An die Unschuld, den Ernst und den Edelmut meines Zeitalters und meines Vaterlandes

Rechtschreibung und Interpunktion entsprechen nicht der Kritischen Ausgabe von Pestalozzis Schriften, sondern der regularisierten Fassung auf der CD-ROM.

Seite 5/5

(1815)

Ich darf fast sagen, noch mehr; wenigstens meinte es derjenige schweizerische Familienmann, der als Ludwig XVI. unter der Guillotine fiel, im Kreis einiger seiner Standsgenossen ohne Scheu sich dahin äußerte, wenn der französische König in seinem Reich apparentiert gewesen wäre (auf Schweizerdeutsch: soviel Vettern und Basen gehabt hätte), wie wir in dem unsrigen, so hätte man es gut sein lassen, ihn zu enthaupten. Seine Äußerung verwunderte mich gar nicht. Familienmenschen, denen die ganze Gewalt eines freien Volkes auf das Fundament von Zunft- und Gesellschaftsrechten ohne einen Schwertstreich in die Hand fällt und Jahrhunderte wie im Schlaf also in der Hand bleibt, müssen natürlich dahin kommen, in bestimmten Rücksichten einen noch größeren und willkürlicheren Staatseinfluß anzusprechen als die höchsten Mitglieder fürstlicher Behörden, die immer noch gegen die Verirrungen ihrer Selbstsucht und ihrer Unbürgerlichkeit eine von ihnen unabhängende fürstliche Obhut über sich haben. Das Übergewicht der kollektiven Ansicht unseres Geschlechts über die individuelle ist ganz gewiß in den Republiken noch verderblicher als in Monarchien. Sein entscheidender Einfluß in unserer Mitte auf den Geist und das innere Wesen unserer alten Verfassungen beweist es. Er begünstigte und belebte nicht nur die gesetzlose Gierigkeit und Gewalttätigkeit der sinnlichen Menschennatur in den Individuen dieser Regierungsfamilien, sondern sicherte und garantierte ihnen hier und da noch selber unrechtliche Genießungen auf Kind und Kindeskinder herab und soweit, daß selber hier und da Zivil- und Kriminalfehler von Familienmenschen vor den Tribunalien in unserer Mitte nicht mehr vollends in gleichen Formen behandelt werden wollten als die Fehler der übrigen Bürger.

Bei allem dem war der Vorschritt unseres bürgerlichen Verderbens in unserer Mitte selten scheinbar und äußerlich grell; er ging immer mit einem großen Grad scheinbürgerlicher Mäßigung vorwärts. Das diesen Vorschritt leitende Personal verstand seine Aufgabe fast immer sehr gut. Es war auch natürlich. Die Übungen in der Administration wurden ihm in allen Fächern geläufig und gleichsam zu Familienübungen gemacht, daher denn auch in diesen Rücksichten selten ein sinnlich auffallender Fehlschritt geschah. Auch ist gewiß, dieses Personal erhob immer nur die vorzüglichsten Männer aus seiner Mitte zu den ersten Stellen des Staates. Und ebenso gewiß ist, daß die ausgezeichneteren, daß die höheren Staatsmänner aus diesen Familien sich von jeher in ihrem Privatleben im allgemeinen immer als die edelsten, würdigsten Männer im Land bewährten. Sie waren in Zivilisationshinsicht ebensogute Haushalter als Staatsadministratoren, erzogen ihre Kinder gewöhnlich für ihre Bestimmung weit besser als irgendeine andere Klasse der Mitbürger.

Das alles ist so wahr, daß man bestimmt sagen muß, es wäre das größte Unglück, wenn diese Männer die Stellen, die sie im Vaterland besitzen, abgäben und sich dem öffentlichen Dienst des Vaterlandes entziehen würden; man muß bestimmt sagen, viele von ihnen wären unersetzbar, und man könnte in keinen Klassen der Bürger Männer von gleicher Brauchbarkeit für ihre Stellung finden. Aber eben das ist das Unglück des Vaterlandes, daß der Kreis, in welchem die höchste Bildung zur Regierungsfähigkeit und selber zur gewöhnlichen, für alltägliche Sorgen und Bedürfnisse passenden Regierungstugend leicht ist, und sich gleichsam von selbst gibt, zu eng und zu beschränkt ist, und der Routinegeist der Regierungen dem Gedanken, diesen Kreis wahrhaft zu erweitern, so vielseitig und so lebhaft abgeneigt ist und dieses schon lang war. Die Republik bedarf nicht das Stillstellen des Krafteinflusses dieser Menschen, aber sie bedarf sicher und dringend einer gesicherten, freien und gesetzlich gesicherten Realkonkurrenz eben dieser Tugenden und eben dieser Vorzüge, um in einzelnen, ausgezeichneten Individuen noch höhere Tugenden und noch höhere Vorzüge möglich zu machen. Sie bedarf einer allgemeinen Erhebung der Nation über die Schranken, in welche sich diese Tugenden immer mehr verengern, isolieren, und dadurch für die Nationalerhebung gleichsam verloren gehen. Es ist traurig, aber wir dürfen es uns nicht verhehlen: die öffentliche Erziehung der Masse, selber der regierungsfähigen Geschlechter, welche die Erzielung dieses vaterländischen Bedürfnisses hätte anbahnen und möglich machen sollen, war in den meisten unserer Hauptstädte seit Menschenaltern ebenso vernachlässigt , als die Erziehung des übrigen Volkes. Die eigentlichen Familiensöhne hatten indessen hierin den Vorzug, daß sie durch ihre Verhältnisse täglich in Kreisen von bildenden Staatsumgegebungen lebten, daher hatten sie auch gewöhnlich viele Standes- und Lebensgewandtheit, vielen Anstand und ein gutes äußeres Benehmen; aber ihre eigentlichen Einsichten blieben im allgemeinen immer beschränkt und einseitig.

Am Herkommen festhangend, scheuten sie von jeher das tiefere Erforschen selber des Ursprünglichen und Wesentlichen im Herkommen, und blieben in den Schranken einiger ihren Verhältnissen anpassender und vom Vater auf den Sohn herab geerbter Alltagsmaximen unerleuchtet in allem, was eine tiefere Erforschung der Menschennatur und des menschlichen Lebens voraussetzt, und daher mißtrauisch gegen alles, was zur Volkserleuchtung und Volksbildung hinführen könnte. Also auf der einen Seite der Erleuchtung für sich selbst bedürfend, auf der anderen gegen sie mißtrauisch, nehmen sie immer einige gute Köpfe aus dem Volk, die sich unbedingt in ihre Zwecke fügten, deren Familien aber nie hoffen durften, einen wirklichen bleibenden Einfluß in die Regierung zu erhalten, gern in ihren Dienst auf, lebten mit ihnen in freundschaftlichen Verhältnissen, und einige der minder Edlen machten sich sogar oft mit ihnen eine heitere Stunde über das Regieren und seine Künste. Aber höher ausgezeichnete Männer, die über sie erhaben, selbständig in ihren Kenntnissen und Bestrebungen dem Volk und dem Vaterland ohne Rücksicht auf Nebenverhältnisse zu dienen imstande und geneigt gewesen wären, fanden bei ihnen höchst selten eine gute, zu oft nicht einmal eine erträgliche Aufnahme.

Sie liebten es im allgemeinen nirgends gar sehr, daß irgendeine Art von Menschen, die nicht durch ihr Interesse näher an sie gebunden war, sie und ihr öffentliches Tun näher zu erkennen in die Lage gesetzt würden. Bedeutende Fremde wurden bei einem vorübergehenden Besuch in jedem Fall ausgezeichnet wohl von ihnen empfangen, aber einen verlängerten Aufenthalt derselben bei ihnen liebten sie in dem Grad nicht, als solche Männer mit Einsicht und Tiefblick Interesse an Staatsangelegenheiten, am Volk und an der Volksbildung nahmen, und in ihren Ansichten und Äußerungen hierüber sich nicht mit oberflächlichen Gemeinplätzen abspeisen ließen. Sie machten auch gewöhnlich kein Geheimnis aus dieser Abneigung, und verbargen die Ursache, die sie dazu bewog, gar nicht. Einige der unedleren, aber kraftvollen Männer dieser Partei machten sich vor der Revolution im Gegenteil hier und da nicht das Geringste daraus, öffentlich zu behaupten, die nicht regierungsfähigen und zum Teil künstlich nicht regierungsfähig gemachten Mit- und Staatsbürger müßten durch die Erziehung nicht zu Einsichten gebracht werden, die sie zu Gelüsten nach der Teilnahme an der Regierung hinführen könnten, und darum ihnen nicht gebühren.

Solche Äußerungen waren auch bestimmt vielseitig nicht bloß Äußerungen unbedeutender Individuen, sie waren hier und da selber nicht bloß Äußerungen der Minorität in der Regierung, sondern vielmehr der bestimmte und offene Ausdruck der wirklich bestehenden und herrschenden Staatsmaximen und Regierungsmaßregeln. Daher ist es auch notorisch, daß die öffentliche Volkserziehung, insofern sie vom Staat abhing, in unserem Vaterland hier und da von Menschenalter zu Menschenalter immer beschränkter wurde, und gar nicht in die eigentliche und allgemeine Entfaltung der Grundkräfte des menschlichen Denkens, Fühlens und Handelns eingriff, sondern sich vielmehr bloß um ein oberflächliches Einüben einiger zum Teil unfruchtbarer Kenntnisse und Fertigkeiten herumtrieb. Es ist notorisch, die höheren Resultate der Einsichten, die auch nur von ferne die Möglichkeit des Widerspruchs gegen Behördenunrecht, Behördenirrtümer und Behördenschwäche anzubahnen schienen, waren von Menschenalter zu Menschenalter in unsrer Mitte, soweit dieser Geschlechtergeist herrschend war, immer weniger (con amore)# ins Auge gefaßt; im Gegenteil, es wurden in den diesfälligen Ansichten, selber in solchen, die unsere Väter allgemein für wesentliche Fundamente des Landessegens angesehen, Staatsgefahren gewittert und ihnen mit vieler Kraft und mit vieler Kunst, und leider oft sogar mit vieler Leidenschaft und mit großem Erfolg entgegengewirkt. Hier und da wurden einsichtsvolle Männer gar oft nur um deswillen verhaßt, verleumdet, und ihnen das Mißfallen damit bezeugt, daß man ihnen den Brotkorb höher zu legen sich nicht schämte. Die Lage vieler edler, aber gehaßter Männer wurde aus diesem Grunde notwendig und wesentlich drückend.

Vaterlandsfreund! Du magst da deine heiligsten Pflichten zur Ehre und zum Nutzen deiner Mitbürger und deiner Stadt- und Dorfgemeinde noch so treu, großartig und hochgesinnt erfüllen, solche Menschen werden dein Weib und deine Kinder dennoch soviel als möglich leiden machen, damit du, wie sie sagen, zahm werdest, d.h. aber in der Wahrheit, damit du aufhören müssest, gegen sie gerecht und mutvoll reden und handeln zu dürfen.

Umsonst zeichnet sich ein aus solchen Gründen und von solchen Menschen gehaßter und verleumdeter Bürger als edel und gut aus, umsonst ist er brauchbar und sogar unersetzbar, man versperrt ihm in den Wohnsitzen der Leidenschaft und der Selbstsucht den Weg zur Ehre und zum Ansehen mit unerbittlicher Gewalt. Ob das Vaterland darunter leide, ob dasselbe in wesentlichen Angelegenheiten weniger gut bedient werde, darauf kommt es bei solchen Parteimenschen gar nicht an. Sie gehen darüber als über etwas ganz Unbedeutendes hinweg, weil nach ihrer Meinung höhere Ansichten und höhere Beweggründe obwalten, als daß das ein wenig mehr oder minder gut Bedientsein des Volkes - des Vaterlandes - diesfalls in Erwägung kommen sollte. Wahrlich, es ist hierüber hier und da mit uns weit gekommen.

Wenn ehemals solche Bedenken auch an die Leidenschaftlichsten unserer Partei- und Gewaltsmenschen gelangten, so schwiegen sie doch meistens dazu still, und zuckten höchstens die Achseln. Aber jetzt, da die Politik durch das Gemeinwerden des Unrechts aller höchst gewandt, aber damit auch schamloser und frecher geworden, so schweigen solche Parteimenschen gegen das Alltagszeug solcher Volkseinwendungen jetzt nicht mehr; sie wissen darüber in jedem Fall aus dem Stegreif Bescheid, und zwar weit besser als auf einige juristische Probleme. Das Modewort, das sie für den Augenblick gegen jede ihnen ungelegene Bemerkung über die wesentlichsten Erfordernisse der guten Besorgung des Volkes, d.i. über die wesentlichsten Bedürfnisse des Regierens allgemein im Mund haben, ist dieses: das alles seien metaphysische Grübeleien, die, weil sie nicht nur das Volk, sondern die Regierungen selbst verkleinern und Unschlüssigkeiten in die Regierungsmaßregeln hineinbringen, durchaus unterdrückt werden müssen. - Das ist freilich schon stark abgesprochen, doch trägt es das Gepräge der Selbstsucht noch nicht ganz offen an der Stirne. Die unbescheideneren dieser Leute lassen sich aber hier und da auch noch das Letzte zu Schulden kommen. Ich weiß den Fall, daß ein Mann von ausgezeichneten Verdiensten, ich darf wohl sagen, ein in seinem Fach unersetzbarer Mann, sich wegen eines passe-droit, das man ihm spielte, bei einem solchen übermütigen Mann beklagte, und seiner Klage entschlossen beifügte, daß er nicht nur in jedem Fall seine Pflicht als ein Ehrenmann getan, und jeden Befehl seiner Oberen mit pünktlicher Genauigkeit erfüllt, sondern sich auch schmeicheln dürfe, durch die erschöpfende Anstrengung seines Pflichtlebens den Dank seiner Mitbürger und des Vaterlandes verdient zu haben.

Das übermütige Regierungsmitglied antwortete seinem Mitbürger: "Es ist uns nicht genug, daß man in unserem Dienst seine Pflicht tue, wir fordern auch, daß man an unsere Personen, an unser Interesse, an unsere Familien und an unsere Regierungsmaximen anhänglich sei; und das ist's, mein lieber Herr, worüber man ihm nicht alles zutraut und nicht alles zutrauen darf." Ich hätte in diesem Augenblick wie im englischen Parlament ausrufen mögen: Hört! hört! Vaterland! höre! höre! Mitbürger! höret! höret!

Die Folgen der Umstände, Lagen und Verhältnisse, die eine solche Erniedrigung der republikanisch rechtlichen Stellung freier Bürger auch nur möglich machen, und auch die Folgen von Äußerungen, die eine solche Erniedrigung voraussetzen oder einzulenken geeignet sind, wenn sie, ich will nicht sagen, aus dem Mund vaterländischer Regenten, aber ich muß sagen, aus dem Mund anmaßlicher und unwürdiger Individuen der regierenden Geschlechter ins Volk geworfen werden, sind an sich sehr groß, und in dem Grad noch größer, als das Volk, das durch dieselben erniedrigt wird, und erniedrigt werden soll, ein edles, von Europa geschätztes, und sogar vom Weltteil bewundertes freies Volk ist. Sie würden es besonders dann sein, wenn die Gesinnungen, Handlungen und Ansprüche, die solche Äußerungen veranlaßt haben, noch in ihrem Wesen und in ihrer inneren Bedeutung altvaterländisch rechtliche Handlungen, Gesinnungen und Ansprüche freier, sich in ihren Rechten gekränkt und gedrängt fühlender Männer wären und als ein trauriger, ohnmächtiger Nachhall der hohen und edlen Freiheitskraft unserer Väter müßten angesehen werden. Unter den gegebenen Umständen wären solche Äußerungen eine wahre Hohnsprechung auch noch der letzten Spur der bürgerlichen Freiheitskraft, die es wagt, den mangelnden alten Vatersinn der Regierung der ihm entgegenstehenden Zeitselbstsucht in das Gedächtnis und die Einbildungskraft nur zurückzurufen, und des Zustands auch noch zu gedenken, aus dessen Segen die Genießungen der Selbstsucht, die ihm jetzt in unserer Mitte entgegenstehen, wesentlich hervorgegangen.

Wenn wir da wären, Vaterland! Mitbürger! wenn wir dahin versunken wären, daß wir den Nachhall des Geistes und des Herzens unserer Väter unserem Zeitvolk auch nicht einmal mehr wahrhaft und kraftvoll ins Gedächtnis und in die Einbildungskraft zurückrufen dürften, wenn wir dahin gekommen wären, diesen Nachhall des guten Tons unserer Väter auf irgendeinem bedeutenden Punkt des Vaterlandes in der Brust gekränkter leidender Bürger, auch wenn er sich schwach, ohnmächtig und unbehilflich ausdrücken würde, zu ersticken, wenn wir dahin gekommen wären, die Kräfte des Geistes und des Herzens unserer Väter, und zwar um einer vorübergehenden - Zeitpolitik willen, unseren Zeitmenschen, d.i. unseren lebenden Mitbürgern nicht einmal mehr im schwachen Nachhall unseres lebenden Geschlechts zurückrufen zu dürfen, Männer! Mitbürger! Vaterland! wo wären wir denn? - Doch, wir sind noch nicht da. Es mangelt uns im Ganzen noch nicht an dem inneren Wesen weder des Vatersinns noch der Bürgerkraft. Beide sind nur durch das uns selbst drückende und verwirrende Zivilisationsverderben in uns selber kraftlos gemacht und in ihrer höheren und allgemeineren Wirkung stillgestellt. Es, das Zivilisationsverderben, hat das innere Leben des altvaterländischen Volksgeistes - selber in den gemeinen, niederen Klassen - im allgemeinen mehr bloß der Mittel, äußerlich in seiner Wahrheit zu erscheinen, als seiner inneren Kraft beraubt, vor Europa wieder unserer Väter würdig dazustehen, wenn unser Volk nur für äußere Darstellung seiner noch nicht verlorenen Kraftmittel Handbietung und Aufmunterung fände. Aber so gewiß es ist, daß unser Nationalgeist sich in allen Ständen und Verhältnissen noch immer bis auf einen gewissen Grad in seinen ursprünglichen Ansichten und in seinen ursprünglichen Vorzügen erhalten, so soll uns das dennoch nicht einschläfern; es soll uns im Gegenteil aufmuntern, die Quellen, die die Erlahmung und das Stillstellen der lebendigen Kraft unserer Väter herbeigeführt haben, immer tiefer zu erkennen, ihnen immer mehr mit innerer Wahrheit des Geistes und Reinheit des Herzens entgegenzuwirken. Wir dürfen uns nicht verhehlen, so wie eine unvernünftig und unverhältnismäßig große Hauptstadt die wesentlichsten Kräfte eines Königreiches verschlingt und vergiftet, also verschlingt und vergiftet eine unvernünftig und unverhältnismäßig angeschwollene Familiengewalt die wesentlichsten Kräfte eines Freistaates.

Die Wahrheit dieser Ansicht steht als Tatsache vor unseren Augen, und die Folgen davon sprechen sich in der unverkennbaren Erniedrigung eines großen Teils unseres Bürgerstandes und in den vielseitigen diesfälligen Verlegenheiten unserer Regierungen laut aus, denen es ganz gewiß schwer wird, den Mangel eines allgemein kraftvolleren Bürgerstandes in ihrer Mitte zu fühlen, und die Mittel nicht zu haben, ja kaum zu erkennen, durch die es allein möglich, den wesentlich großen Staatsübeln, die daraus erfolgen, abzuhelfen, und unser Volk wieder zu der Würde zu erheben, die einem freien Volk wesentlich zu besitzen gebührt. Ich klage indessen die jetzt lebenden Individuen dieser Familien diesfalls gar nicht besonders und als solche an. Der Mehrteil von ihnen ist nicht nur zum Teil mit ausgezeichneten Administrationsfertigkeiten, sondern auch mit vielem guten Willen fürs Vaterland den Folgen des Unrechts und der Irrtümer der Vorzeit und der die Schwäche der die Menschennatur allenthalben ergreifenden und hinreißenden Lebensgenießungen unterlegen. Ich sage es mit Überzeugung, ihr Unrecht ist ihnen scheinbar als ihr Recht, und die höchste Ungebühr ihrer Ansprüche als ihr Eigentum, als das Erbteil ihrer Väter in die Hände gefallen, und es ist bei ihnen mehr das Unglück ihrer Lage als ihr Fehler, daß sie die Wahrheit ihres Verhältnisses zu ihren freien Mitbürgern und zu ihrem freien Vaterland nicht mehr in seiner reinen ursprünglichen Natur zu erkennen vermögen.

Vaterland! Kann man ihr Unrecht mehr, kann man es menschlicher entschuldigen, als ich es tue? Aber ist es um deswillen weniger klein, ist sein Einfluß auf das Vaterland weniger bedeutend und soll man um der ihre Fehler persönlich entschuldigenden Umstände willen diese Fehler selber nicht mehr in ihren Ursachen bekämpfen? Ich meine, dies hieße dem Vaterland mangeln, um einigen seiner Individuen auch nur die fernste Schamröte zu ersparen, und das wäre dann doch wohl zuviel. Ich habe mit Bescheidenheit, Sorgfalt und Menschlichkeit über den diesfälligen Zustand meines Vaterlandes gesprochen, und über den Einfluß der bürgerlichen Familienansprüche auf das Ganze der Nationalkraft, der Nationalwürde und des Nationalsegens des Schweizerlandes nicht mehr gesagt als in Monarchien jeder Bauernsohn, der ein paar juristische Kollegien gehört, über den Einfluß des hohen und niederen Adels und seiner Familienansprüche auf das Ganze der Nationalkraft, der Nationalwürde und des Nationalsegens der Monarchie, in der er lebt, frei und offen sagen darf. Aber freilich ist das Verhältnis der regierenden Familien in Republiken gegen ihre Mitbürger, d.i. gegen den Staat nicht das nämliche wie das Verhältnis des Adels in Monarchien gegen die Masse ihrer Mitbürger, die ihre Mituntertanen sind.

Menschlich und sittlich betrachtet, ist es indessen gewiß, und der Gesichtspunkt muß bei aller Wahrheit und Strenge der Sache das Urteil über die Personen nicht nur überhaupt mildern, sondern wesentlich bestimmen, daß, wo die Grundübel der Staaten soviel als einen ganzen Weltteil außer das Gleichgewicht des Rechts und außer den Segen der reinsten Menschlichkeitsverhältnisse hinausgeworfen, da sind fehlerhafte, unbürgerliche Handlungs- und Denkweisen nur als Folgen von seit Jahrhunderten allgemein eingewurzelten Staats- und Standesverirrungen anzusehen. Die Mittel zu helfen, müssen in diesem Fall nicht vom partiellen Zustand einzelner Teile, sondern vom allgemeinen Zustand und von den allgemeinen Bedürfnissen des Ganzen ausgehen. Wo eine Wunde in der Tiefe eitert, da muß sie auch in der Tiefe sondiert werden, und wo Menschenübel und Menschenverderben tief und lang in die Menschennatur eingegriffen, da müssen die Mittel, ihnen abzuhelfen, ebenso tief in der Menschennatur erforscht und aus derselben hergeleitet werden.

Das Weltverderben, wie es in aller Schamlosigkeit seiner Selbstsucht, und in aller Eitelkeit seiner Schwäche allgemein vor uns steht, ist offenbar ein Übel von dieser Natur, und nebenbei ist jedes alte Standesverderben auch ein altes Menschenverderben. Darum können auch alte, abgestorbene Verfassungen überhaupt nicht leicht, und besonders nicht leicht von Menschen, die im und vom Verderben eben dieser Verfassungen durch ihr ganzes Leben genährt, darin erzogen, gebildet, und zum Teil in demselben noch grau geworden (sind), erneuert, wiederhergestellt und in ein neues Leben gerufen werden.

Freund der Menschheit! Freund des Vaterlandes, erforsche das Verderben, dem Europa und auch du, mein Vaterland, unterlegen, in seinen Ursachen und Quellen! Verhehle es dir nicht, es ist historisch richtig, daß Frankreichs Hofton, daß der Ton seiner Hauptstadt, seine Theater, sein Luxus, seine Feudalverhärtung sein die Rechte der Stände höhnendes königliches (bon mot - L'Etat? - c'est moi!) sein (Tel est notre bon plaisir), seine mit diesen (bons mots) und (bons plaisirs) zusammenhängenden Finanz- und Militärgrundsätze, seine von diesem Tun und Leben der Nation ausgehende und von ihr abhängende Literatur, und damit seine Zivilisationserziehung, den Ton der meisten Höfe des Weltteils, ihrer Hauptstädte, ihrer öffentlichen Behörden-Gewalten und selber ihrer Erziehungs- und Bildungsanstalten bestimmt, und so wie dieser Ton war, beides, die Throne über ihr wesentliches Interesse irregemacht und zugleich den Gemeingeist, die Gemeinkraft der Völker sinnlich beschränkt, erniedrigt und gehindert, zu der geistigen, sittlichen und bürgerlichen Erhebung und zu der menschlichen Veredelung zu gelangen, zu welcher die meisten europäischen Völker ohne Einfluß Frankreichs gereift wären.

Es ist hier nicht der Ort, und ich vermag es auch nicht, die Geschichte dieses Einflusses und seiner Folgen von ihrem Ursprung an zu erforschen. Ich fasse denselben nur von dem Zeitpunkt meines Lebens und selber nur von der späteren Epoche desselben ins Auge.

Das erste, mir seit meinen reifen Jahren immer aufgefallene Resultat seines Einflusses war die der Revolution vorhergegangene notorische, sittliche und bürgerliche Erschlaffung der Völker Europas.

Das zweite, die sanskulottische Erhebung der Völker gegen die der Menschennatur auch in ihrer Schwäche unerträgliche Erschlaffung der Staaten.

Das dritte, Bonapartes siegende Unterdrückung der sanskulottischen Volksempörung und der Völker selber.

Das vierte, Bonapartes Sturz und die vom Weltteil gegen die Übel, die er litt, und gegen Bonaparte selber genommenen Maßregeln.

Das fünfte, Bonapartes Wiedererscheinung und ein Ruf Gottes an den Weltteil, die Ursachen seiner Wiedererscheinung zu beherzigen, und das Wohl unseres Geschlechts und das Wohl der Völker und der Throne auf einen höheren, auf einen edleren Gemeingeist, auf eine höhere Gemeinkraft und ein lebendigeres und würdigeres Gemeininteresse zu bauen als dasjenige war, was von Frankreichs Hofton, Luxus, Theater, Behördengewandtheit usw. usw. ausging, und was uns seit Jahrhunderten ihm blind nachäffen und die blinde Nachäffung mit Millionen blutigen Opfern bezahlen gemacht hat.

Aber gegen ein solches - gegen ein so tief und so von weitem und von langem her begründetes Weltverderben taugen doch halbe Maßregeln auch gar nichts. Es ist desnahen auch der Menschheit in unserem Zustand schwer, sehr schwer zu helfen. Wir sind seit Jahrhunderten an die Mißkennung unserer selbst, an halbe Maßregeln und an ein gedankenloses Schlummern im Glück gewohnt; wir kennen das Unglück nicht, und haben nicht gelernt, das Glück zu benutzen.

Und selber das Glück, selber das größte Glück, das Gott Leidenden, sie zu retten, geben könnte, wenn es nicht benutzt wird, hilft nichts mehr; wenn halbe Maßregeln die guten Folgen desselben allgemein stillstellen und zernichten, so war es umsonst da. Es ist wahr, alle Siege über die Folgen des Verderbens, in das wir versunken, helfen zum Wohl der Menschheit nichts, gar nichts, wenn wir die Ursachen derselben nicht mit eben dem Mut bekämpfen, mit dem wir einige ihrer Folgen überwunden. Wenn du einen stinkenden giftigen Rauch zwar für den Augenblick dämpfst, aber den ihm zugrunde liegenden glühenden Brand nicht auslöschest, was hast du damit gewonnen? Der Rauch wird bald wieder ausbrechen und an deinem Deckmantel noch selber Nahrung für sein Gift und für seinen Gestank finden. Es ist ein Unglück, daß wir der Übel, die am Herzen der Staaten nagen, so gewohnt sind, daß wir ihrethalben fast nie weiter gehen als solche Zeit- und Augenblicksdeckmäntel für sie zu suchen. Doch nein, die französische Manier, diese Deckmäntel zu gebrauchen, hat uns so weit gebracht, daß wir sie in ihrer ganzen Nichtigkeit erkennen und ihrer nicht mehr viel wollen, im Gegenteil, unser Übel und unser Verderben selber als einen beständigen unveränderlichen Zustand des Menschengeschlechts und seiner Natur ansehen, und so dem lieben Gott auf Rechnung stellen.

Es ist unglaublich, wie weit wir in dieser Hinsicht oft gehen. Der Zwergmensch am Nordpol, der den Zustand seiner selbst und der ihn umgebenden gefrorenen Erde für den Zustand der Menschennatur und des Erdballs ansieht, verirrt sich in der Beurteilung der Menschennatur nicht stärker als wir, wenn wir unseren bürgerlichen Zeitzustand, d.i. unsere Personal-, Stadt-, Ort- und Behördenschlechtheit als den Zustand der Menschennatur und als die Schlechtheit des Menschengeschlechts ansehen. Eine Mühle, bei der das Wasser abgestanden oder gar abgegraben worden, ist keine Mühle mehr, und, wer dem Advokaten gleich, dem der alte Fritz das Mühlenrecht (ad hominem)# begreiflich machte, die abgestandene und abgegrabene Menschennatur als die wahre, von Gott gegebene ansieht, der ist nicht nur als Mensch, er ist auch als Staatsmann ein Schwächling; und, welchen Platz er auch selbst in der Regierung einnimmt, er ist für das innere, höhere Wesen der Regierung untauglich: die allfällige Handwerkskraft seiner Routinenregierungsgewandtheit ist keine wahre Regierkraft. Er kann mit seiner Kraft den Vorschritt des Menschengeschlechts nicht fördern, er kann ihn damit nur stillstellen.

Die innere Kraft der Menschennatur ist die Kraft Gottes. Ein menschlichkeitsleeres Regieren, ein Regieren, das diese Kraft Gottes nicht kennt und sich nicht auf sie als auf ihren ewigen Hintergrund stützt, ist kein menschliches, es ist kein göttliches, es ist kein dem Menschen von Gott gegebenes und eingegebenes Regieren, und hätte es sich auch im Kreis seiner Routinefertigkeiten und seines Routineschlendrians zur höchsten Gewandtheit erhoben.

Es ist zwar leicht, es braucht an Kopf und Herz außerordentlich wenig, die gewöhnlichen Handlungen eines solchen Regierens täglich mitzumachen und selber in seinem Routinegleis zu Zeiten darin einen Schritt weiter zu gehen. Es ist z.E. auf der Welt Gottes nichts leichter, als wo eine alte Zollbude nicht mehr genug einträgt, gerade neben ihr noch eine neue aufzustellen. Ebenso ist nichts leichteres als einen armen Dieb aufhängen und eine verirrte Kindesmörderin enthaupten zu lassen. Und hinwieder ist gleichfalls nichts leichteres als einen armen Bauern, der vor der Schildwache so unehrerbietig vorbeigeht als unsere Väter vor Gesslers Hutstange, dafür abprügeln zu lassen; aber gesetzlich zu bewirken, daß die Zölle und Taxen den Verkehr im Land beleben, daß der Landesroheit, der Dieberei und der Unzucht wirklich und wesentlich Einhalt getan und eine allgemeine, öffentliche, den Volkssinn ergreifende, das Volksleben durchdringende Achtung gegen alles Ehrwürdige und Heilige erhalten werde - das ist schwer, sehr schwer.

Für das andere, für das, was das Regieren leicht macht, für das Routine- und Schlendriansregieren wird man eigentlich abgerichtet, und man weiß ja, wer zu etwas gut abgerichtet ist, dem wird auch das Unnatürlichste leicht. Darum wachsen auch beides, das Bedürfnis des Abrichtens und die Künste des Abrichtens, in jedem Staat und in jedem Zeitpunkt immer in dem Grade, als man darin unnatürlich lebt, und weil man unnatürlich lebt, auch unnatürlich regieren muß. - Das Geheimnis dieses Regierens besteht aber ewig darin, die physische Gewalt dem inneren sittlichen und geistigen Wesen des Regierens unterzuordnen und dann dem unnatürlichen Suppleanten des heiligsten göttlichen und menschlichen Rechtes sein schlechtes Regieren noch recht leicht zu machen, und dafür dienen dann die Künste des Abrichtens vortrefflich. Sie sind auch gewöhnlich bei einem Volk in dem Grad leicht anwendbar, als es bildungslos ist.

Im Grunde ist das Abrichten des Volkes allenthalben leicht, es ist nach allen Formen sehr leicht, ganze Menschenhaufen zu allerhand, was man will, zur Tierjagd und sogar zur Bettler-, zur Menschenjagd abzurichten; aber zu machen, daß diese abgerichteten Geschöpfe menschlich bleiben und edel und gut, das ist wahrlich nicht leicht, und kann es nicht sein. Das aus der sinnlichen Natur abstrahierte und sinnlich auf das kulturlose Menschengeschlecht einwirkende allgemeine Abrichten und Manipulieren des Volkes ist wesentlich geeignet, die menschliche Seele in ihren Grundgefühlen und Grundansichten zu verhärten. Es bringt den Menschen und selber den Regenten dahin, daß er aus den sinnlichen Lebensgenießungen, zu denen er dadurch, daß er abgerichtet worden, hingelangt ist, alles in allen macht, und wenn er Gewalt dazu hat, ihm untergeordnete, unschuldige und schwache Geschöpfe in den Staub tritt, und außer [den Genuß] aller Menschenfreuden und alles Menschensegens wirft, bloß weil sie an Leib und Seele, d.i. in allem ihrem Fühlen, Denken und Handeln nicht abgerichtet sind wie es ihm diente, bloß weil sie der Quelle seiner sinnlichen Lebensgenießungen, dem kulturlosen Dienstabrichten des Menschengeschlechts nicht den Wert geben, den er ihm gibt, und weil es, um in der Mißstimmungssprache des Mannes und seinesgleichen zu reden, verdammte Kerls, Schlingel, Bauern sind, die keinen Respekt für abgerichtete Männer im Lande, wie er einer ist, zu zeigen gelernt haben. Das Schlimmste von der Sache ist, daß solche Menschen glauben, sie denken also, weil sie das Regieren verstehen, und dann hinwieder glauben, sie verstehen das Regieren, weil sie wirklich regieren, und bei allem, was und wie sie regieren, immer durch die Welt kommen und nicht - abgesetzt werden.

Solche Menschen müssen das Regieren, wenn sie es schon niemand sagen, als Erfahrungssache allgemein leicht finden; sie wissen es sich auch leicht zu machen, der grobe Schulze im Dorfe Kotloch sowohl als der artige Bürgermeister im Städtchen Krähwinkel, der schnurrbärtige Korporal sowohl als der Haudegen, der General ist. Man weiß sich in jedem Fall kurz und gut zu helfen; man legt präliminariter, als wäre man durch seine Stelle dazu privilegiert, alles Zartgefühl, auch wenn man es in Partikularangelegenheiten für heilig achtet, in Regierungsangelegenheiten beiseite und schneidet in jedem Fall den Knoten, den menschlich aufzulösen zuviel Mühe geben möchte, mit der Gewaltschere entzwei, oder beißt ihn, wie der Biber den Balken, aus dem er sich seinen Damm bauen will, mit seinem Gewaltszahn entzwei, und mit solchen Mitteln überwindet man in unserer Welt alles. Die Schwierigkeit, die etwa Wahrheit, Recht und Menschlichkeit auch der höchsten Leichtfertigkeit des Regierungsschlendrians entgegensetzen wollten, verschwindet so wie eine Seifenblase vor den Gewaltskünsten und Abrichtungsmitteln jedes Schulzen in Kotloch und jedes Bürgermeisters in Krähwinkel.

Alles, gar alles geht bei solchen Mitteln und bei solchen Künsten gar leicht. So ist es z.E. im Kampf zweier beiderseits entwürdigter Parteien der siegenden, ohne viel Verstand dazu zu brauchen, gar leicht, angefeindete Glieder ihrer Gegenpartei bei ganz unbedeutenden Fehlern auf Zivil-, Polizei-, Finanz-, Kriminal- und Militär-Wegen zugrunde zu richten, und, indessen, zehnfach größere Fehler von Individuen ihrer Partei nicht nur ungestraft durchschlüpfen, sondern noch vor ihrem notgläubigen Zeitvolk als verdienstvolle Handlungen und vaterländische Tugenden erscheinen zu machen. Das alles ist gar leicht, aber es ist nicht Regieren, wahrlich, das Gegenteil davon wäre Regieren; aber es wäre auch schwer, es setzte Menschenwürde, wahre Erleuchtung, gründliche Kenntnisse und Charakterstärke voraus, und das ist nicht jedermanns Sache, und es wird an wenigen Orten jedermann dafür geboren, und an noch wenigeren Orten ihrer viele dafür erzogen. - Wohl wachsen Schwämme leicht aus dem Mist, wenn es nur regnet, aber Menschenwürde, Geistestiefe und Charaktergröße wächst nicht aus der Routine hervor, wenn ihr auch die Sonne scheinet, und der Geist des Abrichtens und das Wesen des Abgerichtetwerdens ist ihnen wie Gift entgegen. Das aber entscheidet über unseren Gesichtspunkt:

würde-, geist- und charakterlose Menschen sind unfähig, unser Geschlecht menschlich und würdig zu regieren. –

Darum müssen solche Menschen immer dahin kommen, das Gewaltbrauchen und das Regieren miteinander zu vermischen, und die Mittel des Gewaltbrauchens und des Abrichtens, die physisch sind, für Regierungsmittel, die vom Geist, und für Regierungsweisheit, die vom Herzen ausgehen sollen, ansehen. Ihr Irrtum ist groß. Die Mittel des Gewaltbrauchens sind an sich so wenig Mittel des Regierens als die Axt, mit der man die Hochstämme im Walde umhaut, eigentlich ein Anpflanzungsmittel eines Hochwaldes ist. Solche Menschen überschätzen gewöhnlich nicht nur den Wert aller durch Abrichtung eingeübten Dienstkraft, sondern werden noch über das Wesen des Dienstes selber so blind, daß sie im gewandten Dienstmanne das Heilige der Diensttreue nicht einmal von der niedrigsten Dienstheuchelei unterscheiden können, sondern in ihrer diesfälligen Blindheit sehr oft das Verbrechen des letzteren der Unschuld des ersteren weit vorziehen.

Freunde der Menschheit! Ich rufe nicht diese Schwächlinge der Zeit, ich rufe nicht diese vom Zivilisationsverderben hingeraffte, für das wahre menschliche Leben soviel als tote, an das Verderben der Welt wie eine Schnecke an ihrer Schale angewachsene Schwächlinge zur Rettung des Menschengeschlechts auf. Ich weiß wohl, es gibt Kraftmänner an der Spitze dieser Schwächlinge, ich weiß, es gibt in den weiten Meeren, wo die Sonne glühend scheint, Kraftschnecken von seltenem Wert; aber auch die schönsten, die seltensten von ihnen sind Schnecken; nur ihre Schale ist selten und kostbar, sie selber sind verächtliche Würmer, und kleben, wie die gemeinen Hagschnecken, die zu tausenden um uns herkriechen, unzertrennlich an ihrer verhärteten Schale, eben wie die Helden des Tiersinns am Kot der Erde. Dennoch verachte ich sie nicht, ich verschmähe nur ihre Hilfe zur Rettung des Menschengeschlechts von dem Verderben, das sie selber erzeugen, unterstützen, erhalten, nähren und vermehren. Aber insoweit verschmähe ich auch ihren ersten Helden, und weiß dabei auch ganz wohl, wen ich verschmähe. Er steht herrschend vor mir. Sein Name ist Legion. Er führt seinen Knecht auf die Zinne des Tempels, zeigt ihm die Herrlichkeiten der Welt und sagt zu ihm: Das alles ist dein, wenn du mich nur anbetest. Ich weiß, wen ich verschmähe, aber ich weiß auch, wen ich anbete. Ich weiß, von wem es heißt: Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir dein Lob bereitet. Ich weiß, was es heißt: Eins ist not, und Maria hat den besseren Teil erwählt. Ich weiß, was es heißt: Wenn dein Auge hell ist, so ist dein ganzer Leib hell, und wenn deine Füße gewaschen sind, so bist du ganz rein. Ich weiß, und ich darf es aussprechen: Meine Augen haben das Ziel, nach dem ich strebe, wenn auch noch in weiter Ferne, dennoch erkannt, sie haben es wirklich und in der Wahrheit erkannt. Ich weiß, an was und an wen ich glaube, und im Glauben an ihn, der das zerkleckte Rohr nicht zerbricht, und den glimmenden Docht nicht auslöscht, im Glauben an ihn, der nicht will, daß jemand verlorengehe, sondern alle das Leben haben, spreche ich das Wort aus:

Es ist für den sittlich, geistig und bürgerlich gesunkenen Weltteil keine Rettung möglich als durch die Erziehung, als durch die Bildung zur Menschlichkeit, als durch die Menschenbildung! Es ist für die Erhebung des Weltteils und auch für deine Wiederherstellung, teures, gesunkenes Vaterland! kein Rettungsmittel wahrhaft wirksam als eine psychologisch tief erforschte Ausbildung der sittlichen, geistigen und Kunstanlagen unseres Geschlechts.

Jeder unpsychologische, jeder selbstsüchtige, jeder beschränkte, jeder von der überwiegenden Belebung der sinnlichen tierischen Anlagen unserer Natur ausgehende Versuch zur Bildung unseres Geschlechts, welche Verstandeskraft ihn auch ausgeheckt, und zu welcher Höhe des Vertrauens er sich auch im Verderben der Zeitwelt erhoben, er ist nicht geschickt, das Menschengeschlecht zu erheben, er ist nicht geschickt, den Übeln, denen es unterlegen, mit Erfolg entgegenzuwirken, er stürzt uns nur noch tiefer in den Abgrund, in dem wir uns befinden. Jeder Traum von der Rettung des Menschengeschlechts durch Irrtum und Gewalt unverständiger, Kunst- und Berufskraft mangelnder, herzloser und darum in ihren Mitteln leicht zur Unmenschlichkeit hinlenkender Menschen ist in seinem Wesen dem Versuch eines Mannes gleich, der ein sinkendes Haus dadurch aufrecht zu erhalten sucht, daß er eine große Last Steine unter sein Dach und an den Ort hinbringt, wo die Balken desselben sich schon unbelastet und von sich selbst zum Sinken hinlenken.

Wahrlich, wir sind im Fall, dieses im strengsten Sinn zu gefahren. Die Schwierigkeiten der Rettung der Menschheit und des Vaterlandes werden heute wesentlich durch unser sich verträumendes Vertrauen auf Maßregeln, welche in der Mißstimmung unserer selbst durch die Revolution veranlaßt worden, unaussprechlich erhöht. Die Schwäche, die unbürgerliche Kraftlosigkeit, in die die Welt vor der Revolution versunken, hat die große Mehrheit unseres Geschlechts sich in diesem wichtigen Zeitpunkt schwach, unpsychologisch und zum Teil schlecht benehmen gemacht, und die Folgen dieses schiefen und schwachen Benehmens liegen noch heute schwer auf uns. Wir müssen uns über dasselbe erheben. Aber wir können das nicht, bis wir dasselbe als schwach, schief und schlecht erkannt, und noch sind nur wenige unter uns zu dieser Kraft der Wahrheit in der Ansicht der wesentlichsten Zeitangelegenheiten der Welt und des Vaterlandes gelangt.

In dieser Rücksicht hat mich das Wort eines Mannes sehr erfreut, der sich in der Revolution als kraftvoll bewährt, der aber dennoch aller tieferen Einsichten in die wahre Führung des Menschengeschlechts ganz mangelt. Er sagte nämlich: "Wir sind durch die Revolution im ganzen Umfang unseres alten menschenfreundlichen Fühlens, Denkens und Handelns zugrunde gerichtet, aber wir waren auch gar nicht darauf vorbereitet, und sind gar nicht zu dem erzogen worden, was wir in diesem Augenblick hätten sein und tun sollen. Die Einsichten und Fertigkeiten, die in diesem Augenblick wesentlich gewesen wären, mangelten uns durchgehends. Daher kam es auch natürlich, daß sich in diesem Zeitpunkt so wenige in unserer Mitte ganz gut und niemand vaterländisch erhaben benommen. Nun, wir sind, haben wir's jetzt verdient oder nicht verdient, gottlob gut durchgekommen, und müssen jetzt alle, haben wir gegenseitig gefehlt oder nicht gefehlt, vergessen, was hinter uns ist, und nach dem streben, was vor uns ist. Wir müssen dafür sorgen, daß unsere Kinder besser erzogen werden und zu den Einsichten und Fertigkeiten gelangen, die uns zum Unglück des Vaterlandes, oder wenigstens zu seiner höchsten Gefahr in diesem Augenblick mangelten."

Dieser Mann war in der Revolution ein eigentlicher einseitiger Gewaltsmann, ein Bändiger, ein Volksbändiger, freilich in der besten, ehrlichsten Meinung. Aber ihm mangelte auch bestimmt alles, was, wie er jetzt selbst sagt, in diesem Zeitpunkt, wo nicht uns allen, doch so vielen, daß man sie leicht für alle nehmen könnte, mangelt. Sein Benehmen hat mich in der Revolution nichts weniger als erbaut. Aber ich möchte ihm jetzt für das Wort: "Wir müssen vergessen, was hinter uns ist, und streben nach dem, was vorne ist", ich möchte ihm für das Wort: "Wir müssen unsere Kinder besser erziehen als wir erzogen worden sind", zu Füßen fallen. Er hat mit diesem Wort alles ausgesprochen, was der Menschheit und dem Vaterland jetzt nottut. Nur Männer, die dieses fühlen, sind fähig, unseren Zeitübeln mit Erfolg und nicht bloß zum Schein entgegenzuwirken. Es ist gewiß, es sind nur solche, ich dürfte für den einen und anderen wohl sagen - reuende Sünder - aber ich sage nur, es sind nur solche, den Irrtum und die Schwäche der vergangenen Zeit tieffühlende, edle Menschen, durch die unser Geschlecht und unser Vaterland wieder zu den Kräften und Mitteln erhoben werden kann, derer wir so dringend bedürfen. Ebenso sind es nicht von Leidenschaft und Selbstsucht ausgehende, und mit der Sinnlichkeit und dem Tiersinn unserer Natur innigst zusammenhängende Einzelwahrheiten in der Erziehung und Bildung, es ist die Wahrheit, es ist die reine himmlische selber, die uns, die unseren Weltteil allein aus seinem Verderben zu erheben vermag.

Freund der Menschheit! Die Wahrheit, die göttliche, himmlische, brennt als hohes, heiliges Himmelslicht über uns am Sternengewölk, die einzelnen, die menschlichen Zeitwahrheiten sind Nachtlichtern gleich, die nur im Dunkeln und nur darum brennen, weil es dunkel ist. Du zündest sie am Abend an, und ehe der Morgen kommt, sind sie wieder erloschen; du tust den folgenden Abend wieder das nämliche, und am folgenden Morgen geschieht wieder das nämliche. So geht es alle Tage fort. Du erhältst durch sie nimmer, ewig nimmer ein ewiges Licht. Du darfst ihrem Feuer selber nicht trauen. Du mußt sie auf Leuchter stellen, die, wenn ein Funken von ihnen darauf fällt, nicht selber anbrennen. Wehe dir, wenn auch selber dein Freund sie dir in feuerfangendes Stroh hineinfallen läßt, und zehnmal wehe dir, wenn dein Feind sie dir heimlich und boshaft brennend unter die Balken deines Daches bringt.

So gewiß darf man dem Kerzen- und Lampenlicht einzelner menschlicher Wahrheiten nicht allzuviel Wert geben, und dann gibt es noch Schauspielerwahrheiten, die von der Selbstsucht erzeugt und von der Sinnlichkeit unserer gierigen Natur genährt sind. Viele, sehr viele Lieblingsansichten der Zeit, sind Erzeugnisse solcher Schauspielerwahrheiten, auch diese zünden oft eine Weile blendend in ihrem Kreis; aber nicht selten verbrennen sie den Gegenstand selber, den sie zu erleuchten glauben, und oft wirklich erleuchten wollen. Die Möglichkeit, die Menschheit wieder aus ihrem Verderben zu erheben, kann durchaus nicht von Wahrheiten dieser Art ausgehen, sie muß von Mitteln ausgehen, die die Menschennatur durch ein höheres, reineres Licht erleuchten; sie muß notwendig von Wahrheiten ausgehen, die in der Tiefe der Menschennatur selber gegründet, erhaben über die Blendwerke der menschlichen Traumsucht und der menschlichen Leidenschaften in uns selber von Gott gegeben darliegen. Und hier finde ich mich wieder auf dem Punkt, auf dem ich mich selber S. 36 gefragt habe: "Wo kann der Mensch und ebenso der Staat, wenn er in sich selbst verirrt, Hilfe finden gegen sich selbst; wo kann er Wahrheit finden gegen seinen Irrtum, und Rechte gegen sein Unrecht, wo kann er heilende Mittel finden gegen die Übel, unter denen unser Geschlecht leidet, als im Innersten seiner Natur, als in sich selber, wie er getrennt vom Einfluß des Volks- und Menschenverderbens in sich selbst, in seiner Unschuld und Reinheit mit lebendigem Gefühl der Wahrheit aller seiner besseren Kräfte dasteht, vor sich selbst, vor Gott und vor seinem Geschlecht?"

Ich finde mich wieder auf dem Punkt, wo ich S. 13 im Gefühl des Zivilisationsverderbens der Welt mich also äußerte: "In diesem Verderben ist die Menschenbildung nicht bloß die notwendigste, die dringendste, sie ist auch die seltenste und schwierigste Kunst. Ich staune nach ihr hin, ich achte sie selber als das höchste Gut. Aber wo soll ich sie suchen, wo soll ich sie finden, wo soll ich die alte Spur, die mich auf ihre Wahrheit, auf ihr inneres Wesen hinlenkt, suchen und finden, als im Kreis des häuslichen Lebens - in dem Tun der Mutter und in aller Kraft, und in aller Sorge ihres mütterlichen Sinns, in der Reinheit ihrer selbst, insofern sie sich dadurch entschieden von allem Tun weiblicher Wesen, die zwar Mütter, aber nicht Menschen sind, unterscheidet?" Freund der Menschheit! Wirf jetzt deinen Blick noch einmal auf den Gesichtspunkt des häuslichen Lebens und des menschlich mütterlichen Einflusses auf ihren Säugling, wie er als Anfangspunkt der Bildung aller menschlichen Kräfte und Anlagen und mit diesen als Anfangspunkt der Ausbildung aller wahren Staatskraft und zugleich und eben dadurch als der Anfangspunkt aller wahren Mittel, den wesentlichen Übeln des Staats- und des Zivilisationsverderbens in ihrer Quelle Einhalt zu tun, dasteht und wie [er] als solcher ins Auge gefaßt werden muß!

Dieser mütterliche Einfluß scheint zwar in seinem Ursprung instinktartig, aber er ist es nicht - er ist in seinem Wesen menschlich, und sein Gewalteinfluß, so lebendig und kraftvoll er auch auf die Mutter wirkt, ist von dem niederen Gewalteinfluß des tierischen Instinkts verschieden wie der Himmel von der Erde verschieden ist. Wäre er das nicht, würde der mütterliche Einfluß tierisch instinktarm auf ihr Kind wirken, so würde er die Anlagen unseres Geschlechts nicht menschlich entfalten, er würde auch die wesentlichen Staatskräfte nicht wahrhaft, nicht menschlich begründen und keineswegs den Übeln des Zivilisationsverderbens, unter dem fast die ganze Menschheit des Weltteils unterlegen, wahrhaft Einhalt zu tun imstande sein. Im Gegenteil, er würde das Welt-, das Zivilisationsverderben, er würde die einseitige und selbstsüchtige Ansicht der kollektiven Existenz unseres Geschlechts, der er in ihrem Keim entgegenwirken sollte, in der innersten Tiefe unserer selbst noch fest gründen, und die Quelle unserer Übel, die tierische Richtung des ganzen Umfangs aller unserer Kräfte und Anlagen, dem Kind, ich möchte sagen, schon vom Mutterleib an, zur Natur und Gewohnheit machen. Aber das höhere, innere Wesen des menschlich mütterlichen Sinns und das heilige häusliche Leben, von dem die Mutter in Rücksicht auf ihr Kind der unabänderliche, ewige Mittelpunkt ist, erhebt sie von der Stunde ihres Gebärens an über die instinktartige Gewalt ihres Muttertriebs zur Muttersorge, die ewig keine tierische Sorge, und zur Muttertreue, die ewig eine erhabene, reine menschliche Treue ist.

Freund der Menschheit! Das häusliche Leben, dieses eigentlich wahre Naturleben unseres sich über die Verwilderung eines instinktartigen tierischen Daseins zu erheben bestimmten Geschlechts, ist es wesentlich, was den instinktartig scheinenden, gewaltsamen mütterlichen Trieb auf lieblicher Bahn zur menschlichen Höhe der Muttersorge und der Muttertreue erhebt. In ihm, im Heiligtum des häuslichen Lebens liegt bestimmt der ganze Umfang aller Anfangsmittel, durch welche die sittlichen, geistigen und physischen Kräfte unseres Geschlechts auf eine naturgemäße Weise entfaltet werden können, und folglich auch der Umfang aller Mittel, durch welche die Mutter in den Stand gesetzt wird, das häusliche Leben in sittlicher, geistiger, in Kunst- und Berufshinsicht zu diesem Zwecke zu benutzen.

Wie die Seele des Menschen nur durch ihren Leib in der Kraft ihrer selbst äußerlich als seine Seele erscheint, wie sie nur durch ihn, den sterblichen Leib, Mittel findet, als hohe, erhabene Menschenseele äußerlich dazustehen, also findet das hohe, innerliche, lebendige, mütterliche Streben, ich möchte sagen, nur durch den heiligen Leib des häuslichen Lebens die Mittel, für ihr Kind in menschlich gebildeter Sorgfalt und in reiner Muttertreue äußerlich zu erscheinen; es findet nur durch dieses Leben Mittel, die Kräfte und Anlagen ihres Kindes als menschliche und göttliche Anlagen zu entfalten, und in ihm die reinen Keime der Weisheit, der Liebe, der Tätigkeit, der Selbstüberwindung, der Frömmigkeit und Gottesfurcht, d.i. den ganzen Umfang der höheren, der gebildeten Kräfte unseres Geschlechts naturgemäß zu entfalten. So ist es, daß in ihm, im heiligen häuslichen Leben alle Mittel vereinigt sind, durch welche die menschliche Mutter auch äußerlich im ganzen Umfang ihrer Verhältnisse für ihr Kind in der Kraft der reinen Muttersorge und Muttertreue zu erscheinen vermag.

Diese Mittel, diese aus dem heiligsten, innersten Mittelpunkt des menschlichen Denkens, Fühlens und Handelns hervorgebrachten Resultate sind für die Bildung und Entfaltung der mütterlichen Menschlichkeit, d.i. alles desjenigen, was ihren Einfluß von dem Einfluß aller mütterlichen Wesen, die nicht Menschen sind, unterscheidet, so wesentlich, daß ihr Mangel, daß der Mangel der Erhebung der Mutter zu ihrer Kraft über den Mangel der wahrhaft menschlichen Bildung ihres Kindes entscheidet; daß er, wo er allgemein ist, die sittliche, geistige, und bürgerliche Entwürdigung unseres Geschlechts, und damit alle Übel des Weltteils und des Zivilisationsverderbens herbeigeführt, sowie hingegen die durch das häusliche Leben allein mögliche naturgemäße und allgemeine Entfaltung dieser ewigen Fundamente des die Menschennatur von der tierischen unterscheidenden Handelns, Denkens und Fühlens unseres Geschlechts als das einzige, ewige, göttlich gegebene Heilmittel gegen die tierische Verwilderung unserer Natur und alle Übel, die die sittliche und bürgerliche Entwürdigung unseres Geschlechts zur Folge haben, anerkannt werden muß.

Freund der Menschheit! Blick mit mir noch einmal auf das Wesen dieses Grundmittels der Menschenveredelung, auf das ewige und einzige Fundament aller wahren Kultur, aller wahren Individual-, aller wahren National-, aller wahren Menschenbildung, auf das häusliche Leben, und fasse es jetzt besonders vom Tun der Mutter und ihres durch dieses Leben allein möglich gemachten Einflusses auf die naturgemäße Entfaltung der sittlichen Anlagen ihres Kindes ins Auge!

So gewiß es ist, daß die Sittlichkeit ebensowohl eine reine, geläuterte Einsicht des Geistes als ein durch die Liebe erhobenes Herz zu ihrem Fundament hat, so gewiß ist ebenso, daß die Liebe als Entfaltungsmittel der Sittlichkeit beim Mutterkind der Einsicht vorhergeht und sich in ihm lange vor ihr entfaltet. - Es ist gewiß, die Sittlichkeit entkeimt aus der unentfalteten sinnlichen Liebe. Sie entkeimt sich im Kind als heilige Knospe, die aus dem Tod seiner Sinnlichkeit, wie [die] Frühlingsknospe am Baum aus dem Tod seines Winters hervorbricht. Sie ist in ihrem Entkeimen schwach, die heilige neue Knospe, ein leichter Frühlingsfrost kann sie zernichten. Die erste Einsicht in der Sittlichkeit ist schon als eine entfaltete Blüte derselben anzusehen; aber auch sie unterliegt den Gefahren ihres Frühlings leicht, ein böser Nebel und warme Winde ersticken leicht die glänzenden Hoffnungen der Blüten, tausend und tausend derselben fallen in dieser Zeit vom blühenden Baum ab. Was sich errettet, was sich endlich zur Frucht bildet, das wächst still und langsam den heißen Sommer über, aber auch dann noch nicht ohne Gefahren zur Reifung empor, bis es endlich, den ewigen Samen seiner Bestimmung gereift in sich selbst tragend, als vollendete Frucht vom Baume fällt. Also wächst aus dem Tod der Sinnlichkeit die sich zur Einsicht, zum Bewußtsein entfaltete Sittlichkeit, nachdem sie die Gefahren ihres blühenden Frühlings überstanden, langsam und still ihrer Reifung entgegen, bis endlich auch sie, den Samen ihrer ewigen Bestimmung in sich selbst tragend, vom Baume fällt.

Liebe ist das erste Gefühl, durch das sich beim Kind das Dasein einer höheren, von seinem tierischen Leben sich unterscheidenden geistigen und menschlichen Kraft ausspricht. In ihrem ersten Entkeimen ist sie bei ihm freilich nur instinktartig; nicht aber bei der Mutter. Bei ihr ist sie durch das bildende häusliche Leben zur Einsicht, zur menschlichen, zur sittlichen und geistigen Kraft gereift.

Freund der Menschheit! Siehe, wie das häusliche Leben geeignet ist, in Übereinstimmung mit ihrer gebildeten Sittlichkeit ihr täglich und stündlich gleichsam den Stoff, den sie zur sittlichen, geistigen und häuslichen Bildung ihres Kindes notwendig hat, an die Hand zu geben; wie sie durch dieses Leben auf die Sittlichkeit des Kindes einwirkt und von ihm erhoben und geleitet wird! Siehe, wie sie, vom häuslichen Leben gleichsam genötigt, von der Stunde der Geburt an Ordnung und Regelmäßigkeit in die Besorgung des Kindes hineinbringt, aus welcher beim Kind ebenso notwendig eine auf eigener Erfahrung ruhende Überzeugung von den Bedürfnissen der Unterwerfung unter die Gesetze der Natur der Dinge hervorgeht und hervorgehen muß. Das Kind wird auf dieser Bahn zur Überwindung seiner selbst und zum geduldigen Warten auf die Hilfe, der es bedarf, gleichsam von der Wiege an gewöhnt. Es lernt warten, es lernt in Geduld warten der kommenden Hilfe; aber es ist auch der Hilfe, auf die es wartet, sicher, darum erwartet es sie auch ruhig, und seine Selbstüberwindung wird dadurch menschlich und geht durchaus nicht aus der tierischen Gierigkeit unserer sinnlichen Natur hervor.

Die innere Reinheit und menschliche Naturgemäßheit des häuslichen Lebens wirkt im Gegenteil dieser Gierigkeit durch ihr Wesen kraftvoll entgegen, und dadurch bewährt sich dieses Leben eigentlich als Muttererde der Sittlichkeit.

Die Liebe, aus der die Sittlichkeit sich in und durch dieses Leben beim Kind entfaltet, ist in ihrem Ursprung eine Kraft, die unwillkürlich und selbständig im Kind liegt, und den wachsenden Gebrauch, die wachsende Ausdehnung ihrer selbst notwendig suchen muß. Das Kind muß lieben. Es muß immer mehr lieben. Seine Natur zwingt es, die Gegenstände seiner Liebe immer mehr auszudehnen. Es dehnt sie immer mehr aus. Es liebt den Vater, den Bruder, die Schwester, es liebt den ganzen Kreis der häuslichen Umgebungen, soweit sie alle, und soweit jedes von ihnen die Menschennatur in Liebe ansprechen. Es liebt alles, was die Mutter liebt, nicht nur Menschen, es liebt auch das Hündchen seiner Mutter, es liebt ihre Katze, es liebt das Kaninchen, es liebt den Vogel, es liebt alles Lebendige, das auf irgendeine Art Anmut an sich trägt. Es sucht allem wohlzutun, was es liebt, es legt sein Abendbrot dem guten Schaf in den Mund, es gibt dem Eichhorn seine Nüsse, es legt der Katze von seinem Fleisch dar, es gibt ihr von seiner Milch. Seine Liebe ist teilnehmend, es sucht mit seiner Liebe wohlzutun, zu erfreuen und zu erquicken. Das häusliche Leben ist das heilige Mittel, diese Teilnahme zur Menschlichkeit zu erheben, und dadurch der Menschennatur würdig zu machen. Es führt das Kind in den sanftesten Banden dahin, daß es lernt sich anstrengen, um die Mutter zu erfreuen, daß es lernt entbehren, um die Armen zu erquicken. Seine Liebe wird durch dieses Leben zur Erkenntnis ihrer selbst, zur Einsicht in sich selbst und dadurch zum gereinigten Edelmut ihrer selbst erhoben, und es wird, also in der Liebe menschlich erhoben, ein sittliches Wesen. In der Liebe veredelt weiß das Kind, was es liebt und warum es das liebt, was es liebt, und findet in dieser Erkenntnis und in dieser Erhebung seiner selbst, die ihm das häusliche Leben gibt, immer mehr Stoff, mit Einsicht zu lieben und durch die Liebe sich zu veredeln. - Selbstüberwindung, Tätigkeit, Gehorsam und mit diesem der ganze Umfang des sittlichen Denkens und Fühlens und Handelns wird ihm an der Seite der liebenden Mutter und durch die Kraft des bildenden häuslichen Lebens auf lieblicher Bahn habituell, und so wird es in diesem Leben naturgemäß d.i. in Übereinstimmung mit allem dem, was seine veredelte Natur anspricht, zur Sittlichkeit erhoben.

Beides, die Neigung und die Fertigkeiten der Sittlichkeit werden dem Kinde auf dieser Bahn allgemein naturgemäß habituell gemacht, und zwar durch Mittel, die einerseits von der zarten Muttersorge eingelenkt, geleitet und benutzt, mit dem bestimmten Wachstum seiner geistigen und physischen Kräfte in Übereinstimmung stehen, und mit demselben in lückenloser Progression vorschreiten, und andererseits die Kräfte und Fertigkeiten des Kindes nicht nur im allgemeinen sittlich ansprechen, sondern sie auch noch in der bestimmtesten Übereinstimmung seines Standes, seiner Lage, seiner Bestimmung und dem ganzen Umfang seiner positiven wirklichen Lebensverhältnisse in ihm entfalten, so daß die Sittlichkeitsbildung in allem, was sie bis zu ihrer Vollendung anspricht, in der ganzen Ausdehnung ihrer Erfordernisse für nichts anderes angesehen werden kann als für eine von der Natur eingelenkte und von der Kunst in Übereinstimmung gebrachte und in Übereinstimmung erhaltene, immer weiter geführte - psychologisch progressive Fortsetzung der sittlichen Entfaltungsweise, die das Kind auf dem Schoß jeder für das Heiligtum ihrer inneren Natur nicht zugrunde gerichteten Mutter von der Wiege an genießt.

Freund der Wahrheit! Erhebe dich im Hinblick auf das Wesen der Sittlichkeitsentfaltung auf der betretenen Bahn höher, hebe dich auf ihr empor zu ihrer göttlichen Weihe, zur heiligen Garantie ihrer Wahrheit, zur Religion! Siehe, wie auch diese im Heiligtum des häuslichen Lebens naturgemäß entkeimt, siehe, wie sie am Faden der Mutterpflege und Muttertreue in und durch dieses Leben zur heiligen Höhe ihres inneren Wesens und zur Reifung ihrer Segenskräfte emporwächst!

Die Kraft des Glaubens, dieses von Gott in die Menschennatur gelegte Fundament aller Religion, das sich so allgemein und so offenbar in der Glaubensneigung aller Unverschrobenheit unseres Geschlechts ausspricht, diese Glaubenskraft liegt wie jede andere Kraftanlage unseres Geschlechts ursprünglich und selbständig im Kind. Sie will als solche vermöge des allgemeinen Wesens aller Kräfte der Menschennatur Spielraum und Freiheit für die Anwendung ihrer selbst.

Das Kind glaubt. Es glaubt gern. Es muß glauben, und es lebt in Umgebungen, die seine Glaubensneigung, man kann nicht mehr, ansprechen, nähren und bilden. Es wird zugleich unabhängend vom Eindruck seiner Umgebungen, von seiner inneren Natur getrieben, diese hohe Neigung als Wesen und Grundkraft seiner Natur selber immer mehr zu befriedigen. Es waltet in seinem Innersten ein beständiges Streben, den Kreis der Gegenstände, an die es glaubt, immer mehr auszudehnen. Das häusliche Leben befördert die Mittel, diese Neigung naturgemäß zu befriedigen, im höchsten Grad. Sein Glauben an die Mutter geht fast gleichzeitig in den Glauben an den Mann seiner Mutter, an seinen Vater hinüber. Es glaubt an seine Geschwister, es glaubt an die Hausgenossen, an die Magd seiner Mutter, an den Knecht seines Vaters.

Aber es glaubt nicht nur an die sichtbaren, es glaubt auch an die unsichtbaren Gegenstände, die seine Mutter im Glauben umfaßt. Es glaubt an den Gott seiner Mutter, und faltet seine Hände in Andacht vor seiner Allgegenwart, wie seine Mutter dieselbigen in Andacht vor seiner Allgegenwart faltet. So wie seine Sittlichkeit durch das Wachstum seiner Einsicht und Erfahrung an der Seite seiner Mutter zunimmt, also nimmt auch sein Glaube durch das Wachstum seiner Erkenntnis an der Seite seiner Mutter zu, von Kraft zu Kraft, von Wahrheit zu Wahrheit. Die Erhebung seiner Seele durch die Ahnungen seines Glaubens führt es wesentlich zum Gefühl des Bedürfnisses der Erkenntnis Gottes. Das Gefühl dieses Bedürfnisses führt es dann ebenso notwendig zum ernsten Nachdenken über den Gott, an den es glaubt, über seine Religion, nach welcher es ihn verehrt, über die Religion seiner Mutter, und zwar beides, sowohl über ihr inneres, ewiges Wesen, als über ihre wandelbare, äußerliche Form und Gestalt. Durch dieses ernste heilige Forschen erhebt es sich endlich zur heiligen Freiheit des Glaubens, zur hohen Kraft des Menschen, der im Göttlichen und Menschlichen nach seinem besten Vermögen mit jeder gereiften Kraft seines Lebens alles zu prüfen und nur das Gute zu behalten - verpflichtet ist.

Freund der Menschheit! Wie sich die Religion in der Menschennatur an der Seite der Mutter und im Kreis des häuslichen Lebens in harmonischen Stufenfolgen menschlich erhaben entfaltet und zur göttlichen Höhe ihres Wesens erhebt, also hat sie sich auch geschichtlich in eben dieser Stufenfolge im Menschengeschlecht entfaltet. Von der indischen, die Menschennatur an sich noch nicht höher hebenden Anbetung jedes Ehrfurcht erregenden Gegenstands stieg sie zur Erkenntnis eines einzigen Gottes, dann von der noch unbelebten Erkenntnis eines einzigen Gottes zum hohen, sich aufopfernden Glauben Abrahams, vom hohen Glauben Abrahams zum Gehorsam des Gesetzes, das Gott durch Mosen gegeben, vom Gehorsam des Gesetzes zur erweiterten Kenntnis Gottes und des Wesens der Religion, durch den Sänger David und die Männer Gottes, die jüdischen Propheten, von diesen zur Erhebung des Menschengeschlechts über alles Äußere der Formen des Gottesdienstes und aller Religionen zu ihrem ewigen, inneren, unwandelbaren Wesen, zur erleuchteten Freiheit des Glaubens, die uns durch Jesum Christum gegeben ist.

Freund der Menschheit! Gehe auf dieser Bahn weiter! Wie du den Einfluß des häuslichen Lebens und seines heiligen Mittelpunktes der Muttersorge und der Muttertreue auf die sittliche und religiöse Bildung des Kindes ins Auge gefaßt, also erforsche jetzt auch nach gleichen Gesichtspunkten den Einfluß dieses Lebens auf die geistige, auf die intellektuelle Bildung des Kindes! Die Denkkraft ist wie die sittliche und religiöse im Kind eine ursprüngliche, selbständige Kraft. Das Kind muß denken. Die Natur zwingt das Kind unwillkürlich zum Anschauen, zum Auffassen, zum Beobachten der Gegenstände, die seine Sinne reizen. Das Anschauen, das Auffassen, das Beobachten dieser Gegenstände macht das Vergleichen derselben der Menschennatur notwendig, und entfaltet, vermöge des Wesens dieser Natur, ebenso notwendig das Urteil über dieselbe. Und da diese dreifache Äußerung und Richtung der Geistestätigkeit die Form und die Fundamente des menschlichen Denkens umfaßt, so ist offenbar, daß sie als wesentliches Entwicklungs- und Übungsmittel des Geistes selbst angesehen werden muß. Da ferner aus dieser Tätigkeit selbst die an sich geistigen Elemente der Erkenntnis herausfallen und zum Bewußtsein gelangen, und der Geist selbst von Stufe zu Stufe auf ihrem Wege sich zur lebendigen Einsicht und Kraft empor und naturgemäß höher hebt, so ist klar, daß die Mittel der Ausbildung der Denkkraft darin bestehen, diese dreifache Geistestätigkeit im Kind naturgemäß zu beleben und habituell zu machen. Und nun fragt es sich, tut das das häusliche Leben? Ist es geeignet, das Kind naturgemäß, ruhig, vielseitig, richtig, anhaltend und zweckmäßig beobachten, vergleichen und urteilen zu lehren?

Siehe nur, Freund der Menschheit! Wie die Gegenstände dieses Lebens, indem sie bei jedem Schritt der Entfaltung seines Bewußtseins alle seine Sinne kraftvoll ansprechen, es zum Anschauen, zum Auffassen, zum Beobachten, zwar mütterlich mild, aber kraftvoll und anhaltend hinlenken! Siehe, wie sie es nötigen, die beobachteten Gegenstände seiner Anschauung zu vergleichen, wie auf der einen Seite die Bedürfnisse dieses Lebens das Urteil des Kindes über alle Gegenstände seiner Umgebungen lebhaft ansprechen, wie auf der anderen Seite die Ruhe dieses Lebens sein Urteil in den Schranken dieser Umgebungen festhält, und damit jede Neigung zu eitlen, voreilenden Urteilen zurückdrängt!

Siehe, wie dieses Leben beides, der tierischen Gierigkeit und der interesselosen Gleichgültigkeit - der tierischen Stupidität, die beiderseits zwar nach ungleichen Richtungen, aber mit gleicher Stärke die Entfaltung der Denkkraft hindern, mit sicherem Erfolg entgegenwirkt, und wie endlich die Gegenstände dieses Lebens, teils, weil ihrer wenige sind, teils, weil diese wenigen immer und ununterbrochen, aber in dem innigsten Zusammenhang und in den vielseitigsten Verhältnissen dem Kind vor den Sinnen stehen, sein Urteil darüber wahrhaft und kraftvoll begründen, und so von allen Seiten geeignet sind, die Denkkraft in ihm naturgemäß zu beleben und zu entfalten. Siehe, wie die von der Mutterkraft und Muttertreue nicht verlassene Wohnstube jede heutige Beobachtung, jede heutige Vergleichung, jedes heutige Urteil an die gestrigen und damit an alle vorhergehenden im innigsten, lebendigsten Zusammenhang anknüpft, und so das Kind täglich und lückenlos von gereiften Anschauungen zu reifenden, von gereiften Vergleichungen zu reifenden, von gereiften Urteilen zu reifenden hinführt und vorschreiten macht, wie also die Fundamentalkräfte und Fertigkeiten alles Denkens, das Anschauen, das Vergleichen, das Urteilen in dem Kind auf dieser Bahn von der Mutterbrust an, in der höchsten Übereinstimmung mit dem bestimmten Punkt seiner Entfaltung und mit seiner äußeren Lage in ihrem ganzen Umfang durch dieses Leben psychologisch gebildet werden, und das Kind von dieser Seite gleichsam notwendig, von seiner Natur selber gezwungen, vorschreitet von Einsicht zu Einsicht, von Erkenntnis zu Erkenntnis, von Kraft zu Kraft! Siehe noch mehr, siehe, wie mit der Erkenntnis des sinnlichen Bildungsstoffes, den die Wohnstube und das häusliche Leben dem Kinde darbieten, zugleich das Bewußtsein des geistigen Erkenntnisstoffes, wie Sprache, Form und Zahl als Auffassungs- und Festhaltungs- und zugleich als selbständige Bildungsmittel in ihm entwickelt werden, so daß hinwieder die ganze Fortsetzung der naturgemäßen Entfaltung der Geisteskraft des Kindes bis zur ihrer Vollendung für nichts anderes angesehen werden kann als für eine von der Natur eingelenkte und von der Kunst ergriffene Fortsetzung des ganzen Umfangs aller Mittel zur Entfaltung seiner Geisteskraft, die das Kind schon auf dem Schoß seiner Mutter genossen!

Freund der Menschheit! Gehe weiter, wirf jetzt noch einen Blick auf den Einfluß des häuslichen Lebens in Rücksicht auf seine physische Entfaltung, wie du das nämliche in Rücksicht auf seine sittliche und geistige getan hast! Die Natur ist sich in allem selbst gleich, jede Kraft strebt durch sich selbst nach ihrer eigenen Entfaltung. Das Kind muß sich physisch entfalten, es will sich physisch entfalten, es steht, es geht, es wirft, es zieht, es stößt, es schlägt, es stampft, ohne daß man es ihm zumutet, bloß vom Gefühl seiner physischen Kraft getrieben, es tut mehr. Es wirft nicht bloß, es wirft nach dem Kegel, damit es ihn treffe; es geht nicht bloß, es geht, damit es an den Ort hinkomme, an den es hin will; es trennt die Teile seines Spielwerks voneinander, um sie wieder zusammenzusetzen; es bringt die Kleider seiner Puppen in Unordnung, damit es sie wieder in Ordnung bringen könne; es tut noch mehr; es zeichnet mit dem Stock Figuren in den Sand, die es in der Wirklichkeit gesehen; es zeichnet sie mit der Kreide, mit der Kohle an die Wand. Es ist offenbar, der Trieb, sich physisch zu entfalten, ist zum Teil physisches Bedürfnis, aber ebenso offenbar ist's, daß er auch geistig belebt ist, und einerseits als Mittel der tierischen Selbsterhaltung unseres Geschlechts, anderseits als Basis aller Kunst- und Berufskräfte unsers Geschlechts zum Vorschein kommt. In der ersten Rücksicht ist er wesentlich eine sinnliche, tierische Kraft, die durch die ganze Gierigkeit und selbstsüchtige Gewalttätigkeit der sinnlichen Natur unterstützt und belebt wird; in der zweiten ist er ein mit der Sittlichkeit und Geisteskraft des Kindes innig verbundener höherer Trieb unserer Natur, der denn eben wie diese Kräfte und mit ihnen das unterscheidende Wesen der Menschlichkeit konstituiert. Aber selbst auch in der ersten Hinsicht unterscheidet sich die menschliche Entfaltungsweise dieses Triebes durch den Einfluß des häuslichen Lebens von der tierischen Entfaltung eben dieses Triebes wesentlich.

Wo immer das Kind den Segen des häuslichen Lebens rein und wahrhaft genießt, da entfaltet sich diese Kraft ohne einige Belebung der tierischen Gierigkeit. In dem ruhigen häuslichen Zustand, in dem das Kind von der Mutter wohl besorgt ist, ist in seinen Umgebungen durchaus kein Stoff zur Belebung dieser Gierigkeit da; würde einer erscheinen - das Kind liegt auf dem Schoß der Mutter - sie würde es vor ihm schützen, sie würde ihn von ihm entfernen, wie sein guter Engel es vor dem Bösen schützt. Die ganze physische Entfaltung des besorgten Mutterkindes geht durchaus ebensowenig aus der Not und dem Drang des physischen Lebens als aus den Reizen der unser Geschlecht zur Unnatur herabwürdigenden Überfüllung von sinnlichen Genießungen hervor. Nein, nein, sie geht in ihrem Ursprung aus einer Ruhe, aus einer Wonne, aus einer Unschuld hervor, in der das Kind kaum zum Bewußtsein kommt, daß es etwas bedarf, was es nicht hat. Das besorgte Mutterkind fühlt nur die Gegenwart, in der ihm die Mutter nichts mangeln läßt. Es ahnt keine Zukunft. So lebt es, und zwar ebenso lang, ohne das Bewußtsein des Bedürfnisses irgendeiner Kraft seiner Selbsterhaltung, und ohne alle Sorge für dieselbe, als es noch nicht anfängt, zur richtigen Erkenntnis und menschlichen Beurteilung und Würdigung der Mittel seiner Selbsterhaltung zu reifen. Und es ist bestimmt diese erhabene Verspätung der Entfaltung der physischen Kraft der Selbsterhaltung und sogar des Bewußtseins ihres Bedürfnisses, wodurch sich das menschliche Kind von den Kindern aller Geschöpfe, die nicht Menschen sind, und darum auch ohne alle Menschlichkeit zur Reifung der physischen Kräfte der Selbsterhaltung gelangen, unterscheidet. Aber diese Langsamkeit wird denn zugleich durch den lebendigen Einfluß aller Eindrücke des häuslichen Lebens und der regen Betriebsamkeit der Muttersorge als Hindernis der Entfaltung der physischen Kraft der Selbsterhaltung gleichsam aufgehoben. Das Kind empfängt auch für diesen Zweck menschlich erhaben, was ihm tierisch- -niedrig zu mangeln scheint. So ist es eben diese Langsamkeit der tierischen physischen Stärkung und Belebung des Kindes, wodurch eben diese Kraft geeignet wird, auch in Rücksicht auf die sinnliche Selbsterhaltung unseres Geschlechts, in Übereinstimmung mit dem ganzen Umfang aller unserer Anlagen, folglich veredelnd auf dieselbe einzuwirken, und die Gemeinentfaltung aller unserer Kräfte und Anlagen auch von physischer Seite in ununterbrochener Progression menschlich vorwärts zu bringen, und zwar nicht nur, insoweit die physische Kraft unserer Natur, das äußere Mittel unserer sinnlichen Selbsterhaltung, sondern auch insofern sie die Basis der die Menschennatur veredelnden und sie eigentlich als menschliche Natur auszeichnenden Kunst ist.

Freund der Menschheit! Blicke auf sie hin, auf die erhabenen Keime der Kunst, wie sie beides, als Kräfte der menschlichen Sinne und als Kräfte der menschlichen Glieder mit den Kräften des menschlichen Geistes und des menschlichen Herzens vereinigt, nicht bloß als Grundlagen des Äußeren und Physischen aller Berufe und Gewerbe unseres Geschlechts, sondern auch als Grundlagen des Inneren und Höheren dieser Berufe erscheinen und dastehen! Blicke auf sie hin, auf diese Kräfte unseres physischen Seins, wie sich dieselben im häuslichen Leben an der Seite der Mutter im festen Zusammenhang mit der sittlichen und geistigen Entfaltung des Kindes menschlich enthüllen, und nicht nur die häusliche Tätigkeit, ich möchte sagen, schon von der Wiege an, in der Eigenheit der Schranken des Standes und Berufes des Kindes gemütlich und menschlich entfalten, sondern auch die Anfangspunkte aller Kunst, insofern sie als unabhängend von Beruf und Stand die menschliche Natur durch das Hohe, Göttliche ihres inneren Wesens selber zu veredeln geeignet sind, allgemein rege machen und beleben!

Freund der Menschheit! Blicke auf sie hin, auf die physischen Grundlagen aller Kunst, wie sie sich im heiligen Kreis des häuslichen Lebens und an der Seite der Mutter allgemein mächtig entfalten, wie sie von ihrem Keim aus lückenlos vorschreiten, von Kraft zu Kraft, von Fertigkeit zu Fertigkeit, von Freiheit zu Freiheit! Blicke noch einmal auf das häusliche Leben, wie es geeignet ist, auf jedem Punkt der Ausbildung, auf dem das Kind steht, Vollendung und Vollkommenheit dieses Punktes zu erzielen, und so die Kunst im Kind mit psychologischer Sicherheit von Stufe zu Stufe zu begründen, und, bis zur Vollendung, sie schützend zu leiten, so, daß die Bildung zur Kunst, beides, insofern sie Mittel der physischen Erhaltung unseres Geschlechts, und hinwieder, insofern sie wesentliche Basis der inneren Veredelung unserer Natur ist, von ihren Anfangspunkten an bis zu ihrer Vollendung für nichts anderes kann angesehen werden als für eine psychologisch eingelenkte und geordnete Fortsetzung der Entfaltungsweise der diesfälligen Kräfte und Anlagen unserer Natur, wie das Kind dieselbe schon allgemein im wohlgeordneten häuslichen Leben an der Seite jeder unverschrobenen, von dem einfachen Pfad der Natur nicht abgewichenen Mutter von der Wiege an genoß.

Freund der Menschheit! Stehe jetzt einen Augenblick still, fasse diese Gesichtspunkte zusammen und wirf einen ernsten Blick auf den ganzen Umfang der sittlichen, geistigen und physischen Entfaltung unseres Geschlechts! Siehe, wie aller Segen, alles Heil der Völker von ihr abhängt, und wie gewiß eine radikale Rettung unseres Weltteils von den Übeln, unter denen er leidet, einzig und allein nur durch eine unserer Natur gemäße sittliche, geistige und physische Individualbesorgung unseres Geschlechts möglich ist; und wie diese ebenso einzig und allein durch die Wiederherstellung der Reinheit, Würde und Kraft des häuslichen Lebens erzielt werden kann!

Aber Tausende unter uns sind zu dieser Ansicht bei fernem noch nicht reif. Ich höre tausend Stimmen mir zurufen: Was soll uns die Reinheit, Würde und Kraft des häuslichen Lebens? Wir sehen uns um, und finden sie nirgends. Wer will also und kann unser Geschlecht also versorgen und wie eine Henne ihre Jungen unter ihre Flügel nehmen?

Es ist wahr, das häusliche Leben ist nur insoweit bildend, als die Personen, durch die ein Haus sich konstituiert, selbst häuslich gebildet sind; insoweit als sie den häuslichen Sinn in seiner Reinheit in sich tragen und in seiner Kraft wandeln. Sind sie unsittlich, unterliegen sie dem tierischen Sinn des menschlichen Verderbens, so unterliegt auch ihr Haus demselben und hört auf, ein menschlich bildendes Haus zu sein. In welcher Form und Gestalt es dann dastehe, in welchem Scheinglanz oder in welcher Ekelhaftigkeit es erscheine, ob es sich im Wohlstand oder in der Armut befinde, ob es wie ein mächtiger großer Zyklop einäugig regiere, oder ob ein armer Bettelzigeuner in toter Herzlosigkeit ihm vorstehe, das ist gleichviel. Das Haus wird in seinem Wesen eine Gesindelhöhle; es ist kein die edleren Kräfte der Menschennatur erhebendes und bildendes Haus. Das häusliche, d.h. bloß äußerliche, örtliche Verhältnis des Zusammenlebens von Weib und Kind als solches ist an sich weder sittlich noch unsittlich. Es bietet zwar seiner Natur nach denen, die ihn ergreifen können, Stoff zu sittlicher Bildung dar; aber der Mensch im häuslichen Leben ist frei, dieses zu tun oder nicht zu tun, und wenn er dem Tiersinn seiner Natur unterliegt, so ist er unfähig, diesen Stoff zu ergreifen. Die niedere Schlechtheit dieses Sinnes zerreißt alle Bande des häuslichen Lebens. Wer ihm unterliegt, ist nicht Vater, er ist nicht Mutter, er ist nicht Sohn, er ist nicht Tochter, er genießt diese Verhältnisse nur sinnlich, er genießt sie nicht menschlich, sie können nicht menschlich bildend für ihn sein.

Aber wenn er auch nicht so versunken, wenn er bürgerlich rechtlich lebt, und mit Weib und Kind in friedlicher Vereinigung das häusliche Leben als Mittel des häuslichen Wohlstandes benutzt, so ist dieses Leben um deswillen für ihn noch nicht sittlich bildend. Nur das Geistige bildet geistig, nur das Sittliche bildet sittlich, nur das Selbstsuchtlose bildet menschlich; weder Handwerk, Beruf noch Stand bilden an sich sittlich. Werden sie sittlich benutzt, so bilden sie sittlich, werden sie nicht sittlich benutzt, so bilden sie nicht sittlich. Es ist nur die hohe, innere, von Stand und Beruf, folglich auch von den äußeren Fundamenten des häuslichen Lebens unabhängige innere Würde und Kraft der Menschennatur selber, durch die das häusliche Leben sittlich bildend zu werden vermag. Was der Mensch ist, das ist auch sein Haus. Und soweit als er selbst gebildet ist, nur soweit kann auch sein Haus bildend sein. Muß also das häusliche Leben zu einem bildenden, zu einem das Individuum innerlich veredelnden Leben erhoben werden, so kann dieses immer nur in dem Grad stattfinden, als die Individuen im Staat kultiviert, d.i. dahin gebracht worden sind, die Wahrheit zu erkennen, das Gute zu wollen, und das Notwendige zu können.

Weltteil! Der du in den kulturlosen Zivilisationskünsten und ihrer blinden Scheinkraft eine seltene Höhe erreicht hast, wie sie die Welt noch nie gesehen, Weltteil! tritt einen Augenblick aus dem Blendwerk deiner Selbsttäuschung heraus, blicke auf die hohe Kraft der stillen verborgenen Tugend, die wie das duftende Veilchen unsichtbar ihren Wohlgeruch in verborgenen niederen Hütten des Landes ausduftet! Blicke auf die Überreste der Sitten, Gewohnheiten und Lebensweisen, die noch in deinen Provinzen die Nationalkraft, den Nationalcharakter deiner Väter, wenn auch im befleckten, zerrissenen Gewand, dennoch wahrhaftig und kennbar ausdrücken!

Weltteil! Blicke auf die leuchtenden Punkte einer besseren Vorwelt zurück! Blicke auf die leuchtenden Punkte der vaterländischen Tugenden, des vaterländischen Charakters und der vaterländischen Kraft deiner Hansestädte, deiner Reichsstädte etc., blicke auf die leuchtenden Punkte ihrer hohen Bevölkerung, ihrer charaktervollen Tatkraft und ihrer hohen gesegneten Erwerbskraft zurück! Und auch du, Vaterland! blicke auch du auf die leuchtenden Punkte deiner hohen charaktervollen Tat- und Erwerbskraft, auf ihre Folgen zurück und frage dich selbst, warum leuchteten diese Punkte, und wodurch erhielten sie ihr leuchtendes Dasein durch Jahrhunderte als durch die vereinigte Bemühung der Edlen und Guten für die Fundamente des reinen häuslichen Lebens, nämlich für eine Volkskultur, die auf der reinen, frommen Anerkennung der göttlichen Würde der Menschennatur in jedem Individuum selbst als ihrem ersten inneren Fundamente ruht, und für eine bürgerlich rechtliche Stellung des Volkes, wodurch die Kultur und mit ihr der bildende Einfluß des häuslichen Lebens allein erzielt, belebt und erhalten werden kann!

Das Volk, das häuslich erhoben werden soll, bedarf einer solchen Stellung; oder wo war je hohe Nationalkraft, wo war je hohe Nationalkultur, die nicht aus der gesetzlich gesicherten Individualbesorgung, Individualkultur der Bürger hervorging? Blicke auf Venedigs Lagunen, blicke auf Hollands Moräste, blicke auf die rohe, bergige Schweiz und ihre ursprünglich wilden, unfruchtbaren Hügel! Wodurch erhoben sich alle diese Stellen zu der Höhe des Wohlstandes, in dem sie dastehen, als durch den vorzüglich guten Zustand ihres rechtlich, sittlich und religiös begründeten und gesicherten häuslichen Lebens, und die vorzügliche Individualbildung ihrer Bürger? Doch die Jahrhunderte, in denen sich dieses begründet, sind verschwunden, die Vergangenheit macht keinen mächtigen Eindruck auf die taumelnde Zeit, diese vergißt im reizvollen Streben nach augenblicklichen sinnlichen Genießungen leicht alles dessen, was nicht auf den Augenblick sinnlich angenehm oder sinnlich drückend auf ihre Gefühlsnerven wirkt.

Sie fühlt nur die Gegenwart. Aber England lebt und macht sich ja dir für die Gegenwart fühlen. Blicke auf England hin, und fühle es tief! Es ist nicht der Zufall, es ist nicht das blinde Glück des Handels, daß die königliche Insel zu der Kraft und Höhe erhoben, in der sie dir vorsteht; nein, es ist die heilige Sorgfalt seiner Verfassung, für die höchste und gesetzlich gesicherte Belebung der Kräfte aller seiner Bürger, es ist ihre heilige Achtung für die Selbständigkeit des häuslichen Lebens, für die unverletzliche Heiligkeit der Wohnstube eines jeden, es ist ihre (Habeas-Corpus-) Akte, die diese Insel zur Beherrscherin aller Meere und seiner Ufer gemacht hat. Vaterland! Deutschland! Wirf einen Blick auf die Natur der von der Welt unerkannten oder wenigstens nicht genug beachteten inneren Fundamente der Größe dieses Reiches und der wesentlichen Mittel, durch welche es diese Größe sich zu erwerben und bisher zu erhalten gewußt hat. Vaterland! Deutschland! Es ist seine aus der kraftvollen und allgemeinen Belebung des häuslichen Lebens hervorgegangene und mit hoher, religiös begründeter Gemütskraft verbundene allgemeine Geistes- und Kunstbildung der Individuen dieses Reichs, was aus demselben das alles gemacht hat, was aus ihm geworden. Vaterland! Deutschland! Wundere dich nicht! Die Resultate einer also begründeten, aber auch nur in konstitutionell gesicherten Staatsverfassungen möglichen, Volks- und Nationalkultur sind allmächtig und unermeßlich.

In ihr, in einer also begründeten und gesicherten Volks- und Nationalkultur liegt das einzige, ewige Geheimnis einer allgemeinen, in alle Stände eingreifenden Erhebung der Völker. In ihr, in ihr allein liegt das Geheimnis, das Erkennen des Wahren, das Wollen des Guten und das Können des von der Wahrheit und der Liebe anerkannten Notwendigen, in einer Nation in der geometrischen Proportion vorschreiten zu machen, durch welche die unermeßliche Allmacht einer psychologisch wahrhaft gegründeten Nationalkultur sich von jeher erwahrt hat, und für immer erwahren wird.

Vaterland! Er, dieser gesetzlich und patriotisch gesicherte geometrisch-progressive Vorschritt der Kultur ist der eigentliche Machtarm der Nationen, der, wenn er in lebendiger Kraft ausgestreckt ist, dasteht, als wäre er eisern; wer will ihn dann brechen, wer will ihn dann biegen? Aber wo ist er, dieser Machtarm der Nationen, wo steht er ausgestreckt als eisern da? Kinderärmchen und lahme, eiternde, in Bandagen getragene Arme sehe ich weit und breit um mich her an seiner Statt, und ach!

Kinderärmchen wachsen nur langsam zur Männerkraft, und eiternden Armen, die man lang, ewig lang in Bandagen getragen, sucht man gewöhnlich nur nicht mehr zu helfen, man sucht sie gewöhnlich nur nicht einmal mehr zu heilen.

Das ist denn aber auch das (Non plus ultra), zu dem das bürgerliche Verderben unser Geschlecht versinken zu machen vermag. Aber die Menschheit soll nie dahin versinken, sie soll nie sich selber aufgeben. Wenn sie nur das nicht tut, wenn sie nur den Willen, sich selber wieder zu helfen, lebendig in sich erhält, dann ist in jedem Versinken der Staaten noch Trost und noch Hoffnung für die Menschheit übrig.

Vaterland! Zeitalter! Laß diesen Willen, dich wieder zu erheben, dir selber wieder zu helfen, nicht in dir sinken! Erhebe dich heute zum Mut, zum entschlossenen Mut, der dir Kraft dazu gibt! Vaterland! Zeitalter! Könnte ich etwas dazu beitragen, dich zu diesem Mut, dich zu diesem Selbstgefühl zu erheben, wie gern tät' ich's! Ich träume mich zu dem Bild hinauf, was wir wären, wenn wir diesen Machtarm der Nationen wirklich besäßen; ich träume mich zu dem Bild hinauf, was wir werden können, wenn wir nur danach streben. Wären wir da, oder würden wir nur wieder mit Kraft und in Unschuld dahin streben, die Entfaltung der sittlichen und geistigen Kräfte unserer Väter allgemein in unserer Mitte wieder herstellen zu wollen, wir würden uns ganz aus jedem Verderben, dem wir unterlegen, wieder erheben. Die ersten Fundamente unserer alten Nationalkraft, unserer alten Nationalwürde würden in unserer Mitte in ihrem alten Glanz wieder hervorbrechen, die Übel unseres Welt- und Zivilisationsverderbens müßten in allen ihren Formen und Gestalten verschwinden. Freund der Menschheit! Fasse diesen Gesichtspunkt in den Hauptmomenten deiner neuesten Geschichte ins Auge! Die Erschaffung der Völker, die der Revolution vorherging, ist bei der von der Wahrheit und Reinheit des häuslichen Lebens ausgehenden Völkerkultur nicht denkbar. Die Revolution selber würde in dieser Kultur sich selbst in allen ihren Begierden und Reizen aufgehoben fühlen, und ihre schreckliche Folgen, die Verwilderung der Völker und diejenige der Throne, könnten neben ihr ebensowenig mehr stattfinden. Ihre Ursachen, ihr gegenseitiges, äußerlich so ungleich scheinendes, aber innerlich so gleichartiges Versinken zu Gelüsten, die nur aus innerer Unmenschlichkeit hervorgehen, und nur durch äußere Unmenschlichkeiten realisiert werden können, wäre durch die allgemein belebte Menschlichkeit selber gehoben. Am allerwenigsten könnte die große Quelle ihrer bösen Taten, das trügende Zeitgeschwätz über die menschliche und bürgerliche Freiheit und Gleichheit und über die Nichtfreiheit und Ungleichheit der Menschen den Spuk beides, seiner rohen Tierheit und seiner bürgerlichen Verfänglichkeit in unserer Mitte forttreiben. Das sichtbare Hervorstrahlen der zwar göttlich von Ewigkeit her gegebenen, aber menschlich nur selten bieder und liebend anerkannten Freiheit und Gleichheit im Wesen der menschlichen Kräfte und Anlagen und ihrer ebenso notwendigen Nichtfreiheit und Ungleichheit würde dann den wilden Wogen dieses Tiersinns wie ein ewiger Fels den Wogen des reißenden Waldstroms widerstehen. Sie, die Staaten, würden den bösen Kräften seiner alles untergrabenden Verfänglichkeit, wie ein Damm, der aus Granitblöcken aufgetürmt ist, entgegenstehen. Ihr Traum müßte verschwinden, wie ein schreckender Traum vom Hungersterben bei einem Mann verschwindet, der am vollen Tisch sitzt. Wären wir da, wäre der menschlich würdige und der gesetzlich rechtliche Spielraum jeder sittlichen, geistigen und Kunstauszeichnung, dem Individuo des Staates durch die erweckte und belebte Nationalmenschlichkeit innerlich und durch eine damit übereinstimmende Gesetzgebung äußerlich gesichert, die Segnungen einer auf die Erhebung des häuslichen Lebens gegründeten Nationalbildung würden in ihren Folgen in sittlicher Demut, in geistiger Kraft und in hohen großen Werken der Kunst allgemein strahlend hervorbrechen.

Unser Geschlecht würde sich in allen Ständen und Verhältnissen in seinem Recht, in seinem Wert und in seinem Verdienst selbständig fühlen, und in jedem Stand weit davon entfernt sein, die Last seiner Selbständigkeit einem anderen Stand als seine Dienstpflicht aufzubürden.

In den niedersten wie in den obersten Ständen würden Männer von ausgezeichneter Kraft es unter sich, unter der Würde der Menschennatur fühlen, in ihren Verhältnissen, wie über einen Leisten geschlagen, als geputzte Marionetten dazustehen, die ein Knabe hinter dem Vorhang mit seinem Draht sitzen, liegen, gehen, stehen und tanzen machen könnte, wie und wenn er nur wollte. Nein, nein, Männer aus allen Ständen würden sich gegen den Irrtum, gegen die Schwäche und gegen die Niedrigkeit unsers Zeitgeistes und sein Verderben mit der Charakterstärke unserer Väter und mit dem hohen Sinn der edlen Männer der besseren Tage unserer Vorzeit über die engherzige Selbstsucht ihrer Standes- und Familienverhältnisse und selber über den verhärteten (Esprit du corps) der Behörden, deren Mitglieder sie selbst sind, erheben und der Selbstsucht ihrer Familien- und ihrer Behördenansprüche mit erneuerter Ehrfurcht für das Wesentliche und Heilige der Menschennatur entgegenstehen. Vieles, vieles würde dann freilich in unserer Mitte anders sein und anders werden, als es jetzt ist. Der hohe Wert des Menschen und besonders des in Armut und Niedrigkeit rein, edel, kraftvoll und gemütlich selbständig erhaltenen Menschen würde in allen Rücksichten wieder richtiger erkannt, selber sein Dienstwert, selber der Wert seiner niedersten Dienste würde denn mit mehr Menschlichkeit und mit mehr Einsicht geschätzt, und darum auch mit mehr Vorteil benutzt werden; seine eigene Selbstsucht würde den Eigentümer dahin führen, diesfalls richtiger zu urteilen und seinen Vorteil besser in acht zu nehmen. Der Arme würde weniger Hilfe bedürfen, weil er sich selber besser helfen könnte, die Menschenfreundlichkeit würde ihm darum auch in jeder Not und in jedem Bedürfnis leichter helfen können. Die Irrtümer über seine Erziehungsbedürfnisse und Erziehungsmittel würden verschwinden; von den Bildungsbrocken, die man für ihn vorschlägt und ihm hinwirft, wie man dem Bettler ein Stück Brot zuwirft, wäre keine Rede mehr. Das Verhältnis der Armen gegen die Reichen würde bürgerlich menschlicher, und dadurch der Weg gebahnt werden, es durch religiöse Ansichten höher zu heben, zu veredeln, zu heiligen.

Auch die Könige würden dann besser erzogen. Kein Höfling, keine Hofstelle würde es mehr wagen, das ausschließliche Privilegium, schlecht erzogen zu werden, für sich anzusprechen. Nein, die empörende Äußerung: daß die Zartheit der edleren menschlichen Gefühle mit der Standeskraft nicht vereinbar sei, deren Regierende und den Regierenden nahestehende Familien bedürfen, würde dann gewiß als eine Lästerung ebensowohl gegen den Stand der Fürsten als gegen die Menschennatur erkannt werden. Die Staaten würden allgemein anerkennen, daß die Fürsten eben wie die Menschen durch die Erziehung, ich spreche es aus, durch Menschenbildung innerlich und dahin erhoben werden müssen, sich in ihrer Stellung göttlich berufen zu fühlen, mit dem höchsten Zartgefühl der veredelten Menschennatur als Gesalbte Gottes unter ihrem Volke dazustehen; und mit der Kraft ihrer heiligen Macht allem Rohen, Niedrigen, Einseitigen der Selbstsucht unseres Geschlechts, das allen Individuen und allen Behörden, in deren Hand die öffentliche Macht gelegt ist, mehr und minder immer anklebt, den Stachel seines Verderbens zu entreißen, und ihm mit der heiligen Zartheit, die alle Schwäche der Menschheit mit dem göttlichen Recht, das in ihrer Brust schlägt, anspricht und anzusprechen befugt ist, Einhalt zu tun.

Freunde der Menschheit! Der erhabene Anspruch an die heilige Zartheit gegen die Schwäche unseres Geschlechts, sie, deren festes Dasein in jedem Fall hohe, innere Menschlichkeitskraft voraussetzt, deren Mangel hingegen hinwieder tiefe Schwäche und ein würdeloses Inneres der Menschennatur beurkundet, sie, diese heilige Zartheit der reinen, hohen menschlichen Kraft ist das erhabene, äußere Merkmal der inneren Heiligkeit der souveränen Macht. Ihr hehres Leben in den Umgebungen der Fürsten und in dem Personal ihrer Gewaltsbehörden ist die erste von Gott selbst gegebene Stütze der Throne, alle anderen sind nur äußerlich, und insofern sie nicht auf diese oberste, innere gebaut sind, insofern sind sie auch ungöttlich.

Den Anspruch an sie, an diese heilige Zartheit im Herzen tragend, beugen die Völker der Erde sich vor ihren Königen, und strecken ihre Hände mit Vertrauen zu ihrem Dienst aus. Der Dienst der Fürsten ist ein heiliger Dienst, und die Macht des Thrones ist eine heilige Macht, aber, Fürsten, mangelt Euch die heilige Zartheit gegen die Schwäche unseres Geschlechts in Euren nächsten Umgebungen, in Euren nächsten Staatsverhältnissen und Gewaltsbehörden, so mangelt Euch die Übereinstimmung aller dieser Verhältnisse mit der inneren, reinen Göttlichkeit Eures Rechts. Fürsten! Wird die heilige Zartheit der Staatskraft, die die Göttlichkeit Eures Rechts äußerlich beurkundet, nicht vom Thron aus gleichsam geboren, gepflegt und großgezogen, wird sie von Euch nicht, wie die Diamanten Eurer Krone hinter eisernen Riegeln verwahrt, dann, Fürsten, mangelt Euch die erste Stütze Eures Throns.

Blicket zurück, Fürsten, auf die bessere Vorwelt! Strahlte nicht diese erhabene Zartheit im Wesen des Rittergeistes selbst in den so geheißenen dunklen Zeiten des Mittelalters in hoher glänzender Kraft hervor? Selbst der Fürst durfte sie im Edelmann nicht verletzen. Sie, diese sittliche Zartheit war selbst in der rohen Kraft der höheren edlen Stände als solcher, der Probestein des inneren Wertes der alten Zeit. Er ist es nicht mehr. Wir dürfen den Wert der unseren nicht auf demselben erforschen. Diese heilige Zartheit der Menschennatur wird nicht mehr als das hohe innere Bedürfnis der Staatskraft, sie wird nicht mehr als das erste und wesentlich charakteristische Kennzeichen der höheren Stände angesehen. Ihr Mangel zieht dem Individuo im Kreis seiner Standesgenossen nicht mehr die Schande zu, die zur Erhaltung der Kraft dieser Zartheit wesentlich notwendig ist, insofern sie wirklich als Standeskraft dastehen und als eine allgemeine, die ersten Vorzüge der Menschennatur in den höheren Ständen sichernde und Edelmut und Reinheit des Herzens in die unteren Stände herabbringende, von der Gesetzgebung selbst eingelenkte und begründete allgemeine Staatskraft, wirken soll.

Fürsten! Eure heilige Macht findet gegen das Verderben der Zeit und gegen die Gefahren, mit denen dieses Verderben auch Euch bedroht, keine Rettung als in der Erneuerung dieser, in den höheren Ständen geschwächten heiligen Zartheit der Individuen und des Staates gegen die Schwäche unseres Geschlechts. Fürsten, Eure Macht findet diesfalls ihre einzige Rettung in der Erneuerung der ersten Fundamente des reinen häuslichen Lebens, aus dem die hohe Kraft der heiligen Zartheit des menschlichen Gemüts allein hervorgeht. Wie nur dadurch sich unser Weltteil aus dem Verderben, dem er unterlegen, retten kann, so können nur dadurch sich die Fürsten aus den Gefahren erretten, denen alle Throne, die in der Macht ihre erste Stütze, in den Leidenschaften die ersten Mittel ihrer Macht erkannt haben, und die mit dem Zugrunderichten des heiligen Hausrechts der Völker ihr Spiel treiben, immer ausgesetzt waren und ausgesetzt bleiben werden. Und auch du, mein Vaterland, wirst dich nur dadurch wieder erheben, wenn du zur ernsten Sorge für die Wiederherstellung der alten Fundamente unseres häuslichen Lebens zurückkehren wirst. Du kannst, du wirst die Übel des innerhalb seiner Grenzen eigentlich neumodischen und inkonstitutionellen Hinlenkens, zum Übergewicht der kollektiven Ansichten unseres Geschlechts über die individuellen Ansprüche unserer Natur selber nicht anders besiegen, als wenn du die fromme heilige Freiheitskraft unserer Väter, die im eigentlichen Verstand eine Freiheitskraft des häuslichen Lebens und ein Freiheitsgenuß des häuslichen Segens war, wieder in dir selbst herstellst.

Vaterland! Um vorwärts zu kommen, mußt du zurück und dahin kommen, daß deine Kinder wieder, wie noch vor vierzig Jahren, Lavaters Schweizerlieder in Übereinstimmung mit sich selbst im Herzen tragen, und in Berg und Tälern, froh wie Älpler, den Kühreihen anstimmen. Vaterland! Du mußt zurück und dahin kommen, daß deine Jünglinge wieder wie diejenigen, die sich in meiner Jugend um Bodmer und Breitinger versammelten, über ihr Zeitalter hinaussehen und, unpassend für seine Schwäche, außer die gewohnte Laufbahn der allbetretenen Karrenstraße hinauslenkend, nur für das Gute und Edle, das im Vaterland noch übriggeblieben, einen hohen belebten Sinn zeigen, und nur dieses mit verachtender Hintansetzung alles Unedeln, Niedrigen, Selbstsüchtigen und Schlendriansmäßigen in ihren Umgebungen ergreifen. Vaterland! Du mußt dahin kommen, daß deine Söhne Müllers hohen Schweizersinn als den einzigen des Vaterlandes würdigen Sinn erkennen, und die hohen Bilder des edlen, ihrer selbst und ihrer Vaterlandsliebe bewußt, ohne Schamröte unter ihren Zeitgenossen wieder vordeklamieren können. Vaterland! Du mußt mehr tun, du mußt deine Söhne, du mußt deine Jünglinge weiter führen als Müller selbst ging; du mußt sie dahin bringen, daß sie sich auch dahin erheben, die Tage des sinkenden Vaterlandes bis auf die unseren hinab mit seinem Tiefblick in ihren Ursachen zu erforschen und in ihren Folgen ins Licht zu setzen, und selbige uns und unseren Kindern mit seiner Freiheit und mit seiner Kraft, zur Lehre, zur Strafe, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit unverhohlen vor Augen zu stellen, wie er die hohen Taten besserer Zeiten, unserer ersten Vorfahren, uns zur Aufmunterung, zur Erhebung, zur Stärkung und zur Begeisterung mit erhabener Kraft dargelegt und hinterlassen.

Wären wir da, hätten wir die Bildung zum reinen häuslichen Leben, aus dem die Bildung zur Menschlichkeit allein hervorgeht, und durch die die Erhaltung der inneren Würde der Menschennatur allein möglich ist, als den einzig wahren Weg zur Erhaltung der Kraft und der Würde unserer Väter, als den einzigen Weg zu Erhaltung unserer alten Bürger- und Staatskraft, und als das ewige und unabänderliche Fundament unser Eintracht, und der allgemeinen Landes-Vereinigung, durch die wir Eidgenossen geworden, mit reinem Herzen, mit der Unschuld verbundener Brüder, von jeher ins Auge gefaßt und anerkannt, so wären die Übel, unter denen wir heute leiden, in ihren Ursachen verschwunden. Wir wären dann gleichsam von uns selbst und ohne alle Kunst geworden, was wir in den schon so lang dauernden Tagen der öffentlichen Gefahr hätten sein sollen und was wir heute (1815) mehr als je sein sollten. Kein edler Mann müßte dann in unserer Mitte aussprechen: Ach! daß wir gestern nicht waren, ach! daß wir heute nicht sind, was unsere Väter waren!

Keine Gelüste der Privatselbstsucht, keine Anmaßung der Familienselbstsucht hätten uns dann im Heiligtum unserer freien Verfassung getrübt. Die Lücken, die Unbestimmtheiten, die Widersprüche derselben hätten dann in diesem hohen, ob uns waltenden Geist ein kraftvolles und genugtuendes Gegengewicht gegen den Mißbrauch derselben gefunden, und so wären unsere bürgerlichen Übel in ihren Ursachen behoben gewesen.

Vaterland, Vaterland! Und hätten wir auch dem Zivilisationsverderben Europas nicht ganz widerstanden, wären wir zum Teil mit fortgerissen worden in den Strom seines alles erniedrigenden, alles entwürdigenden Zeitgeistes, Vaterland! hätten wir nur ihn, den Segen des häuslichen Lebens mehr in seiner Allgemeinheit in unserer Mitte erhalten, unsere Wiederherstellung, die Erneuerung unserer Verfassungen wäre in unserer Mitte ein leichtes Werk gewesen; sie wäre dann aus uns selber hervorgegangen, und wir würden heute dem Ausland nicht für unsere Vereinigung danken, wie wir Bonaparte vor kurzem ebenso dafür gedankt haben.

Nein, wir hätten weder ihm noch jemand in der Welt dafür danken müssen, wir wären dann nicht getrennt gewesen. Nein, wenn wir den reinen Segnungen des häuslichen Lebens, wie wir hätten sollen, seit langem in unserer Mitte allgemein und mit reinem Herzen Vorsehung getan hätten, so hätte Frankreichs Revolution niemals in der öden Leerheit unseres Volkes, in seinem Mißmut und hier und da selber in seiner Verwaisung Mittel gefunden, uns mit eitlen leeren Worten zu täuschen, wie sie uns mit eitlen leeren Worten getäuscht hat.

Vaterland! Bonaparte hätte dann ebensowenig selber unter deinen Führern gegenseitig bald niederträchtige Gehilfen in dem, wo er unrecht hatte, bald ebenso schlaue und verschmitzte Widersacher in dem, wo er recht hatte, und in beiden Rücksichten keine schändliche Süchler eigener Vorteile und niederträchtige Schmeichler seines Glückes gefunden!!! Vaterland! Die Ansprüche an die Rechte deiner Väter hätten sich dann auch in diesem bösen Zeitpunkt in Unschuld und Liebe, aber nicht weniger in mannhaftem Gleichmut und standhafter Kraft, wie es freien Völkern gebührt, ausgesprochen! Vaterland! In allen Ständen, im Magistraturstand, im Stand der Geistlichen und selber im Stand unserer freien Landeigentümer, in unserem Bauernstand, hätten sich denn in unserer bösen Zeit Männer gefunden, und würden sich heute Männer finden, die, in ihrer Bildung über die Zivilisationsschranken und über die Zivilisationsengherzigkeit ihres Standes erhaben, als Männer der Menschennatur und des Menschengeschlechts wie die Helden und Lehrer der Vorzeit in deiner Mitte stehen, und das Vertrauen des schweizerischen Vaterlandes in seinem ganzen Umfang genießen würden; Männer, die das tiefe Verderben unseres Versinkens in seinen Ursachen erkennen, seine Folgen in der Gegenwart und für die Zukunft richtig beurteilen, und sich ihnen in der ganzen Kraft ihres veredelten Daseins entgegenstemmen würden.

Wir wären nicht so tief gesunken, wir würden uns wieder erheben, wir würden uns wieder herstellen, wir würden uns von selbst wieder herstellen!

Die Mittel unserer Erhebung, die Mittel unserer Wiederherstellung würden dann nicht mehr aus der einseitigen Kraft und dem beschränkten guten Willen einzelner Stände, in denen sie oft wie in tiefen Gruften verborgen liegen, künstlich bald mit wunderbaren Schonungs-, bald mit drückenden Mühseligkeitsmaßregeln hervorgesucht und zu Tage gefördert werden müssen.

Ich spreche es noch einmal aus, wären wir da, hätten wir seit Jahrhunderten dem sittlich, geistig und bürgerlich kultivierten häuslichen Leben unseres Volkes allgemein Vorsehung getan, wie wir es hätten können und sollen, so würden unsere Ansichten über unsere wichtigsten bürgerlichen Angelegenheiten, und die wesentlichsten Fundamente unserer Nationalwürde und unserer Nationalkraft allgemein reiner und edler, sie würden allgemein eidgenössischer, und, im hohen Sinn des Wortes, mehr populär sein. Selber Ihr wenigen, in deren ob uns waltender Hand, wie ihrer viele sagen, das Geheimnis der Leitung unserer Schicksale ruht, wie die Geheimnisse der die Erde segnenden Sonne (die aber mit dem Geheimnis des einschlagenden Strahls und der verheerenden Gewitter die nämlichen sind), in der tiefen Stille der heiligen Natur ruhen, selber Ihr wenigen, die Ihr also ob uns waltet, auch Ihr würdet erkennen, daß Ihr über Söhne von Männern waltet, die würdig sind, die segnenden Vorzüge alle zu genießen, die ihre Väter ihnen mit ihrem Blut erkauft haben! Ihr würdet fühlen, daß Ihr über ein Geschlecht waltet, das heute noch fähig und würdig ist, die Welt von dem Irrtum zurückzubringen, dem auch einige von Euch oder wenigstens einige von denen, die sagen, daß sie der Euren welche seien, mit so vielen Geschäftsmännern unseres Zeit- und Zivilisationsverderbens gemein haben, von dem Irrtum nämlich, daß alle Völker der Erde und alle Geschlechter der Menschen, auch wenn sie durch ihre Gesetzgebungen nicht entkräftet, durch ihre Regierungen nicht entwürdigt, durch ihre Tribunalien nicht entrechtlicht, durch ihr Kultministerium nicht seelenlos, durch ihr Finanzministerium nicht leib- und gutlos gemacht worden, dennoch alle rechtlich-großen bürgerlichen Freiheiten in jedem Fall mißbrauchen würden, wenn man sie ihnen ohne vögtliche Obhut, d.i. ohne den Regierungen einen freien Spielraum vorzubehalten, sie in jedem einzelnen Fall eludieren zu können und eludieren zu dürfen, erteilen würde.

Auch Ihr wenigen, die Ihr in der Allgemeinheit unserer Zeitschwäche und unseres Zeitverderbens dennoch die Einsichtsvollsten und Tiefsehendsten seid, auch Ihr und sogar auch diejenigen unter Euch, die im Zusammenhang mit dem in der Empörung verwirrten und in der Verwirrung empörten Zeitgeist, einen mächtig bitteren Sinn gegen das Volk, gegen das Volksrecht und gegen das Menschenrecht im angegriffenen Busen tragen, auch Ihr würdet, wenn die hohen Resultate einer besseren Menschenerziehung und Menschenversorgung vor Euren Augen stehen würden, wie ehemals ein besser erzogenes, ein besser versorgtes Schweizervolk vor den Augen Eurer Väter stand, auch Ihr würdet dann von Eurem Mißtrauen gegen die Menschennatur zurückkommen, und dem Vaterland, und mit ihm dem ärmsten, niedrigsten Mann im Land die rechtlichen Segnungen, die die Stifter unserer Freiheit ihm, wie dem Edelsten im Lande erworben haben, mit unbefangenen Herzen gern geben und lassen. Ihr würdet es tun, Ihr müßtet es tun; denn Ihr würdet erkennen, daß die wohlbesorgte, d.i. die zur guten Besorgung ihrer selbst emporgehobene Menschheit, in allem ihrem Tun ruhig, bedacht und selber weise und edel zu Werke geht, folglich gegen den Mißbrauch guter, reiner, edler, weiser Menschen- und Bürgerrechte keine vögtliche Obhut nötig hat.

Aber freilich sind wir noch nicht da. Wir können nicht sagen, daß unser Volk allgemein dahin gebracht worden, sich selbst wohl zu besorgen. Wir müssen vielmehr sagen, daß alle unsere Übel daher kommen, weil dieses nicht geschehen, und unser Volk nicht allgemein und kraftvoll zu dieser Selbstsorge gebracht worden; und daß die einzigen Mittel, uns in unserer Lage wieder zu erheben, darin bestehen, alles zu tun, was in unserer Hand liegt, die Kraft dieser Selbstsorge in unserer Mitte zu erneuern.

Der Wohnstubenraub, dessen sich das Zivilisationsverderben unserer Zeit schuldig gemacht, muß wieder erstattet, das häusliche Leben muß wieder in seiner Reinheit, in seiner Kraft, in seinem Recht anerkannt; das Weib der Zeit muß wieder in allen Ständen der Natur und dem Gefühl seiner Bestimmung nähergebracht werden. Die Volksschulen müssen wieder zu gereiften und wirksamen Mitteln des Lebens und seiner nötigen Fertigkeiten erhoben werden; die Grundsätze der Armenversorgung müssen auf die Grundsätze der Menschenbildung zurückgeführt und zu den Grundsätzen der Menschenversorgung erhoben werden; die Menschenbildung, die Erziehungskunst selber muß wieder der Natur näher gebracht, sie muß elementarisiert und auf dieser Bahn zu einer wissenschaftlichen Kunst erhoben werden, die Kräfte der Menschennatur in ihrem ganzen Umfang rein und an sich zu entfalten, um das nötige Wissen und Können der Kinder darauf zu bauen und gleichsam aus demselben hervorgehen zu machen.

Ohne die Anerkennung dieser Ansichten sind auch nicht einmal die Anfangspunkte gedenkbar, wodurch es möglich ist, unser Volk über das Zivilisationsverderben empor, zur Kultur der Menschennatur zu erheben.

Die Lücke, die der Wohnstubenraub unseres Zeitalters in die Kraft unseres Geschlechts für die Erziehung der Kinder gebracht hat, ist unendlich groß. In allen Ständen ist sie in sittlicher, geistiger und Berufshinsicht in ihren Grundlagen erschüttert, und es braucht unendlich viel, dem häuslichen Leben wieder den bildenden Einfluß zu verschaffen, ohne dessen Dasein der Erziehung unseres Geschlechts ihr erstes, wesentlichstes und heiligstes Fundament mangelt.

Wir dürfen uns nicht verhehlen, die Mütter der Zeit sind fast allgemein in allen Ständen im reinen Bewußtsein ihrer mütterlichen Kraft, ihrer mütterlichen Bestimmung und ihrer mütterlichen Mittel verwirrt von der Natur, von sich selbst, von ihren Wohnstuben und von ihren Kindern weg, und in die Irrwege der Welt und ihrer äußeren Erscheinung hingelenkt. Sie sind unaussprechlich ungewandt und unkundig in allem dem, was sie zur Bildung ihrer Kinder sein und tun sollten. Wir können und sollen uns nicht verhehlen, in diesem Umstand liegt der Mittelpunkt aller Schwierigkeiten, den Übeln unserer Zeit durch die Erziehung wesentlich abzuhelfen. Insoweit dieses so ist, und solange die Mütter ungewandt, ungeübt, unkundig in allem dem sind, was sie über ihre Kinder sein und tun sollten, so mangelt im Heiligtum der häuslichen Erziehung wesentlich der Anfangspunkt und mit ihm das Fundament alles dessen, was wir zur Erneuerung unserer selbst dringend bedürfen.

Die ersten Bemühungen für diesen Zweck müssen desnahen notwendig auf diesen Punkt gerichtet sein. Die Zeitwelt bedarf dringend eines Mutterbuchs, eines Lehrbuchs für Mütter, das geeignet ist, die innere, tief eingegriffene Gefühllosigkeit der Mütter in dieser Hinsicht zu erschüttern, ihre Natur wieder für das, was sie ihren Kindern sein könnten und sollten, zu beleben und ihnen dasselbe von Stufe zu Stufe klarzumachen, ich möchte sagen, von Wort zu Wort in den Mund zu legen, Gedanken für Gedanken ihrem Geist, Gefühl für Gefühl ihrem Herzen näher zu bringen, und ihnen Mittel für Mittel dazu in die Hand zu legen.

Freund der Menschheit! Das Gefühl der Dringlichkeit des Bedürfnisses einer solchen Anleitung für die Zeitmütter spricht sich schon in dem, was ich S. 39 sagte, aus:

"Das Weib der Zeit wird in allen Ständen täglich mit größerer Gewalt und mit mehr raffinierter Kunst aus der Reinheit ihres mütterlichen Seins und ihrer mütterlichen Kraft herausgerissen. Die Einseitigkeit unserer exzentrischen Zivilisation verirrt sie täglich mehr im Innersten ihrer Natur. Trügende Scheingenießungen eines eitlen, verderblichen Tandes lenken sie immer mehr von den Realgenießungen ihres Muttersinnes, und von dem hohen Heilsgefühl eines steten, ununterbrochenen, sich hingebenden Lebens in aller Menschlichkeit der Muttertreue und der Mutterfreuden ab. Eine kulturlose, nur von der Sinnlichkeit ausgehende, aber auch mit großer Sinnlichkeitskraft eingeübte künstliche Lebensgewandtheit, wie sie es in Jahrhunderten nicht war, überwältigt die Unschuld und Schwäche der Natur in der Mehrheit der mütterlichen Wesen unserer Zeit in dem Grad, daß sie im Gefühl ihrer inneren Verwirrung sich nicht mehr selbst zu helfen imstande sind, und bei der Welt, die wider sie ist und ihnen selber die reinste Kraft ihres mütterlichen Sinns geraubt hat, dennoch Hilfe und Handbietung suchen müssen, ich will nicht sagen, um ihren innerlichen mütterlichen Sinn in sich selber zu erneuern und wieder herzustellen (sie wissen in ihrer Verirrung kaum, daß er ihnen mangelt), ich will nur sagen, um ihren Kindern auch nur halb zu sein, was sie ihnen gerne ganz wären, und auch nur halb aus ihnen zu machen, was sie wohl sehen, daß sie ganz aus ihnen machen sollten. Auch dieses Wenige müssen unsere Zeitmütter außer sich und bei der Welt suchen. Sie suchen es auch alle, aber sie finden es nicht, oder gewiß die wenigsten von ihnen finden auch nur dieses Halbe bei ihr. Die meisten werden beim ungeleiteten und unverständigen Suchen dieses Halben, wie ich oben gesagt, auch nur dafür von Pontio zu Pilato gewiesen, und müssen so gewiesen werden. Die Sache, die sie suchen und bedürfen, mangelt im pädagogischen Zeitalter vielseitig selbst".

Freund der Menschheit! Auch S. 145 bis S. 148 schilderte ich die diesfällige Verlegenheit und Unbehilflichkeit unserer Zeitmütter und unserer Zeitväter. Leser! Wiederhole dir auch diese Stelle und fühle es tief, wie dringend die Handbietung für die Erziehung, wie dringend ein dem Wesen der Menschenbildung entsprechendes, der Vollendung nahegebrachtes "Buch der Mütter" ein Bedürfnis der Zeit ist.

Aber seine Bearbeitung, wenn es zu dem Grad der Vollendung, ohne den es seinen Zweck nicht erreichen kann, gebracht werden soll, ist schwer, sehr schwer. Ich habe seine Ausführung in einzelnen Teilen versucht, und arbeite noch forthin daran, aber ich bin fern davon, zu denken, daß seine Vollendung in meiner Hand möglich sei. Sie geht beides über den Kreis meines Lebens und meiner Kräfte hinaus und ist auch wesentlich nicht das Werk eines einzelnen Mannes und der kurzen Zeit seines Lebens. Nein, sie ist, sie muß das Resultat edler, vereinigter Menschenfreunde und Menschenkenner und eines von einem solchen Menschenverein gemeinsam für diesen Zweck angewandten großen Zeitpunktes sein.

Aber die Lage der Welt ruft die Edelsten, die Weisesten unter uns auf, nicht zu säumen, und ihnen, den Müttern des Landes, dem Vaterlande, dem Weltteil, diese Handbietung, deren sie so dringend bedürfen, zu reichen.

Auch die Volksschulen sind, eben wie die Mütter der Zeit, fern davon, die Bedürfnisse der Zeit befriedigen zu können; sie sind fern davon, mit den Bildungsmitteln des häuslichen Lebens in Übereinstimmung stehende Kraftübungen des menschlichen Geistes im ganzen Umfang seiner wesentlichen Bedürfnisse zu sein, und also dazustehen.

Das Fundament dieser Ansicht, die reine, hohe Wohnstubenkraft des häuslichen Lebens fehlt den Volksschulen fast ganz. Ich möchte sagen, sie ist im allgemeinen, vom Dorfschulmeister an bis auf den Kultminister hinauf, außer den Kreis des Personals, das auf diesen Staats- und Menschendienst wirklich Einfluß hat, gefallen. Einige trösten sich zwar damit, wenn nur das Christentum in den Schulen recht gelehrt werde, so sei für alles andere schon gesorgt. Diese zwar guten, aber oft auch **** Menschen bedenken nicht, daß das Christentum nicht nur eine Lehre, sondern auch eine Übung des Lebens ist, und in den Schulen, wie sie jetzt sind, ewig nie recht gelehrt werden kann, und entschuldigen so den wesentlichen Mangel des Menschlichen mit dem eitlen Maulbrauchen über das Göttliche eigentlich in den Tag hinein. - Es ist auch wirklich eine Lästerung gegen das Göttliche, seinen Trugschein als einen Freibrief für den Mangel das wirklich wesentlichen Menschlichen geltend zu machen. Das Christentum - das wahre, ist die vollendetste Lebenssache, die die Welt je aufzuweisen vermag. Die unchristliche Verwahrlosung der Kinder des Volkes für alles Sein und Tun des Lebens mit dem Auswendiglernen eines unverständlichen Katechismus und ebenso unverstandenem Ave Maria zu entschuldigen, und damit seinen Mangel ersetzen zu wollen, dazu braucht's freilich K**** Unverschämtheit oder einen Hintergrund, der noch schlimmer ist als die Unverschämtheit der Unwissendsten unter den ****.

Die Tatsache ist gewiß. Die Volksschulen sind für die Ausbildung der wesentlichen Kräfte, derer der Mensch im gesellschaftlichen Zustand bedarf, nicht nur ungenugtuend, sie sind der reinen psychologischen Entfaltung derselben hier und da wirklich hinderlich geworden, indem sogar diejenigen von ihnen, die man für die besseren gehalten, eine Richtung genommen haben, in welcher das Wissen unabhängend von der Kraft des Denkens, des Könnens und Fühlens betrieben, und die Scheinkenntnis unfruchtbarer, eitler, so geheißener Wahrheiten der Einübung für das Leben notwendiger Grundsätze und Fertigkeiten vorgezogen, und die wirkliche Ausbildung der wesentlichen menschlichen Kräfte unnützen und überflüssigen Scheinfertigkeiten untergeordnet worden ist.

Der Schuleinfluß hat weit und breit seine einübende Kraft auf die wirkliche Lebensbildung unseres Geschlechts verloren und ist in einen Träumereinfluß verwandelt, durch welchen die Bücher allgemein wie Zucker, Kaffee und Schnupftabak zu einem Luxusbedürfnis von Menschen geworden, davon die Mehrheit derselben sie nicht zu verdauen, und viele sogar nicht zu bezahlen vermögen.

Tausend und tausend Kinder, die am Ende zu einem tätigen Berufsleben bestimmt sind, werden bei dieser Ordnung bis ins vierzehnte und fünfzehnte Jahr in einem träumerischen Schulleben herumgeführt, kommen denn nach dieser Zeit zu einem Handwerk, und werden dann erst zu geplagten Lehrlingen des wirklichen Lebens gemacht - das ist wahrlich übel. Wenn man Kinder bis ins fünfzehnte Jahr im Wagen herumführen und dann erst gehen lehren wollte, so hätte man das nämliche getan, wie wenn man sie sich solange in den Büchern verträumen läßt.

Freilich, wenn dergleichen "im Wagen geführte" und durch das "im Wagen Führen" erzogene Kinder ihre Equipage und ihre Bedienung bis ans Grab sicher haben, so können sie sich bei aller Abschwächung ihrer Füße dennoch in ihrem Wagen erträglich durch die Welt schleppen lassen. Wenn aber dieses der Fall nicht ist, so kommen sie ganz gewiß in sehr große Verlegenheiten. Die Banden des Staates, die die gute Besorgung des Volkes zum Zweck hatten, sind alle locker geworden; sonst hätte es auch mit dieser Verirrung in der Welt nicht so weit kommen können, als es mit ihr wirklich gekommen. Ohne das hätten die Schulen und selber die Dorfschulen ewig nie zu eigentlichen Gymnasien des menschlichen Verträumens herabsinken können. Ohne das hätte man gewiß gefühlt, daß Gymnasien, die das Verträumen des Lebens bis auf die Dörfer hinabbringen, der Schwächlinge und Armen für unsere Welt zuviel machen. So wahr, so unbedingt wahr ist es, was ich vor so vielen Jahren im Buch: "Wie Gertrud ihre Kinder lehrt", ausgesprochen: "Der Schulkarren des Weltteils muß nicht nur frisch angezogen, er muß umgekehrt, und nach einer anderen Richtung angezogen werden." Das notwendige Wissen und Können der Kinder muß aus der vorhergegangenen Entfaltung der menschlichen Kräfte, die dieses Wissen und Können voraussetzen, gebaut, und die Erziehung allgemein zu einer von der Elementarbildung ausgehenden Wissenschaft erhoben werden.

Aber die Wissenschaft dieser Bildung selber liegt, insofern sie in ihrem ganzen Umfang ins Auge gefaßt wird, noch in ihrer Kindheit, und wir müssen hinzusetzen, die ihr von allen Seiten entgegenstehenden Verirrungen der Routine, des Schlendrians, der Oberflächlichkeit und der Selbstsucht sind unseren Zeitmenschen allgemein so habituell geworden, daß es uns unaussprechlich schwer wird, gegen ihren Stachel zu lecken und aus dem Tod ihres verwesenden Leibes in das Leben des Geistes der Erziehung und des inneren wahren Wesens der Elementarbildung hinüberzugehen, und uns an Ansichten und Fertigkeiten einer wissenschaftlichen Kunst zu gewöhnen, die, über die diesfälligen Zeitverirrungen erhaben, geeignet wäre, im verworrenen Knäuel der Zeiterziehung die Anfangsfäden der Elemente dieser Kunst in allen ihren Teilen zu erkennen und festzuhalten.

Der ganze Umfang der Elementarmittel hat allgemein, wie das Buch der Mütter, die gleichen Schwierigkeiten. Sie sind die höchste Aufgabe der Zeit und sprechen die höchste Weisheit, die höchste Reinheit und Kraft der gebildeten, der durch Bildung erhabenen Menschheit an. Und wenn die Idee dieser Bildung nicht in ihr Nichts zurückfallen, wenn sie nicht als eine überwundene und gefallene Idee ins Grab gelegt und zu einer neuen Auferstehung im künftigen Jahrhundert aufbewahrt werden soll, so muß, wie dieses in Rücksicht auf die Idee eines seiner Vollendung nahezubringenden Buches der Mütter schon bemerkt worden, eine Vereinigung mehrerer, des Versuches nach ungleichen Gesichtspunkten fähiger Menschenkenner und Menschenfreunde stattfinden, die diesem höchst wichtigen Zweck gemeinsam ihre Zeit und zwar so lange als es notwendig ist, widmen. Halbarbeiten, die immer fehlschlagen, denn wieder angefangen werden, dann wieder fehlschlagen und wieder angefangen werden, ohne das Ziel sicherzustellen, diese sollten einmal diesfalls enden; der Gegenstand ist zu wichtig. Zeitalter! Wenn das heilige häusliche Leben forthin in unserer Mitte abgeschwächt dastehen, und wir selber dahin versinken würden, dem Schaden seiner Abschwächung kein großes Gewicht mehr zu geben, und im Gegenteil die entschiedene, unwidersprechliche Ursache davon, das böse Unterordnen der ewigen, unabänderlichen Ansprüche unser Individualveredelung unter die Zeit- und Wechselansprüche unserer jeweiligen Zivilisationsbildung als im gesellschaftlichen Zustand unausweichlich anzusehen, und in dieser Täuschung verirrt, es allmählich immer unbedeutender zu achten - könnten in dieser Lage Hilfsmittel unser Vertrauen verdienen, die von dem Verderben selber ausgehen, dem sie - entgegen zu wirken bestimmt sind? Könnten uns in dieser Lage Mittel helfen, die den Grund ihrer Erlahmung in sich selbst tragen? Könnten uns denn sittliche und geistige Mittel helfen, die aus unsittlichem und ungeistigem Grund und Boden hervorgewachsen, und Früchte der Unsittlichkeit und der Ungeistigkeit selbst sind?

Kann es uns helfen, wenn wir Schul- und Erziehungseinrichtungen, deren Unnatur und Schlechtheit wir erkennen, in ihrer inneren Unnatur und Schlechtheit, wie sie sind, bleiben lassen, und ihr Elend nur etwas weniger elend erscheinen machen? Kann es in solchen Lagen helfen, wenn wir an die anerkannte Schlechtheit des Ganzen eine partielle Kleinigkeit von etwas Besserem, wie einen neuen Lappen an ein altes Kleid anklecksen? Kann es uns helfen, daß wir aus einem verwirrten Knäuel einzelne Fäden herausreißen, sie zwischen den Fingern gerade strecken, aber den verwirrten Knäuel selber (con amore, in integro, in statu quo)# erhalten? Kann es uns helfen, daß wir das Schlechte nur verschönkünsteln, anstatt es zu verdammen? Kann es uns helfen, daß wir der Wirklichkeit der Entkräftung und Entmenschlichung unseres Geschlechts den bloßen Schein der Kraft und der Menschlichkeit unterschieben? Und kann jemals eine erniedrigte, mißbrauchte, entwürdigte und verkünstelte Volksmasse durch Mittel wirklich erhoben werden, die nicht, tief in die Menschennatur eingreifend, jedes Individuum, in dem ihr reines, inneres Wesen noch nicht ausgelöscht ist, mit Macht ergreifen, anregen und beleben? Oder ist es denkbar, daß der fast erstorbene reine Mutter- und Familiensinn des Weltteils, und mit ihm die Fundamente des höheren Menschen- und Bürgerlebens, deren wir so sehr bedürfen, etwa durch Mittel wieder ins Leben gerufen werden können, die entweder nicht geradsinnig und offen, oder gar an sich klein, ohnmächtig dastehen, und in allen anderen Beziehungen als wirkungslos erkannt sind? Können es Scheinmittel, können es Palliative sein, durch die das geistige, sittliche, bürgerliche Verbluten des Weltteils, das wir in Strömen aus der Riesengestalt unseres Verderbens hervorbrechen gesehen, gestillt zu werden vermag, und können die Hoffnungen einer befriedigenden Volks- und Nationalbildung etwa durch oberflächliche, in sich selbst zerrissene und sich untereinander selbst entgegenstehende Mittel eingelenkt und erzielt werden?

Nein, nein! Es muß in solchen Lagen tief auf den menschlichen Geist und durch denselben, es muß in denselben tief auf das menschliche Herz und durch dasselbe gewirkt werden. Die Überzeugung davon muß bei den Edelsten der Nation erzielt, der Enthusiasmus der Nation muß dafür belebt und die Tätigkeit der Edelsten der Nation muß dafür angesprochen werden. Das muß sein, das muß erzielt sein. Aber wo dieses ist, wo man wirklich dahin gekommen, die Menschheit in ihren edleren Individuen für die Wiederherstellung ihrer selbst zu beleben und den reinen Enthusiasmus der Menschennatur für diese Zwecke kraftvoll rege zu machen, da erhebt sich denn auch unser Geschlecht zum Schwersten, zum Höchsten, zum Erhabensten, dessen die Menschennatur fähig ist. Der Kraftarm der Nationen wird dann entfesselt, die Folgen dieser Entfesselung sind nicht zu berechnen. Das Leben ist dann angeregt, jede einzelne Handlung der Weisheit und Tugend wirkt auf die Gemeinkraft der Weisheit und Tugend. Sei es der höchste und größte oder der ärmste Mann im Lande, der sie tut; sie verschwindet als einzelne Handlung.

Sie steht dann als Handlung der Menschheit, als Handlung der höheren Menschennatur, als sich erhaben der Menschheit und dem Vaterland aufopfernde und den dringendsten Bedürfnissen der Zeit und des Augenblicks hingebende Großtat des Menschengeschlechts da, und spricht die Achtung und die Verehrung der Mit- und Nachwelt an.

Das Weib, das dahin erhoben ist, ihrem Kind im vollen Sinn des Wortes ganz zu leben, d.h. ihr Leben für dasselbe hinzugeben, dieses Weib opfert sich nicht bloß für ihr Kind, es opfert sich für das Menschengeschlecht. Ihr Leben hat selber für dieses, für seine Kultur, für seine Erhebung in dem Grad einen hohen Wert, als es mit der Lebensweise der gemeinen Zeitweiber einen großen Kontrast macht.

Der Augenblick, in dem wir leben, ist für das Bedürfnis des Großen, des Erhabenen, er ist für das Bedürfnis des Enthusiasmus für das Große, für das Erhabene, dessen wir bedürfen, entscheidend. Aber eben darum, weil er es ist, müssen die Maßregeln, ihm ein Genüge zu leisten, mit seiner Wichtigkeit übereinstimmend und ihm gemäß sein.

Weltteil! Was bist du ohne deine Erhebung, was bist du ohne dich selbst, ohne die gebildete sittliche, geistige und physische Individualkraft deiner Bürger? Und deine Regierung, was ist sie, was kann sie werden, wenn die ersten Ansprüche der Menschennatur, die ersten Ansprüche der Humanität in deinen Individuen nicht befriedigt, und ihre Kräfte darin nicht in eine veredelte Gemeinkraft hinüberzugehen vermögen?

Vaterland! Liebes kleines, gesegnetes Vaterland! Was bist du ohne den Individualwert deiner Bürger? Was bist du ohne die diesen Individualwert begründende und sicherstellende, gesetzliche Freiheit deines Volkes? Und was ist dein Mut, was ist deine Treue, Vaterland! wenn dein Mut nicht erleuchtet und deine Treue nicht weise ist? Was wäre selber deine Frömmigkeit, wenn jeder Heuchler sie mißbrauchen könnte? Was wäre deine Vaterlandsliebe, wenn du blind jedem Impuls eines selbstsüchtigen Schwächlings, der durch **** Mittel hinter dem Vorhang auf dich wirkte, folgen würdest?

Vaterland! Vaterland! Deine Bürger sind dem Staat um kein Haar mehr wert als sich selbst; und jeder Glauben an den Staatswert von Bürgern, die keinen Individualwert für sich selbst haben, ist ein Traum, aus dem du früher oder später mit Entsetzen erwachen mußt. Jedes Land, und besonders jedes freie Land, steht nur durch den sittlichen, geistigen und bürgerlichen Wert seiner Individuen gesellschaftlich gut; wo dieser mangelt, wo die Fundamente, aus denen dieser allein hervorzugehen vermag, mangeln, wo ein edelmütiger und erleuchteter Eifer für die Allgemeinheit der Erziehung im öffentlichen, und der Vater- und Muttereifer der reinen Wohnstubenkraft im Privatleben mangelt, da halten alle anderen Vorzüge eines Volkes die Feuerprobe ihrer Wahrheit im Glück und im Unglück nicht aus. Sie sind nur äußerlich, ob sie auch noch so sehr glänzen, sie sind innerlich voll Trug und Tand.

Vaterland, die Erhebung deines Volkes über diesen Trug und Tand ist um so mehr dringend für dich, weil du frei bist, und deine Bürger für die Besorgung ihres Individualwohls zwar mehr Rechte und Freiheiten, aber auch für den Mißbrauch derselben mehr Spielraum und zugleich Obrigkeiten haben, deren äußere Mittel zur allgemeinen öffentlichen Belebung, Veredelung und Benutzung der Individualkräfte der Bürger beschränkter sind als diejenigen der Fürsten.

Kannst du zögern, Vaterland, dein Volk auf der Bahn der Erziehung zu erheben, kannst du zögern, dein Volk auf der Bahn der Erziehung innerlich frei zu machen, wie es durch das Blut seiner Väter äußerlich frei geworden; kannst du zögern, es durch die Erziehung zu jeder gesetzlichen rechtlichen Freiheit, die es wirklich besitzt, fähig zu machen? Die Mittel, es zu tun, sind in deiner Hand, die Beweggründe dazu sind dringend.

Vaterland! Ich sagte es oben S. 46 und f. und wiederhole es jetzt: "Das Bedürfnis der Zeit ruft heute jedem edlen Mann, herrsche er als König auf dem Thron, diene er für das Volk dem König, sitze er als Edelmann in seinem Eigentum und unter den Seinen, lebe er durch bürgerliche Tätigkeit in Verbindung mit dem Volk, sei er von Gottes wegen ihr Lehrer und Tröster, baue er das Land, umgeben mit Söhnen und Töchtern, mit Knechten und Mägden in Wohlstand und Ehre, oder sitze er verborgen in der niedersten Hütte, nur seinem Weib, seinen Kindern und seinen Nachbarn als ein edler Mann bekannt, ihm und allen Edlen ruft der Zustand der Welt heute zu, wie es seit Jahrhunderten nie geschehen: Was der Staat und alle seine Einrichtungen für die Volkskultur nicht tun und nicht tun können, das müssen wir tun. Vaterland! Deutschland! Unter den tausenden, die sich durch den Schrecken der vergangenen Jahre zur Besonnenheit einer gereiften Selbstsorge erhoben haben, ist nur eine Stimme: Wir müssen unsere Kinder besser und kraftvoller erziehen, als sie bisher erzogen worden." Ich setze jetzt noch hinzu, unter den Staatsmännern, die durch das Staatsunglück der vorigen Jahre zur Besonnenheit und gereiften Ansichten über die tieferen Fundamente des Wohles aller Staaten gelangt, ist ebenso nur eine Stimme: Wir müssen die Kinder unserer Völker besser und kraftvoller erziehen, als dieses bisher geschehen.

Im Gefühl, daß wir dieses können, wie wir es sollen, wiederhole ich die Stelle S. 45:

"Es mag der öffentlichen Einrichtungen halber auch in der Mehrheit unserer Staaten stehen, wie es will, so sind an jedem derselben dennoch tausend und tausend Individua vorhanden, die unser Zeitverderben in seiner Wurzel erkennen, und dasselbe nicht bloß oberflächlich ins Auge fassen, sondern im Hochgefühl ihrer Pflicht und ihrer Kraft danach streben, ihm in allen seinen Zweigen entgegenzuarbeiten.

Die Menschennatur müßte sich verloren, das Menschengeschlecht müßte sich selbst weggeworfen haben, wenn es nicht dahin gekommen wäre, und das ist gottlob nicht der Fall, die Menschen, die zu Tausenden und zu Hunderttausenden zu einer höheren Erkenntnis der ersten Bedürfnisse des Weltteils gekommen, haben nur eine Erweckungsstunde, nur einen höheren, sie erweckenden, einen sie vereinigenden Mittelpunkt notwendig, um sich zur höchsten, belebtesten Tätigkeit für die ersten Bedürfnisse unseres Geschlechts zu erheben." Vaterland! Die Menschennatur hat sich nicht verloren, das Menschengeschlecht hat sich nicht weggeworfen, die Menschennatur verliert sich nie, das Menschengeschlecht als solches wirft sich nie weg. Zwar es ist seiner Erhebung, seiner Veredelung halber oft in ungünstigen Umständen, aber auch das ist gegenwärtig nicht der Fall. Im Gegenteil, es ist heute diesfalls in den günstigsten Umständen. Die Erweckungsstunde der Welt ist da - der Mittelpunkt der allgemeinen Erweckung zu den heiligsten Zwecken ist wirklich gefunden - die ersten Throne der Welt stehen vereinigt als dieser Mittelpunkt da. Die Männer, in deren Hand die Vorsehung in unseren Tagen das Schicksal des Weltteils gelegt hat, erkennen in der Erziehung der Völker das erste Mittel des Wohles ihrer Staaten, sie wollen das Heil der Welt, und erkennen im Wohnstubenheil das Heil und die Rettung des Weltteils.

Franzens heiliger Vatersinn findet seine Kinder, wo er immer in seinen Staaten hinkommt; Alexander, dessen menschliche Hilfsbegierde der Kraft gleich ist, die in seiner Hand liegt; und Friedrich Wilhelm, der sich als Mensch und Vater höher fühlt, als er sich je als König gefühlt hat - sie, diese ersten Männer, in deren Hand die Vorsehung auch dein Schicksal, Vaterland! gelegt hat, sie, sie alle wollen die häusliche Erhebung des Menschengeschlechts durch die hohe Kraft der Erziehung auf weisen, gesetzlichen Wegen; und suchen auf ihren Thronen die rechtliche Sicherheit ihrer Untertanen in allem, was zu der sittlichen, geistigen und bürgerlichen Veredelung der Völker erforderlich ist. Sie wollen auch dein Heil, Vaterland! auf dieser Bahn. Vaterland! Stehe in deinem Edelmut nicht hinter dem ihrigen, hinter demjenigen, zu dem sie dich selbst zu erheben sich bemühen, zurück!

Vaterland! Mangle dir selbst nicht, so groß dein Glück ist, du kannst es dennoch verscherzen! So groß es ist, so können wir heute doch dahin versinken, daß unsere nächsten Nachkommen in tiefem Gefühl einer unwürdigen, aber von unserem Zeitalter herbeigeführten Erniedrigung Gott bitten müßten: Herr, gib uns wieder Unglück, denn unsere Väter haben nicht gewußt, das Glück, das du ihnen gabst, wohl zu benutzen!

Vaterland! Könntest du zögern, dein Volk, dein versunkenes Volk auf der Bahn wieder zu erheben, die Europa als die Pflichtbahn aller Regierungen, die sich selbst in erleuchteter Edelmut zu begreifen gelernt haben, anerkennt?

Vaterland! Sieh dich um, Europa ist von dieser Seite erwacht! Es erhebt sich von dieser Seite. Sieh dich um, Vaterland, und verhehle es dir nicht: in allen bedeutenden Staaten vereinigen sich edle Männer zu diesem Zweck, und schwesterlich stehen den diesfälligen Männerbemühungen noch Frauenvereine, Königinnen an ihrer Spitze, zur Seite, und erheben sich, die heilige Zartheit ihres Geschlechts mit Männerkraft verbunden, hoch über [den] Zivilisationsschlendrian, der auch ihr Geschlecht erniedrigte, und über den die Menschennatur entwürdigenden Trugglanz seines niederen Seins und Treibens empor, und dienen mit einer Unschuld und Liebe, die die Hütten im Staube zum Wohnsitz der Engel erhebt, der Armut und der Not der Leidenden. Auch sie, auch diese Frauenvereine erkennen in der bildenden Kraft der Erziehung und in der ersten Versorgung der Menschen im häuslichen Leben das Heil unseres Geschlechts, und erheben sich in dieser Ansicht zu einem Gemeingeist der Menschenfreundlichkeit und zu einer Gemeinwirkung guter Taten, die die Welt in diesen Kreisen lange also nicht gesehen. Die Erleuchtung des Weltteils hat von dieser Seite eine Richtung, die von dem Gefühl des Bedürfnisses einer zu erneuernden, zu heiligenden Sorge für das Volk ausgeht, erhalten.

Der Weltteil erhebt sich, er erkennt sich in seiner Schwäche, er erkennt sich in seinem Verderben; der Trugglanz des eitlen Wissens und seiner oberflächlichen Hülle hat seinen Glauben, und mit ihm die Kraft, das Menschengeschlecht durch Abschleifung kraftlos zu machen, verloren. Auch die Zauberkraft, das Volk mit dem Schein des geheuchelten Göttlichen für das wirkliche und wesentliche Menschliche, unbehilflich und unverständig zu machen, ist in unseren Tagen mehr als verdächtig, sie ist in denselben verächtlich geworden. Das Volk, das die Priester der Unwissenheit ihre eigenen Augen über das offen behalten gesehen, worüber sie ihm, dem Volk, raten, die seinigen zuzuschließen, weiß jetzt ziemlich allgemein, warum ihr guter Rat mit ihrer schlauen Tat so sehr im Widerspruch steht. Die Welt verachtet jetzt auf ziemlich bedeutenden Punkten die Prediger der Blindheit als schlechte Diener der göttlichen Wahrheit, und als ebenso schlechte Diener der heiligen Macht der Fürsten.

Völker, die sich auf edlen, rechtlichen Wegen der Selbständigkeit nähern, rufen vereinigt mit ihren Fürsten, den Priestern laut zu: Diener Gottes, erbarmet Euch der Armen, widersteht dem Unrecht und redet die Wahrheit! Auch die rohe Verachtung des Göttlichen ist von sich selbst in Trümmern gestürzt, und steht schamrot vor dem Heiligtum der Menschheit, von dem sie gewichen. Der Unglauben selber wird auch unbekehrt geräuschloser, ernster und stiller, und wandelt auf einer Bahn, die ihn dem Mißtrauen gegen sich selbst und damit der heiligen Zartheit näher bringt, die das Menschengeschlecht auf sicherer Bahn von der Anhänglichkeit an das Niedere, Vergängliche, von der trüben Quelle des Unglaubens, zur Anhänglichkeit an das Edle, Erhabene, Göttliche, zu den reinen Fundamenten des heiligen Glaubens hinlenkt. - Ebenso hat auch die rohe Gierigkeit nach tierischer Freiheit den Zeitpunkt ihres Irrtums und ihres Rasens hinter sich gelegt. Meine Überzeugung ist fest. Welch ein Sturm sich jetzt auch nähert - der Sturm ist nichts, er wird vorübergehen; es wird besser, es wird gewiß besser werden.

Die Fürsten haben das Wort der Engel der Weihnacht: "Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und dem Menschen ein mildes Gemüt" zum Wort ihrer Vereinigung für das Menschengeschlecht gemacht.

Eine hohe Sorgfalt für ihre Kinder - die Völker -, eine hohe Sorgfalt für das Wohnstubenheil, für Kirchen, Schulen und Armut liegt den vereinigten Fürsten am Herzen - am fürstlichen Vaterherzen. Sie erkennen gemeinsam, daß ohne die Wiederherstellung einer tiefen, reiner und edler begründeten Wohnstubenkraft, ohne eine also bewirkte Belebung, ich möchte sagen, Heiligung des Kirchen-, Schul- und Armenwesens es unmöglich ist - die Ehre Gottes in der Höhe, den Frieden auf Erden und ein sanftes, mildes, edles und gerechtes Loben unter den Menschen wahrhaft und dauerhaft in unserer Mitte zu befördern. Es wird geschehen, der Weltteil, an seiner Spitze die Fürsten, wird sich erheben, Europa wird die edleren Kräfte der Menschennatur in seiner Mitte nicht untergehen sehen, wie es sie in Asien untergehen gesehen. Es wird die ewigen Fundamente der höheren Kräfte der Menschennatur wieder beleben; es wird die Erhebung der Völker zu den Kräften, die ihnen der gute Zustand der Wohnstuben, der Schulen und der Armenbesorgung gewähren kann, als das Recht des Menschengeschlechts anerkennen. Es wird ihre Erzielung als die Pflicht jeder Regierung, als den ersten Segen der bürgerlichen Vereinigung; es wird sie als das von Gott selbst gegebene Mittel, jeder rechtlichen Begründung des gesellschaftlichen Zustandes und als das ewige Fundament aller wahren Staatskräfte anerkennen.

Es ist geschehen, das Wort der Engel der Weihnacht im Mund der Fürsten sichert dieses Besserwerden dem Weltteil. - Er soll sich, er wird sich auf edlen, treuen, rechtlichen Wegen erheben.

Wie sich im Mittelalter der Adel, die Gewalt Gottes ob sich und das Recht des Gewissens in sich anerkennend, zu allem, was edel, was groß, was würdig, was erhaben, was menschlich ist, vereinigte, und dadurch der Roheitsbarbarei des Feudalsystems, an dessen harte Zeitform das innere Hohe und Edle der damaligen bürgerlichen Vereinigung gebunden war, mit großer psychologischer Kraft Schranken setzte, und durch Rittersinn und Ritterehre der harten Zeitform der bürgerlichen Verhältnisse gleichsam eine höhere, innere, reinere Seele gab, also sollen die Edleren, die Besseren des Menschengeschlechts (die ersten Fürsten des Weltteils stehen an ihrer Spitze), heute das Recht Gottes ob sich und das Recht des Gewissens in sich anerkennend, sich dahin vereinigen, durch gemeintätige Beförderung alles Edlen, Schönen und Guten und durch mutige Bekämpfung alles Niederen, Unedlen, Verschrobenen der öden leeren Schwachheitsbarbarei unseres Zivilisationsverderbens mit psychologisch gegründeter Kraft Einhalt zu tun, und dadurch der seelenlosen Zeitform unserer Schwäche gleichsam wieder eine neue, innere, reinere Seele zu geben, also daß das würdige und humane Leben der Edleren unserer Zeitmenschen auch wieder auf die Veredelung unserer gemeinen Stände und dahinab wirke, daß das nur äußerlich scheinende, aber durch seine magische Kraft innerlich fast allmächtig wirkende Kunstband aller gesellschaftlichen Vereinigung - die Übereinstimmung des Pflichtlebens der Menschen mit den Ehren- und Standesgewohnheiten und mit den Ehren- und Standesaufzeichnungen der Zeit - in unserer Mitte wieder hergestellt und der sogeheißene gute Ton unserer vornehmen Leute nicht forthin und immer mehr mit den wesentlichsten Bildungs- und Erhebungsbedürfnissen der niederen Stände im grellsten Kontrast, sondern in einer vom Staat und der Gesetzgebung aus eingelenkten und gesicherten Harmonie erscheine.

Freunde der Menschheit! Ohne eine ernste, sittliche Vereinigung der Edleren unseres Geschlechts ist es nicht möglich, so dringend das Bedürfnis auch ist, den Mittelstand des Landes, diese sittliche, geistige und Kunstbasis aller Staaten, wieder anmaßungslos und kraftvoll zu machen und dadurch zu der Achtung zu erheben, die er unter unseren Vätern genoß.

Es ist nur durch eine solche Vereinigung möglich, auch unsere niedersten Stände in innere Harmonie ihrer selbst mit ihren Verhältnissen und mit den oberen Ständen zu bringen, und dahin zu wirken, daß die Söhne unserer niedersten, gemeinsten Leute, unsere Knechte an der Seite ihrer Herren wieder treu und bieder und ihnen anhänglich werden, wie sie in den schönen Tagen der Ritterzeit an der Seite ihrer Herrn bieder und treu und ihnen anhänglich wurden, und daß die Töchter unserer niedersten, gemeinsten Leute, unsere Mägde an der Seite edler Frauen wieder rein und keusch bleiben, wie sie in den schönen Tagen der Ritterzeit an der Seite edler Frauen rein und keusch blieben.

Zeitalter! Vaterland! Weltteil! Nicht Palliative, nicht Lug und Trug in dir selbst und wider dich selbst werden dich retten. Nur hohe Zwecke solcher Art und ein Ziel solcher Art kann dich retten. Ein solches, ein so hohes Ziel, Zeitalter! ist der Ruf der Stunde, in der du lebst, an den Ernst, an die Unschuld und an den Edelmut deines Geschlechts. Er kann, er wird nicht ohne Folgen sein.

Der Zauber ist zwar groß, ich möchte sagen, er ist allmächtig groß, der den Weltteil von den ewigen Ansprüchen der Menschennatur an die Einfachheit, Wahrheit und Kraft des reinen häuslichen Lebens, und von der heiligen Aufmerksamkeit auf die Individualbedürfnisse unseres Geschlechts ab und von ihr weg zu aller Gierigkeit und Gewalttätigkeit der kollektiven Ansicht desselben hingelenkt; aber die Übel, die aus dieser Hochverirrung des gesellschaftlichen Zustands für den Weltteil entsprungen, sind dem lebenden Geschlecht nicht nur zum Bewußtsein gelangt, sie sind von ihm in all ihrer Gräßlichkeit gefühlt worden.

Es wird, es muß besser werden! Es wird eine Gemeinkraft zum Bessermachen, zum Schaffen des Besseren erwachen. Fürsten - die ersten Fürsten des Weltteils stehen an der Spitze dieser erwachenden Kraft.

Es wird im Weltteil ein Ruf erschallen: Auf! auf! zu den Waffen der Weisheit und Tugend! Auf! auf! zu den Waffen der Unschuld und Liebe! Es wird ein Ruf erschallen: Hinab, hinab mit den ersten Quellen der Übel des Weltteils, hinab mit dem Übergewicht des kollektiven Verderbens über das Heilbringende der Individualansicht unseres Geschlechts! - Hinab, hinab mit dem größten Auswuchs dieses Verderbens - mit der falschen Ehre, die, indem sie die Menschennatur sinnlich aufbläht, sie sittlich und geistig zerquetscht! Hinab, hinab mit der Schandehre, die, indem sie mit Gott, mit dem Recht, mit der Wahrheit und der Liebe im ewigen Streit steht, die heilige Zartheit unseres göttlichen liebenden Sinnes in selbstsüchtigen Kaltsinn, in höhnende Anmaßung, in niederträchtige Menschenverachtung und in lasterhafte Verwahrlosung der Leidenden und Schwachen umwandelt! Hinab, hinab mit der falschen Ehre, die, von der Schwachheitsbarbarei unseres Zivilisationsverderbens ausgehend, in Dummheit, Anmaßung und Lieblosigkeit sich brüstend, solange die Welt steht, die heiligen Rechte der Kultur und edler kultivierter menschlicher Verhältnisse mit tierischer Gierigkeit zu usurpieren gelüstet, und durch die Derbheit und Schlauheit ihrer äußeren Gewalt oft und vielfältig in Fall kommt, sie usurpieren zu können. Hinab, hinab mit der ersten Quelle der Übel des Weltteils - hinab mit der falschen Ehre! Aber nur durch Mittel der Weisheit und Liebe. Keine böse Gewalt, kein Überrest der Barbarei, aus der sie selber entsprungen, stürze sie hinab! Die erhöhte Einsicht und die belebte Liebe eines besseren Geschlechts lächle sie hinab!! Sie falle lieblich in unsere Menschlichkeit, und sie habe sich in ihrem Fall über nichts zu beklagen als höchstens über unser Lächeln!

Auf! auf! zu den Waffen der Weisheit und Tugend, auf! auf! zu den Waffen der Unschuld und Liebe!

Auf! auf! zu den Waffen! - Der Sieg ist gewiß. - Der Feind war zwar stark, und es ist nicht Gut und Blut, es ist die Ehre, die wahre Ehre, es ist die ewige Ehre der Menschennatur, die der Feind zu bekämpfen und in Staub zu treten versuchte. Der Zeitgeist verhöhnte den inneren heiligen Wert der Menschennatur, und leugnete in seiner Erniedrigung ihre Fähigkeit, sich von Stufe zu Stufe höher zu heben, sich zu veredeln. Er leugnete die Perfektibilität unseres Geschlechts. - Buonaparte war der Held dieser Verhöhnung. Umsonst vergoß er, gestützt auf das Recht dieses Unglaubens an den Wert der Menschennatur, Ströme von Menschenblut. Umsonst machte er die schwache Sinnlichkeit seiner Zeitmenschen, die Greuel seines Blutvergießens mit dem Köder wilder Menschenfreuden vergessen. Er vermochte es nicht, den Unglauben an die Perfektibilität des Menschengeschlechts zum Weltglauben zu machen. Der Unwert seines Köders und das Verbluten für ihn, für diesen niederen Köder, empörte die Menschennatur und machte sie nur ihren inneren Wert höher fühlen. Die Fürsten haben durch diesen Unglauben an die Menschennatur gelitten wie das Volk, aber die Menschennatur hat sich erhoben. Die Fürsten haben sich aus ihrem Schlummer erhoben und wie die Völker sich durch ihre Not gestärkt.

Völker und Fürsten haben sich zum tieferen Fühlen des Werts der Menschennatur und der daraus fließenden Menschenpflichten erhoben. Diese Erhebung ist der Triumph der Menschennatur über das Zivilisationsverderben der Welt - sie ist nicht ein Triumph der Guten, sie ist ein Triumph des Guten. Völker und Fürsten sind zu einer höheren Erkenntnis von dem höheren Wert der Menschennatur und von dem inneren Wesen ihrer sittlichen, geistigen und physischen Bedürfnisse gelangt.

Freunde der Menschheit! Zu welchen Hoffnungen erhebt uns die Zeit und die steigende Überzeugung der Fürsten und Völker von den sittlichen und geistigen Bedürfnissen unseres Geschlechts? Was können Fürsten nicht, die auf diesem Punkt der wahren bürgerlichen Gemeinerleuchtung stehen, und dieselbe als das erste Fundament ihrer fürstlichen Gemeinweisheit - ihrer Staatsweisheit und ihrer fürstlichen Gemeinkraft - ihrer Staatskraft anerkennen?! Freunde der Menschheit! Was ist solchen Fürsten nicht möglich, wenn sie nur wollen?

Und was ist auch den Edlen im Land nicht möglich, wenn Ihre Fürsten alles, was edel, was groß, was erhaben, was menschlich ist, als den Machtarm Ihrer heiligen Selbstkraft anerkennen? Freunde der Menschheit! Zu welchen Hoffnungen erhebt uns die Stunde, in der wir leben!

Es wird besser werden, es muß besser werden. Es ist laut ausgesprochen, das heilige Wort der Fürsten, - ihr heiliges Versprechen an die leidende Menschheit; es ist laut ausgesprochen, das Fürstenwort der Aufmunterung an jeden Edlen und Guten, mitzuwirken zum heiligen Zweck.

Auch an dich ist es ausgesprochen, Vaterland! das Wort der Aufmunterung der Fürsten. Es ist am großen, am entscheidenden Tage der Wiederherstellung deiner Verfassungen an dich gelangt, das große Wort der Aufmunterung der Fürsten: "mitzuwirken zum hohen Zweck der Wiederherstellung des verirrten, gesunkenen und blutenden Menschengeschlechts." Vaterland! Das edle Wort der Menschenfreunde, das edle Wort der Freunde des Rechts ist in eben der Stunde an dich gelangt, in der du die heiligen Fundamente der Freiheits- und Rechtsurkunden unserer alten, geschworenen Briefe in ihrem Wesen erneuert, gereinigt und veredelt wieder herzustellen beauftraget warest.

Meine gegenwärtige schriftstellerische Arbeit fiel in eben diesen Zeitpunkt. Seine Wichtigkeit veranlaßte die vaterländischen Äußerungen, die die hohe Bedeutung dieses Augenblicks mir einflößte. Aber eine heilige Ehrfurcht für den Gegenstand selber hielt mich zurück, sie in diesem Zeitpunkt öffentlich zu machen. Ich wollte und durfte auch nicht von ferne unberufen einen Einfluß auf ein Geschäft zu suchen scheinen, dessen Geraten oder Mißraten ich als für das Wohl oder Weh des Vaterlandes auf Jahrhunderte entscheidend, und darum der höchsten Verantwortlichkeit vor Gott und der Nachwelt unterworfen ansah. Aber jetzt, da das große Staatswerk des Vaterlandes vollendet, da die neuen Verfassungen des Vaterlandes allgemein angenommen, sanktioniert und beschworen sind, folglich die Ideen und selber die Träume eines Privatmannes über die psychologischen Fundamente, die jeder wahrhaft republikanischen Staatsverfassung zugrunde liegen müssen, weder auf die Staatsberatungen über unsere neuen Verfassungen, noch auf die Ansichten der Bürgerpflichten, die aus der Vollendung derselben als absolut hervorgehen, keinen Einfluß mehr haben, wohl aber dahin wirken können, richtige Ansichten über wesentliche Gegenstände des gesellschaftlichen Zusammenlebens allgemeiner zu machen, und den inneren Geist unseres vaterländischen Denkens, Fühlens und Handelns in unserer Mitte zu befördern, folglich mit dem inneren Wesen, das allen äußeren Formen weiser Staatsgesetzgebungen zugrunde liegen muß, in Übereinstimmung zu wirken, habe ich kein weiteres Bedenken gefunden, sie der Prüfung meiner Mitbürger öffentlich vorzulegen.

Es ist jetzt durch unsere neuen Verfassungen gesetzlich beurkundet, daß wir Schweizer alle frei und vor dem Recht gleich seien, was vorher für viele Schweizer nicht war. Aber alles nur auf den äußeren Formen der Staatsverfassungen ruhenden Recht der Bürger ist ohne innere, sittlich und geistig gebildete Bürgerkraft in den Republiken wie in den Königreichen nur Staub, den die öffentliche Macht in allen ihren Abteilungen und Behörden der Schlechtheit ihrer Bürger mir nichts dir nichts in die Augen werfen kann, wenn und wo sie nur will.

Selber das Bedürfnis einer geschriebenen und mit wörtlicher Genauigkeit beurkundeten Bestimmung unserer Rechte setzt den Mangel der inneren Kraft dieser Rechte, deren wörtliche Bestimmung unter unseren Ahnen überflüssig gewesen wäre, schon voraus. Wir müssen also den positiven sittlichen, geistigen und bürgerlichen Zustand der Individuen unseres Staates genau ins Auge fassen, um den wirklichen Wert der Rechtsbestimmungen unserer neuen Verfassungen für unser Vaterland richtig zu beurteilen. Unstreitig ist, keine Rechtsurkunde rettet uns vor den Folgen der Einseitigkeit, Schwäche und leidenschaftlichen Selbstsucht, die in der Masse des Volkes und seiner Repräsentation in den öffentlichen Behörden das allgemeine Denken, Fühlen und Handeln der Bürger bestimmt. Nur die Erhebung unserer selbst über alle diese Schwächen ist es, was uns mit der inneren Wahrheit gesetzlicher Rechte und Vorzüge in Übereinstimmung zu bringen vermag.

Daraus erhellet aber auch die unumgängliche Notwendigkeit, folglich das absolute republikanische Recht, die Mittel, durch welche es allein möglich ist, die innere Übereinstimmung der Bürger mit dem Wesen einer guten Verfassung zu erzielen, in unserer Mitte in ihrem ganzen Umfange mit Freiheit und Mut zu erforschen, so wie auf der anderen Seite uns über alles, was uns und unsere Väter schon lange an dieser inneren Einheit unserer selbst mit unseren freien Verfassungen gehindert, mit der unbedingtesten Freiheit auszusprechen.

Ich habe dem ersten mein Leben verwendet, und das letzte in diesen Bogen mit unbefangener Entschlossenheit und zwar auf eine Weise getan, daß ich von der Zeitschwäche des Vorwurfs gewärtig bin, ich habe es nicht mit gehöriger Schonung und mit den nötigen Rücksichten getan.

Aber so sehr ich auf der einen Seite wünsche, daß mein Vaterland diese Schrift durchaus nicht im Zusammenhang mit den leidenschaftlichen und darum so vielseitig und so merkwürdig armseligen politischen Zeitansichten der Revolution und ihrer Nachwehen ins Auge fasse, so wenig habe ich es auf der anderen Seite dem Zweck meiner Bogen angemessen gefunden, die Fehler der Vorzeit und das Angedenken der Leidenschaften, die uns an den Rand des Verderbens gebracht, und noch heute am Rand desselben erhalten, durch mein Stillschweigen bloß vergessen zu machen.

Das bloße Verschweigen und Verschweigenmachen geschichtlich erwiesener leidenschaftlicher Gesichtspunkte und Tatsachen, noch mehr "das künstliche Vergessenmachen des Unrechts, das dem Volk, welches diese Gesinnungen und Tatsachen jetzt vergessen soll, selber begegnet", ist nichts weniger als geeignet, die Leidenschaften, weder bei dem, der das Unrecht getan, noch bei dem, der es gelitten, auszulöschen. Es ist nichts weniger als geeignet, weder den einen noch den anderen besser zu machen als er vorher war. Im Gegenteil, der Anspruch an ein solches Vergessen und Verschweigenmachen ist bei einem Geschlecht, in dem die bösen Gelüste einer von den Vätern geerbten unbürgerlichen Selbstsucht sich noch lebendig und kraftvoll in den Söhnen aussprechen, gar oft nur ein Kunstmittel, eben die Grundsätze und Handlungsweisen, die man nur des lieben Friedens willen vergessen machen zu wollen vorgibt, in aller Stille im sicheren Hafen aufzubewahren, um sie beim ersten günstigen Winde wieder mit vollen Segeln ins offene Meer ausfahren zu lassen.

Es ist nur das geradsinnige Erkennen des Unrechts und das ernste Bereuen seiner Folgen, was das menschliche Gemüt über den Trug seiner Leidenschaften und über die Gewalttätigkeit seiner Selbstsucht zu erheben, und wahrhaft Ruhe, Vertrauen und Eintracht unter entzweiten Menschen und entzweiten Ständen hervorzubringen vermag. Diese Ansicht ist es, die mich über die eines freien Mannes unwürdige Schwäche, Wahrheiten, deren Offenkunde der Gegenwart und der Zukunft segensvoll werden können, aus Menschenfurcht und aus armseliger Sorge für ein vorübergehendes, eitles Tagesgeschwätz in mir selbst zu ersticken und in geliebten Umgebungen zu unterdrücken, erhoben und dahin gebracht hat, die offene Darstellung der leidenschaftlichen Meinungen, die in meinen Lebenstagen in meinem Vaterlande statthatten, nicht bloß als mein Recht, sondern als meine Pflicht anzusehen, und selbige mit vollem Vertrauen in dieser Schrift meinen Zeitgenossen zur Anschauung und der Nachwelt zur Beurteilung zu hinterlassen.

Ich fühle mich durch meine Lage über den Streit aller und jeder Standes-, Ort-, lokal- und Personal-Selbstsucht erhaben, und indem mein vaterländisches Herz jeder Art dieser Selbstsucht entgegensteht, suche ich die Hilfsmittel gegen die Übel, die aus allen Arten unserer unbürgerlichen Selbstsucht entsprungen, durchaus nicht in den Schwachheitsmaßregeln eines sich gegenseitig schonenden Nachgebens in sich gegenseitig durchkreuzenden, unstatthaften Ansprüchen dieser Selbstsucht selber, sondern im ernsten Widerstehen gegen ihr beiderseitiges Unrecht und in der Vereinigung aller Edlen und Guten, zur Ausbildung aller sittlichen, geistigen und Kunstkräfte der Menschennatur, ohne welche kein wirksamer Widerstand gegen das Unrecht des Zeitgeistes und des Zivilisationsverderbens, dem wir unterlegen, möglich und denkbar ist.

"Reiche vergehen und Staaten verschwinden, aber die Menschennatur bleibt, und ihre Gesetze sind ewig" -- Das sind die Ansichten, auf welche gestützt ich die Freimütigkeit dieser Bogen und meine Winke über das Unrecht der Vorzeit und der Gegenwart, insofern es meine nächsten heiligsten Verhältnisse betrifft, nicht nur [für] mein Recht, sondern für meine Pflicht achte.

Ich bin durch mein Leben der Revolution so ziemlich vorhergegangen, oder vielmehr mein Leben ist zwischen den Endzustand des guten Alten, das der Revolution vorherging, und sie selber - es ist zwischen die Vollendung der Fehler, die sie hervorgebracht, und zwischen den Anfang derer, die durch sie erzeugt worden, hineingefallen. Meine Jugend schloß sich noch lebhaft an das freilich zu erlöschen begonnene, innere Wesen unserer alten guten Zeit in meiner Vaterstadt an. Ich bin auch durchaus noch zu edleren, freieren und humaneren Ansichten und Grundsätzen erzogen worden, als beides diejenigen sind, die dieses böse Weltbegegnis hervorgebracht haben, und diejenigen, die durch dasselbe bis jetzt hervorgebracht worden sind. Ich habe von meiner Jugend auf die Angelegenheiten des Vaterlands altvaterländisch selbstsuchtlos und unbefangen, aber auch warm, frei und teilnehmend ins Auge zu fassen gelernt, und bin den diesfälligen Ansichten, die in meiner Jugend die Ansichten aller edleren Söhne des Vaterlandes waren, treu geblieben. Wie sehr aber die diesfälligen Ansichten meiner jüngeren Jahre mit denjenigen, die ich jetzt über die Angelegenheiten meines Vaterlandes geäußert, übereinstimmen, beurkundet nichts so sehr als die Nummer des Schweizerblatts, das Anno 1782, folglich vor mehr als dreißig Jahren geschrieben worden, und die ich als mein diesfälliges Schlußwort diesen Bogen beifüge.