher, es würde ihn nicht leicht einer aufheben. Unsere Zeit hat der Schlechtheit in unserer Mitte eine Festigkeit und einen Charakter gegeben, der unserer schwachen Gutmütigkeit imponiert, und unsere Zeit leidet lieber Unrecht, als daß sie sich mit dem Übermut schlägt, und tut daran wohl.

Die Klugheit gebeut selber dem schwachen Kulturpunkt, auf dem wir stehen, sich mit dem kraftvollen Zivilisationsverderben in keine Fehde einzulassen.

Wir gefahren also von dieser Seite keinen Revolutionskrieg zwischen der Kultur und der Zivilisation, und können ihn bei dem wirklichen Zustand der Dinge auch nicht wünschen.

Indessen ist es dem Menschen, der nicht vorwärts zu kommen vermag, immer doch gut, wenn er deutlich einsieht, wie weit er zurück ist, und dazu möchte ich, soviel ich kann, helfen. Und hier und da ein Tableau der grellsten Verirrung unseres Zivilisationsverderbens stiftet gewiß Gutes, wenn man schon dabei gefahret, daß etwa ein Affe einen Stein gegen den Spiegel werfen möchte, der ihm sein Bild allzu klar und allzu ekel vor Augen gestellt.

Ich habe soeben ein redendes Aktenstück einer äußerst grellen Erscheinung des tiefsten Zivilisationsverderbens vor mir. Es ist nämlich die Äußerung eines Mannes, der seinen Vetter enterben wollte, weil er, der Vetter, keinen Unterschied zwischen einem armen Schelmen und einem Schelmen an den Armen zu machen vermochte. Der Brief, den er als Vorschlag zu seinem Testament auf dem Todbett an einen Advokaten schreiben ließ und wörtlich diktierte, lautet also:

"Der Bursche (der Vetter) hat doch gewußt, daß viel von meinem Vermögen auf ihn fallen kann, wenn ich will; aber der Patriotenteufel hat ihn ergriffen, daß er die alten Vorteile, die mit meiner Armenpflege seit undenklichen Zeiten verbunden waren, als dem Staat und den Armen gestohlen ansah und mit seinen unvorsichtigen und ehrenrührigen Reden eine obrigkeitliche Untersuchungskommission meines Amtes veranlaßt, die mich, wenn meine vielgeliebten Miträte nicht besser gewußt hätten, was in der Welt gehen und nicht gehen mag, und was darin Brauch und Recht ist, um Ehre und Amt hätte bringen können, welches aber der allgerechte Gott und eine gnädige liebe Obrigkeit (ich werde es ihr auch im Grabe noch danken) in Gnaden verhütet.

Daran aber ist der unwürdige Vetter, den ich jetzt enterbe, nicht schuld. Im Gegenteil, wenn es von ihm abgehangen hätte, wer weiß, wie es mit meinem Prozeß abgelaufen und welche Schande und Spott über mich gekommen wäre. Er mag jetzt auch sehen, wie es einem geht, wenn man seinen Nächsten und Nebenmenschen und sogar seinen nächsten Verwandten so unchristlich behandelt und so lieblos und niederträchtig in Angst, Not und Gefahr bringt. Denn wenn ich auch gestohlen hätte, welches aber, wie das obrigkeitliche Urteil klar ausweist, nicht wahr ist, so hätte ich es nicht für mich (denn ich hatte es nicht nötig), sondern für meine Erben, davon es einige gewiß nötig haben, und für ihn, den Vetter, selber getan. Er hat also das, was ich jetzt tue, und mehr als das, ganz gewiß auch an mir verschuldet. Er kann es nicht leugnen, er ist daran schuld, daß meine Feinde mir eine Grube haben graben können, in der ich Hals und Bein gebrochen hätte, wenn ich nicht noch zu rechter Zeit Mittel gefunden hätte, Heu und Stroh darein zu werfen, soviel als notwendig. Es war zwar teuer, und kostete mich viel, aber es tat not, und was tut man nicht, wenn es nottut, und wenn es um Ehre und guten Namen zu tun ist. Es freut mich meiner Lebtag; ich habe gezeigt, was ein braver und entschlossener Mann in einem solchen Augenblicke zu tun imstande ist. Die Patrioten sind einfältige Leute, sie meinen, es gehe in der Welt und selber auf dem Rathaus alles für sich und hinter sich so gerade als auf dem Seilergraben. Das ist aber bei weitem nicht also. Ich habe mich auch keinen Augenblick gefürchtet. Es ist ein einziger von der Kommission gewesen, der den Kopf darob schüttelte und etwas Lärmen darob machen wollte, da er sah, daß man so Heu und Stroh an den Ort hintrug, wo Gefahr war. Doch es war nichts daran gelegen, weil er allein war, und ich will's ihm auch gerne verziehen haben. Ich bin doch jetzt auf dem Todbette, und möchte auch meines Vetters halber nicht unversöhnt in die Grube fahren, wo es nicht mehr möglich ist und nichts mehr hilft, Heu und Stroh darein zu werfen, wenn man einmal darein hinab muß. Ich habe desnahen in ernster Betrachtung der Umstände, in denen ich mich befinde, so schwer es mich auch ankommt, dennoch meinem Vetter verzeihen wollen, und zur Milderung meiner projektierten testamentlichen Verordnung meinem lieben Bruder, als meinem Haupterben, Vollmacht und Auftrag gegeben, nach zehn Jahren den unschuldigen Kindern des Vetters, und wenn er sich bessert, und für seine lieben Armen keine Patriotenstreiche mehr macht, ihm selber das so lange zurückzuhaltende Erbe dann zumal mit Zins und Kapitalien auszahlen zu lassen."

Wer möchte nicht lieber sterben als erleben, daß es mit ihm soweit kommen werde! - Freilich kommt es mit wenig bürgerlichen Schwächlingen so weit, aber es steht ebenso gewiß mit tausend und tausenden nicht gut, wo es mit einem einzigen soweit kommen kann. Auch irrt mich eine solche Ausnahme in der bürgerlichen Schlechtheit nicht, es ist nur die Gemeinschlechtheit, aus der eine solche Ausnahme allein hervorgehen kann, was mich irrt.

Es ist auch gar nicht die höchste Steigerung der Schlechtheit, die, indem sie sich selbst zu übertreffen scheint, gleichsam eine Ausnahme von sich selbst macht, nein, es ist die Gemeinschlechtheit, es ist die Allgemeinheit der Herzensverödung und der Geistesverirrung unserer Zeitschwäche und unserer Zeitselbstsucht, der wir die sittliche, geistige und bürgerliche Zeitfinsternis, in der wir leben, zuschreiben müssen. Unser Unglück ist, wir glauben nicht, daß wir in der Finsternis leben; wir wähnen, daß wir im Licht wandeln. Die Finsternis erkennt sich nicht leicht in sich selber, noch weniger in den verschiedenen Abstufungen, in denen sie, vom Licht der Wahrheit und des Rechts abweichend, uns für das Heiligtum dieser Gegenstände blind macht. So wie es eine andere Klarheit der Sonne und eine andere des Mondes, eine andere der Sterne, wieder eine andere des Scheinholzes und der Scheinwürmer gibt, ebenso gibt es eine andere Finsternis der Nacht, eine andere des Nebels, eine andere der Gräber unter der Erde; hinwieder ist die Finsternis im Auge des Löwen eine andere Finsternis als diejenige im Auge einer armen Maus. Auch ist das Dunkelrot vom Dunkelblau und das Dunkelblau vom Dunkelgrün verschieden, doch endet alles Dunkel im Kohlschwarzen; aber kohlschwarz ist gottlob auch keine Menschenseele, so wenig als irgendeine vollends lichthell, ohne Schatten und Finsternis in sich selbst, lebt. Auch im höchsten Verderben unserer Natur löscht sich das Licht Gottes, das Ewige in der menschlichen Seele nicht aus. Aber dennoch ist die Finsternis in jedem Grad ihres Dunkels Finsternis, so wie das Licht in jedem Grad seiner Klarheit Licht ist, und wer in der Finsternis wandelt, der wandelt in der Finsternis, und wer im Licht wandelt, der wandelt im Licht.

Es war immer Licht und Finsternis in der Welt, aber beide, das Licht und die Finsternis standen in den meisten Tagen der Vorzeit, selber in dunklen Zeiten, reiner und wahrhafter vor den Augen der Menschen. Die Finsternis war in ihrem vollen Dunkel dem sehenden Mann leicht erkennbar. Jetzt scheint die Finsternis Licht, und das Licht ist zur Finsternis geworden. Das Licht war im Mann der Wahrheit und des Rechts, wenn auch in kleiner Flamme, ein reines und wahrhaftes Licht, und leuchtete in Millionen unerschütterlichen Ansichten, die aus der Reinheit des Herzens hervorgingen und in anmaßungsloser Kraft als reine, wahre Nationalerleuchtung in allen Ständen gegen die Lügen des bösen Herzens und gegen das Unrecht der bösen Gewalt wie ein Fels im Meere dastanden. Es ist wahr, die Nationalerleuchtung war die Erleuchtung des guten Herzens, sie war die Erleuchtung der Unschuld und Treue. Diese, die oft den Schimmer der Paläste flieht, wohnt nicht selten in hoher Reinheit in niederen Hütten und in den heiligen Wohnstuben des Mittelstandes. Die Zeiterleuchtung, die aus der Finsternis des bösen Herzens hervorging, hat sie verscheucht. Die Wahrheiten, die wir erkennen, gehen nicht mehr aus unserer Unschuld hervor und haben die Treue des häuslichen Lebens nicht mehr zu ihrem heiligen Fundament. Wir erkennen die Finsternis nicht mehr als ewigen unvereinbaren Gegensatz des Lichtes, wir erkennen sie nicht mehr unbedingt und ohne Einschränkung als Finsternis, eben wie wir das Licht nicht mehr als den ewigen unvereinbaren Gegensatz der Finsternis, unbedingt und unbeschränkt als Licht erkennen. Darum sind wir auch täglich unfähiger, das Wort: "Wenn jemand das ganze Gesetz hielte, fehlt er aber in einem, der ist in allem schuldig" in seiner hohen Bedeutung zu verstehen, ebenso wie dasjenige: "Dem Reinen ist alles rein."

Der Mann des Rechts und der Wahrheit ist in allem, was er denkt, fühlt und handelt, der Mann der Wahrheit und des Rechts. Der Geist der Wahrheit und des Rechts ist kein zweideutiger Geist, er trägt nicht auf beiden Achseln. Wer das tut, worin es immer sei, der ist nicht von ihm belebt, und ebenso wahr ist: Wer von einer Seite in der Finsternis lebt, der lebt ganz in der Finsternis, denn es besteht eine ewige Scheidewand zwischen dem Licht und der Finsternis, zwischen der Menschlichkeit und der Tierheit, zwischen dem Sinn des Geistes und zwischen dem Sinn des Fleisches. Die Menschheit vermag es nicht, Gott und dem Mammon zugleich zu dienen, sie vermag es nicht, geteilt im tierischen und geistigen Leben sich in sich selbst im Gleichgewicht zu erhalten. Im Streit des Geistes und des Fleisches, im Streit des menschlichen und des tierischen Sinnes ist immer einer vorherrschend und der andere unterliegend.

Auch ist die Entfaltung unseres Geschlechts zu den Kräften und Anlagen, die unserem tierischen Sinn zugrunde liegen, von der Entfaltung derjenigen Kräfte und Anlagen, die unserem höheren Sein, unserer Menschlichkeit zugrunde liegen, wie das Licht und die Finsternis selber verschieden, und so wie die Resultate des tierischen Sinnes unserer Natur und die der Menschlichkeit unseres inneren höheren Wesens unvereinbar getrennt, von einer ungleichen, sich entgegenstehenden Natur sind, also ist auch die Entfaltungsweise unseres Geschlechts in denjenigen Anlagen und Kräften unserer Natur, die unserem tierischen Sinn und unserer tierischen Sinnlichkeit zugrunde liegen, von der Entfaltungsweise unserer Kräfte und Anlagen, die unserem höheren menschlichen Sinn zugrunde liegen, eben wie das Licht und die Finsternis verschieden. Sie muß es sein. Sie, die erste geht wesentlich aus dem Tiersinn unserer Natur hervor. Sie ist in ihren Mitteln innigst an diesen Sinn gebunden und in ihren Folgen wesentlich durch denselben beschränkt. Das ist gleich wahr, wenn sie, wie beim Wilden, in roher kunstloser Kraft, oder wenn sie wie beim zivilisierten Bürger in kunstvoller Gestalt und Gewandtheit erscheint. Sie ist in beiden Gestalten in ihrem Wesen die nämliche Sache.

Freund der Menschheit! Blick noch einmal auf sie hin, fasse sie in ihrem Ursprung, fasse sie in der Eigenheit des tierischen Wesens und in ihren mit dem Wesen ihrer Natur notwendig übereinstimmenden Mitteln und Folgen ins Auge! Dein Blick sei ernst - er soll es sein, es ist um die entscheidende Erkenntnis der Fundamente des menschlichen Wohles, es ist um die entscheidende Erkenntnis der ewigen Hindernisse der Veredelung unserer Natur und der Sicherheit und Wahrheit ihrer wesentlichsten Beförderungsmittel zu tun. Freund der Menschheit! Wirf deinen Blick noch einmal auf den Geist und das Wesen und die Mittel der einseitigen Entfaltung unserer sinnlichen tierischen Anlagen und Kräfte! Die tierische Natur treibt die Mittel dieser Bildung gleichsam aus sich selbst hervor. Gierigkeit ist die Natur ihres Lebens und ihres Treibens; was die sinnliche Natur also im Menschen entfaltet, darin lebt sie als in dem ihrigen. Was aus der Entfaltung der höheren menschlichen Anlagen hervorgeht, das ist der tierischen wesentlich fremd. Es wird, wenn es sich in ihr herrschendes Leben einmischt, sogleich ihrem tierischen Sinn also untergeordnet, daß es nie wirksam, nie lebendig, nie befriedigend, nie selbständig, nie herrschend im Menschen dastehen kann.

Diese Bildung und der Mensch, der ihr Resultat ist - der bloß zivilisierte Mensch, ist allgemein, wo du ihn immer findest, oberflächlich in seinen Einsichten, schweifend in seinen Bestrebungen und einseitig verhärtet in seiner Kunst. Er ist unergriffen vom Wesen der Dinge, belebt von ihrem Schein und vom Sinnenreiz ihrer wandelbaren Beschaffenheiten. Er vergißt des Vergangenen leicht, er bekümmert sich wenig um das Zukünftige. Die Gegenwart ist ihm alles. Ohne Übereinstimmung in seinen Kräften, ungewandt und interesselos in Sachen, wo Pflicht und Verhältnis seine Gewandtheit und sein Interesse ansprechen, ist er belebt für den Scheindienst, niederträchtig im Menschendienst, heuchlerisch im Gottesdienst, unwahr und unrechtlich im Innersten seines Wesens. Der Gelust der Sinne und die sinnliche Furcht macht ihn zwar einige Wahrheiten erkennen und einige Grundsätze des Rechts annehmen, aber reiner und allgemeiner Sinn für Wahrheit und Recht ist nicht in ihm. Aus seinem Wesen entspinnt sich in Ewigkeit kein echter Wahrheits-, kein echter Rechtssinn. Im Gegenteil, in der Tiefe seines Herzens verhöhnt er das innere Wesen alles reinen menschlichen Fühlens, diesen ewigen heiligen Ursprung alles menschlichen Rechts, und nährt in eben dieser Tiefe den Umfang der tierischen Anmaßungen, die allem menschlichen Unrecht zugrunde liegen. Er untergräbt Recht und Menschlichkeit in der innersten Tiefe des Heiligtums ihres Entkeimens, und von der Wahrheit, die dem Sinn der Unmenschlichkeit und des Unrechts in unerschütterlicher Kraft entgegenwirkt, fragt er, wie Pilatus: Was ist sie? Als Bürger spricht er das Wort aus: Die Stärke ist der Ursprung des Rechts, und der Schwache unseres Geschlechts muß in rechtsloser Erniedrigung seiner Stärke dienen. Wie Kain mit seinem Wort den Brudermord vor Gott entschuldigen wollte, also entschuldigt die böse Gewalt alles Unrecht, das sie an ihrem Geschlecht tut, mit dem Recht der Stärke oder des Stärkeren.

Rechtslosigkeit, Wahrheitslosigkeit und Lieblosigkeit ist das eigentliche Wesen der tierischen Natur, und das charakteristische Kennzeichen sowie das unfehlbare Resultat aller tierischen Bildung, und zwar sowohl der freien im Naturstand als der künstlichen im Zivilisationsverderben. Die Zivilisationsbildung bedeckt freilich den wahrheits-, rechts- und lieblosen Sinn der tierischen Bildung gar oft mit vieler Gewandtheit, und gibt ihm selber einen täuschend blendenden Schein der Menschlichkeit, aber sie hört um deswillen nicht auf zu sein, was sie in der Tat und Wahrheit ist. Im Gegenteil, sie verstärkt die Kraft der tierischen Natur noch mächtig, indem sie sie zivilisiert, und dadurch zu dem geistigen Wesen ihres Verderbens, zur Betrugskraft erhebt, durch den sie dann noch ihrer Gewalttätigkeit den Schein der Rechtlichkeit und bürgerlichen Gesetzmäßigkeit zu geben, und folglich die Wirkung derselben bürgerlich sicherzustellen geschickt wird. In diesem Zustand gibt dann die durch denselben tierisch belebte Geistesstärke dem Kraftmanne des gesellschaftlichen Verderbens noch einen Spottsinn gegen Recht und Wahrheit, die der Wilde gar nicht kennt, der aber dem zivilisierten Tiermenschen dazu dient, die gute Aufnahme der Gewalttätigkeitshandlungen, mit denen das gesellschaftliche Verderben immer endet und immer enden muß, bei der Schwachheit des sinnlichen Volkes psychologisch vorzubereiten. Dieser Spottsinn spielt desnahen im Verderben des gesellschaftlichen Zustandes immer seine große Rolle, und ist dem Mann, der in diesem Verderben gern im Trüben fischt, so wie den Knechten-Seelen, die bei diesem Fischen für Fleisch und Brot Handlangerdienste tun, meistens auch sehr behaglich. Dem Kraftmann des bürgerlichen Verderbens, der in demselben eine Rolle spielt, ist er unentbehrlich. Er verspottet nicht bloß, was er verachtet, er verspottet noch vielmehr, was er haßt und was er fürchtet. Er weiß auch warum. Mit der Verspottung der Wahrheit ist die Bahn zur Unterdrückung des Rechts schon gebrochen.

Der gesellschaftliche Tiersinn unterdrückt in jedem Fall leicht, was er ungehindert verspottet hat. Sein Übergang vom höhnenden Spott über Wahrheit und Recht zur Grausamkeit im Betrug und im Unrecht selber ist bei ihm nur die Steigerung einer und eben derselben Gemütsstimmung. Sich selbst gleich ist ein dem Verderben der tierischen Bildung unterliegender Mensch infolge des Wesens seiner Bildung im Glück übermütig, in der Gefahr furchtsam, aber durch sie, durch die Gefahr selber sinnlich und tierisch gestärkt, verwegen und grausam. Er verirrt im Wesen der Menschennatur und im Wert aller menschlichen Dinge gänzlich. Schneider- und Schusterbildung geht ihm über Menschenbildung, Geldwert über Menschenwert, Standeswürde über Menschenwürde, Gewinst über Verdienst, eitles Lebensspiel über hohe Lebensruhe, Ehre über Weisheit und Tugend. Die Gebühr setzt er schamlos hintan und spricht die Ungebühr frech als sein Recht an. Auf geraden Wegen tritt er zweifelnd und mißtrauisch einher, auf den krummen mit Kühnheit und Selbstvertrauen. Er hat kein Gefühl für die Pflicht des Gebens, die Begierde des Nehmens spricht sich in ihm so bestimmt aus wie im Wilden, dem die Erde noch frei ist. Er ist verschwenderisch im Großtun, knickerisch im Almosen, und selber im unbemerkten Zahlen der Schuldigkeit; lüstern und gierig nach gesetzloser Freiheit, verhöhnt er die Freiheit durch Recht und Gesetz. Er tut das Unrecht nicht bloß wie ein gemeiner Mensch um des Unrechts selbst, er tut es um der Ehre willen, die es ihm bringt, er tut es im Menschendienst wider Gott und wider sein Geschlecht, oft selber ohne Vorteil und wahren Lebensgenuß, aus armseliger Eitelkeit.

Welche Höhe er durch seine Kraft erreicht, das ändert den Geist seines Denkens, Fühlens und Handelns gar nicht. Keine Tierkraft, welche Höhe sie auch erreicht, macht eine Menschenseele edel und menschlich; aber jede, welche Höhe sie auch erreicht, schwächt die höheren Kräfte der Menschennatur, ich möchte sagen, in allen ihren Adern. - Dahin, dahin, zu dieser Verworfenheit der Ansprüche des wilden Naturlebens und seiner tierischen Freiheit führt die isolierte, die ausschließliche, die überwiegende Bildung der Kräfte und Anlagen, die wir mit den Tieren des Feldes gemein haben.

Sie, diese einzige und ewige Quelle des Zivilisationsverderbens und aller seiner Folgen hat ihren Mittelpunkt in der sinnlichen Selbstsucht unserer unerleuchteten und unerhobenen Natur. Diese ist es, die alle unsere gesellschaftlichen Einrichtungen untergräbt und vergiftet; sie ist es, die das Eigentum und den daraus herfließenden Unterschied der Stände der heiligen Kraft ihres inneren Segens beraubt, und so selber zum Fluch unseres Geschlechtes macht. - Sie führt schon den einzelnen Menschen, das Individuum, zu aller Gierigkeit und Gewalttätigkeit des tierischen Naturlebens. Wo aber dann noch die Menschen zu ganzen Haufen zusammenstehen, da wird die Gierigkeit und Gewalttätigkeit dieses Lebens dem Individuo unseres Geschlechts durch das Gefühl seiner kollektiven Kraft im gesellschaftlichen Zustand noch unendlich erhöht und belebt. Denn auch das höchste sinnliche Kraftgefühl ist beim isolierten Individuum noch mit einer Art Schüchternheit, die das Bewußtsein der individuellen Schwäche des einzelnen Menschen zum Grund hat, verbunden. Aber wenn die Menschen zu Haufen zusammenstehen, dann verschwindet alles Gefühl der individuellen Schwäche unserer Natur, das Gefühl der tierischen Gemeinkraft unseres Geschlechts tritt dann ein, und dieses ist seiner Natur nach scham- und gewissenlos. Die zusammenstehende Masse unseres Geschlechts fühlt sich als zusammenstehend nicht menschlich, sie fühlt sich nur tierisch kraftvoll. Die Menschenmasse hat als Masse kein Gefühl der individuellen Schwäche der Menschennatur. Sie hat keine Scham. Die Masse unseres Geschlechts ist als solche ganz entblößt von der heiligen höheren Ansicht der Menschennatur, wie sie im Gefühl ihrer inneren Würde dasteht vor Gott, vor ihr selbst und vor ihrem Geschlecht; - sie hat als sinnliche tierische Natur - als sinnlich und tierisch vereinigt - kein Gewissen.

Freund der Menschheit! Denk' dir diese unwidersprechliche Wahrheit in allen Folgen, die sie für den gesellschaftlichen Zustand notwendig haben muß! Fasse das kollektive Verderben unseres Geschlechts nicht bloß in der Erscheinung wilder, in sinnlicher Einseitigkeit belebter zügelloser Volkshaufen, fasse es auch in regelmäßig geformten bürgerlichen Gestalten, fasse es selber in gesetzlich konzentrierten Gewaltsformen ins Auge, und siehe, wie solche einseitig sinnlich gebildeten Kraftmenschen, und auch so gebildete Schwächlinge, selber in den höchsten Behörden, der Menschennatur und ihres inneren Heiligtums nicht achten! Blicke auf sie hin, wie sie, solche in sinnlicher Einseitigkeit gebildeten und verhärteten Menschen, im Besitz der Militärgewalt das Menschengeschlecht der Eitelkeit und Selbstsucht ihrer auch noch so irrtums- und unrechtsvollen Standesansichten zum Opfer darwerfen! Sieh, wie sie im Besitz der Finanz-, Zivil- und Polizeigewalt das Heiligtum des häuslichen Lebens, die fromme Treue des Landes und das innere heilige Wesen des Rechts so oft und viel den übelkalkuliertesten Finanzspekulationen, den unüberlegtesten Zivilgesetzen und den rechtlosesten Polizeimaßregeln auf die roheste, auf die unmenschlichste Weise darwerfen!

Freund der Menschheit! Verhehle dir nicht, wie weit das beim tiefen Einreißen des Zivilisationsverderbens geht und gehen muß! Es geht grenzenlos weit, ich spreche es ohne Scheu aus - die russische Mutter, die, von den Wölfen verfolgt, ihren Säugling von der Brust riß, und ihn, um ihr Leben zu retten, diesen Tieren darwarf, handelte nicht unmenschlicher an ihrem Fleisch und an ihrem Blut als solche im Zivilisationsverderben tief versunkene Gewaltmenschen oft und viel an der Schwäche ihres Geschlechts, das auch ihr Fleisch und ihr Blut ist, handeln, wenn sie von ihrer tierischen Selbstsucht, wie von den Wölfen verfolgt, ihren Ehr- und Geldgeiz zu befriedigen, dieselben sittlich und bürgerlich dem höchsten Verderben preisgeben.

Freund der Menschheit! Blicke tiefer in die Folgen der einseitigen Entfaltung und öffentlichen Belebung der tierischen Anlagen unseres Geschlechts im gesellschaftlichen Zustand! - Fürchte dich nicht!

Liebe die Wahrheit wie Gott! Laß dein Herz nie zu klein sein, Sie mit der Zunge zu lehren Und ihr mit dem Leben zu folgen! *) Freund des Vaterlandes! Fasse das kollektive Verderben unseres Geschlechts nicht bloß, wie es in monarchischen, sondern auch, wie es in republikanischen Verhältnissen erscheint, und in denselben die nämlichen staatsverderblichen Resultate hervorbringt, ins Auge! Freund des Vaterlands! Gehe in dich selber, fasse diesen Gesichtspunkt, wie er dich selber, wie er dich persönlich, wie er dich einzeln und individualiter angeht, ins Auge! Fürchte dich nicht vor der Erkenntnis deiner selber! Es ist auf Erden kein Weg zur Weisheit, es ist auf Erden kein Weg zum Menschensegen als allein durch diese.

Freund des Vaterlandes! Wirf einen Blick auf die ursprünglichen Volksvereinigungen, die unserer Freiheit und unserem alten Landessegen zugrunde liegen! Blicke auf die Landesgemeinden und Stadtgemeinden, von deren gesetzlich begründeter, fast unbedingter Freiheit die Rechte unseres Vaterlandes gleichsam als aus ihrer Wiege hervorgingen! Verhehle es dir nicht, sie, diese Landes- und Stadtgemeinden waren kaum frei, sie waren kaum den Leiden des Unrechts, der Willkür und der mißbrauchten Regierungsgewalt entronnen; und wo nicht aus rechtlosen, doch wenigstens aus ihrer wahren Rechte beraubten Männern zu Freistaaten, zu Republiken geworden, so suchten einige derselben sogleich wieder Knechte und gevogtete rechtlose Menschen zum Dienst ihrer Freiheit.

Die Folgen dieser Richtung der Denkungsart in unserem neuen Verhältnis konnten nicht fehlen. Sobald die durch Landesnot in Unschuld und Treue vereinigten Landesgemeinden, sobald die durch den umliegenden Adel gefährdeten und bedrängten Stadtgemeinden über ihre Feinde gesiegt, und als freie, in ihrem Recht anerkannte Stände dastanden, sobald ihre Individuen nicht mehr, wie es vorhin geschehen, durch reine innere Beweggründe der Menschennatur für Wahrheit, Recht und Freiheit sittlich, geistig und bürgerlich belebt und innerlich erhoben worden, sobald als die bürgerliche Staatskraft der Masse nicht mehr durch die Individualbedürfnisse der Bürger beseelt wurde, sobald der Sinnengenuß des Glücks und der Ruhe die Anstrengungen der alten Bundes- und Landestugend dem Individuo scheinbar überflüssig machte, so trat augenblicklich der Landes- und Staatszustand ein, der das Unrecht der kollektiven Existenz unseres Geschlechts und ihre Ansprüche über die Individualbedürfnisse der Menschennatur allgemein hervorbringt, und zwar trat er bei uns in eben den Formen und in den nämlichen Gestalten ein, in denen er auch in fürstlichen Staaten das Wohl unseres Geschlechts untergräbt und zernichtet. Die Reinheit der belebten hohen Gefühle der Väter der Freiheit machte jetzt den niederen Ansprüchen an Eitelkeit, Geld, Ehre und Hoffart Platz. Es konnte nicht anders kommen. Die kollektive Existenz unseres Geschlechts macht alle Menschen sich in ihrer Selbstsucht kraftvoll fühlen, und dadurch indiskret, zudringlich, anmaßlich, dann bald gewalttätig, und am Ende leicht auch niederträchtig.

Diese in der Menschennatur gegründeten Folgen des sinnlich belebten Freiheits- und Machtgefühls in der kollektiven Existenz unseres Geschlechts konnten bei unseren Volksvereinigungen nicht mangeln, so wenig als sie je bei irgendeiner Volks- und Behördenvereinigung gemangelt haben. Sie mangelten ihr auch nicht; sie gaben der Denkungs- und Handlungsart der neuen Freistaaten die Richtung, die jeder, der die Menschennatur in den verschiedenen Lagen und Verhältnissen näher kennt, zum voraus erwarten durfte. Das innere, heilige Wesen ihrer ursprünglichen Freiheitskraft, das so menschlich war, verödete sich allmählich, und mit der Verödung der Freiheitskraft des Volkes und der Individuen war natürlich das Wesentliche der Regierungskraft der Stadt- und Landgemeinden untergraben. Sie, diese kollektive Regierungskraft des Volkes hatte kein psychologisches Fundament mehr, dieses lag nur in der allgemein belebten Erhebung des Zeitgeistes für Freiheit und Recht. Die Masse dieser unserer städtischen und ländlichen freien Gemeindebürger blieben äußerlich und dem Namen nach forthin regierungsfähige Bürger, innerlich und in der Tat und Wahrheit waren sie es nicht mehr; sie regierten auch nicht, sie regierten eigentlich nie; dennoch erhielten die Landgemeinden die Form ihrer ursprünglichen Verfassung, und mit ihnen den Schein des Regierens bis auf unsere Tage. Die Stadtgemeinden nicht also; ihr Einfluß auf die Regierung, so groß er ursprünglich war, war immer nur indirekt; diese Gemeinden wählten sich vom Anfang an aus ihrer Mitte bürgerliche Ausschüsse, die, mit den Räten der Stadt vereinigt, als Räte und Bürger die höchste Gewalt der Stadt und des Landes eines Kantons ausmachten.

Ursprünglich war die große Mehrheit dieser ausgeschossenen und den Räten zugegebenen Bürger wirklich zünftige Handwerker, Gerber, Metzger, Müller etc. Aber sobald einige von ihnen als Familien in dieser obersten Stadtbehörde festen Fuß faßten, gewann die Selbstsucht des Personalinteresses über die Unschuld und den Edelmut des alten bürgerlichen Gemeingeistes einen entschiedenen Vorsprung. So wie die Familien der alten Stadträte bei der Souveränitätsanerkennung der Kantone ihren ehrbaren bürgerlich-reichsstädtischen Magistraturton allmählich höher stimmten und in die Formen hoher fürstlicher Behörden umwandelten, also vergaßen auch die gemeinen bürgerlichen Handwerksfamilien, die durch Zunftverhältnisse dahin gekommen, in den Räte- und Bürgerversammlungen einen bedeutenden Einfluß zu haben, ihre ursprüngliche Stellung im Staate bald, sahen sich nicht mehr als Bürger und Repräsentanten ihrer Gemeinde, sondern vielmehr als die Regenten derselben an. Diese Ansicht entfaltete sich im Anfang in den meisten aristokratischen Städten ziemlich langsam und in sehr gemäßigten und sehr abgemessenen Schritten; aber diese endigten in allen in einem und eben demselben Geist, nach einer und eben derselben Tendenz, deren Folgen die innere Auflösung der ursprünglichen ersten Zwecke unserer Volksvereinigungen und Freiheitsverfassungen waren, oder wenigstens ihre innere, in der Menschennatur selbst liegende Garantie zugrunde richteten. Sie mußten notwendig das regierende Personal und noch mehr, die die Regierung wirklich konstituierenden Familien sich als den eigentlichen Souverän des Landes ansehen und in ihnen Gefühle von Ansprüchen und Vorzügen rege machen, die mit dem Geist der Verfassung des Landes und dem Wesen der Rechte und Freiheiten seiner Bürger unvereinbar waren.

Der hohe Geist der individuellen Erhebung des Volkes und der Anspruch unserer Väter an Regierungsweisen, die die allgemeine Erhebung und Veredelung des Volkes möglich machen und sichern sollten, war nun dahin. Der niedere gemeine Geist der kollektiven Existenz unseres Geschlechts, wie er allgemein das Verderben der Menschennatur im gesellschaftlichen Zustand veranlaßt und herbeiführt, war nun begründet und hatte seinen ganzen Spielraum in unserer Mitte. Wir mußten werden, was wir sind und was alle Welt wird, die nicht durch weise, gesetzliche Verfassungen dem Geist des Verderbens der kollektiven Existenz unseres Geschlechts mit Kraft entgegenwirkt.

Wir mußten werden, was wir sind und was wir uns auch, wie wir sind, gottlob doch noch selbst sagen dürfen. Wie der Himmel von der Erde verschieden ist, also ist der bürgerliche Kraftzustand unserer Stadtgemeinden von demjenigen unserer Väter verschieden Was ist aus diesem geworden? Ist es etwa, daß wir sie, diese hohe erhabene Regierungskraft der Väter als Gemeinden nicht mehr bedürfen, daß das Vaterland ihrer als Gemeinkraft nicht mehr bedarf? Diese Fragen ergreifen mich, sie werfen mich in einen Zustand des Träumens, der Gang meiner Ideen verschwindet, ich überlasse mich meinem Traum.

Der Geist der ursprünglichen Stadt- und Landregenten steht vor mir, Freund des Vaterlands! Blick hinauf auf den erhabenen damaligen Zustand des Vaterlands, wo würdige verdienstvolle Männer ihren Mitbürgern für das Vertrauen dankten, womit sie selbige zu ihren Vorstehern, zu Handhabern ihrer Rechte erwählten! Blick hinauf auf die Würde der Bürger, die noch in dieser Stellung waren. Freund der Menschheit! Denk dich einen Augenblick träumend in diese hohen Tage des Vaterlandes hinein! - Es ist ein erhabener Gedanke, der nur in Freistaaten möglich ist, in der Masse eines treuen biederen Volkes den Vater des Vaterlandes zu erkennen. Es ist ein erhabenes, nur in einem Freistaate mögliches Schauspiel - den Landesvater vor seinem Vater, dem Volk, dankend dastehen zu sehen. Aber mein Blick trübt sich, der Gegenstand meines Traumes ändert, ich sehe andere Tage des Vaterlandes, ich sehe andere Tage der Welt. Es ist ein empörendes Schauspiel, den Führer des Volkes, der nicht mehr sein Vater ist, im freien Land höhnend und trotzend vor ihm dastehen zu sehen, und es erregt im freien Land Gefühle des höchsten Entsetzens, einen Führer des Volkes gegen sein Land feindlich dastehen und mit seiner Regierungskraft und Regierungsgewandtheit dahin wirken zu sehen, die Rechte seiner Mitbürger zu untergraben und zu Mitteln der Befriedigung seiner eigenen Selbstsucht zu machen. Es erregt im freien Land herzzerreißende Gefühle, einen Führer des Volkes gegen die Schwäche seiner Mitbürger so handeln zu sehen wie ein böser Sohn handelt, der die Schwäche seines Vaters dahin mißbraucht, daß er ihm den Bissen Brot aus dem Mund nimmt und ihn für sich selbst ißt. Ich träume fort. Ich kenne kein herzzerschneidenderes Gefühl als dasjenige eines Vaters, der das seelerhebende Dankgefühl seiner Kinder jetzt in eine, mit Verachtung begleitete Aufmerksamkeit auf seine Schwachheiten hinübergehen sieht; und ebenso kenne ich keine die Würde der Menschennatur mehr empörende Umwandlung des Regierungsgeistes als seinen Übergang von der edlen Aufopferung für geliebte, würdige Mitbürger zu der Tätigkeit einer obrigkeitlichen Person, die mit entschiedener Verachtung des Volkes sich der Besorgung seiner Angelegenheiten mit eifervoller Tätigkeit annimmt und für dieselbe Nächte durchwacht. Ich verachte sein Nachtwachen, ich verachte den Mann und denke mir träumend, er täte besser, er würde wohl schlafen.

Wer das Volk nicht liebt, der ist seiner nicht wert. Wer das Volk verachtet, der regiert es nicht wohl, gäbe er auch seine Habe für dasselbe hin, und ließe er seinen Leib für dasselbe brennen, er ist desselben nicht wert, - er regiert es nicht wohl. - Doch die Zeitwelt verwahrlost das verachtete Volk lieber, als daß sie ihre Habe für dasselbe hingäbe, und ihren Leib auch nur eine Stunde frieren oder sonst unbehaglich sitzen, liegen oder stehen machen wollte, um es, um das so oft ohne seine Schuld verachtungswürdig gemachte Volk aus seiner Schlechtheit und Unwürdigkeit wieder zu erheben. Es ist also diesfalls für den Augenblick so wenig zu fürchten als - zu hoffen. Mein Traum wird mir schwer, ich erwache davon und finde mich ermüdet wieder beim Hinblick auf die Folgen der einseitigen und selbstsüchtigen kollektiven Ansicht, zu der unser Geschlecht im gesellschaftlichen Zustand getrieben wird, und die es darin entwickelt. Ich finde mich wieder im Hinblick auf die Folgen unseres Zeit- und Zivilisationsverderbens, die in jener Ansicht ihren Grund haben, und die, durch diese Ansicht bewirkte Umwandlung des Freiheitssinnes unserer Väter in diejenige unseres selbstsüchtigen Zeitgeistes, durch die wir so vielseitig im ganzen Umfang unseres bürgerlichen Denkens, Fühlens und Handelns entschweizert dastehen. Die Folgen dieser Umwandlung sind nicht zu berechnen. Sie mußten also groß werden. Die Mittel, die man hier und da braucht, den Geist derselben zu organisieren, zu konsolidieren und sie, diese Umwandlung selber durch die gesetzlich genährte Selbstsucht der Individuen, denen sie zu dienen schien, perennieren zu machen, waren zu sehr geeignet, die Wirkung, die man hierin suchte, hervorzubringen, als daß sie ihr Ziel nicht erreichen mußten. Ich berühre nur wenige Erscheinungen, in denen diese Wirkung sichtbar geworden, vielleicht sind es nicht einmal die bedeutendsten.

Die Stadtbürgerrechte, durch die man allein zu Regierungsstellen gelangen konnte, wurden in unseren bedeutenden Städten fest geschlossen; der Realeinfluß der Regierungsgewalten wurde immer mehr in den Kreis der herrschenden Familien konzentriert; die Zahl der in der Regierung bleibenden Einfluß habenden Geschlechter von Jahrzehnt zu Jahrzehnt vermindert und hier und da selber einige nicht edle Künste angewandt, die schwächeren dieser Familien allmählich aus dem Kreis der anerkannten einflußhabenden Geschlechter auszumerzen.

Ebenso begünstigte man hier und da die die Zeitgewalt in Händen habenden, regierungsfähigen Geschlechter mit monopolischer Untergrabung des Landeswohlstands, und mit selbstsüchtiger Störung einer weisen und gesetzlichen Konkurrenz aller, und besonders der höheren Berufs- und Gewerbszweige, und versäumte, vernachlässigte vieles - sehr vieles, was notwendig war, um die Masse des Volkes durch Erziehung zu der Geisteskraft und zu den Kunstfertigkeiten zu erheben, durch welche allein eine solide und tiefwirkende Konkurrenz in unseren Gewerben und mit derselben eine allgemeine, dem Verhältnis unserer industriösen Talente und Lagen angemessene Ausdehnung der Gemeinkraft unseres häuslichen und bürgerlichen Wohlstandes möglich gewesen wäre.

Nicht nur konnten hier und da Arten von Gewerbszweigen, die eine höhere Volkskultur voraussetzten, in unserer Mitte nicht gedeihen, sie wurden sogar hier und da als dem wesentlichen Interesse des Staates im Wege stehend angesehen.

In der Tat waren sie dem wahren Interesse der regierenden Familien gar nicht entgegen.

Nicht nur die einträglichsten und ehrenhaftesten Regierungs- und Beamtungsstellen, sondern auch die Staatskräfte im Militärdienst, die einträglichen Verwaltungen der Kirchengüter und selbst die Hilfsquellen der Armengüter, und sogar diejenigen der Spitäler wurden hier und da mehr und minder zur Begründung und ewigen Sicherstellung des bürgerlichen Ranges und des Einflusses dieser Familien benutzt. Das ging ganz gewiß an einigen Orten so weit, daß man (wenn es erlaubt ist, Kleines mit Großem zu vergleichen) bestimmt sagen kann, diese Städte oder Kantone existierten ebenso in diesen Familien und durch sie, wie kleinlich und selbstsüchtig regierte Monarchien in fürstlichen Familien und durch sie existieren.