Langenthaler Rede

Rede in der Versammlung der helvetischen Gesellschaft. Gehalten am 26. April 1826 zu Langenthal, von ihrem Vorsteher, H. Pestalozzi, von Zürich, im Neuhof bei Birr.

PSW 27, S. 163-214

Rechtschreibung und Interpunktion entsprechen nicht der Kritischen Ausgabe von Pestalozzis Schriften, sondern der regularisierten Fassung auf der CD-ROM.

Teure, liebe Eidgenossen, Edle, vaterländische Brüder und Freunde! Da Ihr mich in Eurer letzten Versammlung zum Präsidenten des heutigen Tages erwähltet, sprach ich in der Rührung des Herzens folgende Worte zu Euch:

"Ich kenne Sie nicht persönlich, liebe Herrn und Freunde, ich kenne niemand von dem jüngeren Geschlecht, ich glaubte auch Ihnen nicht bekannt zu sein, um so überraschter bin ich durch Ihre Wahl. Ich bin alt; mein Blut ist zwar noch warm, aber die Nerven sind schwach. Schenkt mir Gott noch ein Jahr, nun so will ich dann zu Euch noch reden, wie's mir ums Herz ist, von Vaterland und Erziehung, denen ich mein Leben gewidmet habe."

 

Ich wiederhole diese Worte heute mit der nämlichen Rührung und suche in der Schwäche meines Alters mein Versprechen so viel möglich zu erfüllen und ein gutgemeintes Wort über Vaterland und Erziehung mit Euch zu reden. In der Überzeugung, daß ich mit Männern rede, die in keiner Rücksicht etwas von

mir erwarten, das außer dem Kreise meiner Erfahrung und meiner Lebensbestrebungen liegt, gehe ich zur Sache.

 

 

Unser Vaterland, die Schweiz, ist ein durch die Natur in seinen größeren Teilen sehr unbegünstigtes, armes Gebirgsland, aber in seinen ursprünglichen Verhältnissen vielseitig mit reichsständischen Rechten und Freiheiten begabt, die einzelnen Städten, Ländern, Herrschaften, Gemeinden und selber Individuen einen großen Spielraum der häuslichen und bürgerlichen, freien Selbstsorge und daraus entsprungenen Selbständigkeit verschafften, deren Einwohner ihre genossenen Freiheiten und Rechte schon lange vor ihrer anerkannten Unabhängigkeit mit großer Weisheit und Mäßigung genossen und benutzten, und nach derselben mit eben der Weisheit und Mäßigung unter zum Teil ganz außerordentlich glücklichen Umständen bis auf unsere heutigen Tage erhielten und äufneten. Die Gesamtheit dieser Länder zeigte auch in den Tagen ihres Kampfes für die Selbständigkeit einen mit ausgezeichnetem Mut und Tapferkeit verbundenen Gemeingeist in der Beschützung und Verteidigung der segensvollen Rechte und Genießungen ihrer Lage, und dabei eine Mäßigung, Anmaßungslosigkeit und Rechtlichkeit, die ihnen die allgemeine Achtung ihrer Zeitgenossen und selber der mit ihnen in offenem Kampfe stehenden Fürsten und Länder zuzog und sicherte. Beides, ihr Mut und ihr Glück, setzte ihr Zeitalter in allgemeines Erstaunen. Höchst merkwürdig ist, daß der Gemeingeist unseres lieben, alten Schweizerbundes aus zwei in ihrem Wesen verschieden scheinenden Elementen hervorging, nämlich auf der einen Seite aus dem Geist eines, hohe Berge bewohnenden, unter sich selbst in großen Gleichheitsrechten, Übungen und Gewohnheiten lebenden Hirtenvolks, auf der anderen Seite von unsere Täler und Ebenen bewohnenden Städten, Grafschaften, Herrschaften und Gemeinden, die Rechte, Freiheiten und Immunitäten halber mit den freien Bergländern und selber untereinander in ganz ungleichen Lagen und Verhältnissen standen, aber samt und sonders den Segen des positiven Zustandes ihrer Rechte und Freiheiten alten Briefen, Siegeln, Immunitäten, Übungen und Gewohnheiten dankten, die in den Feudalrechten der damaligen Zeit begründet, aber von dem biederen Schweizervolk in städtischen und ländlichen, in herrschaftlichen und abhänglichen Verhältnissen mit segensreichem Zutrauen und mit großer menschenfreundlicher Mäßigung gegenseitig ausgeübt

und genossen worden. Die in der Welt bisher beinahe unbekannten Bergländer von Uri, Schwyz und Unterwalden teilten in ihrer Armut und Beschränkung die Tugenden, Ansichten und Bestrebungen der Vaterlandsliebe, des Gemeingeistes und der rechtlichen Freiheit derjenigen Städte, Grafschaften, Herrschaften und Gemeinden unseres Landes, die in dem damaligen Zeitpunkte ein genugsames Interesse mit ihnen hatten und sich darum an den von ihnen im Grütli beschworenen, eidgenössischen Bund anschlossen.

 

 

In dieser ursprünglichen Vereinigung zwei so wesentlich heterogener Elemente in eine enge Staatsverbrüderung, kannten die einzelnen Teile des neuen Staatskörpers kein allgemeines, in bestimmte Formen geordnetes, auf alle seine Teile nach gleichen Gesetzen einwirkendes, inneres Staatsrecht als dasjenige, das sich für einen jeden Teil dieser Vereinigung aus der Natur und dem Wesen der Briefe, Siegel und Immunitäten unserer einzelnen Städte und Länder selber ergab, aber in der Einfachheit, Unschuld und Edelmut der bestehenden Gewalten in jedem Kanton als das Fundament sowohl des allgemeinen Landessegens als auch der allgemeinen Landesrechte anerkannt und mit heiliger Ehrfurcht ins Auge gefaßt und behandelt wurde. Dieser Mangel an gleichartiger Begründung der hoheitlichen, städtischen Lokalitäts- und Personalrechte und Gewalten des Vaterlandes und der sorgfältigen Ausmarchung gegenseitiger Rechte untereinander, sowie überhaupt die Heterogenität des rechtlichen Beieinanderlebens und Beieinandersehens unserer bürgerlichen Einrichtungen mit den Regierungs- und Unterwerfungsformen des übrigen Europa, konnten nicht anders als in der Folge der Selbstsucht gegenseitiger Ansprüche gegeneinander in unserem Inneren vielseitig beunruhigenden Spielraum verschaffen. Aber im Anfange verhütete die allgemeine Gefahr, in der sich unser Vaterland durch seinen großen Freiheitskampf befand, soviel als jede Spur solcher Folgen. Diese Gefahr nötigte in diesem Zeitpunkt die ungleichartigen Glieder unserer Vereinigung, sich selber als einzelne Stände gleichsam zu vergessen. Sie kämpften den großen Kampf unserer Selbständigkeit in seiner langen Epoche bis an sein Ende, ehe sich in den so verschieden organisierten Kantonen unseres Vaterlands irgendein Gefühl der Unbehaglichkeit dieses Zustandes und am allerwenigsten eine Neigung zeigte, sich dem Zeitgeist der Regierungs- und Verwaltungsformen des übrigen Europa zu nähern. Aber da sie, mitten in diesem Kampfe, selber noch mit den bedeutendesten fremden Staaten des Weltteils in freundschaftliche Näherung kamen und bald selber in ihre Dienste traten, so konnte das Gefühl des Bedürfnisses des Ungenugtuenden in den Formen einiger unserer Regierungs- und Verwaltungseinrichtungen und besonders die Gelüste nach einer etwelchen Näherung unserer Unschuldseinrichtungen zu dem Zeitgeist der übrigen Welt nicht gar sehr

lange ausbleiben. Die Unschuld des unbedingten, freien Privatspielraums einzelner Städte, Orte und selber Personen, die in der Urzeit unseres Vaterlands statthatte, mußte sich allmählich beschränken. Die Regierungen unserer bedeutendsten Stände gründeten mit Weisheit und Mäßigung, in Verbindung mit der Mehrzahl ihrer Bürger, Kantonaleinrichtungen, die nicht mehr bloß ein einfaches, unbeschränktes Resultat der Briefe und Siegel aller Stände, Behörden, Städte, Länder und Dörfer waren;

aber Mäßigung, reiner, alter Bürger- und Freiheitssinn herrschte jahrhundertelang in der Masse der bürgerlichen Bewohner der altreichsstädtisch regierten Hauptorte unserer größeren Kantone, die, wie ihre ihnen untergebenen Angehörigen, gegenseitig große, zum Teil selbst erkaufte Rechte und Freiheiten besaßen. Es ist dabei noch unstreitig, daß der rechtliche Freiheitssinn der den Kantonen angehörigen Landleute mit demjenigen der sie regierenden und verwaltenden Städte in diesem Zeitpunkt eine gleiche, sich gegenseitig unterstützende Richtung nahm und mit dem Freiheitssinn und Freiheitsgeist der demokratisch verwalteten Urkantone in einer, in gewisser Rücksicht bewunderungs- würdigen Harmonie stand. Das Volk aller Stände genoß den Segen seiner Freiheitsverhältnisse in einer Art von, ich möchte sagen, heilig begründeter, innerer Gleichheit, die dasselbe allgemein, beides, zu erheben und zu befriedigen geeignet war.

 

 

Ungeachtet der bestehenden Ungleichheit der Ansprüche einzelner Stände und einzelner Klassen des Volkes an einzelne Rechte und einzelne Genießungen, war der Zugang zu den höchsten Ehren und folglich der Zugang zu jeder rechtlichen Gewalt und zu jeder mit dieser Gewalt verbundenen Landesehre dem verdienstvollen Mann am Pfluge und dem ehrbaren Handwerker offen, wie dem Edelmann, der mehrere Burgen besaß. Wer das Zutrauen des Volkes hatte, war der Landesehre sicher. Weder Kunst noch Gewalt ging in ihren Wirkungen hierin weiter als die Folgen des öffentlichen Zutrauens, das sich ein Mann in diesem Zeitpunkt zu verschaffen wußte. Die ersten Häuser unserer vaterländischen Regenten, deren Familien sich zum Teil bis auf heute in diesem Rang erhalten, haben den Ursprung ihres Einflusses und ihres Ranges im Zeitpunkte dieses edlen, vaterländischen Volkssinnes und Volksgeistes zu suchen. Aber freilich dauerte die Reinheit und Unschuld dieses Zustands im Allgemeinen ihrer ursprünglichen Kraft nicht lange über den Zeitpunkt des Heldenkampfs für die Unabhängigkeit und Selbständigkeit unseres Landes. Das Gold, das wir auf den Schlachtfeldern von Grandson und Murten gewannen, war die erste Versuchung zur Verführung unserer bürgerlichen Ansichten, Einrichtungen und Bestrebungen. Wer etwas Bedeutendes davon sich zueignen konnte, gelüstete bald nach mehrerem und fand sehr schnell Gelegenheit, sich dieses jetzt in fremden Diensten leicht zu erwerben und damit zu Arten und Gattungen von Ehren, Rang, Würden, Gewalten, Geld und Genießungen zu gelangen, von denen die ersten Kämpfer für die Rechte des Vaterlands durchaus keine Kunde hatten. Indes erhielt sich das Übergewicht des guten, alten, vaterländischen Geistes in der großen Mehrzahl unseres Volkes in allen Ständen sehr lange in einer Art von fortdauernder Erbfolge der Bürgerkraft und Bürgertugenden unserer Väter. Die Selbstsorge der schweizerischen Stände und Individuen für häuslichen Wohlstand und bürgerliche Selbständigkeit blieb lange im Vaterland im freien Spielraum seines unbefangenen und unberechneten, ursprünglichen Zustands auf keine Weise durch irgendeine Art von selbstsüchtiger Neuerungssucht und Zudringlichkeit gestört, ich möchte sagen, unbevogtet, nämlich in dem Sinn, in welchem dieses Wort später in unserem Vaterland gebraucht worden. Jeder einzelne Teil der Eidgenossenschaft war indes bei jeder sich ergebenden Kollision einem brüderlichen, zutrauensvollen, gemeineidgenössischen Recht unterworfen, und das Ganze erhielt sich eine

Reihe von Jahren im ersten Leben des eidgenössischen Vereins segensreich und kraftvoll. Dieser ursprüngliche Zustand der Eidgenossenschaft aber erhielt durch das Stanser Verkommnis wesentliche Schwächung der Gemeinkraft und des Gemeineinflusses der ganzen eidgenössischen Verbrüderung in Rücksicht auf die segensvolle Gleichheit und Gewährleistung der verbrieften Rechte der ungleichen Teilhaber dieser Staatsverbindung. Die Staatsgesetzgebungen wurden in einzelne Standes- und Kantonalgesetzgebungen umgeschaffen und vielseitig ungleich geformt. Dadurch verloren sie das hohe, innere, lebendige Fundament unserer ursprünglichen Vereinigung, die innere Einheit und Gleichheit der Staatsgesetzgebung, wo nicht ganz, doch in verschiedenen Rücksichten sehr bedeutend. Die Selbstsorge der einzelnen Teile bekam einen von dem Gemeingeist der Eidgenossenschaft getrennten größeren Spielraum der menschlichen Selbstsucht. Die Kantone wurden Freistaaten mit größeren Ansprüchen, Ansichten und zum Teil neuerschaffenen Behörden. Die diesfällige Isolierung der Kantone entstand in einem Zeitpunkt, wo die eigentliche innere Vereinigung der Eidgenossenschaft in ihren Formen erst hätte beginnen sollen, und hatte ihren Ursprung wesentlich in vielseitigen Reizen zu Neuerungen mit einer allgemein überwiegenden Reizung zur Erhaltung alles Bestehenden an jedem Ort und an jeder Stelle, wie es wirklich war. Dabei pflanzte das immer weitergreifende Reislaufen in fremde Dienste bei einigen schweizerischen Familien eine Art Geringschätzung unseres alten, einfachen, vaterländischen Lebens und Seins und eine anmaßungs- und anspruchsvollere Lebens- und Denkungsweise, als diejenige, deren unsere Städte und Länder im allgemeinen bisher gewohnt waren. Aber eben diese Familien sorgten in ihren Kantonen und Geburtsorten lange selbst dafür, daß die Masse des Volkes nicht außer den Geist der alten Einfachheit und zutrauensvollen Hingebung hinausfalle, die selber dem Interesse der Eitleren und Anmaßungsvolleren dieser Individuen ebenso dienlich als dem Vaterland segensreich war. Und es ist merkwürdig, daß in dem neuen Einfluß fremder Sitten, Denkungs- und Handlungsweisen auf das öffentliche und Privatleben unserer Kantone dieser Geist der Sorgfalt für die Erhaltung einfacher, altschweizerischer Grundsätze und Lebensweisen in der Masse des Volkes fortdauernd auch von solchen Männern geschätzt, genährt und erhalten wurde, die hier und da in ihrem Einfluß auf das Vaterland einige den Einrichtungen fremder Staaten sich nähernde Formen unserer öffentlichen Erscheinung begünstigten.

 

Aber es ist dadurch auch allein erklärlich, wodurch es möglich geworden, daß sich dieser Geist der ursprünglichen Grundsätze, Lebensweisen und Denkungsarten unter allen ihnen entgegenstehenden Umständen und Begegnissen, sowohl in tausend und tausend Hütten des gemeinen schweizerischen Volkes, als in den Wohnhäusern der edelsten, angesehensten Familien unseres Vaterlands in einem sehr merklichen Grad seiner ursprünglichen Einfachheit und Reinheit bis auf unsere Tage hat [zu] erhalten vermögen.

Freunde und Brüder! Wie blühte dieser Geist noch in unseren Tagen in den edlen Männern, deren Andenken zu ehren Ihr mich für heute an die Stelle gerufen, in der ich gegenwärtig in Eurer Mitte gerührt, mit belebten Gefühlen, beides, der Dankbarkeit und der Beschämung, dastehe. Aber diese Männer waren auch über das Allgemeine des durch den Zeitgeist, in dem sie lebten, schon vielseitig geschwächten, abgematteten und alternden Geistes der schweizerischen Urwelt in einem hohen Grad erhaben, und ihre diesfällige Auszeichnung ist es wesentlich und vorzüglich, was sie vor etwas mehr als einem halben Jahrhundert vermochte, sich in unserer Gesellschaft zu vereinigen und in derselben zur erneuerten Belebung altschweizerischer Gesinnungen, Denkungsarten und Handlungsweisen gemeinsame Kräfte, Mittel und Aufmunterung zu suchen. Sie verhehlten es sich nicht, und wir dürfen es uns noch viel weniger verhehlen, vielartiges Unkraut hatte schon lange in unserem altschweizerischen Leben Wurzel gefaßt und wuchs mit einer stärkeren Kraft in der Mitte der segensvollen Fluren unseres Vaterlands, und auch die Kraft des in unserer Mitte noch bestehenden Guten erschien vor unseren Augen seit Jahrhunderten in einer sich immer mehr abschwächenden Gestalt. Die Ursachen, die aus auswärtigen Verhältnissen entsprangen und dem ursprünglichen Erbgeist unseres schweizerischen Vaterlands entgegenwirkten, griffen immer tiefer und wirkten seit Jahrhunderten immer mehr, ich will nicht sagen, auf die Entschweizerung, aber ich muß sagen, auf die Minderung der altschweizerischen Denkungs-, Handlungs- und Lebensweisen einer großen Anzahl vaterländischer Einwohner, und auf die Basis unserer ersten und ursprünglichen Regierungseinrichtungen, die die wirkliche und reale Nährung der Vermögensumstände des Mehrteils unserer regierungsfähigen, städtischen Einwohner in Rücksicht ihrer Ansprüche mit den freien Männern in den Urkantonen in eine merkliche Gleichheit setzten und den Handwerksstand in unseren bedeutendsten Städten zu einem ausgezeichneten Grad der Ehrenfestigkeit und

 

Die näheren und entfernteren Verwandten der Militärpersonen, die einen hohen Rang im Auslande besaßen, fanden sich schon seit sehr langem nicht mehr behaglich in den Werkstätten ihrer Väter und Großväter, und fremdartige Lebensweisen und Berufsarten gefielen ihnen und mit ihnen einem großen Teil ihrer Mitbürger besser als die Lebensweise ihrer Vorfahren. Schreiberstellen im Regierungs- und Privatdienst, Plätze in Tribunalien, Rechtsdienste, Ehrendienste, Verwaltungsstellen, kurz Berufsarten, die das Beschwerliche und Unästhetische auch einträglicher Handwerke nicht an sich trugen und sich etwas mehr den Sitten, Gewohnheiten und Lebensweisen eines von dem gemeinen Volk unterschiedenen, scheingebildeten Zeittons näherten, wurden den gemeinen bürgerlichen Berufen und auch den einträglichsten Handwerken vielseitig vorgezogen, und selber gemeine bürgerliche Dienste wurden immer mehr Bedürfnis von Bürgern,

die nicht mehr im alten Geist zu dem Fleiß und der Tätigkeit erzogen worden, der für die Begründung eines befriedigten Lebens in den beschränkten Verhältnissen des Handwerkstandes und seines Broterwerbs wesentlich ist. Die Geringschätzung des handwerktreibenden Bürgerstands griff in gewissen, selber verdienstvollen Personen von höherem Range, noch weit mehr aber in verdienstlosen, eitlen Nachbetern dieser Neuerungsideen des gemeinbürgerlichen Lebens immer weiter, und hatte natürlich auch sehr bald zur Folge, daß die Regierungs- und Verwaltungsfähigkeit gemeiner Bürger und Zünftler allmählich anfing, bezweifelt und mit der Würde und dem Ansehen von Personen eines großen, öffentlichen Einflusses als ziemlich unverträglich und nur in seltenen Ausnahmen zuläßlich ins Auge gefaßt zu werden. Der äußere Schein von Kunstbildung und höherer Kultur wurde mit einer Art von Vorliebe und Einseitigkeit gesucht, daß sein äußerer Anschein auch da, wo er im Wesen nicht vorhanden war, dem kraftvollen Bon sens, aber etwas unästhetisch dastehenden, altväterischen Bürgergeist mit Vorliebe und Einseitigkeit vielseitig vorgezogen wurde, und dadurch das Bedürfnis und die Einführung von Stellen und Posten, an denen man mit aufrechtem Rücken leichtes Brot fand, zum Nachteil der Ressourcen und der Ehrenfestigkeit des alten, gemeinbürgerlichen, selbständigen Berufslebens, immer mehr vermehrte. Dabei aber muß man nicht aus den Augen lassen, daß die Vorschritte dieser Abänderung mit großer Mäßigung stattfanden und von Geschlecht

zu Geschlecht fast unmerklich vorwärts rückten. Die große Anzahl der städtischen Personen, die die Ressourcen eines bürgerlichen Dienst- und Ehrenlebens und die Vermehrung der dasselbe möglich machenden Ehren- und Dienststellen dem alten, bürgerlichen Zunft- und Berufsleben vorzog, lebte jahrhundertelang mit einer bürgerlichen Mäßigung, Einschränkung und Sorgfalt und zeigte in derselben bis nahe an die gegenwärtige Zeit fortdauernd in ihrem öffentlichen und Privatleben im allgemeinen, einen wahren, altväterischen Geist, der an Ort und Stelle die innere Abänderung der alten Fundamente des ehemaligen Gemeingeistes und der ehemaligen Gemeinkraft unseres gemeinsamen Bürgerlebens kaum merklich machte. Die einflußreichen Bürger, die einen Teil des altbürgerlichen Einflusses des gemeinen Handwerkstandes auf die Wahl der Regierungsglieder und selber der Häupter der Stadtgemeinden mit der Würde der schweizerischen Regierungen, insofern sie nicht mehr als bloß beschränkte, bürgerliche Stadtobrigkeiten, sondern als anerkannte Staatsregierungen ihrer Kantone dastanden, nicht mehr ganz vereinbar fanden, gingen in diesem Gesichtspunkt, ich darf fast sagen jahrhundertelang, mit Festigkeit, Konsequenz und großer Klugheit und Mäßigung zu Werke; sie zogen, bis nahe an unsere Zeiten, die ausgezeichneteren, verdienstvolleren, gemeinen Bürger mit großer Teilnahme an den öffentlichen Geschäften selbst wohlwollend zu, und wirkten persönlich durchaus nicht erniedrigend und kränkend auf die Masse ihrer Mitbürger ein.

 

 

Wer indes die Geschichte unserer Hauptstädte von dieser Seite, von dem Ursprung unserer eidgenössischen Vereinigung an, mit Ernst und Wahrheitsliebe ins Auge faßt, dem kann es nicht entgehen, daß die dem reinen Ursprung unserer gemeineidgenössischen Vereinigung nachteiligen Folgen des Reislaufens in fremde Dienste auf die Schwächung unserer gemeinbürgerlichen, anspruchslosen Regierungsformen und auf die Erzeugung vieler in den ursprünglichen Formen unserer Verfassungen nicht gegründeten Familienansprachen schon in sehr frühen Zeiten vieles zur Minderung der Achtung und der Würde des gemeinbürgerlichen Einflusses in den Städten bis auf die Reformation,

trotz aller Mäßigung unseres Nationalgeistes beitrugen. Aber diese Epoche erneuerte und stärkte den altbürgerlichen und altschweizerischen Geist der Städte, die sie annahmen, in einem hohen Grad. Die Glaubensfreiheit, die wir jetzt zu erkämpfen hatten, war mit der bürgerlichen Freiheit, die unsere Väter erkämpft, in einer hohen Übereinstimmung, und führte in diesem Zeitpunkt die bürgerliche Denkungs- und Handlungsweise aller unserer Stände dem edlen, freien, kraftvollen und allgemeinen Nationalgeist wieder näher, in dem sich unser Vaterland im Zeitpunkt unseres ursprünglichen Schweizerbundes vor ganz Europa in seiner erhabenen Würde auszeichnete. Zwinglis gemeinbürgerliche Heldenkraft war, in Übereinstimmung mit den religiösen Grundsätzen der Reformatoren anderer schweizerischer Städte, dem gemeinbürgerlichen Geist unserer städtischen Verfassungen und der ursprünglichen, hohen Sorgfalt für unsere Selbständigkeit und Unabhängigkeit in einem hohen Grad vorteilhaft. Der Pensionsbrief in Zürich, der sein Werk war und von der Regierung bis auf die letzte Abänderung unserer schweizerischen Verfassungen alljährlich zweimal angesichts der ganzen Bürgergemeinde verlesen und beschworen werden mußte, ist ein erhabenes und sprechendes Denkmal des Einflusses der Reformation auf die Erhaltung des gemeinbürgerlichen Geistes unserer Verfassung und der Entfernung alles dessen, was der Abänderung ihres ursprünglichen Geistes und allen eitlen, unbürgerlichen Anmaßungen ungebührliche, in unserer Verfassung nicht begründete Nahrung hätte geben können. Diese glückliche Epoche stärkte den Fleiß und die Gewerbsamkeit in Verbindung mit allen sittlichen Fundamenten des häuslichen und bürgerlichen Wohlstandes in allen Städten, die die Reformation annahmen, mit einer bewundernswürdigen Kraft und Schnelligkeit, und gab zugleich dem edlen Geist der damaligen Regierungen durch ihren Einfluß auf den Gebrauch der Kirchengüter große und genugsame Mittel an die Hand, den Segen der erweckten Arbeitsamkeit und Tätigkeit des Volkes durch Errichtung von Schulen und Kunstanstalten und durch Begünstigung alles dessen, was den geistigen Vorschritt der Nationalkultur in Übereinstimmung mit den Sitten, Gewohnheiten und Lebensweisen der Vorzeit befördern konnte, zu Stadt und Land allgemein fest zu begründen und blühen zu machen. Auch mehrte sich seit dieser Epoche der häusliche und bürgerliche Wohlstand der bedeutendesten Kantone unseres Vaterlands allgemein in einem auffallend hohen Grad, und zwar nicht in plötzlichen Erscheinungen großer Reichtümer einzelner Häuser und Familien, und wirkte ebensowenig zu großen merklichen Abweichungen von dem verfassungsmäßigen Regierungs- und Verwaltungsgeist unseres Landes.

 

Sein Segen war in zahllosen Punkten einzelner, ihren Wohlstand durch gemeinen Fleiß und gemeine Arbeitsamkeit in mäßigen Vorschritten äufnender Familien und Haushaltungen sichtbar, so wie er sich ebenfalls in einer in eben diesem Verhältnis mindernden Anzahl Hilfsbedürftiger und unversorgter, dem Lande zur Last fallender Armen in seiner vollen Realkraft offenbarte, und wirkte in diesem Zeitpunkt durchaus in keinem unserer Verhältnisse auf die Erniedrigung und Abschwächung, weder der Ehrenfestigkeit, noch der Erwerbskraft und Erwerbsfreiheit der in ihrem Wohlstande den begüterten Gliedern unserer städtischen und ländlichen Bürger nachstehenden Volksklasse. Die Konkurrenz in den Mitteln zu der Erhöhung des individuellen Wohlstandes aller Stände war dem Talent, dem Mut und dem Nachstreben aller ihrer Glieder allgemein offen, und in hohem Billigkeitsgefühl der damaligen Zeit war die Erhaltung der gesetzlichen Teilnahme der gemeinen bürgerlichen Familien an den Ehren und Regierungsstellen des Vaterlands noch ein Grundsatz, der den edlen Bürgermännern aus denjenigen Familien, die den größten Anteil und den höchsten Einfluß auf die Regierung ihrer Kantone hatten, noch wahrhaft am Herzen lag. Auch fand in diesem Zeitpunkt noch jeder Bürger, der mit edler Mäßigung und in den Schranken gesetzlicher Wege im Dienst und zum Dienst des Vaterlands mit Würde, Weisheit und tätiger Kraft in seinem bürgerlichen Einfluß höher strebte, bei diesen Männern freundliche und mitbürgerliche Handbietung, Rat und Aufmunterung in seinen Bestrebungen. In diesen inneren, so allgemein tief, individual begründeten Fundamenten des wachsenden Wohlstandes unseres Landes lebten wir, wenige kleine Störungen ausgenommen, beinahe ein paar Jahrhunderte. Die Zünfte und Innungen, die in den späteren Zeiten ein so großes Hindernis des Individualwohlstandes der größeren Menge unserer Mitbürger geworden, waren damals noch solide Fundamente des allgemein bürgerlichen und städtischen Wohlstandes und der allgemein bürgerlichen und städtischen Ehre, so wie sie später ein tödliches Hindernis der bürgerlichen Vorschritte in beiden Rücksichten geworden.

Wir haben aber, das dürfen wir uns auch nicht verhehlen, die lange Dauer der guten Folgen unserer ursprünglichen, einfachen, bürgerlichen Einrichtungen und des daraus entstandenen Einflusses zur Näherung und inneren Gleichheit der Segnungen des wesentlichen, häuslichen Wohlstandes aller Stände unseres Landes nicht bloß unserer Sorgfalt und weisen Mäßigung im Inneren, sondern vorzüglich einem außerordentlichen Glück, das uns von außen her begünstigte, zu danken. Auf dem stillen See fährt auch eine in ihren einzelnen Brettern mürbe zu werden anfangende Barke ihre gewohnte Fahrt selber durch einzelne Klippen mit erfahrenen Schiffleuten sicher hindurch. Es ist vielleicht in der Weltgeschichte kein Beispiel, daß ein kleines Land, mitten im fortdauernden Krieg mächtiger Nachbarn, jahrhundertelang den Frieden in seinem Inneren und an allen seinen Grenzen allgemein und soviel als ungestört erhalten und solange von großen kriegenden Mächten als neutral respektiert und behandelt wurde.

Aber um deswillen ist nicht weniger wahr, daß unsere Mäßigung den Segen dieses Glücks in einem außerordentlichen Grad erhöhte und dauerhaft machte. Reichtum, Wohlstand und Überfluß vermehrte sich von Geschlecht zu Geschlecht in segensvoller, mäßiger, aber allgemeiner Progression auf unserem vaterländischen Boden und änderte auch sehr lange den ebenso allgemeinen Geist der Mäßigung im Gebrauch und in der Anwendung dieser Segensfolgen beinahe auf keinem Punkt in grellen, den wahren Fundamenten unseres Segenszustandes gewaltsam ans Herz greifenden Vorschritten. Die Reformation minderte zugleich in mehreren Hauptstädten der Schweiz, die sie annahmen, den Einfluß einiger unserem ursprünglichen schweizerischen Geist fremdartigen Regierungsansichten, Regierungsgrundsätze und Anmaßungen, und gab der dauernden Sorgfalt der edleren Bürgermänner unserer Kantone die in einem hohen Grad sittlich begründete und für die Erhaltung des häuslichen Wohlstandes, des städtischen Handwerkstandes und überhaupt der handarbeitenden, bürgerlichen Berufe folgen- und segensreiche Basis, für deren Erhaltung der Edelmut der schweizerischen städtischen Regierungen bis nahe auf unsere Zeiten einen Grad von Sorgfalt trug, der in vielen unserer zünftigen Städte beinahe bis zur Ängstlichkeit ging. Ich führe zum Beleg dieser Äußerung nur folgendes Beispiel an: In einer unserer Hauptstädte, in der die Regierungsgewalten des Kantons soviel als ganz in den Händen der Zünfte waren, meldete sich vor einem Jahrhundert ein französischer Emigrant in Verbindung mit mehreren bürgerlichen Kaufleuten um die Erlaubnis, eine Bandfabrik daselbst anlegen zu dürfen. Die Regierung war auch sehr geneigt, ihnen diese Erlaubnis zu geben; aber ein unbemittelter und verdienstloser, zünftiger Bandarbeiter setzte sich dagegen, weil ihre Briefe und Siegel einem jeden Posamenter verbieten, auf einem Stuhl auf einmal mehr als ein Band zu fabrizieren, und die höchste Gewalt der Stadt wagte es auch in diesem Zeitpunkt noch nicht, diese lächerliche Posamenter-Einrichtung als den ersten Fundamenten des öffentlichen, bürgerlichen Wohlstandes entgegenstehend zu erklären und wies den französischen Fabrikanten mit seinem Ansuchen ab, dem aber bald in einer anderen schweizerischen Stadt dasselbe mit Freuden bewilligt wurde und einen Erfolg hatte, daß von dieser Fabrik Millionen für diese Stadt gewonnen wurden.

 

So groß war die Sorgfalt mehrerer eidgenössischer Städte

in Rücksicht auf die Behandlung des Zunftgeistes mitten in ihrem ernsten und dauerhaften, stillen Entgegenwirken gegen ihre zum Teil wirklichen, zum Teil oft nur scheinbaren Nachteile. Dadurch erklärt sich allein, aber auch heiter, wie es möglich gewesen, daß mitten unter den immer wachsenden Anmaßungen einzelner, nicht allgemein gleich edler und gleich edelmütiger Familien auf einen immer größeren Regierungseinfluß in ihren Städten und auf einen mit diesen Privatanmaßungen übereinstimmenden höheren Regierungston und Regierungsgeist, die Würde, die Ehrenfestigkeit und selber der Regierungseinfluß des größeren Teils der handwerktreibenden Bürger in unseren Hauptstädten sich dennoch solange in einem Grad erhielt, der sehr geeignet war, mannigfaltige Schwierigkeiten, die aus der Unpassendheit einiger alter Übungen, Ansprüche und selber Briefe und Siegel entsprangen und mit dem Zeitgeist der gegenwärtigen Regierungsbedürfnisse in einem allzu großen Kontrast standen, durch gegenseitiges Zutrauen zu heben und in mehreren Fällen in friedlicher Stille verschwinden zu machen. Das große Weltwerk der Reformation hat besonders auf die schweizerischen Städte, die in häuslicher und bürgerlicher Hinsicht einen aus gebildeten, wirtschaftlichen Kräften hervorgehenden Wohlstand besaßen, vorzüglich segnend eingewirkt. Der alte Erbfleiß dieser Städte hob die Kultur derselben in wissenschaftlicher und Kunsthinsicht, mitten in der Erhaltung ihres anspruchslosen, bürgerlichen Gemeingeistes, zu einer ausgezeichneten Höhe der damaligen Zivilisation. Sie übertrafen hierin äußerlich mit unendlich höheren Mitteln begabte Städte;

wozu ganz gewiß vieles beitrug, daß der Boden unseres Wohlstands für die Freßpflanzen, Zierbäume und eitlen Prunkerscheinungen des bürgerlichen Lebens durchaus nicht so reich und günstig war, als in vielen anderen, größeren Städten des Auslands; ferner trug

auch hierzu wesentlich bei, daß wir, von diesen Auswüchsen des Zivilisationsschimmers damals noch nichts weniger als allgemein geblendet, die ökonomischen Ressourcen, die uns durch die Reformation zufielen, lange, sehr lange mit großem Ernst zu der Äufnung der alten, mäßigen Fundamente unseres Wohlstandes benutzten.

 

 

Diese Städte wurden auch dadurch ganz natürlich der gesegnete Mittelpunkt der in diesem Zeitpunkt wesentlich und solide vorschreitenden Kultur des ihnen angehörigen Landvolks; freilich nicht ohne wachsendes Übergewicht ihres Regierungs- und Verwaltungseinflusses und aller Mittel, auch in einer willkürlichen Anordnung und Änderung der bestehenden Einrichtungen und Übungen im Land; aber sie benutzten auch diesen in gewisser Rücksicht wichtigen, aber einseitigen Vorsprung in diesem Zeitpunkt allgemein mit der so oft berührten Mäßigung und väterlichen Sorgfalt. Und sowenig der katholische Teil unserer Kantone in dem Wohlstand, der aus der bürgerlichen Berufstätigkeit und Anstrengung hervorgeht, mit den reformierten Städten gleichen Schritt zu halten vermochte, so standen seine Städte, Länder und Angehörigen im wesentlichen der alten schweizerischen Grundsätze und Lebensweisen nichts weniger als sehr zurück. Sie fühlten dieses auch in einem hohen Grad selbst, und lebten, bei einem vielseitig noch fremdartigen Personalbenehmen einiger in ausländischem Dienst befindlicher, sehr angesehener und einflußreicher Familien, dennoch in einem in vielen Rücksichten vaterländischen, mit großer Popularität verbundenen, altschweizerischen Geist. Besonders war das Glück der Hirtenvölker in den Urkantonen äußerst groß und ihrem alten, ursprünglichen Geist im Inneren ihrer Lebens- und Regierungsweise immer gleichförmig geblieben. Sie, die Katholiken, wetteiferten mit den Protestanten nach ihrer Art in dem guten Geist ihrer Väter, indessen diese durch ihren Reichtum und ihre Tätigkeit von dieser Seite die Fundamente des Gleichgewichts der eidgenössischen Stände merklich schwächten

und in verschiedenen Rücksichten einer den ursprünglichen Gemeingeist der Eidgenossenschaft gefährdenden Übermacht entgegenschritten, während die Katholiken weit mehr einen unveränderten Besitzstand ihres alten Seins zu erhalten suchten und sich desselben zum Teil bis auf unsere Tage erfreuen. Ihre Bevölkerung schritt nur in mäßiger Erhöhung vorwärts

und die Industrie fand bei ihnen keinen Eingang, Grund und Boden sind bei ihnen zu keiner unnatürlichen Kunsthöhe getrieben. Das gierige Treiben nach großem Reichtum blieb ihnen größtenteils ziemlich fremd, und dadurch erklärt sich auch, daß die gewalttätigen Vorfälle der neueren Zeit auf den inneren Geist und

die äußeren Formen ihrer Verfassungen weniger Einfluß gehabt haben, als dieses unter entgegengesetzten Umständen ganz gewiß auch der Fall gewesen wäre. Ich kann nicht anders als meine Überzeugung von dem guten, alten, einfachen Geist, besonders der gemeinen Volksklasse der katholischen Stände bestimmt und laut aussprechen; ich bin in meinen jüngeren Jahren als naher Verwandter von Dr. Hotze, der als Arzt mit den benachbarten katholischen Ständen in täglichen Verhältnissen lebte, im Fall gewesen, hierüber diesen guten Geist vielseitig und sehr oft durch wiederholte Erfahrungen kennenzulernen. Ihr einfacher Bon sens, ihr zutrauensvolles, gutmütiges, anmaßungsloses und hier und da anmutsvolles Benehmen war mir immer auffallend. Ich sah in diesen Verhältnissen durch tausend und tausend Beispiele, daß diese guten Bergleute und überhaupt das katholische, schweizerische Landvolk ganz gewiß auch in Rücksicht auf Geistesbildung und Erwerbsfähigkeit, mit etwas mehr Belebung, größerer Tätigkeit und solider Verbesserung ihres Schul- und Erziehungswesens segensvoll weiter geführt werden könnte, als dieses bis jetzt bei ihm der Fall ist.

 

Diese Überzeugung stärkte sich während meines kurzen Aufenthalts in Stans in einem hohen Grad. Die vorzügliche Bildungsfähigkeit meiner dortigen, armen Kinder war mir auffallend und vorzüglich das Eigentümliche und sehr oft Originelle ihrer Geistesrichtung und die Fundamente ihrer inneren Belebung, die in jeder Rücksicht leicht angesprochen werden konnte. Ich bin fest überzeugt, daß die elementarischen Bildungsmittel in ihrem ganzen Umfange bei diesen Kindern mit einem seltenen Erfolg anwendbar wären, sowie, daß diese Bergvölker in einer wahrhaft soliden Volkskultur weit schneller und leichter vorwärts gebracht werden könnten als die meisten der durch Reichtum und Luxus zum Teil der Verwilderung preisgegebenen, zum Teil verkünstelten Kinder vieler unserer Fabrikgegenden zu der Einfachheit und Naturkraft zurückgeführt werden können, die eine solide Volksbildung wesentlich erfordert. Der Gegenstand ist wichtig, und ich habe Gründe, zu hoffen, daß einigen Gegenden des in Geisteskultur und Erwerbskräften zurückstehenden, katholischen Landvolkes diesfalls ein besseres Schicksal bevorstehe und vom erleuchteteren Katholizismus selber ausgehen werde. Das stille Glück auch der ärmsten dieser Gegenden hat schon jetzt vielseitig wesentlich gute Fundamente zu all diesem, und ist im ganzen Umfang, bis auf die gegenwärtige Zeit, sehr groß. Der vorzügliche Schatten, der dem großen Glück dieser schweizerischen Bergvölker beiwohnte, ging wesentlich und soviel als allein aus ihrem unglücklichen Mitgenuß der Regierungsrechte in den gemeinen Herrschaften und der in einem hohen Grad staatsrechtlich unregelmäßig begründeten Verwaltungs- und Bevogtungsweise hervor. Der Mangel an staatsrechtlich genugsam begründeter Unterscheidung der Herrschaftsrechte mit den Rechten der höchsten Staatsgewalt war auch im ganzen Umfange der Schweiz eine mehr und minder belebte Quelle vieler einzelner Lücken und bedenklichen Vorfälle in der öffentlichen Verwaltung, und hatte hier und da Folgen, die allmählich der wachsenden Selbstsucht einiger Regierungsstellen und Beamtungen einen großen Spielraum gaben, doch ohne auf den guten, segensvollen Zustand des schweizerischen Vaterlands einen im Großen allgemein nachteiligen Einfluß zu haben.

Dieser Zustand dauerte so lange, bis im Anfang des vorigen Jahrhunderts die Folgen einer unpassenden, wie aus den Wolken herabgefallenen Steigerung eines unnatürlichen, in unseren Lagen und Verhältnissen keinen sicheren Boden findenden Fabrikverdienstes und Geldreichtums die wesentlichen Fundamente des Ebenmaßes unseres bisherigen Wohlstandes auf mehreren bedeutenden Punkten des Vaterlands aus ihren Angeln hob. Erst in diesem Zeitpunkt vermochten die Überreste des alten, schweizerischen, tief gewurzelten Gemeingeistes unserer Lebensweise, bei aller dauernden Sorgfalt und Mäßigung, es nicht mehr, dem Strom der Folgen vielseitiger Abschwächung unseres altbürgerlichen Zusammenlebens allgemein kraftvoll wirkenden Einhalt zu tun. Es flossen uns von allen Seiten auf eine unnatürliche Weise große, mit unserem früheren Zustande kontrastierende Geldmassen zu. Die große Zahl unserer ehemals wohlhabenden Bürger fing jetzt an, neben unverhältnismäßig und schnell reich gewordenen Fabrikanten und anderen Günstlingen des Glücks und der Gewalt, plötzlich in eine Art von erniedrigender Entfernung zu stehen, die auf den Geist unseres ehemaligen, bürgerlichen Beieinanderlebens und auf die alten zünftigen, Handwerk und Beruf treibenden Bürger hier und da kränkend einwirkte, und zugleich die Schwäche vieler, sehr vieler ihrer Mitbürger zu einem Aufwand und zu Lebensweisen hinreizte, die mit ihren alten Erb- und Berufseinkünften, auch beim höchsten Fleiß und bei der höchsten Anstrengung, in keinem Verhältnis mehr standen und in den noch bestehenden Rechten ihrer zünftigen Einrichtungen selber die größten Hindernisse fanden, ihrer Erwerbstätigkeit einen größeren Spielraum und ihren Einkünften dadurch einen beträchtlichen, für die Erhaltung ihres alten, ehrenfesten, würdigen und selbständigen Zustands notwendigen Zuwachs zu verschaffen. Die Glieder des bürgerlichen Mittelstands, die aber an dem neuen Verdienst der Fabrikhäuser keinen Teil hatten, verloren die ehrenhafte Stellung und den würdigen, öffentlichen Einfluß, den sie bei ihrem mäßigen Einkommen jahrhundertelang, in den ersten und bedeutendsten Kantonalhauptstädten sowohl als in den von ihnen abhänglichen, privilegierten Munizipalstädten so ausgezeichnet segensvoll genossen. Eine Art Glücksritter wurden hier und da Tongeber des Schicklichen und Anständigen im Lande, indes aber die Zahl derer, die den neuen, so geheißenen guten Ton mitmachen konnten, sich von Jahr zu Jahr immer verminderte. Es war unter diesen Umständen hier und da in unseren Städten immer leichter, mit Ehren als Schmarotzer und unnütze Zierpflanze dazustehen, und immer schwerer, mit unbemerkter, stiller Tätigkeit segensvoll im alten Geist unserer Lebensweise für Weib und Kind selbständig zu sorgen.

Noch für eine weit größere Volksmenge nachteilig wirkte dieser Geldzufluß in den Landbezirken, in denen der neue, unnatürliche Fabrikverdienst einen vorzüglich schnellen und großen Einfluß hatte. *) Er verteuerte in denselben den Wert alles Grundeigentums schnell mehr als um das Doppelte; er vermehrte die Bevölkerung unnatürlich, und indem er die größere Anzahl der Dorfeinwohner nach und nach eigentumslos machte und den Besitzstand der ärmeren Einwohner mit unerschwinglichen Schulden belastete, führte er zugleich beide Klassen zu einem Aufwand, zu einer Verschwendung und Sorglosigkeit für die Zukunft und Nachwelt, der unglücklicherweise höchst geeignet war, die religiöse und sittliche Begründung des alten, häuslichen Lebens auch beim Landvolk und besonders bei der größeren Anzahl der armen, sich immer vermehrenden, eigentumslosen Einwohner der Fabrikorte in seinen Fundamenten zu zerstören und dadurch dem Volksgeist und dem Volksleben der Dörfer eben wie demjenigen der Städte in allen Ständen eine Richtung und einen Spielraum zu geben, dessen Bedenklichkeit und Gefährde wir uns um so weniger verhehlen können, da er in der letzten großen Krisis unseres Vaterlands die Schwäche der wesentlichen Fundamente der Gemeinkraft der schweizerischen Vereinigung in einem Grad zu Tage förderte, der uns auch gegenwärtig über den inneren Zustand unserer selbst warnend aufmerksam machen und jedes edelmütige und selbstsuchtlose Individuum unseres Vaterlands, in dessen Busen noch altschweizerischer, vaterländischer Sinn wohnt, auffordern sollte, den fortdauernden Quellen der Abschwächung unseres öffentlichen und Privatwohlstands, die aus fremdartigem Einfluß auf den Geist unserer Verfassungen und die Lebensweise unseres Volkes in allen Ständen einwirkten, um so mehr entgegenzuarbeiten, da die Verfassungen, die uns gegenwärtig untereinander vereinigen, offenkundig aus Umständen, Vorfällen und Beweggründen hervorgingen, die durchaus nicht geeignet waren, den altväterischen, schweizerischen Geist in seiner ursprünglichen Einfachheit und Reinheit in unserer Mitte allgemein zu erneuern; sondern im Gegenteil den ersten Quellen seiner Abschwächung zu Stadt und Land vielseitig neue, zum Teil noch fremdartige Nahrung zu geben, und ich darf wohl sagen, sie in vielen Rücksichten bei uns einheimisch zu machen und uns daran zu gewöhnen; indes die Verarmung eines großen Teils unseres Volkes auf vielen Punkten des Vaterlands mit der Minderung der Ressourcen, unsere Bedürfnisse zu befriedigen, mit den sich vermindernden Mitteln, sie befriedigen zu können, in fortdauerndem Wachstum ist, und zugleich das Landeigentum aus der Hand der wachsenden, ärmeren Volksklassen immer mehr in diejenige der sich in eben dem Verhältnis vermindernden Begüterten hinübergeht, wodurch der Weg, sich durch ländlichen Fleiß und ländliche Arbeitsamkeit in unserer Mitte zu einer selbständigen, häuslichen Existenz zu erheben, für eine sehr große Volksmenge immer schmäler und enger gemacht wird. Wir dürfen uns nicht verhehlen, daß unser Zustand von dieser Seite für eine sehr große Anzahl unserer Mitbürger auf sehr vielen Punkten unseres Vaterlands in einem hohen Grad schwierig ist und mit jedem Tag noch schwieriger zu werden droht.

Die große Quelle der in einem so hohen Grad gestiegenen Abschwächung der Fundamente unseres altschweizerischen, häuslich und bürgerlich solide begründeten Wohlstands, der unnatürliche Geldzufluß des neuen Fabrikverdiensts, war in diesem Zeitpunkt durch ganz außerordentliche Umstände befördert. Die Artikel unserer Industrie wurden beinahe in ganz Europa mit einer Gierigkeit gesucht, die in einem für die höhere Industrie höchst ungünstig gelegenen Lande, wie die Schweiz, beinahe unglaublich schien, aber auch unmöglich sich für die Dauer zu erhalten vermochte.

 

Wir danken diesen Augenblick eines mächtigen Scheinglücks ganz gewiß dem realen Vorschritt unserer wissenschaftlichen und Berufsbildung, den wir vor den meisten Staaten Europas in diesem Zeitpunkt besaßen. Aber wir hätten nicht einen Augenblick daran denken sollen, daß diese für die Fabrikation unserer Artikel unendlich glücklicher gelegenen Staaten uns diese Glücksgelegenheit nicht mit eben der Schnelligkeit wieder entziehen werden, mit welcher sie uns dieselbe einen Augenblick eigentlich auf eine verführerische und das Wesen unseres Wohlstands gefährdende Weise haben zufließen und in den Händen gelassen.

Wir dürfen uns auf keine Weise verhehlen, daß unter den Umständen, unter denen wir leben, das vom Ausland so leicht gewonnene Geld mit eben der Schnelligkeit aus unserer Mitte verschwindet und verschwinden muß, mit der es uns zugeflossen. Ebensowenig können wir uns die Größe des Nachteils verhehlen, den ihr kurzes, prekäres, aber gewaltsam auf uns einwirkendes Dasein auf den ganzen Umfang der soliden Fundamente unseres alten Wohlstandes gehabt hat. Es ist unstreitig, diese vorübergehende, unnatürliche Glückserscheinung hat wie ein Waldstrom, der nach einem großen Ungewitter austritt und links und rechts dürre Fluren verheerend überschwemmt, auf uns eingewirkt, und es wäre unverzeihlich, diesen Zustand nicht fest, wie er wirklich ist, ins Auge zu fassen. Unsere Reichen und unsere Armen sind in einem Grad des Zeitluxus und seines Verderbens befangen, daß bald jede auch noch so unpassende Zeit, Geld und Kräfte verschwendende und selber ekelhafte Luxustorheit, die in den Hauptstädten der größten Reiche an der Tagesordnung ist, nicht auch in, zu Zeiten an Ort und Stelle sehr lächerlichen Miniaturformen bei uns eingerissen und in einem unnatürlichen Grad eine sehr bedeutende Zahl unserer Einwohner selbst bis auf unsere Dörfer hinab angesteckt hat. Der müßiggängerische Zerstreuungston, dessen sich besonders auch die gemeinen und selber armen Einwohner der großen, ressourcenvollen, französischen und italienischen Städte auf ihren Promenaden, in ihren Casinos etc. erfreuen, wird in unseren Tagen auch sogar von Leuten, die in unseren Städtchen in Winkelgassen und auf armseligen Dachstübchen wohnen, und sich in gewissen Leisten mit großer Unbequemlichkeit und Beschwerde gleichsam über den Schuhleisten dieser neumodischen, aber für uns unglücklichen Lebensweisen, sowie über denjenigen des Modegeschwätzes und der Modeansichten der Tagesbegegnisse schlagen lassen, mit großer Gierigkeit gesucht und so viel ihnen möglich benutzt.

 

Unter diesen Umständen ist der Erwerbsgeist unserer Väter soviel als blitzschnell in einen Grad von verwöhntem Verbrauchsgeist hinübergegangen, der mit einem zehnfach größeren Einkommen, als wir wirklich im allgemeinen besitzen, in unserer Lage nicht für die Dauer sichergestellt werden kann. Wir hören indes von allen Seiten den Schreckensruf der Minderung unserer öffentlichen Finanzen, deren Defizit gegen das Ausland aber bei der Isolierung unserer Kantone nicht einmal in seiner bestimmten Wahrheit aufgenommen werden kann. Dabei ist der Grad des Leichtsinns, mit welchem wir, durch den bloßen Reiz von Modenarrheiten gelockt, dem Ausland unser Geld von Tag zu Tag immer mehr zuwerfen, so groß, daß wahrlich die nächsten Nachkommen von tausend und tausend unserer Mitbürger, die jetzt im Komödiantenprunk großstädtischer Wohlhabenheit umherziehen, es ganz gewiß in dürftigen Umständen bereuen werden, daß ihre Väter ihr Vermögen so gedankenlos sich bis auf den letzten Notpfennig aus der Tasche spielen ließen. Aber nicht nur diese törichten Opfer unserer allgemein wachsenden Eitelkeits- und Sinnlichkeitsverschwendung und Schwäche, sondern auch der Fleiß und die Anstrengung unserer besseren Bürger und Landeseinwohner kommen in ihrem ehemals sicheren und ihren Bedürfnissen vollkommen genugtuenden Einkommen und in ihren Erwerbsmitteln von Jahr zu Jahr immer mehr zurück. Man lasse sich nicht irrelenken, man frage sich unverhohlen: Wieviele von hundert und hundert Familien, deren Großväter selbständig imstande waren, ihren Haushaltungen durch ihre gesicherten Erb- und Erwerbsmittel ein vollkommenes Genüge zu leisten, und ihre Kinder, wenn es auch ihrer viele waren, nach den Sitten ihrer Zeit in einem hohen Grad von Ehrenfestigkeit zu erziehen und auszusteuern, sind dieses beides im ganzen Umfange der Ansprüche und Ausgaben, die unsere gegenwärtige Zeit hierfür erfordert, selbständig aus den Einkünften ihrer Erb- und Erwerbsmittel zu bestreiten nicht mehr im Stande? Und in wievielen Kantonen ist die Errichtung neuer Stellen und Posten nur darum dringend und notwendig, weil dieses bei sehr vielen, zum Teil sehr achtungswürdigen Familien der Fall ist? Man frage sich unbefangen: Wohin muß es das Vaterland hinführen, daß die Zahl der Haushaltungen, deren Kinder durchaus nicht mehr den Grad der Sicherheit des ehrenfesten Zustands genießen, den unsere Vorfahren so allgemein von Kind auf Kindeskind hinab sich dauerhaft zu versichern gewußt, in dem Grad zunimmt, den wir vor unseren Augen sehen, aber bei der großen Verschiedenheit unserer Verfassungen und Einrichtungen nicht einmal in großen und allgemeinen Übersichten kontrollieren können? Das Traumleben des vorigen Jahrhunderts, dessen Verirrungen so tief in den allgemeinen Wohlstand unseres lieben Vaterlands eingegriffen, hat uns schon soweit gebracht, daß die Mehrzahl der Einwohner vieler, mehr und minder bedeutender Fabrikorte schon jetzt als ganz eigentumslos ins Auge gefaßt werden muß. Wir können uns nicht verhehlen, das kleine Erbeigentum, das Jahrhunderte lang in tausend und tausend Hütten unveräußert auf Kinder und Kindeskinder frei hinüberging und eine Hauptstütze unseres öffentlichen Wohlstands war, hat sich auf eine höchst beunruhigende Weise in unserer Mitte vermindert, und ist in den Jubelgegenden unseres Fabrikreichtums am allermeisten verschwunden; dagegen aber ist hier und da in diesen Gegenden ein Gesindelleben der Menge eingewurzelt, dessen Folgen unter gewissen Umständen für das Vaterland noch beunruhigender werden könnten als selber ihre Eigentumslosigkeit, und man darf hinzusetzen, daß sie es höchst wahrscheinlicher Weise gewiß werden müssen, wenn wir nicht in dem guten, äußerst bildsamen Nationalgeist auch in den niedrigsten Volksklassen Mittel dagegen suchen und finden können. Wer darf es sich verhehlen, daß jedes bedeutende Begegnis im Ausland oder im Inlande, das auf die gegenwärtig noch bestehenden Unterhaltungs- und Erwerbsmittel der großen, ganz eigentumslosen Volksmenge unseres Vaterlands einen dieselben im Großen mindernden Einfluß haben würde, einen Zustand der Dinge hervorbringen könnte, der demjenigen einiger Fabrikgegenden in den letzten Jahren der Teuerung, dessen wir uns alle mit Entsetzen erinneren, fast unausweichlich ähnlich werden müßte?

Vaterland! Die Mittel, einem solchen Zustand mit gesicherter Landeskraft vorzubeugen, ihm, wenn er erscheinen würde, genugtuend Hand zu bieten, und ihn, ohne das Äußerste zu gefahren, vorübergehen zu machen, mindern in deiner Mitte von Jahr zu Jahr sichtbar. Vaterland! Wo stehst du in diesem Fall? Frage dich selbst: Wo gehst du hier und da mit den üblichen Schritten deines gewöhnlichen Zeitlebens, ich möchte fast sagen, freiwillig selbst hin?

 

Edle Männer, Freunde und Brüder! Ihr ehrtet in meiner Wahl das Andenken der verehrungswürdigen Männer, die in dieser Epoche, bei der plötzlich sichtbaren Zunahme der Folgen der Altersschwäche unserer Verfassungen und Lagen, sich vereinigten, um den einfachen, kraft- und segensvollen, alten Schweizergeist in seiner Wahrheit und Reinheit für den inneren Dienst des Vaterlands in den verschiedenen, einflußreichen Verhältnissen, in denen jeder von ihnen in seiner Heimat stand, unter den edelsten seiner Mitbürger von neuem zu beleben und, soviel an ihm lag, ihn in seinen Umgebungen in allen Ständen allgemein zu machen. Wenige leben noch; das vorige Jahr war ich der einzige von ihnen in Eurer Mitte; kein anderer meiner Zeitgenossen war da. Möchte ich doch nicht allein da gewesen und ein Würdigerer von ihnen an meine Stelle gewählt worden sein! Eure Wahl hat das tiefe Gefühl in mir rege gemacht, wie wenig ich weder an meinem Geburtsorte, noch in den verschiedenen Stellen, in denen ich in meinem Vaterlande gelebt habe, durch meine Bestrebungen unter meinen Mitbürgern die segensvollen Wirkungen hervorgebracht, die den Lebenslauf der meisten Mitglieder unserer Gesellschaft, welche meine Zeitgenossen waren, auszeichneten. Ach, sie leben nicht mehr! Das dunkle Grab deckt die edlen Gebeine der meisten von ihnen. Freunde und Brüder! Sie waren nicht Männer ihrer Zeit. Weitaus die meisten standen in ihrer Bildung sowohl als in ihrem tatsächlichen Einfluß hoch über dieselbe empor. Sie kannten das tiefe Versinken ihrer Zeit unter dem Geist der früheren schweizerischen Vorwelt. Aber sie lebten doch nicht außer dem innigsten Zusammenhang mit dem Geist der Zeit, in den ihre Lebensepoche hineinfiel. Die meisten von ihnen waren für die Bedürfnisse dieses Zusammenhangs vorzüglich gebildet, und dankten dieser im häuslichen Leben genossenen Bildung den segensvollen Einfluß, den ihr Leben auf ihre Umgebungen und ihr Vaterland hatte, und es ist auch dieser Einfluß ihres Privatlebens auf das Einzelne ihrer Privatverhältnisse und Privatumgebungen, was ihnen den hohen Grad der öffentlichen Achtung, den sie durch ihr Leben genossen, und in ihren Verhältnissen zum Wohl des Vaterlands benutzten, zuzog und sicherte. Es ist tatsächlich, daß die Edelsten von ihnen sich den Weg zu ihrem segensvollen, öffentlichen Einfluß durch die stille, aber hohe Kraft ihres edlen, würdigen Privatlebens bahnten. Ich lebte in meinen Jünglingsjahren im Zeitpunkt des jugendlichen Aufblühens mehrerer von ihnen. Die Erziehung, die sie genossen, und die damals noch in den Häusern der edelsten Schweizer üblich war, steht heute in einem in verschiedenen Rücksichten mein Herz erhebenden Andenken vor mir. Sie atmete in ihrem Wesen noch vielseitig den hohen Geist der altschweizerischen, vaterländischen Gesinnungen, Ansichten, Denkungs- und Lebensweise. Als Söhne edler, schweizerischer Väter lernten sie von Jugend auf im Kreise ihres häuslichen Lebens fühlen, denken und handeln, wie sie in ihren gereiften Jahren als edle schweizerische Männer gefühlt, gedacht, gehandelt, und sich dadurch die Liebe, die Achtung und das Zutrauen aller derer, die in ihrer Zeit noch diesen alten, guten Geist ihres Vaterlands in ihrem Busen nährten, so ausgezeichnet erworben haben. Also geschätzt, geehrt und geliebt, hatten sie in ihren Umgebungen auf alles, was unsere wesentlichen Interessen in ihren eigenen, besonderen Lagen nahe berührte, einen wirksamen und sehr bedeutenden Einfluß. Die öffentliche Achtung für sie, und auch für

die Vereinigung, die sie, als unsere Vorfahren, miteinander verband, beschränkte sich nicht bloß auf den Kreis unseres Vaterlands; die edelsten Männer Deutschlands und mehrerer Länder teilten unsere Achtung für sie mit uns. Soviel als vom Anfange ihrer Vereinigung an besuchten mehrere von ihnen den Ort unserer Zusammenkunft. Ihre Zahl vermehrte sich von Jahr zu Jahr.

 

Männer vom höchsten Range, selber Prinzen, erschienen in unserer Mitte und freuten sich mit menschenfreundlicher Teilnahme an dem tatsächlichen Beweis, der sich in unserem Kreise so auffallend offenbarte, daß bei allen Schwächen unseres durch die Zeit allmählich veralteten, vaterländischen Geistes und bei aller Gewaltsamkeit eingerissener, unschweizerischer Gesinnungen, Lebensweisen, Einrichtungen und Maßregeln, der Geist der alten vaterländischen Gesinnungen, Denkungs- und Lebensweisen in unserer Mitte durchaus noch nicht ausgelöscht sei, und daß wir im Gegenteil uns mit Zutrauen der Hoffnung überlassen dürfen, das Vaterland werde im aufkeimenden Geschlecht Mittel finden, die reinen Kräfte unserer altschweizerischen Denkungs- und Handlungsweise in unserer Mitte von neuem zu beleben und allmählich wieder herzustellen. Es ist ganz gewiß, daß in diesem Zeitpunkt ein besserer Geist unseres Vaterlands in allen Kantonen zu erwachen und den Zeitübeln, die in unserer Mitte Fuß griffen, mit Ernst, Liebe und edlem Gemeinsinn entgegenzuwirken schien. Die Beispiele des Mutes, der Tätigkeit und der edelsten Anstrengung, mit welcher die Mehrzahl unserer Mitglieder in ihren heimatlichen Kreisen dafür Kräfte und Mittel suchten, berechtigten uns zu diesen Hoffnungen.

 

Aber wir lebten am Vorabend des großen Weltbegegnisses der französischen Revolution, die mit der Allmacht ihrer Schreckensgewalt auch unser Vaterland mit dem äußersten Unglück

und den größten Gefahren bedrohte, und bei ihrer ersten Annäherung an unsere Grenzen durch die Irrtümer und Leidenschaften, die ihren Gang leiteten, dem Geist der Eintracht und mit ihm den Segensfundamenten aller unserer inneren Bestrebungen zur Wiederherstellung unserer selbst und zur Erneuerung unserer alten, vaterländischen Denkungs- und Handlungsweise einen bedauernswürdigen Herzstoß gab.

 

Freunde, Brüder, Eidgenossen! Laßt uns heute über dieses Begegnis mit neu belebten Gefühlen unserer Eintracht schweigen, laßt uns ganz, ganz vergessen, was diesfalls hinter uns ist, mit reinem Herzen, edel und warm, streben nach dem, was vor uns ist. Wir sind äußerlich gerettet und wieder vereinigt in einen Zustand der Unabhängigkeit versetzt, der den letzten Tropfen alteidgenössischen Schweizerbluts, das sich noch in unserer Mitte erhalten, mit der Macht eines tief erschütterten Herzens aufruft, alle Kräfte, die die Vorsehung in unserer Hand gelassen, und in unserer Hand wieder vereinigt hat, mit der höchsten Anstrengung dahin zu verwenden, uns innerlich wieder herzustellen, und den Schwächen, Übeln, Lücken und Fehlern, die schon vor dieser großen Weltepoche in unserer Mitte stark Fuß gegriffen und tiefe Wurzeln geschlagen, mit erneuertem, alteidgenössischem Mute entgegenzuarbeiten. Wir können uns nicht verhehlen, daß diese Lücken, Fehler und Schwächen in den Begegnissen dieses traurigen und höchst gefährlichen, aber jetzt so glücklich überstandenen Zeitpunktes in unserer Mitte sehr vielseitige Nahrung gefunden und namentlich auf die Stärkung, Erhöhung und Allgemeinmachung vieler unserer unpassenden, anmaßungsvollen Lebens- und Handlungsweisen in unseren öffentlichen und Privateinrichtungen höchst verderblich einwirkten, und wahrlich das Bedürfnis verdoppelten, jedes vaterländische Individuum mit warmem Herzen aufzufordern, unserem guten, aber Hilfe, Rat, Beispiel und weise Führung gewiß nicht weniger als vor der Revolution bedürftigen Volk in der Schwäche unserer Zeit, damit ich nicht sage, in unserer Schwäche, soweit wir noch können, im altschweizerischen Geist, das wieder zu werden, was die edelsten Männer des Vaterlands vor den Zeiten unserer ersten eidgenössischen Vereinigung bis auf den heutigen Tag ihm immer waren, und den Geist allgemein wieder herzustellen, der sich in den Tagen der Vereinigung unserer Gesellschaft, von ihrem Ursprung an, so würdig und hoffnungsreich aussprach.

Edle Männer, Freunde und Brüder! In der Stellung, in der ich heute zu Euch stehe, zwingt mich mein Herz, und das Pflichtgefühl meiner Stunde fordert mich auf, mit dem Mut eines vaterländischen Mannes aus der Vorzeit Euch, liebe, sämtliche Mitglieder unserer Gesellschaft! edle, eidgenössische Männer! zuzurufen: Laßt uns in der Tat und Wahrheit der Stiftung unserer Gesellschaft und aller edlen Vorfahren unserer Vereinigung würdig werden! Laßt uns die Zwecke unserer Vereinigung in der Tat und Wahrheit in uns selbst wieder erneuern und tief fühlen, daß es nicht ein Geringes und nicht ein Leichtes ist, heute dem Vaterland und der Menschheit das zu werden, was diese Männer in den Tagen ihrer Laufbahn mit hohem Ernst und unabläßlicher Tätigkeit beiden zu werden sich bestrebten! Männer und Brüder! Ein großer Teil der Epoche ihres Lebens war für ihre Bestrebungen noch viel günstiger, als unsere Tage, sehr verschiedener Ursachen wegen, wahrlich nicht mehr sind. Die Überreste der alten, schweizerischen Zeit standen an ihrer Seite noch vielfacher belebt und in bestehenden Übungen dem besseren Teil ihrer Mitbürger noch mehr in lebendigen Beispielen vor Augen, als dieses in unseren Tagen der Fall ist. Wir können uns nicht verhehlen, sie wurden damals in ihren Bestrebungen noch von zarten Fäden häuslicher und bürgerlicher Verhältnisse und Näherungen belebt, von denen einige durch die Tage trauriger Mißstimmungen im Volksgeist aller Stände locker geworden, und hier und da wirklich beinahe zerrissen erscheinen.

Die wesentlichsten Quellen unserer damaligen Verirrungen sind durch die Vorfälle der Zeit nichts weniger als verschwunden; sie sind im Gegenteil durch dieselben vielseitig gestärkt und belebt worden.

Die selbstsüchtigen und leidenschaftlichen Schwächen, welche unedlere Individuen unseres Vaterlands in allen Ständen schon seit langem reizten, im Kreise ihrer Mitbürger in einem dem vaterländischen, alten, schweizerischen Geist entgegenstehenden Sinne zu fühlen, zu denken und zu handeln, haben sich in der Revolution durchaus nicht vermindert, und sind auch durch die Annahme unserer neuen Verfassungen nichts weniger als verloren gegangen. Diese Verfassungen haben im Gegenteil, hier und da, einer großen Anzahl Individuen in Städten und Dörfern vielseitigen Reiz, Mittel und Spielraum zu einem ungenierten, freien, willkürlichen und stolzen Benehmen gegen ihre schwächeren Mitbürger gegeben, die vorher in ihren Lagen und Umständen durchaus, wo nicht gar keinen, doch ganz gewiß weniger Reiz, weniger Mittel und Spielraum zu einem solchen Benehmen gehabt haben. Die Schwächen unserer letzten Vorzeit machten uns zwar schon vielseitig Demut heucheln, wo keine wahre Demut da war; aber unsere jetzige Welt verbirgt ihre Eitelkeit und ihren Hochmut auch da nicht, wo sie dieselben der Neuheit ihrer Form und ihrer Reize wegen, wenn auch nur anstandshalber, fast notwendig mehr verbergen sollte.

 

Ich komme indes auch hierin immer wieder auf die berührten Hauptursachen unseres tiefen, häuslichen und bürgerlichen Versinkens zurück. Die verderblichen Folgen des Übermaßes unseres prekären Geldzuflusses, die seit so langem dem alten, schweizerischen Gemeingeist und der lieblichen Nährung aller Stände gegeneinander einen tödlichen Herzstoß gaben, sind durch die großen Vorfälle unserer Tage nichts weniger als gemildert worden; sie haben sich im Gegenteil noch verstärkt, und wir haben jetzt die doppelte Sorge, einerseits der Fortdauer der Verschwendung und des Leichtsinnes Einhalt zu tun, den wir uns durch den Mißbrauch des prekären, leichten Geldverdienstes zugezogen, andererseits der Gefahr, die Ressourcen, die wir zur Befriedigung unserer Bedürfnisse und Angewöhnungen bedürfen,

schnell und vielseitig zu verlieren, vorzubeugen; indessen wir, mitten in diesem Bedürfnis, die größere Anzahl der Einwohner vieler unserer Gegenden einem Notzustand entgegengehen sehen, der ihnen bei den Angewöhnungen ihrer gegenwärtigen Lebensweise doppelt unerträglich, dem aber solide abzuhelfen um so schwieriger sein wird, da bei in unseren Tagen unnatürlich gereizter und gesteigerter Selbstsucht aller Stände der verhältnismäßige Landesedelmut, der zu großen, ins Wesen unseres Vermögens- und Eigentumszustandes eingreifenden Aufopferungen und Anstrengungen unausweichlich notwendig werden könnte, in der Masse unserer übriggebliebenen Reichen ganz gewiß nicht im Steigen ist, und die Kräfte unseres Mittelstandes, die ehemals im Vaterland durch ihre Allgemeinheit groß waren und bei dem guten, bürgerlichen Geist dieses Standes wohltätig einwirkten, sich schon gegenwärtig auf eine sehr beunruhigende Weise vermindert haben, und sich immer noch weit mehr zu vermindern drohen.

 

Freunde und Brüder! Das Traurigste dabei ist noch dieses, daß der Leichtsinn unseres Zeitgeistes uns gleichsam aus einer ernsten und folgereichen Aufmerksamkeit auf diese Umstände herausgeworfen hat. Wir dürfen uns nicht verhehlen, wir fühlen die gemeinsamen Schwächen an kraftvollen Mitteln, den Umständen nach dem Grad ihrer wahren Bedürfnisse entgegenzuarbeiten, genug in uns selbst. Die Mehrheit unseres Volkes ist gedankenlos und zum Teil blind über die Wahrheit unserer Lage, und die Veränderung unserer bürgerlichen Vereinigung hat hier und da der Selbstsucht, Schwäche und Gierigkeit unseres Zeitgeistes einen die Unschuld, Einfachheit und Kraft unseres alten, vaterländischen Gemeingeistes diesfalls in einem hohen Grad gefährdenden Spielraum gegeben, gegen welchen wir um so mehr nicht genug auf unserer Hut sein können, weil er bei der immer steigenden Minderung unserer ökonomischen Ressourcen immer mehr von den Bedürfnissen und hier und da selber von den Notbedürfnissen unserer wirtschaftlichen Verhältnisse unterstützt und belebt wird. Auch ist alles Neue immer noch unreif. Seine erste Erscheinung ist zwar immer blühend, aber ein leichter Wind tötet, wie wir alle wissen, die jungen, keimenden Blüten, und wo das nicht ist, da geht es doch immer lange, heiße Sommertage hindurch, ehe auch die gesundesten Blüten zu reifen Früchten gedeihen. Seien wir doch im Segensgenusse unserer neuen Verfassungen edelmütig und sorgfältig genug, die Betrachtung ernsthaft zu würdigen, daß jede neue bürgerliche Laufbahn sehr leicht und oft mit verführerischen Reizen auf Abwege von den ersten Fundamenten des in sich selbst erneuerten vaterländischen Geistes und der in ihrem Inneren neu belebten Vorsorge fürs Volk hinzuführen geneigt ist!

 

Freunde und Brüder! Ich möchte bei diesem Wort nicht mißverstanden werden. Wir sind alle neu und in unseren neuen Zustand alle mehr und minder fremdartig eingeimpft, und müssen wahrlich die Wiederherstellung des alten, schweizerischen Vaterlands- und Gemeingeistes in uns allen gleich zu erneuern suchen. Wir sollten durch die Geschichte unserer neueren Tage einsehen gelernt haben, daß auch die Selbstsucht gereifter Erfahrungen in den Mitteln ihrer Selbsthilfe starker und vielseitiger Unterstützungen sicherer ist als die gutmütigsten Aufwallungen der Unerfahrenheit, und ebenso, daß es auch sehr gut gemeinten Aufwallungen bei den Hindernissen, die ihnen die Erfahrung ihrer Gegner in den Weg legt, immer sehr schwer fällt, selbstsuchtlos zu bleiben. Die Erfahrung hingegen fühlt bei allen Hindernissen, die ihrer Stellung und ihren Zwecken in den Weg gelegt werden, auch in ihrer Altersschwäche den Zusammenhang ihrer Kräfte und ihrer Mittel für die Bedürfnisse des Augenblicks,

und geht gewöhnlich, mitten unter sehr großen Schwierigkeiten, still, kühn und sicher ihrem Zweck entgegen. Die Unerfahrenheit hingegen fühlt die Irrtümer ihrer rege gemachten, eigenen Selbstsucht und ihrer Unbehilflichkeit fast immer zu spät, und ihre Selbstsucht wird gar oft in dem Grad unedel, als sie lange leidenschaftlich und lebendig sich über sich selbst täuscht, und kommt auf diesem Wege gar oft dahin, sich am Ende über sich selbst und seine Irrtümer mehr zu ärgern als über das Unrecht seiner Widersacher.

 

 

Freunde und Brüder! Wir sollen es tief fühlen, daß wir uns nur auf dem Wege gereifter Erfahrungen zu dem wahren Segensgenuß unserer neuen Verhältnisse erheben können, und wir dürfen uns nicht verhehlen, daß wir in uns allen hierin tief eingewurzelte Schwierigkeiten, die in der Gedankenlosigkeit über den wirklichen, positiven Zustand wesentlicher Bedürfnisse des öffentlichen Wohlstands unseres gutmütigen, seinem Glück und

seinen Kräften zuviel vertrauenden Volkes liegen, zu bekämpfen haben.

 

Die Traumsucht über den Ruhm, die Größe und Heldenkräfte der alten Schweizer, die in unserer Mitte wahrlich hier und da in schwache Ruhmredigkeit hinübergegangen, hat uns vielseitig zur Vernachlässigung der Kräfte und Vorzüge, durch welche unsere Vorfahren ihren Ruhm verdient und sich unseren Wohlstand und Segen erworben, hingeführt. Unsere Aufmerksamkeit sollte gegenwärtig in einem hohen Grad lebendig und kraftvoll auf das gerichtet sein, was wir selbst sind und sein werden, und wozu wir uns selbst im Ernst bilden und erheben sollten, um im Kreis unserer Mitbürger, in der Mitte unseres Volkes und im Geiste unserer edlen Vorfahren einflußreich und segensvoll dazustehn und zu handeln und uns zu alle dem emporzuheben und tüchtig zu machen, was die Zeitumstände für den wahren Dienst des Vaterlands je von uns fordern könnten, um den dringenden Bedürfnissen der Gegenwart und den Gefahren, die uns selber in einer nahen Zukunft bedrohen, mit wahrem, altväterischem Sinn, und mit wahrer alteidgenössischer Kraft vorbeugen und entgegenwirken zu können.

 

Edle Männer, Freunde und Brüder! Lernen wir uns doch je länger je mehr in aller Wahrheit, sowohl in derjenigen unserer Schwäche, als in derjenigen unserer Kraft, erkennen. Wir vermögen es nicht mehr, in den Irrtümern und Eitelkeiten des spielenden Reichtums, die in den großen Staaten zum Zeitgeist der Welt und ihrer Führung geworden, in unseren kleinen Verhältnissen so weit fortzufahren, als hier und da ein unväterlicher und unschweizerischer Sinn dieses noch zu glauben scheint. Verhehlen wir uns doch nicht, daß wir, mitten im Anschein unserer Stille und Ruhe, vielleicht am Vorabend von Begegnissen stehen, die, wenn wir die Natur und das Wesen unseres Zustandes nicht in ihrer innersten Tiefe zu erkennen suchen, uns den Faden der inneren Selbsthilfe, durch die unsere Väter den mäßigen Genuß ihres Wohlstands sich Jahrhunderte sicherten, für die Zukunft unausweichlich abschneiden könnten. Die eingerissenen und zur Übung gewordenen Ausgaben des Luxus und der Eitelkeit, die wir in vielen unserer Erscheinungen auffallend gemacht, haben uns hier und da an Einschränkungen und Mäßigungen in öffentlichen und Privaterscheinungen gehindert,

an denen wir uns, ohne das Vaterland in seinen wesentlichen Interessen zu gefährden, durchaus nicht mehr in dem Grad hindern lassen dürfen, wie es hier und da geschehen ist. Heil uns, wenn wir den öffentlichen und Privatbedürfnissen unseres Vaterlands ein Genüge leisten können! Wir dürfen den Auswüchsen der Welteitelkeit unserer Tage in ihren großen Verhältnissen nicht frönen. Wir dürfen und können ihnen nicht frönen, und Miniaturformen des Großtuns sind in der Welt nicht nur gefährlich, sie sind auch noch etwas anders, vorzüglich aber sind sie unschweizerisch. Unser Vaterland bedarf in allen seinen Verhältnissen Solidität und wahre Kraft, und der Schweizer soll sie

in allen seinen Verhältnissen suchen und fördern. Wir bedürfen in allen Rücksichten einer soliden Regierungskraft, einer soliden Militärkraft und sogar einer soliden Polizeikraft, aber für die Eitelkeitsbedeckung der Schwäche irgendeiner dieser Kräfte haben wir kein Geld, und sollen für dieselbe auch keines ausgeben, und keines einnehmen. Dem Blendwerk der Eitelkeit, das die Solidität der wesentlichsten Kräfte auch der größeren Staaten untergräbt, darf die öffentliche und allgemeine Meinung der Schweizer, in welcher Form und in welcher Gestalt sie sich auch ausspreche, nicht frönen. Wir bedürfen der erneuerten Belebung des Geistes, der Einschränkung und Mäßigung unserer Väter

und vorzüglich des Geistes der Prunklosigkeit, der ihre Anstalten und Einrichtungen vielseitig veredelte und ihren Segen dauerhaft machte.

 

Die Entgegenwirkung gegen die prunkvollen Einrichtungen des Zeitgeistes muß aber nicht aus kleinlicher Sparsamkeit der öffentlichen und Privatverwaltungen und Einrichtungen, sie muß aus der Erneuerung des alten, einfachen und anspruchslosen Geistes des schweizerischen Volkes und einer größeren, ernsteren und eingeschränkteren, häuslichen Lebensweise in allen unseren Ständen hervorgehen. Werden wir im Privatleben hierzu gelangen, so wird ganz gewiß eine edle, allgemeine Einschränkung der Ausgaben des öffentlichen Dienstes eine unfehlbare Folge einer weiseren Sparsamkeit und der mit ihr verbundenen Segensfolgen der Erwerbsamkeit des schweizerischen Volkes sein. Unsere häusliche Einschränkung muß wesentlich als die Basis der Einschränkung des öffentlichen Dienstes, dessen wir ebenso sehr bedürfen, angesehen und anerkannt werden. Alle diesfälligen Ersparnisse, die nicht aus dem Fundament der allgemeinen, edlen und freien Beschränkung der häuslichen Ausgaben der Bürger in allen Ständen hervorgehen, sind nur segenslose Blendwerke. Aber wenn sie auf dieses Fundament gegründet sind, so können ihre Segensfolgen unmöglich in Zweifel gezogen werden, und diese würden auch unter anderem ganz gewiß dahin wirken, daß wir aufhören würden, in dem Grad der offene Markt aller Elendigkeiten, mit denen uns das Ausland überschwemmt und aussaugt, zu bleiben, als wir dieses gegenwärtig noch sind, und mit der Minderung unserer Privateitelkeiten würden ganz gewiß auch einige öffentliche Eitelkeiten mächtige Reize verlieren, und viele von ihnen, die wahrlich im Wesen ganz eine Folge unserer Privateitelkeiten und Eitelkeitsliebhabereien waren, werden dadurch in ihren wesentlichen Quellen selber verstopft werden. Das öffentliche und Privatleben wirkt durch seinen inneren, guten Gehalt und durch seine Irrtümer in seinen Segenswirkungen und in seinem Verderben gleich gegenseitig aufeinander. Ich habe in meiner Jugend das alte Sprichwort oft gehört: Der Vatersinn auf dem Rathaus ist nirgends kleiner als der Vatersinn in den Wohnstuben der Bürgerhäuser, und ich wage hinzusetzen: er sei auch am ersten Orte nicht leicht viel größer als am anderen.

 

So wie wir uns auf der einen Seite mit weiser Sorgfalt einzuschränken suchen sollen, so müssen wir uns auf der anderen Seite zu der uns noch möglichen Erwerbskraft und Erwerbsgewandtheit, deren wir gegenwärtig mehr als je bedürfen, zu

erheben suchen. Alles, was von der Wiege an zum Müßiggang, zur Zerstreuung, zur Untergrabung der gemeinen Gewerbskräfte und zu Beschäftigungen und Liebhabereien hinlenkt, die der anhaltenden Tätigkeit und Kraft im Berufsleben nachteilig sind, und den Segen der diesfälligen Bildungsmittel, Bildungsanstalten und Bildungsgelegenheiten schwächt, muß im Nationalgeist in der ganzen Wichtigkeit seiner Folgen, die es auf die Minderung des soliden Privatwohlstands der weit größeren Menge unserer Mitbürger und dadurch auf die Fundamente des öffentlichen Wohlstands unseres allgemeinen Vaterlands hat, mit großem Ernst ins Auge gefaßt werden.

 

 

Aber welch ein unergründliches Meer von Bedürfnissen steht in dieser Hinsicht vor meinen Augen! Edle Männer! welch ein unergründliches Meer von Bedürfnissen muß jetzt vor Euren und vor den Augen jedes vaterländischen Schweizers stehen, dessen Herz von den wahren Ansichten der Gegenwartsbedürfnisse unseres Vaterlands ergriffen ist. Diese Bedürfnisse sind unstreitig von einer Natur, daß es jedem sie mit unbefangenem Geiste auffassenden Manne auffallen muß, es sei ihnen unmöglich anders als durch tief in die Menschennatur eingreifende Mittel, die Kunstkräfte und Kunstfertigkeiten unseres Volkes solide zu begründen, abzuhelfen. Wir sind in ökonomischer Hinsicht in großen Partien in einen Zustand versunken, in dem wir uns der Volksbildung halber nicht mehr den Täuschungen überlassen dürfen,

in denen wir uns in Rücksicht auf unsere Ansichten von dem gegenwärtigen Zustand der altschweizerischen Kraft und häuslichen und bürgerlichen Selbständigkeit haben irreführen

lassen. Freunde, Brüder! Unser schweizerisches Vaterland ist in der gegenwärtigen Zeit ganz gewiß nur dadurch imstande, den öffentlichen und Privatbedürfnissen seiner Lage im Geist, in der Würde und in der Kraft unserer Vorfahren ein befriedigendes Genüge zu leisten, wenn seine Bürger allgemein oder wenigstens der weit größere Teil derselben lernen, sich durch die Solidität und den Segen ihrer Berufskräfte zu einer höheren häuslichen Selbständigkeit zu erheben. Dazu aber müssen sie notwendig besser, solider und kraftvoller erzogen werden, als dieses im Vaterland und zwar vielseitig an Orten, wo von der besseren Vorwelt hierfür mehr als genugsame Fonds gestiftet sind und vorliegen, gegenwärtig geschieht. Das diesfällige Bedürfnis ist unwidersprechlich; und die Möglichkeit, ihm ein Genüge zu leisten, kann im allgemeinen nicht bezweifelt werden, obgleich auch nicht zu leugnen, daß der wirklichen Ausführung der Sache im Land sehr große und zum Teil tief eingewurzelte Hindernisse im Wege stehen, von denen sehr wesentliche vorzüglich daher rühren, daß die Verdienst- und Erwerbsfähigkeit unseres Volkes, die in vielen Gegenden unseres Landes in einem sehr hohen Grad groß ist, in den diesfalls ausgezeichneten Individuen in der Taumelzeit unseres unverhältnismäßigen großen Geldzuflusses

hier und da in unserer Mitte gar nicht mit der lieben Schonung, Aufmunterung, Unterstützung und selber Auszeichnung behandelt worden ist, wie das allgemeine Interesse des Vaterlands es erfordert hätte. Desto dringender ist es aber gegenwärtig notwendig, daß wir diesen Fehler in der ganzen Ausdehnung seiner Wichtigkeit anerkennen, sowie daß alles getan werde, wodurch die ausgezeichnete Verdienst- und Erwerbsfähigkeit unseres Volkes allenthalben im Land mit großer Teilnahme beholfen und soviel immer möglich in seiner Kraft unterstützt, geleitet, gebildet und höher gehoben werden kann, und vorzüglich die Individuen, die diesfalls größere Erwartungen zu erregen geeignet sind, mit der höchsten Liebe, Schonung, Aufmunterung und selber Auszeichnung behandelt werden.

 

 

Wir dürfen uns nicht verhehlen, dieser für das Vaterland jetzt so wichtige Gesichtspunkt ist wesentlich in der Taumelepoche des vorigen Jahrhunderts zum Teil mit Mutwillen außer acht gelassen, zum Teil gedankenlos außer Mode gekommen. Er war auch nur ein paar Menschenalter früher in den Resten der einfachen, anmaßungslosen, gemeinbürgerlichen Denkungs- und Handlungsweise noch sehr allgemein in guter, segensvoller Übung. Die Art, wie er in diesem Zeitpunkt hier und da vernachlässigt worden, ist beinahe unbegreiflich, und zwar um soviel mehr, da die ausgezeichneten Kunst-, Berufs- und Erwerbskräfte des Volkes auf mehreren Punkten und in ganzen Distrikten des Vaterlands in einer Bedeutung sind, die jeden talentvollen Finanzminister eines weisen Fürsten diesfalls zu Aufmerksamkeiten und Maßregeln führen würde, wovon einige ganz

gewiß einer gesegneten Anwendung auch für unser Vaterland in unserer Lage um so mehr anwendbar wären, da die Erbtugenden des Hausfleißes, der Sparsamkeit und der Genügsamkeit, durch welche die Produkte einiger gemeiner Artikel der Industrie allein in einem seltenen Grad wohlfeil erzeugt werden können, jahrhundertelang in der niedersten, ärmsten Klasse unserer Fabrikarbeiter ein festes und allgemeines Fundament gewonnen und gegenwärtig durch die Not der Umstände selber beholfen, einer glücklichen Erneuerung ihrer segensvollen Fundamente fähig ist, wenn diese Volksklasse den Grad der edlen Handbietung, Wegweisung und Bildung, deren sie hierfür bedarf, finden würde. Wir dürfen uns aber dabei nicht vorstellen, daß der Grad der intellektuellen und Kunstbildung unseres Volkes, bei welcher wir im Anfange unserer Industrie so großes Geld gewonnen und durch welche wir die Fortdauer unserer Fabrikation bis auf jetzt noch immer zu erhalten vermögen, für die gegenwärtigen Bedürfnisse unseres Vaterlands genug sei. Wir können nur durch eine sehr große Anstrengung für die Erhöhung und tiefere Begründung der intellektuellen und Kunstkräfte unseres Volkes und durch eine für dieses Bedürfnis solide begründete Erziehung aller Stände dahin gelangen, den ökonomischen Wohlstand des Vaterlands durch den Ertrag der Arbeitsamkeit desselben im ganzen Umfange seiner Bedürfnisse wieder herzustellen.

 

Wird das geschehen, oder nicht geschehen? Das weiß der Himmel. Aber daß es möglich wäre, wenn wir es im Geist der alten Vaterlandsliebe und Vaterlandskraft suchten und wollten, das würde uns sicher in die Augen fallen, wenn wir die Bedürfnisse des Vaterlands mit altschweizerischem Geist und mit altschweizerischer Kraft beherzigen würden. Jedermann weiß, welch hohen Grad des Einflusses der Nachahmungstrieb unseres Geschlechts hat. Das, was jedermann tut, meint jedermann, er müsse es auch tun, und das was niemand tut, versucht auch niemand zu tun. Darum werden wir, trotz aller Umstände, in denen wir uns befinden, auch in dieser Hinsicht im allgemeinen durchaus nicht anders werden als wir sind, und unsere Kinder auch zu nichts anderem machen als zu dem, was wir selbst sind, wenn nicht in der Rücksicht, von der ich eben rede, sehr wirksame Beweggründe, Reize und Mittel in unserer Mitte angeregt und belebt werden können, die dem Laufe des Stroms, in dem wir wahrlich in großer Gedankenlosigkeit, wo nicht allgemein, doch an sehr bedeutenden Punkten des Vaterlands fortschwimmen, eine Richtung geben, die er durchaus nicht von sich selbst nehmen wird. Sie, diese Richtung, muß, wenn wir ihres Segens wahrhaft teilhaft werden sollen, ganz gewiß von der Vaterlands-, Bürger- und Volksliebe der erleuchtetesten, erfahrensten, kraftvollsten und tätigsten Männer unserer Zeit und in ihren wesentlichen Wirkungen weit mehr von ihrer Sorgfalt für die solide Bildung der Nachwelt ausgehen, als aber auf Versuche einer momentanen Umschaffung unserer gegenwärtigen Zeitmenschen, ihrer Grundsätze, Lebensweisen, Genießungen und Anmaßungen gebaut werden.

Wahrlich, die gegenwärtige Generation ist auch in unserem Vaterland höchstens zu einer mäßigen Unterwerfung unter die Bedürfnisse allmählicher Einschränkungen tüchtig, aber durchaus nicht für die Umschaffung ihrer selbst zu großen Vorschritten auf immediate Begründung bedeutender Erwerbszweige fähig.

Ihre Kräfte sind, besonders auf den ärmsten, notleidendsten und gefährdetsten Punkten unseres Vaterlands, durchaus hierfür in einem zu hohen Grad zurückstehend und gelähmt. Es ist nicht nur, daß ihr Zeitalter nichts Bedeutendes tat, sie hierfür zu bilden; so wie es mir in die Augen fällt, war es im Gegenteil im allgemeinen in einem hohen Grad geeignet, sie hierfür zu mißbilden. Ich bin zwar alt und meine Augen sehen nicht mehr sehr helle; aber sie haben doch auch lange gesehen. Die Erfahrungen meines Lebens sind groß, und was sie in dieser Rücksicht Abschreckendes und Verwirrendes für mich gehabt haben mögen, so ruht meine Überzeugung, daß die bessere Bildung der Nachwelt auch von dieser Seite in unserer Hand ist, ganz gewiß auf gereiften Fundamenten. Es liegt auch nicht der geringste Zweifel in meiner Seele, daß, wenn die größere Anzahl unserer edleren und einflußreicheren Mitbürger sich dahin erheben würde, mit väterlicher Schweizertreue und schweizerischer Standhaftigkeit für die Bildung und Erziehung unserer Jugend das zu tun, was zu einer besseren Begründung des häuslichen und öffentlichen Wohlstands nottut und sicher in unserer Hand liegt, vieles geschehen könnte, das von großer Bedeutung und in seinen Folgen für das Vaterland wichtig und segensvoll werden müßte. Es ist indes auch nicht, daß es am guten Willen unserer edleren Mitbürger hierin fehlen sollte; aber unser eingewurzelte Zeitgeist hat die Aufmerksamkeit der großen Mehrheit unserer Bürger in allen Ständen mehr auf diejenigen Bildungs- und Erziehungsgegenstände hingelenkt, die einzelnen Ständen dienlich, bequem, angenehm und vielleicht auch notwendig, als auf diejenigen, die allem Volk in allen Ständen für die gute Begründung seiner häuslichen und bürgerlichen Selbständigkeit dringend notwendig sind. Es ist ganz gewiß jetzt nicht um die schnelle Weiterführung der höheren, wissenschaftlichen Bildung, noch weit weniger um die Allgemeinmachung der oberflächlichen Brosamen davon zu tun, die wir vielseitig unpassenderweise nur zu sehr allem Volk zu geben suchen; es handelt sich im Gegenteil vorzüglich um die allgemeine und genugtuende Begründung des häuslichen und bürgerlichen Wohlstands durch die bessere Ausbildung der allgemeinen Berufskräfte und Fertigkeiten, die auch durch eine noch so große Ausdehnung des Wortklangs oberflächlicher, wissenschaftlicher Erkenntnisse auf keine Weise befördert, sondern wesentlich gehindert wird. Es herrschen wahrlich diesfalls hier und da Lücken und Mängel in der Erziehung und im Unterricht unserer Jugend, die so tief eingewurzelt und mit so vielem blendenden und uns verführenden Scheinguten unseres Verkünstelungslebens verwoben sind, daß wir allgemein den Grad des Bedürfnisses einer hierin tiefer gehenden Erziehungsweise aller Stände nicht tief genug zu Herzen nehmen. Sie bedürfen allgemein großer und entscheidender Maßregeln, die von der Wiege an mit vieler Sorgfalt und wahrlich gegenwärtig mit großer Kunst eingelenkt, angebahnt, und begründet werden müssen, die uns aber unstreitig in vielen Rücksichten in einem hohen Grad mangeln. Die alten Segenskräfte der Wohnstubenbildung sind in der größeren Mehrheit der Haushaltungen unseres Volkes verschwunden, und die Volksschulen stehen, man dürfte fast sagen, soviel als allgemein von diesem wesentlichen Fundament aller wahren Menschenbildung und besonders alles Eigentümlichen, was die solide Begründung des häuslichen und bürgerlichen Wohlstands der Individuen aller Stände wesentlich erfordert, entblößt.

Für die wissenschaftliche Ausbildung herrscht in unserer Mitte noch vielfältiges, großes und belebtes Interesse; es erstreckt sich sogar hier und da auf die Bildung von hilfe- und mittellosen Menschen, die notwendig und dringend eine mit den Bedürfnissen der Lebensweise, für die sie erzogen werden sollten, beschränkte, aber denselben genugtuende Erziehung erhalten sollten, und worin sie durch jeden Brosamen oberflächlicher, wissenschaftlicher Kenntnisse mehr gehindert als befördert werden. Gewöhnlich gehen bei den Kindern dieser Klasse von Einwohnern und Bürgern sechs bis sieben Jahre vorbei, ehe irgendetwas tiefer in die Menschennatur Eingreifendes für die Ausbildung ihrer Kräfte getan wird; und in den höheren Klassen ist das, was in diesem Zeitpunkt vielseitig und oft mit großer Kunst und Mühseligkeit an ihnen versucht und getan wird, der naturgemäßen Entfaltung ihrer Kräfte und der guten Begründung einer soliden Erziehung oft selber noch nachteiliger als die Verwahrlosung, in welcher die größere Anzahl der Kinder des eigentumslosen Volkes im Müßiggang und in der Gedankenlosigkeit unter verführerischen Umständen diesen Zeitpunkt durchschlendert. Die Folgen dieses Zustandes, ich meine diejenigen der in diesem Grad ungebrauchten und mißbrauchten Kinderjahre sowohl als der durch diese Umstände schon zum voraus in ihren Segenswirkungen untergrabenen und abgeschwächten Schuljahre, waren indes in den Jubeljahren unseres großen Geldzuflusses bei fernem nicht so groß und für das Vaterland im allgemeinen nicht so bedenklich, als sie es gegenwärtig bei der unverhältnismäßigen und immer wachsenden Zahl der ökonomisch gleichsam in die Luft versetzten, eigentumslosen und in Rücksicht ihrer Erwerbsfähigkeit in einem hohen Grad verwahrlosten Menschenmasse in unserem Vaterland wirklich ist.

Man fühlt auch die Wahrheit dieser richtigen Ansicht ziemlich allgemein, und doch sieht man kein kraftvoll rege gewordenes Bestreben, das im Nationalgeist auf diesen Punkt hingelenkt ist; im Gegenteil, hundert und hundert besondere Interessen für allerlei einzeln Gutes und Löbliches, das aber bei weitem nicht von diesem öffentlichen Interesse ist, erscheint in unserer Mitte vielseitig weit mehr und weit angelegentlicher vom allgemeinen Nationalinteresse belebt. Dieser Umstand hat sehr viele Ursachen, und man muß einigen derselben, besonders wie sie von den Individuen unserer Verhältnisse ins Auge gefaßt werden können, Gerechtigkeit widerfahren lassen. Tausend und tausende sprechen in ihren einzelnen Verhältnissen das Wort mit Recht aus: "Was vermögen wir in unseren beschränkten Privatverhältnissen in Rücksicht auf diese unstreitig wichtige Angelegenheit des Vaterlands mit Hoffnung irgendeines gesegneten Erfolgs auszurichten oder auch nur anzubahnen?" Und einzeln können sie durchaus in ihren Lagen und Verhältnissen recht haben! Nur sage dieses niemand im allgemeinen. Nein, niemand spreche das Wort aus: "Wir haben im allgemeinen keine Mittel, hierin zu helfen." Und ich bin überzeugt, ich stehe heute in der Mitte von Männern, die es tief fühlen, daß es dem Vaterland im allgemeinen mehr an der genugsamen Belebung des Gefühls des Bedürfnisses dieser Mittel und an einem genugsam erwachten Eifer, sie kennenzulernen, zu prüfen und zu benutzen, als an ihrem Dasein selber mangelt. Ihr Geist und ihr Wesen ist in den besseren Haushaltungen unseres Landes allgemein in den verschiedensten Formen und Gestalten zu Stadt und zu Land, auf dem Berg und im Tal, in Schlössern und in Strohhütten wirklich in Ausübung vorhanden, und er atmet ebenso lebendig in mehreren unserer öffentlichen Einrichtungen und Anstalten, und besonders ist für die wesentlichen Anfänge dieser Mittel soviel als die Gesamtheit der Mütter aller Stände instinktartig belebt und vorbereitet; aber sie haben in den Kunstmitteln der gewohnten Erziehung durchaus keine sie naturgemäß genugsam bildende und leitende Handbietung; und dann steht der Zeitgeist dem öffentlichen Einfluß des Guten, das diesfalls in unserer Mitte noch da ist, mit der ganzen Macht seines irreführenden Verderbens entgegen.

 

Aber sowie wir dahin kommen, die Ursachen und Mittel zu erkennen, durch welche der Zeitgeist imstande ist, den Bestrebungen der Nachwelt durch die Erziehung bessere Vorsehung zu tun, unübersteiglich scheinende Hindernisse in den Weg zu legen, so werden wir dadurch auch auf die Spur der echten Mittel gelangen, dem diesfälligen bösen Einfluß desselben Schranken

zu setzen.

 

 

So groß das Bedürfnis sowohl tief in die Menschennatur eingreifender, als mit unseren positiven Lagen und Umständen sehr übereinstimmender Bildungs-, Erziehungs- und Versorgungsmaßregeln für unser Volk auch immer ist, so ist es dieses

besonders in Rücksicht auf die große Anzahl der eigentumslosen Armen unseres Vaterlands. Diese Menschen sind beinahe soviel als allgemein aller Bildungs-, Erziehungs- und Unterrichtsmittel, die ihre Kinder für die Sicherstellung eines häuslich und bürgerlich genugsam befriedigten Broterwerbs nötig hätten, beraubt. Es ist unwidersprechlich, daß wenigstens die größere Anzahl dieser Menschen hier und da im Vaterland, und zwar an einigen in Rücksicht auf eine unnatürliche Ausdehnung ihrer Bevölkerung sich auszeichnenden Gegenden im allgemeinen durchaus nicht imstande ist, den elterlichen Erziehungspflichten, die sie sowohl um ihrer Kinder als um des Vaterlands willen auf sich haben, ein Genüge zu leisten; und die gefährlichen Folgen sind ebenso auffallend, die dieser Umstand unter leicht möglichen Ereignissen auf die wesentlichen Fundamente des allgemeinen Wohlstands und der allgemeinen Sicherheit des Vaterlands haben könnte. Ein Aufwachs zahlloser allen Versuchungen der Verwilderung und Entnervung vielseitig preisgegebener, eigentumsloser und für ihre Bedürfnisse auf keine Weise mit Sicherheit

und auf die Dauer, unter wechselnden Umständen und Zeiten sich auch nur vor der äußersten Not und dem äußersten Elend

zu schützen fähiger Menschen ist ein Zustand, dessen Bedenklichkeit in einem jeden und besonders in einem kleinen, in seinen Ressourcen beschränkten und hierfür hinlänglich begründeter Anstalten mangelnden Staat kaum genug zu Herzen genommen werden kann. Ich darf noch beifügen, es ist wahrlich ein Zustand, dessen Dasein unser Vaterland in seinen früheren Tagen gar nicht kannte und dessen Möglichkeit es nicht einmal zu ahnen vermochte. Indes ist diese immer größer werdende Zahl der eigentumslosen Menschen in unserer Mitte ein wesentlicher Bestandteil unseres Schweizervolkes selber, und das Vaterland ist wahrlich schuldig, den wahren Ursachen, die den gegenwärtigen Zustand, in dem sich diese große Anzahl unserer Mitbürger befindet, herbeigeführt, ernste Rechnung zu tragen, und zu bedenken, daß die Väter von tausend und tausend jetzt ganz eigentumslosen Menschen zu ihrer Zeit auch das waren, was unsere jetzigen Begüterten und unser noch übriggebliebener, ehrenfester, selbständiger Mittelstand gegenwärtig in unseren Städten und Dörfern noch ist.

 

 

Ich darf es bestimmt aussprechen, sehr viele unserer gegenwärtigen reichen und begüterten Mitbürger, besonders auf

den Punkten des Vaterlands, die durch den unnatürlichen Geldzufluß des Fabrikverdiensts im letzten Jahrhundert sehr blühend geworden, dürfen sich nicht verhehlen, daß viele ihrer Vorfahren in eben dem Zustand der Erniedrigung gegen die damaligen Begüterten und Geehrten standen, in welchem die große Anzahl der gegenwärtigen eigentumslosen Einwohner des Landes jetzo gegen sie steht. Noch viel mehr hätte das Vaterland unrecht, wenn es keine ernste Aufmerksamkeit darauf werfen würde, daß eine große Anzahl der jetzt ganz eigentumslosen Menschen an diesen Orten beinahe ein Jahrhundert lang im Dienst von Fabrikhäusern arbeitete, die sich zum Teil zu einem hohen Wohlstand erhoben, zum Teil die Umstände dieses vorübergehenden Reichtums leichtsinnig im Zeitspiel der Welt verloren und schnell wieder in den Zustand der Erniedrigung versanken, aus dem sie sich plötzlich für einen Augenblick erhoben, dabei aber durch ihre vorübergehende Lufterscheinung vielseitig dahin gewirkt, bei ihren Arbeitern den guten, sparsamen und eingeschränkten, häuslichen Geist, den diese von ihren Vätern

geerbt haben, in ihnen auszulöschen und sie zum Teil in den wesentlichen, mit dem Eigentümlichen ihres kleinen Besitzstandes übereinstimmenden Erb- und Berufskräften sittlich, geistig und physisch in einem hohen Grad abzuschätzen, und in einen Zustand zu versetzen, in dem eine große Anzahl von ihnen äußerst unbeholfen, unberaten, und dabei noch den vielseitigsten Versuchungen des Luxus, der Verschwendung und der Eitelkeit unseres Zeitgeistes immer mehr preisgegeben und zum Opfer des Blendwerks unseres Scheinwohlstands dargeworfen dasteht.

 

Wahrlich, wahrlich, das Vaterland ist verpflichtet, die Mittel ernsthaft in Überlegung zu nehmen, durch welche es möglich gemacht werden kann, den Bedürfnissen der öffentlichen Vorsorge, die diese Umstände erfordern, auf eine genugtuende Weise Vorsehung zu tun, und wohl zu bedenken, daß die bestehenden Hilfsmittel für die Landesarmut in Zeiten gegründet worden, wo die Bedürfnisse, die die Armensorge der Gegenwart dringend fordert, gänzlich nicht da waren und keine Beweggründe obwalteten, den Gebrauch ihrer Fonds Gegenständen zu widmen, die an sich selbst von einem weit bedeutenderen Belang sind als diejenigen, die in der Natur des gegenwärtigen Zustands der immer wachsenden Menge unserer eigentumslosen Einwohner liegen. Es läßt sich nicht einmal gedenken, daß diese Fonds auch beim treuesten, weisesten und selbstsuchtlosesten Gebrauche für die Bedürfnisse unserer gegenwärtigen Lage hinreichen könnten. Diese Bedürfnisse sind so groß, daß das Vaterland diese Mittel durchaus nicht in den Stiftungen der Vorwelt finden kann; es muß sie notwendig von sich selbst und von der Weisheit, dem Edelmut, der Vaterlandsliebe und dem Bürgergeist seines jetzt lebenden Geschlechts erwarten und bei denselben suchen. Es kann dieses auch mit gegründeter Hoffnung eines gesegneten Erfolgs tun, wenn es in sich selbst Kräfte und Mut fühlt, dieses Ziel sich durch eine allgemeine, auf die Menschennatur tief eingreifende und solide einwirkende Erziehung für alle seine Stände anzubahnen und vorzubereiten. Vor allem aus aber müssen wir tief fühlen, daß die höhere wissenschaftliche und Kunstausbildung einzelner Stände und einzelner Menschen etwas ganz Verschiedenes von dem ist, was die gute Erziehung des Menschengeschlechts in allen Ständen allgemein anspricht und fordert, und daß sie, isoliert und einzeln dastehend, sehr leicht geeignet ist, neben der Vernachlässigung einzelner Stände in der Erziehung nur zerstörend und zwar gegenseitig durch den Einfluß der gebildeten auf die Verwahrlosten und hinwieder durch die Rückwirkung der Verwahrlosten auf die Gebildeten zu wirken.

Vaterland! Die Nationalbildung, deren du bedarfst, muß mit der Kraft ihrer tieferen Einwirkung auf die Menschennatur alle Stände des Volkes in einer Art von Ebenmaß ergreifen und in dieser Rücksicht gegenwärtig in der Bildung eines jeden Standes höher streben, weil ohne dieses das allgemeine Höherstreben, dessen wir bedürfen, durch das Zurückstehen jedes einzelnen in seinem Wesen gehemmt und die Erzielung des Ebenmaßes in demselben unerreichbar gemacht wird. Unsere Städte können sich durchaus nicht mehr durch die Beschränkungen unserer alten Handwerks- und Zunfteinrichtungen dem Wohlstande der Vorzeit auch nur von ferne nähern. Diese Formen stehen jetzt so tief unter alle dem, was unsere Städte in Rücksicht auf die Erneuerung des soliden, häuslichen Wohlstands und der realen, bürgerlichen Ehrenfestigkeit, sowie zur Wiederherstellung des zahlreichen, selbständigen Mittelstands, der innerhalb ihren Mauern wohnte, gegenwärtig dringend bedürfen, als die Routinemittel, die das Landvolk im allgemeinen zur Begründung seiner häuslichen und öffentlichen Selbständigkeit durch den Routinegang der für seinen Dienst bestehenden Bildungsmittel wirklich genießt, zur gesicherten, segensvollen Betreibung seines ländlichen Berufs notwendig hat, bei den Zeitbedürfnissen und Schuldigkeiten des Landmannes als genugtuend angesehen werden dürfen. Diese Mittel sind, wie sie im allgemeinen vor unseren Augen dastehen, durchaus nicht mehr fähig und geeignet, die ernste, mit den Fundamenten der Sittlichkeit innig zusammenhängende, geistige und physische Erwerbsbildung des Landvolks auf den Grad zu erheben, der erforderlich ist, die Fundamente des häuslichen Wohlstands und einer solide begründeten Ehrenfestigkeit in unserer Mitte in diesem Stand genugtuend wieder herzustellen, durch welche ehemals ein zahlreicher, gesegneter Mittelstand auch in den kleineren schweizerischen Dörfern so vielseitig blühte. Am allerwenigsten sind die bestehenden Routinemittel der Bildung zur Industrie, die die meist eigentumslosen Fabrikarbeiter, welche in so vielen unserer Gegenden so zahlreich sind, wirklich genießen, geeignet, den diesfälligen Bedürfnissen dieser wahrlich bedenklich großen Volksklasse und mit ihnen denjenigen des Vaterlands ein Genüge zu leisten. Sie wirken im Gegenteil vielseitig auffallend dahin, die Übel, die wir gegenwärtig diesfalls schon leiden, von Tag zu Tag zu vermehren, und die Gefahren, denen wir ihrethalben entgegengehen, uns immer näher zu bringen. Auch greift der Einfluß dieses Umstands in seinen Folgen wahrlich nicht bloß nur in die niederste Stufe, oder nach einem Ausdrucke, den ich sehr ungern höre, nur in die Hefe des Volkes. Es ist dem nicht so. Er wirkt im Gegenteil sehr vielseitig auf die bedeutenden, aber freilich immer schwächer werdenden Überreste unseres alten Mittelstands.

 

Und er muß es; denn es ist tatsächlich heiter, daß es hier

und da zu Stadt und Land, ohne beträchtlich geerbtes Vermögen, auch mit bedeutenden Talenten und mit großem Fleiß, in den meisten unserer Berufsarten, sehr schwer ist, ein so geheißener Ehrenmann, so wie man das Wort jetzt braucht, zu werden; und doch bedarf das Land, wenn sein Wohlstand in allen Ständen als wohlgegründet angesehen werden soll, in allen, auch in den niederen Ständen allgemein einer bedeutenden Anzahl Ehrenleute. Desnahen ist offenbar eine sehr große Erhöhung der Kunstkräfte

und Kunstfertigkeiten für eine sehr große Anzahl der Individuen unseres ehemals so gesegneten und blühenden Mittelstands wahrlich ebenso dringend notwendig, als es dieses für die niedersten Fabrikarbeiter unseres Vaterlands auffallend ist. Freunde und Brüder! Unsere Väter waren erhaben groß in der Not. Möge das Vaterland heute in dieser Angelegenheit groß sein, ehe die Not da ist. Das Sprichwort: "Der Mensch kann, was er will" - ist freilich in einem dummen Sinne nicht wahr, aber es hat für den weisen, fromm und kraftvoll höher strebenden Mann große Wahrheit in sich selbst. Wenn unser Schweizerland in vielen äußeren Kräften denjenigen der großen

Reiche unseres Weltteiles äußerst nachsteht, so steht es keinem derselben in den inneren Kräften, seiner Nachwelt durch die Erziehung in ihren wesentlichen und ersten Bedürfnissen ein Genüge zu leisten, nach; und es ist ein wesentliches Bedürfnis der Zeit, daß sich das Vaterland der Kräfte halber, die zur Wiederherstellung seiner selbst in allem, worin es schwach sein mag, notwendig sind, sich selbst nicht weniger zutraue, als es wirklich leisten kann. Das Unglück wäre unaussprechlich, wenn es sich gegenwärtig der Täuschung überlassen würde, als ob es bei

dem großen, ausgezeichneten Kunsttalent so vieler unserer Gegenden und bei den in unserer Hand sich befindenden und seit Jahrhunderten von den Vätern vorbereitet in unsere Hand gelegten Mitteln einer wahren, tiefer greifenden, allgemeinen Volkskultur uns dennoch ganz und gar unmöglich wäre, durch öffentliche, aber tief im Privatleben eingreifende und für unsere Gegenwartsbedürfnisse wohl berechnete Bildungs- und Erziehungseinrichtungen hierin dem Vaterland solide Vorsehung zu tun, oder wenigstens demselben die hierfür notwendigen Mittel mit Solidität anzubahnen und vorzubereiten. Indes können wir uns nicht verhehlen, daß die Benutzung dieser wesentlichen Grundlagen eines beträchtlichen Vorschrittes der Nationalkultur, die in unserer Hand liegen, unstreitig eine ernste und vielseitige Belebung von vielem, sehr vielem, das in unserer Mitte noch nichts weniger als ernsthaft, warm und allgemein dasteht, voraussetzt und fordert.

 

Das Vaterland muß lernen, seine Armen als Arme [zu] erziehen. Unsere Armen sind in dieser Beziehung eigentlich an sich nichts weniger als arm, sie sind im Gegenteil in vielen unserer Gegenden diesfalls vorzüglich reich. Ihr Reichtum liegt in ihnen selbst; er liegt in ihren geistigen und physischen, einer hohen Bildung fähigen und würdigen Kräften. Die Erziehung des Armen ist desnahen dem Vaterland nicht darum schwer, weil er arm ist, sondern weil wir allgemein keine genugsame Mittel in unserer Mitte organisiert haben, die geeignet sind, ihn zur segensvollen Benutzung der Kräfte und Fertigkeiten, deren er in seiner Lage und in seinen Umständen dringend bedarf, zu bilden und zu erziehen. Vaterland! Was die Armen für ihre Bildung von dir fordern, ist wenig gegen das, was sie dafür in sich selber besitzen; und sie werden es dir hundertfach wieder vergelten, wenn du es ihnen gibst, wie sie es, und zwar nicht bloß für sich, sondern wahrlich auch für dich, wirklich bedürfen. Vaterland! Gib es ihnen im altschweizerischen Geist, mit Weisheit, Liebe und Selbstsuchtlosigkeit! Wahrlich, wahrlich, sie können es dir hundertfach wieder vergelten; und so leicht, als sie es dir wieder vergelten können, Vaterland! so leicht kannst du es ihnen geben.

 

Das Geschenk, das sie von dir fordern, ist im Wesen und im Verhältnis gegen andere, unbedeutendere Dinge, die du tust und wohl zu vermögen glaubst, gar nicht groß. Die Bildungsmittel, deren die Armen bedürfen, kosten uns in dem Grad viel,

als sie ihnen auf eine Weise gegeben werden, wie sie sie nicht nötig haben und wie sie ihnen nicht dienen. Wie sie ihrer bedürfen, dürfen sie ganz gewiß nicht viel kosten; aber sie müssen hingegen vollkommen geeignet sein, ihnen in dem zu dienen, was sie vorzüglich bedürfen, und das ist auffallend, sie von der Wiege auf zum ununterbrochenen Gebrauch ihrer Kräfte und Anlagen zu bilden, ihre überlegte und erfinderische Tätigkeit zu beleben und ihnen besonders eine anhaltende Ausharrung, Anstrengung und Gewandtheit in den täglichen Erfordernissen ihres Berufslebens gleichsam zur anderen Natur zu machen. Sie müssen fähig sein, den Armen in dem Sinn reich zu machen, in welchem er allein wahrhaft reich werden kann und wahrhaft reich werden soll.

 

Vaterland! Hierfür habe ich dir ein großes und gewiß wahres und gegründetes Trostwort zu sagen. Die Verminderung der Ressourcen des Zeitpunkts, in welchem der Geldzufluß in unserer Mitte so groß war, hat in verschiedenen unserer Fabrikgegenden durch ihre Folgen auf eine auffallende Art bewiesen, in welchem Grad selber unser armes, eigentumsloses Volk fähig ist, von eingerissener Not und Entbehrung Vorteile zur Stärkung seiner selbst und zur Wiederherstellung verlorener guter Kräfte zu ziehen. In mehreren Gegenden haben die im Leichtsinn der Taumeltage verwöhnten Fabrikarbeiter sich mit sehr großer Tätigkeit von neuem auf den Feldbau gelegt und jeden verworfenen Winkel mit vieler Anstrengung urbar zu machen gesucht. Ich habe bestimmte Zeugnisse von Männern, die beträchtliche Fabrikgegenden genau kennen, daß unsere eigentumslosen Armen in den neueren Zeiten eine Kraft zur Selbsthilfe gezeigt haben, die in ihren Taumeltagen niemand von ihnen hätte erwarten dürfen. In anderen bedeutenden Distrikten hat die ganze Masse der Fabrikarbeiter beim vollkommenen Stillstand seiner üblichen Artikel ebenfalls eine Kraft bewiesen, sich neue Fabrikzweige zuzueignen, die nur durch eine sehr erhöhte und tief in alles Volk eingewurzelte Gewandtheit in der Erwerbskraft möglich gemacht werden kann und denkbar ist.

 

Vaterland! In diesem Grad ist deine Lage für die Einführung tiefer greifender Bildungsmittel der Erwerbskraft bei deinem Volke selbst auf seinen untersten Punkten vorzüglich gut begründet, und in Rücksicht auf seine Kostspieligkeit durch die Kraft, die im Volke selbst liegt, zum Voraus als leichter anzusehen als vielleicht in keinem anderen Lande. Wenn aber die Mittel, zu diesem Ziel zu gelangen, äußerlich schon nicht kostbar sind, so fordern sie hingegen die reinste und zarteste Belebung des Höchsten und Edelsten, das das Vaterland in sich selber für sie besitzt. Sie fordern die tätige Mitwirkung der edelsten, weisesten, einflußreichsten und kraftvollsten Männer des Vaterlands. Es ist uns dadurch, daß Männer von solchem Einfluß, solcher Würde

und solcher Kraft tätigen Anteil an diesem Gegenstande nehmen, möglich, das Nationalinteresse der Bürger aller Stände, bis auf die niedersten Hütten hinab, dafür anzuregen, zu beleben und zu unterhalten, und so die Detailmittel, die zu diesem Ziele führen, allmählich allgemein in alle braven Wohnstuben des Vaterlands hineinzubringen und ihre diesfälligen Resultate gleichsam von selbst allgemein aus ihnen hervorgehen zu machen. Von dieser Seite ist denn freilich das, was es erfordert, den Bedürfnissen unserer Lage in dieser Vaterlandsangelegenheit ein Genüge zu leisten, im Inneren ihres Wesens sehr ausgedehnt, allgemein das Höchste ansprechend und in das Niederste eingreifend, indem es nur dadurch möglich ist, ihre Mittel auf die mannigfaltigste Weise, wie es notwendig ist, anzubahnen, vorzubereiten, einzulenken und durchzusetzen. Sie fordern weniger nichts als eine vielseitige und hier und da große, Überwindung ansprechende Abänderung und sogar Umkehrung unseres gewohnten Routinedenkens über die wahren Bedürfnisse der großen Anzahl

unserer eigentumslosen Individuen, und selber eine vielseitige Abänderung unserer Routineeinrichtungen der bestehenden Bildungs- und Versorgungsanstalten derselben. Ich darf wohl sagen, wir bedürfen diesfalls in uns selbst eines erneuerten Geistes, eines erneuerten Herzens und sehr veränderter Maßregeln. Wir sind indes nichts weniger als allein in der Lage, in Rücksicht auf unsere eigentumslose Volksmenge Maßregeln ergreifen zu müssen, die wesentlich tief in die Menschennatur eingreifen und darum in ihrer Ausführung mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden sind. Alle Staaten Europas und selber einzelne Städte, Orte und Gegenden, die durch außerordentliche und schnelle Resultate ihrer Industrie plötzlich zu mit ihren vorigen Verhältnissen unverhältnismäßigen und besonders der Naturanlage

ihrer Lokalität nicht angepaßten Geldzuflüssen gekommen, sind im nämlichen Fall.

 

 

Selber England, das durch seine Industrie die wesentlichsten Geldressourcen aller Weltteile auf seine Insel zu leiten im Stande ist, steht mitten in den unermeßlichen Geldresultaten seiner Kunst, seiner Politik und seiner Isolierung durch die ins Unermeßliche steigende Vermehrung seiner eigentumslosen Menschen an einem Vorabend von öffentlichen Landesgefahren, die den unsrigen ganz ähnlich sind, und die Natur des Bedürfnisses, ihnen mit Solidität entgegenzuwirken, wird seine Regierung ganz gewiß dahin führen, Maßregeln für die individuelle Kunstbildung seines Volkes durch die Erziehung zu ergreifen, die denjenigen, deren wir in unseren kleinen Lagen und Verhältnissen ebenfalls bedürfen, im Wesen nicht unähnlich sein können. Das beinahe allgemeine Nationalinteresse, das dieses Land seit kurzem auf die Erziehung und den Unterricht der Kinder seiner eigentumslosen Volksmasse zeigt, beweist offenbar, daß seine Einwohner beides, die Gefahren ihrer diesfälligen Lage und die Pflichten, die daraus notwendig erfolgen, tief fühlen und in der Erhöhung der intellektuellen und Kunstkräfte dieser Volksmenge Mittel zur Sicherheit ihres Staates suchen, zu denen sie auch durch das höchste Raffinement des Mechanismus ihrer Maschinen durchaus nicht zu gelangen vermögen. Das Höchste, das ihre Maschinenkraft, wenn das Volk in ihrem Mechanismus ohne die Erhöhung der intellektuellen und Kunstkräfte seiner Individuen gelassen würde, hervorbringen könnte, müßte notwendigerweise alle ihre Resultate in Rücksicht auf den öffentlichen Volks- und Landessegen zu Scheinresultaten machen und ihre Segenskräfte in allen Ständen in sich selbst auflösen. Ich wiederhole, alle Staaten unseres Weltteils leiden in den einzelnen Lokalitäten, in welchen die Fehler dieser Unpassendheit ihrer Industrie mit den Fundamenten des Gleichgewichts der Quellen des positiven Wohlstandes aller Stände in Disharmonie stehen, und sind gezwungen, für und in diesen Lokalitäten mit uns die nämlichen Maßregeln zu ergreifen, wenn sie nicht den Großreichtum einzelner Individuen mit Gefährdung des positiven Wohlstands einer ohne alles Verhältnis größeren Anzahl

ihrer Mitbürger sorglos und gedankenlos begünstigt sehen wollen; und dieser Gesichtspunkt ist denn wirklich nicht bloß in Beziehung des Fabrikreichtums, er ist auch in Beziehung auf alle Arten von Großreichtum, die aus der Begünstigung einzelner Personen und einzelner Stände zum Nachteile der rechtlichen Genießungen ihrer Mitbürger stattfinden können, gleich wahr.

Die öffentliche Militär-, Polizei- und selber Justizverwaltung kann durch Mangel an weiser Aufmerksamkeit auf die wesentlichsten Notbedürfnisse der niederen Volksklassen den ersten Quellen des ökonomischen und bürgerlichen Wohlstands des gemeinen Mannes,

 

 

d.i. dem Individualwohlstand der großen Mehrheit der Landeseinwohner eines jeden Staates in den verschiedenartigsten Richtungen, aber im Wesen auf eine ganz gleiche Art nachteilig entgegenwirken. Indes ist der vorzüglich vom Handels- und Fabrikstand ausgehende Hochflug des spielenden Haschens nach Großreichtum durch die öffentliche und Privatgefährdung des beruhigt mäßigen Wohlstandes seiner Mitmenschen, der gegenwärtig in unserem Weltteil allgemein so große Unglücke veranlaßt, doch auf dem Punkt, im ganzen Umfang seiner Quellen und Wirkungen erkannt zu werden. Und wenn es je von einem Volke zu hoffen ist, daß es sich bestreben werde, diesem bösen Zeitgeist in seinen Ursachen und Folgen mit Weisheit und Kraft Einhalt zu tun, so sollen wir es billig von den Nachkommen der Männer erwarten, die den großen und allgemeinen Volkswohlstand unseres lieben Vaterlands mit so großer Heldenkraft und mit Darsetzung ihres Leibes, Gutes und Blutes gegründet haben. Dabei aber dürfen wir durchaus nicht aus den Augen lassen, daß die diesfällige Weisheit und der Edelmut unseres Vaterlands mehr aus der Sorgfalt für die Erhöhung und Ausbildung der Erwerbsanlagen, Kräfte, Fertigkeiten und Gelegenheiten als aus der Erhöhung und Vergrößerung des Eigentums durch gesetzliche Begünstigungen in der Hand derer, die dasselbe jetzt wirklich besitzen, auf Jahrhunderte zu erhalten, hervorgehen muß. Wir bedürfen der freien und ungehemmten Zirkulation des Geldes, wo es sich noch immer befindet, mehr als je. Alle Gesetze, die den Kredit und mit ihm den freien Spielraum der Individuen des Handels- und Erwerbsstands schwächen und untergraben, sind den öffentlichen und allgemeinen Bedürfnissen des Vaterlands gegenwärtig mehr als je nachteilig. Es ist dringendes Bedürfnis, die größere Masse unserer Einwohner zu den Grundsätzen, Kräften

und Fertigkeiten zu bilden und zu erheben, durch welche es gegenwärtig allein möglich ist und möglich werden kann, mit gegründeter Hoffnung eines guten Erfolgs den Segensgenießungen einer solide begründeten häuslichen und bürgerlichen Selbständigkeit entgegen zu streben, und nicht in kunst- und tugendloser Ohnmacht, gleichsam außer den Kreis der diesfälligen Möglichkeit geworfen, zu leben und zu sterben.

 

Die große Masse unserer Armen aber wird und kann sich durchaus nicht von selbst zu diesem Segen erheben. Sie wird und kann durchaus nicht besser werden, als sie wirklich ist, und sich auch nicht höher heben, als sie wirklich steht, wenn nicht alle Stände unseres Landes sich gemeinsam bestreben, sich in Rücksicht auf die Fundamente des öffentlichen Wohlstandes auch zu höheren und edleren Grundsätzen zu erheben, als diejenigen sind, zu denen uns der Luxus und die Routinegrundsätze, Sitten, Lebensweisen, Ansprüche und Anmaßungen unserer Zeitgedankenlosigkeit und Zeitschwärmerei, mit einem Wort, unserer Zeitselbstsucht in großen Partien hingerissen, und jetzt, so wie wir sind, dastehen machen.

 

Edle, liebe Eidgenossen und Brüder! Ich bin in meinen Achtzigerjahren mit dem Gefühl in Eure Mitte getreten, es sei wahrscheinlich das letztemal, daß ich diese Versammlung besuche. Ich wollte desnahen von allem, was ich nach meinen Ansichten für das Vaterland zu wünschen notwendig und würdig fand, in dieser Stunde kein Wort verschweigen. Ich habe unbefangen meinem Herzen freien Spielraum und meiner Zunge freien Lauf gelassen. Ich weiß, es sind sehr viele Männer in unserem Vaterland und selber im Kreis unserer Versammlung, die in Rücksicht auf vieles, sehr vieles, wovon ich geredet, richtigere Einsichten und vielseitigere und bedeutendere Erfahrungen als ich haben. Das aber konnte mich nicht hindern, meine wenn auch einseitigen und beschränkten Ansichten mit der Lebhaftigkeit, Wärme und Zuversicht auszusprechen, die mir die Überzeugung eingeflößt, daß ich mit edlen, vaterländischen Männern

rede, die, wenn sie auch meine Ansichten nicht mit mir teilen, sondern entgegengesetzte als dem Vaterland für dienlicher achten, mir dennoch die Gerechtigkeit widerfahren lassen werden, daß meine Rede aus reinem, vaterländischem Herzen geflossen und mit den Lebensbestrebungen, die ich den Erforschungen der naturgemäßen Begründung des Erziehungs- und Unterrichtswesens

des Vaterlands gewidmet, in Übereinstimmung stehe.