Der Verleger Cotta wollte sich keine Scherereien einhandeln und lehnte jenen Teil von Pestalozzis Selbstbiographie ab, der sich mit dem Lehrerstreit in Yverdon befasst. Siehe dazu Anmerkung 2.

Die Französische Revolution

gemeint ist: des Gemüts, der Gemüthaftigkeit-

In der Kritischen Ausgabe steht widersinnigerweise „nicht“.

Hier knüpft Pestalozzi an sein philosophisches Hauptwerk „Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts“ (1797) an, wo er das sinnliche, tierische „Wohlwollen“ als Basis der sittlichen Liebe erklärt und diese positive, von Natur aus gegebene Haltung der sinnlichen, tierischen „Selbstsucht“ zur Seite stellt.

Widersinnigerweise hat hier die Kritische Ausgabe „Sinnlichkeit“.

Mit „einem meiner unvergesslichen Freunde“ ist Johann Kaspar Lavater gemeint. Es ist nicht auszumachen, welcher der vier Enkelinnen der besagte Denkspruch zugeeignet war.

Geschwätz

Obwohl es in diesen Erörterungen eigentlich um Zusammenhänge im Rahmen der intellektuellen Bildung geht, greift hier Pestalozzi auf einen Gedanken, der eigentlich im späteren Kapitel (In Hinsicht der Kunstkräfte) angezeigt wäre, voraus, da er hier eine Gemeinsamkeit zwischen der Entfaltung geistiger und handwerklicher Kräfte zum Ausdruck bringen will.

In Fleisch und Blut übergehen.

Hier dringt Pestalozzis pessimistische Beurteilung seines Institutes in Yverdon durch.

Es sei einmal gesagt: „Unnatur der Routineverkehrtheit ihres Verkünstelungsverderbens“ – so ungehemmt und phantasiereich kann eigentlich nur Pestalozzi polemisieren.

Wiederum eine Anspielung auf den Untergang seines Instituts in Yverdon.

In der Burgdorfer und frühen Yverdoner Zeit bezeichnet Pestalozzi das Insgesamt seiner Bildungs- und Erziehungsideen schlicht als „Methode“. Der Begriff „Idee der Elementarbildung“ erscheint erstmals 1803 und regelmässig ab 1806.

Pestalozzi hat von der Möglichkeit, ihm besonders wichtig erscheinende Begriffe oder Betonungen gesperrt setzen zu lassen, reichen Gebrauch gemacht. Ich übernehme hier seine Sperrungen, da in ihnen gewissermassen sein Nachdruck im Sprechen zum Ausdruck kommt, gestatte mir aber auch, einige wenige zur Wahrung der Analogie hinzuzufügen.

Pestalozzi verwendet den Begriff „Kunst“ in zwei unterschiedlichen Bedeutungen: einerseits als Gegenbegriff zu „Natur“ und zwar als Inbegriff all dessen, was Mitmensch und Gesellschaft im Sinne von Bildung und Erziehung leisten, und andererseits als Synonym für „Hand“ in seiner Trilogie „Kopf (Geist), Herz und Hand (Kunst)“. Siehe dazu meine Abhandlung: „Wenn Pestalozzi von ‚Kunst‘ und ‚Künsten‘ spricht“.

Anklang an Vers 1 des 1. Korintherbriefs.

Anklang an Matthäus 19/6.

Für „Kräfte der Hand“ verwendet Pestalozzi auch eine Anzahl anderer Begriffe, die ein Licht werfen auf das mit „Hand“ eigentlich Gemeinte: Kraft des Körpers, handwerkliche Kraft, Handkraft, physische Kraft, Leibeskraft, körperliche Kraft, Körperkraft, Kunstkraft, Erwerbskraft, Gewerbskraft, Berufskraft.

In diesem Begriff schwingt in abwertendem Sinne das Wort „weltlich“ mit, etwa als Gegensatz nicht nur zu „geistlich“, „fromm“, sondern auch zu „häuslich“. In der mit „Weltweib und Mutter“ betitelten Werk (1804, PSW 16, S. 347 – 364) spricht er abwertend vom Weltweib und Weltmann als von Eltern, die sich den Reizen der äusseren Welt hingeben und dabei ihre Pflichten den eigenen Kindern gegenüber vernachlässigen.

Pestalozzi hat verschiedentlich Aussagen, die er in „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt“ (1801) machte, wieder zurückgenommen oder doch relativiert. Was jedoch seine Aussagen über die Entfaltung der Herzenskräfte im Rahmen der Mutter-Kind-Beziehung betrifft, finden sie sich hier ebenso wie seinerseits in den Briefen 13 und 14 von „Wie Gertrud …“. Siehe dazu http://www.heinrich-pestalozzi.de/werke/pestalozzi-texte-auf-dieser-website/1801-wie-gertrud-ihre-kinder-lehrt/13-brief/ und http://www.heinrich-pestalozzi.de/werke/pestalozzi-texte-auf-dieser-website/1801-wie-gertrud-ihre-kinder-lehrt/14-brief/.

In „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt“ entwickelte Pestalozzi die Idee eines „ABC der Anschauung“ auf der Basis eines Gitternetzes in der Grundform des Quadrats. Daraus entstanden dürr wirkende Anschauungsübungen, deren mechanische Tendenz und Formalismus auf verbreitete Kritik stiessen. Zahlreiche Stellen in Pestalozzis Schrifttum zeigen, dass er seine Erfindung zunehmend als vorläufig und zu einseitig einschätzte, weshalb er sich hier für eine vereinfachte Bearbeitung seiner Zahl- und Formlehre ausspricht.

„Zahl- und Formlehre“ sind insofern im Zusammenhang mit „Sprachlehre“ zu verstehen, als im vierstufigen Gang der Anschauung – von der dunklen zur bestimmten, dann zur klaren und schliesslich zur deutlichen Anschauung bzw. zum deutlichen Begriff – der Schritt von der dunklen zur bestimmten Anschauung darin besteht, dass ein Anschauungsgegenstand bestimmt wird hinsichtlich Sprache (Name), Form und Zahl.

Die Kritische Ausgabe hat fälschlich „tödlich sterbenden“, aber richtig ist „tödlich serbenden“. Das Verb „serben“ entspricht dem schweizerdeutschen „serbeln“ und bedeutet „dahinsiechen“. In Pestalozzis Schriften erscheinen die Ausdrücke „serben“ und „serbend“ rund 80 mal.

Pestalozzi hat hier folgende Anmerkung gemacht: „Diese Stelle ist vor mehr als zwei Jahren geschrieben worden und als der Ausdruck meiner damals noch in mir belebten Hoffnung, meine Anstalt in Iferten, mitten durch alle Schwierigkeiten, durch die sie sich durchzukämpfen suchte, erhalten zu können, anzusehen. Ich will sie nicht durchstreichen; aber ich muß, um allen Mißverstand zu verhüten, ihr diese Anmerkung beifügen.“

Emanuel Dejung, Redaktor der meisten Bände der Kritischen Ausgabe von Pestalozzis Werken, schreibt in seinem Sachanhang zu dieser Stelle: „Diese Stelle beweist, dass Pestalozzi längere Zeit an seinem ‚Schwanengesang“ gearbeitet hat. Nach der Anmerkung käme nicht das Druckjahr 1826, sondern etwa 1823 in Frage. Durch die Wegweisung von J. Schmid aus dem Kanton Waadt im November 1824 war Pestalozzi seines Hauptlehrers beraubt und löste sein Institut im März 1825 auf.“ (PSW 28, S. 414)

Pestalozzi hat zeitlebens die „Wohnstube“, das durch Sittlichkeit geprägte Miteinander des „häuslichen Lebens“ als die eigentliche Brutstätte einer naturgemässen Bildung und Erziehung gesehen.

Dieser Abschnitt ist ein Beispiel für Pestalozzis Tendenz, sich von real erfahrbaren Vorstellungen zu entfernen und sich in einer formelhaften Sprache, geprägt durch eine private Begrifflichkeit, zu ergehen, die es ihm erlaubt, abstrakte Analogien mit irgendwelchen andern Gesetzmässigkeiten zu postulieren. Als Vorbereitung für die Übersetzung des „Schwanengesangs“ ins Chinesische, sah ich mich bei der Herausgabe Pestalozzischer Schriften für die Volksrepublik China veranlasst, Pestalozzis Text zuerst in eine verständlichere Sprache umzuformulieren, damit dieser für einen chinesischen Übersetzer überhaupt zu bewältigen war. Hier meine Fassung, die Pestalozzis Gedankengang wohl annähernd wiedergibt: „Die Entfaltung der Kunst-Kräfte gehorcht einem vierstufigen Gang: Er beginnt damit, daß das Kind aufmerksam wird oder aufmerksam gemacht wird auf die richtige Ausfüh­rung der zu erlernenden Fertigkeit; als zweites übt sich das Kind in der Kraft, die ver­langte Fertigkeit richtig auszuführen; als drittes folgt das Bestreben, jede im Hinblick auf Richtigkeit und Kraft gut eingeübte Fertigkeit leicht, gewandt und verfeinert ausführen zu können; und schließlich geht die Bildung der Kunst-Kräfte von der eingeübten Rich­tigkeit, Kraft und Gewandtheit hinüber zur Freiheit und Selbständigkeit des Kindes bei der Ausübung der gelernten Fertigkeit. Das ist der Weg, den die Natur bei der Ausbil­dung des Menschen zur Kunst ganz allgemein beschreitet und beschreiten Muß. Indem die Erziehung diese Stufenfolge beachtet und dem Kinde die erforderte Fertigkeit im Hinblick auf deren Richtigkeit, Kraft und Gewandtheit bis zu einer gewissen Vollkom­menheit einzeln einübt, wird auch erreicht, daß die Resultate dieser einzelnen Übungen unter sich in Übereinstimmung gelangen und sich dadurch eine allgemeine Kunstfertig­keit ausbildet. Diese ist aber nötig, damit sich der Mensch durch seine körperliche Tätig­keit veredelt und in ihm ein entschlossenes Streben nach Vollkommenheit in all seinem Können gedeiht.

Dieser naturgemäße Gang der Entfaltung der äußeren, körperlichen Fundamente der Kunstkraft stimmt vollkommen mit dem Gang der Natur in der Entfaltung der inneren, geistigen Fundamente der Kunstkraft überein, womit gewährleistet ist, daß die physische Bildung mit der Herzens- und Geistesbildung in Harmonie gelangt und sich so die naturgemäßen Bildungsmittel der Liebe und des Glaubens – aber auch diejenigen der Denk­kraft – mit den naturgemäßen Bildungsmitteln der Kunstkraft vereinigen. Dies bewirkt dann das Gleichgewicht unserer Kräfte als ein Zeugnis der lebendigen Verbindungs-Kraft, welche aus der Einheit unseres Wesens hervorgeht.“

Brief an die Philipper 3, 12.

Bekanntlich unterscheidet Pestalozzi zwischen der „inneren“ (höheren, heiligen, göttlichen) und der „tierischen“ (sinnlichen) Natur des Menschen. Demnach gehen alle Abirrungen des Menschen, so auch die „Verkünstelung“, auf Rechnung der „Tiernatur“.

Über den Wesensunterschied zwischen kollektiver und individueller Existenz (Kollektiv- und Individualexistenz) des Menschen äussert sich Pestalozzi sehr ausführlich in seinem Werk „An die Unschuld, den Ernst und den Edelmut meines Zeitalters und meines Vaterlandes“ (1815). Siehe http://www.heinrich-pestalozzi.de/werke/pestalozzi-volltexte-auf-dieser-website/1815-an-die-unschuld/an-die-unschuld-15/ .

Glauben und Liebe sind nach Pestalozzi die zentralen Konkretisierungen der Sittlichkeit.

Pestalozzis Begriff der „inneren Anschauung“ wird gelegentlich falsch als „Vorstellung“ interpretiert. Hier wird deutlich, dass es sich um die Grundlage der sittlichen Bildung, nämlich um „Eindrücke, die unsere innere Natur belebend ansprechen“ handelt. Dies erhält das Kind durch das sittliche Leben der Menschen seiner Umgebung, welches Resonanz erzeugt mit den Anlagen seines Herzens.

„Wohnstube“ ist bei Pestalozzi eine Chiffer, mit welcher er das „intakte“, d.h. von Sittlichkeit geprägte Familienleben bezeichnet.

Hier klingt noch nach, wie er in „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt“ den vierstufigen Gang der Anschauung beschrieb: Ausgehend von der dunklen (tierischen, verwirrten) Anschauung, also dem „blossen Vor-den-Sinnen-Stehen eines Gegenstandes“, führt die Anschauungsentwicklung über die bestimmte Anschauung, charakterisiert durch die Bestimmung des Gegenstandes hinsichtlich Sprache, Form und Zahl, und über die klare Anschauung – geklärt durch alle weiteren Eigenschaften – hin zum endlichen Resultat: zur deutlichen Anschauung beziehungsweise zum deutlichen Begriff, der sich erst allmählich dadurch einstellt, dass der Anschauungsgegenstand in übergreifende Beziehungen gestellt wird, die ihm nicht durch blosse Sinnenerfahrung direkt abgelesen werden können, sondern nur durch „Kunstmittel“ der Bildung zu vermitteln sind.

unseres derzeitigen Unterrichts

Er hat dies in Yverdon gänzlich seinem Mitarbeiter Joseph Schmid überlassen.

Pestalozzis Forderung, dass jeder Mensch seine konkrete Lebenslage bejahen und sich in ihr entwickeln soll, führte bei ihm zu einer Bejahung und – wie der Schwanengesang auch zeigt – zu einem Festhalten am Ideal einer ständisch gestuften Gesellschaft. Erfüllung und – wenn auch bescheidener – Wohlstand waren seiner Ansicht nach in jedem Stand zu erreichen. Aus diesem Grunde sollte die Bildung zwar nicht was die Entfaltung der Grundkräfte, aber doch was deren Anwendung betrifft, den ständisch bedingten Unterschieden Rechnung tragen.

In früheren Schriften fasst er dies verschiedene Male zusammen im Begriff „Individuallage“.

Pestalozzi hat hier den damals üblichen Religionsunterricht im Auge, der dem Volk alle theologischen Finessen über den Katechismus – im protestantischen Bereich den „Heidelberger“, im katholischen den „Canisius“ – beizubringen versuchte, woraus seiner Ansicht nach das blosse Schwatzen und leider auch Streiten über das eigentlich Unaussprechbare resultierten.

In solchen und ähnlichen Ausfällen entpuppt sich Pestalozzi immer wieder als grosser Moralist, der kaum Sinn hatte für die Leichtigkeit des Daseins, für das Ästhetische oder auch für anspruchslose Unterhaltung. So fehlen hier nicht zufällig in seiner Sicht der drei Stände die Künstler und – wie man heute sagt – Kulturschaffenden.

Die Polarität „Können-Wissen“ durchzieht Pestalozzis gesamtes Lebenswerk, ebenso wie die klare Höherbewertung des Könnens gegenüber dem Wissen. Reden über Unverstandenes – „Maulbrauchen“ – und Wissen ohne dessen Begründung in Anschauung und Erfahrung verabscheute er. Wissen an sich hielt er für mehr oder weniger wertlos. Seinen Wert bekommt es nur durch seine Funktion bei der Bewältigung der konkreten Lebensaufgaben. Seine Abneigung gegen das „Vielwissen“ – Wissen um seiner selbst willen oder aus Renommiersucht – erscheint wie eine Gegenwehr gegen den aufklärerischen Optimismus der Enzyklopädisten, die sich von der Wissensmehrung so etwas wie gesellschaftlichen Fortschritt versprachen. Man mag Pestalozzi vorwerfen, dass er mit seinem hier aufscheinenden Postulat, den Erwerb vielen Wissens bei der Bildung der „niederen Stände“ – Bauern und Handwerker – zu beschränken, die ständische Gliederung der Gesellschaft zementieren wollte. Aber eigentlich glaubte er mit seiner Ansicht, dem einfachen Volk einen Dienst zu erweisen, indem er es vor „schädlichem Vielwissen und Vielreden“ bewahren wollte.

Der Satz ist missglückt. Sein Sinn ist: „Wie schreitet die Natur voran bei der Entfaltung des Inneren, geistig Bildenden der Sprachkraft?“

Nicht verstanden als „Grammatik“, sondern als „Didaktik“.

Hier schwingt noch die alte Rousseau’sche Gesellschaftskritik mit.

Substantive

Adjektive

Verben

Heute „Partikeln“ geheissen.

In „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt“ (1801) hat Pestalozzi seine Anschauungslehre – den vierstufigen Gang von der dunklen, verwirrten Anschauung zum deutlichen Begriff – ausführlich dargelegt. Hier lesen wir (PSW 13, S. 104): „Die Anschauung der Natur selber ist das eigentliche wahre

 Fundament des menschlichen Unterrichts, weil sie das einzige Fundament der menschlichen Erkenntnis ist.“

Diese Stelle zeigt, dass sich Pestalozzi hinsichtlich seiner Unterrichtsmethoden stets als suchender Experimentator verstand.

In der Vorrede des ersten Hefts (von dreien) zur „Anschauungslehre der Zahlenverhältnisse“ (Zürich und Bern in Commission bey Heinrich Gessner Buchhändler, und in Tübingen in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung. 1803. PSW 16, S. 96) schreibt Pestalozzi hierzu: „Die Anschauungslehre der Zahlenverhältnisse ist nichts als ein Versuch diese Mittel ausfindig zu machen und sie in ihrer ganzen Einfachheit zu benutzen. Sie bestehen in drei Anschauungstabellen der Zahlenverhältnisse. Die erste enthält eine zehnfache Nebeneinanderstellung der zehnfachen Abteilungen der Zahl Zehn, in Strichen, von denen jeder als eine Einheit angesehen und benutzt wird. Die zweite Anschauungstabelle enthält, in gleicher Ordnung unter- und nebeneinander stehende Quadrate, deren Flächeninhalt zehnfach ungleich so abgeteilt ist, daß die Brechung der Einheiten in allen Abteilungen der Zahl zehn, als bestimmte Flächenteile des Quadrates, als Hälften, Drittel, Viertel usw. desselben dem Kinde anschaulich wird. In der dritten Tabelle wird jede von den zehnfachen Abteilungen des Quadrates, das heißt, jedes Halbe, jedes Drittel usw. wieder zehnfach abgeteilt.“ Ein Bild der dritten Tabelle findet sich hier (bitte Bild „Anschauungstabelle 3 hier verlinken).

Im selben Jahr hat er sein „ABC der Anschauung oder Anschauungslehre der Maßverhältnisse“ (Zürich und Bern in Commission bey Heinrich Gessner, Buchhändler, und in Tübingen in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung. 1803. PSW 15, S. 175 – 340) veröffentlicht, eine Sammlung systematischer Übungen, die von der Anschauung der Anschauungstabellen ausgehen und sämtliche Möglichkeiten, daraus logische Schlüsse zu ziehen, ausschöpfen.

Pestalozzi selbst soll nie von einem Spaziergang zurückgekehrt sein, ohne seine Taschen mit auffallenden Steinen gefüllt zu haben. Offensichtlich war allen Institutsangehörigen seine „Liebhaberei für Mineralogie“ (PSW 25, S. 62) bekannt.

Dies trug dem Institut in Yverdon den Ruf ein, man bilde hier Mathematiker aus.

Es geht hier um mathematisierbare Formen.

Hier zeigt sich, dass das Studium von „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt“ – ein Werk, das Pestalozzi zu Beginn seiner eigentlichen pädagogischen Laufbahn schrieb – keinesfalls ein abschliessendes Urteil über Pestalozzis „Methode“ erlaubt oder ermöglicht. Er hat sich hier klar vom Formalismus distanziert, den man seiner „Anschauungskunst“ wohl zu Recht vorwarf.

Man darf die zur Formel abgegriffene Trinität „Herz, Geist und Kunst“ bzw. „Kopf, Herz und Hand“ nicht als simple Addition verstehen. Wie Pestalozzis Ausführungen deutlich zeigen, ist in den Begriffen „Hand“ bzw. „Kunst“ der Begriff „Geist“ immer auch mitenthalten. Vergegenwärtigt man sich die vier Stufen der Entwicklung der handwerklichen bzw. Kunstkräfte, so erweist sich ja die erste Stufe – Aufmerksamkeit auf Richtigkeit – bereits als ein intellektueller Prozess.

Im Rahmen dieses Kapitels, wo es um die Entfaltungsgesetze der handwerklichen Kräfte – somit der „Kunst“ bzw. „Kunstkräfte“ – geht, kommen die beiden unterschiedlichen Bedeutungen von „Kunst“ bei Pestalozzi einander immer wieder in die Quere. Einerseits meint er mit „Kunst“ die zu entwickelnden handwerklichen Kräfte, andererseits die auf die Natur des Kindes einwirkenden Erziehungskräfte. An der vorliegenden Stelle ist mit „Kunst“ die „Erziehungskunst“ gemeint, ebenso im vorherigen Abschnitt der Begriff „Kunstgrundsätze“ und im übernächsten die Wendung „nachhelfende Kunst“.

in rein menschlicher als bürgerlicher Hinsicht = sowohl hinsichtlich des einzelnen Menschen als auch der Gesellschaft

„Verdienst“ nicht verstanden als „Lohn“, sondern als durch sozialen Einsatz erworbene Anerkennung.

„Kunst“ nicht als Synonym für „Hand“ verstanden, sondern als Gegensatz zur Basis der „Natur“, als das Insgesamt individueller und gesellschaftlicher Einwirkungen auf den Gang der Natur, mithin als „Erziehungskunst“ (diesen Begriff verwendet er im dritten Absatz dieses Kapitels). Pestalozzi stellt der wirklichen, d.h. der naturgemässen Kunst, die „Verkünstelung“ gegenüber.

An dieser Stelle beginnt Pestalozzi sich über eine Frage zu äussern, die sich nicht speziell auf die Entfaltung handwerklicher Kräfte (Kunstkräfte, Kräfte der Hand) bezieht, sondern grundsätzlicher Art ist: dass nämlich die Kunst – diesmal verstanden als Erziehungskunst – sich dem Gang der Natur zu unterwerfen hat. Das betrifft alle Bereiche, nicht nur jenen der „Hand“, weshalb ich den von mir gesetzten Titel dieses Kapitels auf die gleiche Ebene setze wie „In sittlicher Hinsicht“, „In intellektueller Hinsicht“ sowie „In Hinsicht der Kunst“.

Es ist daran zu erinnern, dass all diese Überlegungen unter dem übergreifenden Postulat, dass „das Leben bildet“, stehen.

Das ist ein Können, nicht ein Wissen.

Im Original: „und will geschweigen“

Physik

Wenn Pestalozzi von der Menschennatur spricht, unterscheidet er stets zwischen der tierischen und der höheren (geistigen, göttlichen) Natur, wobei er aber – wie hier zum Ausdruck kommt – davon überzeugt ist, dass die höhere Natur die tierische voraussetzt und in dieser gewissermassen „wurzelt“.

In seinem „Mémoire an die Pariser Freunde über Wesen und Zweck der Methode“ (1802) haut Pestalozzi alle möglichen Varianten der Einseitigkeit, des Fehlens der Harmonie der Kräfte systematisiert. (Einfügen: Denkschrift 1802.jpg)

Bezugnahme auf den Philipperbrief, Kapitel 3, Vers 12

Bezugnahme auf seinen Roman „Lienhard und Gertrud“ (1781 bis 1787)

Über die Wesensverschiedenheit der Ansprüche der Kollektivexistenz auf der einen, der Individualexistenz auf der andern Seite äussert sich Pestalozzi ausführlich in seinem Werk „An die Unschuld, den Ernst und den Edelmut meines Zeitalters und meines Vaterlandes“ (1815).

Im Original in griechischen Zeichen gesetzt

Pestalozzi ist überzeugt, dass der Mensch in jedem Stand glücklich werden und sein gegebenes Ziel, die Menschlichkeit, erreichen kann. Die vielen politischen Wirren und teils blutigen Revolutionen, die er erlebte und seiner Ansicht nach die Menschen nicht glücklich machten, sah er verursacht durch den Umstand, dass die Menschen ihren Stand verlassen wollten, statt sich in ihm zum eigenen Wohl einzurichten.

Unter „Eigentum“ versteht Pestalozzi immer „Eigentum von Grundbesitz und Immobilien“.

Diese Stelle, wo Pestalozzi vom Segen des Mittelstandes in allen Ständen spricht, wird deutlich, dass er mit diesem Begriff ein mittleres Mass von Wohlstand meint, der in jedem Stand zu erzielen möglich ist.

Nach Dejung: Kunsttischler des 18. Jahrhunderts.

Man vergegenwärtige sich, dass Pestalozzi auf der Schwelle der agrarischen Lebensweise zur Industriegesellschaft lebte, somit auf eine nicht allzu ferne Zeit zurückblicken konnte, in der die allermeisten Menschen Eigentümer oder Miteigentümer waren und die Zahl der eigentumslosen „Tauner“, „Hintersassen“, Tagelöhner und Lohnarbeiter erst allmählich anstieg.

Nach Dejung: das Geld als die Hauptsache des Lebens

verschleudern

Man gestatte mir die Bemerkung: Das ist heute nicht anders. Das Bildungsgeschehen orientiert sich nicht wenig an Vorgaben zur Erreichung von Berechtigungen, an finanziellen Überlegungen, an Standesinteressen der Lehrerschaft, an politischen Forderungen nach Vereinheitlichung, an Ansprüchen nationaler und internationaler Kontrollinstanzen oder an ideologischen Ansprüchen an das System Schule.

Erster Teil: Pestalozzis Idee der Elementarbildung

Die grundlegenden Postulate einer naturgemäßen Bildung

Prüfet alles, behaltet das Gute,
und

wenn etwas Besseres in euch selber gereift, so setzet es zu dem, was ich euch in diesen Bogen in Wahrheit und Liebe zu geben versuche in Wahrheit und Liebe hinzu.

Die Idee der Elementarbildung[1], für deren theoretische und praktische Erheiterung ich den größten Teil meiner reiferen Tage, mir selber in ihrem Umfange mehr und minder bewußt, verwendet, ist nichts anderes als die Idee der Naturgemäßheit in der Entfaltung und Ausbildung der Anlagen und Kräfte des Menschengeschlechts.

Aber auch nur von ferne das Wesen und den Umfang der Ansprüche der diesfälligen Naturgemäßheit zu ahnen, fragt sich vor allem aus: Was ist die Menschennatur? Was ist das eigentliche Wesen, was sind die unterscheidenden Merkmale der menschlichen Natur als solcher? Und ich darf mir keinen Augenblick vorstellen, daß irgendeine von den Kräften und Anlagen, die ich mit den Tieren gemein habe, das echte Fundament der Menschennatur als solcher sei. Ich darf nicht anders, ich muß annehmen, der Umfang der Anlagen und Kräfte, durch welche der Mensch sich von allen Geschöpfen der Erde, die nicht Mensch sind, unterscheidet, sei das eigentliche Wesen der Menschennatur. Ich muß annehmen, nicht mein vergängliches Fleisch und Blut, nicht der tierische Sinn der menschlichen Begierlichkeit, sondern die Anlagen meines menschlichen Herzens, meines menschlichen Geistes und meiner menschlichen Kunstkraft[2] seien das, was das Menschliche meiner Natur, oder, welches ebensoviel ist, meine menschliche Natur selber konstituieren; woraus dann natürlich folgt: die Idee der Elementarbildung sei als die Idee der naturgemäßen Entfaltung und Ausbildung der Kräfte und Anlagen des menschlichen Herzens, des menschlichen Geistes und der menschlichen Kunst anzusehen. Die Naturgemäßheit, welche diese Idee in den Entfaltungs- und Bildungsmitteln unserer Kräfte und Anlagen anspricht, fordert demnach ebenso gewiß in ihrem ganzen Umfange die Unterordnung der Ansprüche unserer tierischen Natur unter die höheren Ansprüche des inneren, göttlichen Wesens der Anlagen und Kräfte unsers Herzens, unseres Geistes und unserer Kunst; das heißt im Wesen nichts anderes als die Unterordnung unseres Fleisches und unseres Bluts unter unseren Geist. Es folgt ferner daraus: der ganze Umfang der Kunstmittel in der naturgemäßen Entfaltung der Kräfte und Anlagen unseres Geschlechts setze, wo nicht eine deutliche Erkenntnis, doch gewiß ein belebtes, inneres Gefühl von dem Gange, den die Natur in der Entfaltung und Ausbildung unserer Kräfte selbst geht, voraus. Dieser Gang ruht auf ewigen, unabänderlichen Gesetzen, die im Wesen jeder einzelnen menschlichen Kraft selbst liegen und in jeder derselben mit einem unauslöschlichen Trieb zu ihrer Entfaltung verbunden sind. Aller Naturgang unserer Entfaltung geht wesentlich aus diesen Trieben hervor. Der Mensch will alles, wozu er in sich selbst Kraft fühlt, und er muß, vermöge dieser innewohnenden Triebe, das alles wollen.

Das Gefühl dieser Kraft ist der Ausdruck der ewigen, unauslöschlichen und unabänderlichen Gesetze, die in ihrer menschlichen Anlage dem Gange der Natur in ihrer Entfaltung zum Grunde liegen.

Diese Gesetze, die wesentlich aus der Eigenheit jeder einzelnen menschlichen Anlage hervorgehen, sind eben wie die Kräfte, denen diese Gesetze innewohnen, unter sich wesentlich verschieden; aber sie gehen alle, eben wie die Kräfte, denen sie innewohnen, aus der Einheit der Menschennatur hervor und sind dadurch, bei aller ihrer Verschiedenheit, innig und wesentlich untereinander verbunden und eigentlich nur durch die Harmonie und das Gleichgewicht, in dem sie in unserem Geschlecht beieinander wohnen, für dasselbe wahrhaft und allgemein naturgemäß und menschlich bildend. Es ist eine, sich in allen Verhältnissen bewährende Wahrheit: Nur das, was den Menschen in der Gemeinkraft der Menschennatur, d.h. als Herz, Geist und Hand ergreift, nur das ist für ihn wirklich, wahrhaft und naturgemäß bildend; alles, was ihn nicht also, alles, was ihn nicht in der Gemeinkraft seines Wesens ergreift, ergreift ihn nicht naturgemäß und ist für ihn, im ganzen Umfang des Wortes, nicht menschlich bildend. Was ihn nur einseitig, d.i. in einer seiner Kräfte, sei diese jetzt Herzens-, sei sie Geistes- oder Kunstkraft, ergreift, untergräbt und stört das Gleichgewicht unserer Kräfte und führt zur Unnatur in den Mitteln unserer Bildung, deren Folge allgemeine Mißbildung und Verkünstelung unseres Geschlechts ist. Ewig können durch die Mittel, welche die Gefühle meines Herzens zu erheben geeignet sind, die Kräfte des menschlichen Geists an sich nicht gebildet, und ebensowenig können durch die Mittel, durch welche der menschliche Geist naturgemäß gebildet wird, die Kräfte des menschlichen Herzens an sich naturgemäß und genugtuend veredelt werden.

Jede einseitige Entfaltung einer unserer Kräfte ist keine wahre, keine naturgemäße, sie ist nur Scheinbildung, sie ist das tönende Erz und die klingende Schelle[3] der Menschenbildung und nicht die Menschenbildung selber.

Die wahre, die naturgemäße Bildung führt durch ihr Wesen zum Streben nach Vollkommenheit, zum Streben nach Vollendung der menschlichen Kräfte. Die Einseitigkeit ihrer Bildung aber führt ebenso durch ihr Wesen zur Untergrabung, zur Auflösung und endlich zum Absterben der Gemeinkraft der Menschennatur, aus der dieses Streben allein wahrhaft und naturgemäß hervorzugehen vermag. Die Einheit der Kräfte unserer Natur ist unserem Geschlecht als wesentliches Fundament aller menschlichen Mittel zu unserer Veredlung göttlich und ewig gegeben; und es ist auch in dieser Rücksicht ewig wahr: Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden[4]. Tut er es in Rücksicht seiner Bildung, so macht er, nach welcher Richtung er es auch tue, Halbmenschen aus uns, bei denen kein Heil weder zu suchen noch zu finden ist.

Jedes einseitige Übergewicht in der Bildung unserer Kräfte führt zum Selbstbetrug grundloser Anmaßungen, zur Mißkennung seiner Schwächen und Mängel und zur harten Beurteilung aller derer, die nicht mit den irrtumsvollen Ansichten unserer Einseitigkeit übereinstimmen. Das ist bei Menschen, die Herzens und Glaubens halber überschnappen, ebenso wahr als bei denen, die ihrer Geisteskraft in liebloser Selbstsucht einen ähnlichen Spielraum der Unnatur und ihres Verderbens eröffnen. Alles einseitige Übergewicht einer einzelnen Kraft führt zur Aufgedunsenheit ihrer Ansprüche, die im Innern ihres Wesens lahm und tot ist. Das ist von der Liebe und vom Glauben ebenso wahr als von der Denk-, Kunst- und Berufskraft[5] unseres Geschlechts. Die inneren Fundamente der häuslichen und bürgerlichen Segnungen sind in ihrem Wesen Geist und Leben, und die äußeren Fertigkeiten, deren Ausbildung das häusliche und bürgerliche Leben auch anspricht, sind ohne das innere Wesen der Fundamente ihres Segens unserem Geschlecht ein Mittel der gefährlichsten Täuschungen und Quellen der vielseitigsten häuslichen und bürgerlichen Unbefriedigtheit und aller Leiden, Kränkungen und Verwilderungen, die sie ihrer Natur nach zur Folge haben und haben müssen.

Das Gleichgewicht der Kräfte, das die Idee der Elementarbildung so wesentlich fordert, setzt ihren Anspruch an die naturgemäße Entfaltung einer jeden der einzelnen Grundkräfte unserer Natur voraus. Jede derselben entfaltet sich nach ewigen, unveränderlichen Gesetzen, und ihre Entfaltung ist nur insoweit naturgemäß, als sie mit diesen ewigen Gesetzen unserer Natur selber in Übereinstimmung steht. In jedem Falle und in jeder Art, in der sie mit diesen Gesetzen in Widerspruch kommt, ist sie unnatürlich und naturwidrig. Die Gesetze, die der naturgemäßen Entfaltung jeder einzelnen unserer Kräfte zugrunde liegen, sind an sich wesentlich verschieden. Der menschliche Geist bildet sich durchaus nicht naturgemäß nach den Gesetzen, nach welchen das menschliche Herz sich zur reinsten Erhabenheit seiner Kraft emporhebt; und die Gesetze, nach welchen sich unsere Sinne und Glieder naturgemäß ausbilden, sind ebenso wesentlich von denen verschieden, die die Kräfte unseres Herzens und unseres Geistes naturgemäß auszubilden geeignet sind.

Aber jede dieser einzelnen Kräfte wird wesentlich nur durch das einfache Mittel ihres Gebrauches naturgemäß entfaltet. Der Mensch entfaltet das Fundament seines sittlichen Lebens, die Liebe und den Glauben, nur durch die Tatsache der Liebe und des Glaubens selber naturgemäß.

Hinwieder, der Mensch entfaltet das Fundament seiner Geisteskraft, seines Denkens, nur durch die Tatsache des Denkens selber naturgemäß.

Und ebenso entfaltet er die äußeren Fundamente seiner Kunst- und Berufskräfte, seine Sinne, Organe und Glieder, nur durch die Tatsache ihres Gebrauches naturgemäß.

Auch wird der Mensch durch die Natur jeder dieser Kräfte in sich selbst angetrieben, sie zu gebrauchen. Das Auge will sehen, das Ohr will hören, der Fuß will gehen und die Hand will greifen. Aber ebenso will das Herz glauben und lieben. Der Geist will denken. Es liegt in jeder Anlage der Menschennatur ein Trieb, sich aus dem Zustande ihrer Unbelebtheit und Ungewandtheit zur ausgebildeten Kraft zu erheben, die unausgebildet nur als ein Keim der Kraft und nicht als die Kraft selbst in uns liegt.

Aber so wie sich beim Kinde, das noch nicht gehen kann, die Lust zum Gehen augenblicklich mindert, wenn es bei seinen ersten Versuchen auf die Nase fällt, so mindert sich die Lust zum Glauben in ihm, wenn die Katze, gegen die es das Händchen ausstreckt, es kratzt, und das Hündchen, das es anrühren will, es anbellt und ihm die Zähne zeigt. Hinwieder mindert sich die Lust, seine Denkkraft tatsächlich durch ihren Gebrauch zu entfalten, in ihm notwendig, wenn die Mittel, durch die man es denken lehren will, seine Denkkraft nicht reizend ansprechen, sondern mühselig belästigen und eher einschläfern und verwirren, als aufwecken und in Übereinstimmung unter sich selbst beleben. Der Gang der Natur in der Entfaltung der menschlichen Kräfte ist, sich allein überlassen, langsam vom Sinnlich-Tierischen unseres Geschlechts ausgehend und von ihm gehemmt. Wenn er sich zur Entfaltung des Menschlichen im Menschen erheben soll, so setzt er einerseits die Handbietung einer erleuchteten Liebe, deren Keim sinnlich beschränkt, instinktartig im Vater-, Mutter-, Bruder- und Schwester-Sinn unserer Natur liegt, andererseits die erleuchtete Benutzung der Kunst, die sich die Menschheit durch Jahrtausende von Erfahrungen erworben, voraus.

Die Idee der Elementarbildung ist also näher bestimmt nichts anderes als das Resultat der Bestrebungen des Menschengeschlechts, dem Gange der Natur in der Entfaltung und Ausbildung unserer Anlagen und Kräfte die Handbietung angedeihen zu lassen, die ihm die erleuchtete Liebe, der gebildete Verstand und der erleuchtete Kunstsinn unsers Geschlechts zu erteilen vermag. So heilig und göttlich der Gang der Natur in den Grundlagen zur Entfaltung unseres Geschlechts ist, so ist er, sich selbst allein überlassen, ursprünglich nur tierisch belebt. Es ist die Sorge unseres Geschlechts, es ist das Ziel der Idee der Elementarbildung es ist das Ziel der Frömmigkeit und der Weisheit, ihn menschlich und göttlich zu beleben.

Entfaltungsgesetze der Kräfte des Herzens, des Kopfs und der Hand

Herz

I. (Wenn wir fragen:) Wie entfaltet sich das Fundament unseres sittlichen Lebens, die Liebe und der Glaube, tatsächlich, wahrhaft naturgemäß in unserem Geschlecht, und wie werden die ersten Keime unserer sittlichen und religiösen Anlagen durch den Einfluß menschlicher Sorgfalt und menschlicher Kunst im Kinde von seiner Geburt an naturgemäß belebt, genährt und in ihrem Wachstum also gestärkt, daß die letzten höheren Resultate der Sittlichkeit und Religiosität und ihr Segen als durch sie menschlich, aber wahrhaft und naturgemäß begründet und vorbereitet anzusehen sind? – so finden wir: Es ist der gesicherte, ruhige Fortgenuß seiner physischen Bedürfnisse, was die ersten Keime der sittlichen Kräfte des Säuglings von seiner Geburt an naturgemäß belebt und entfaltet. Es ist die heilige Muttersorge, es ist die instinktartig in ihm belebte Aufmerksamkeit auf augenblickliche Stillung jedes Bedürfnisses, dessen Nichtbefriedigung das Kind sinnlich zu beunruhigen geeignet ist, was wir bei ihm als die erste, aber wesentlichste Vorbereitung und Anbahnung des Zustandes anerkennen müssen, in dem sich die sinnlichen Keime des Vertrauens gegen die Quelle dieser Befriedigung und mit ihnen die ersten Keime der Liebe zu derselben entfalten, und es ist in der Belebung dieser ersten, sinnlichen Keime des Vertrauens und der Liebe, woraus auch die ersten, sinnlichen Keime der Sittlichkeit und der Religiosität hervorgehen und sich entfalten.

Darum ist die Entfaltung der stillen Ruhe und Befriedigung im Säugekind und ihre Benutzung für die Belebung der noch schlafenden Keime der Gefühle, welche uns von allen Wesen der Schöpfung, die nicht Mensch sind, unterscheidet, für die Bildung zur Menschlichkeit in der Erziehung unseres Geschlechts von der äußersten Wichtigkeit.

Jede Unruhe, die in diesem Zeitpunkte das vegetierende Leben des Kindes stört, legt den Grund zur Belebung und Stärkung aller Reize und Ansprüche unserer sinnlichen, tierischen Natur und zur Abschwächung aller wesentlichen Fundamente der naturgemäßen Entfaltung aller Anlagen und Kräfte, die das eigentliche Wesen der Menschlichkeit selber konstituieren.

Die erste und lebendigste Sorge für die Erhaltung dieser Ruhe in der frühesten Epoche des kindlichen Lebens ist von der Natur in das Herz der Mutter gelegt. Sie spricht sich in unserem Geschlecht allgemein durch die ihr innewohnende Mutterkraft und Muttertreue aus. Der Mangel dieser Kraft und dieser Treue ist mütterliche Unnatur, er ist eine Folge des widernatürlichen Verderbens des Mutterherzens. Wo dieses ist, da ist auch das wirksame Dasein der Vaterkraft, das bildende Dasein des Bruder- und Schwester-Sinnes und mit ihm der bildende Segen des häuslichen Lebens in seinem ersten, reinsten Belebungsmittel verlassen und dadurch untergraben. Dieser gründet sich in seinem Ursprung und in seinem Wesen auf das belebte Dasein der Mutterkraft und Muttertreue; und so wie die Sorge für die Ruhe des Kindes in der ersten Epoche seines Lebens im allgemeinen nur beim Dasein dieser Kraft und dieser Treue denkbar ist, so ist die Erhaltung dieser Kraft und dieser Treue nur durch die Fortsetzung der naturgemäßen Ausbildung seiner sittlichen Kraft denkbar.

Das Wesen der Menschlichkeit entfaltet sich nur in der Ruhe. Ohne sie verliert die Liebe alle Kraft ihrer Wahrheit und ihres Segens. Die Unruhe ist in ihrem Wesen das Kind sinnlicher Leiden oder sinnlicher Gelüste; sie ist entweder das Kind der bösen Not oder der noch böseren Selbstsucht; in allen Fällen aber ist sie die Mutter der Lieblosigkeit, des Unglaubens und aller Folgen, die ihrer Natur nach aus Lieblosigkeit und Unglauben entspringen.

So wichtig ist die Sorge für die Ruhe des Kindes und der sie sichernden Mutterkraft und Muttertreue sowie für die Verhütung aller sinnlichen Reize zur Unruhe in dieser Epoche. Diese Reize gehen sowohl aus Mangel liebevoller Sorgfalt für die Befriedigung wahrer sinnlicher Bedürfnisse, als aus Überfüllung mit unnützen, die tierische Selbstsucht reizenden, sinnlichen Genießungen hervor. Wo die Mutter dem nach ihr schreienden Wiegenkinde oft und unregelmäßig mangelt und das im Gefühl des Bedürfnisses, das sie stillen sollte, unbehaglich liegende Kind oft und viel so lange warten muß, bis dieses Gefühl ihm Leiden, Not und Schmerz wird, da ist der Keim der bösen Unruhe und aller ihrer Folgen in ihm in einem hohen Grad entfaltet und belebt, und die also verspätete Befriedigung seiner Bedürfnisse ist dann nicht mehr geeignet, die heiligen Keime der Liebe und des Vertrauens gegen die Mutter, wie es sollte, naturgemäß zu entfalten und zu beleben. Der erste Keim der tierischen Verwilderung, die böse Unruhe, tritt dann im Kind an die Stelle der durch Befriedigung zu erzeugenden Ruhe, in der sich die Keime der Liebe und des Vertrauens allein naturgemäß entfalten.

Die in den ersten Tagen belebte Unruhe des Wiegenkindes entfaltet dann so viel als notwendig die ersten Keime der empörten Gefühle der sinnlichen, physischen Selbstkraft und ihre Neigung zur tierischen Gewalttätigkeit und mit ihm die Hölle des unsittlichen, irreligiösen, das innere, göttliche Wesen der Menschlichkeit selber mißkennenden und verleugnenden Weltgeistes[6].

Das Kind, das, aus Mangel an mütterlicher Befriedigung seiner Bedürfnisse, durch seine Leiden innerlich empört wird, stürzt dann, wie ein hungriges und durstiges Tier, an die Brust seiner Mutter, an die es sich, sein Bedürfnis nur leicht fühlend, menschlich froh anlegen sollte. Sei die Ursache davon, was sie wolle, wo dem Kind die zarte Hand und das lächelnde Auge der Mutter mangelt, da entfaltet sich auch in seinem Auge und in seinem Munde das Lächeln und die Anmut nicht, die ihm in seinem beruhigten Zustande so natürlich ist. Dieser erste Zeuge des erwachenden Lebens der Menschlichkeit mangelt im beunruhigten Kinde; im Gegenteil, es erscheinen in ihm alle Zeichen der Unruhe und des Mißtrauens, welche die Entfaltung der Liebe und des Glaubens gleichsam im ersten Entkeimen stocken machen, verwirren und das Kind so im Wesen seiner ersten Entfaltung zur Menschlichkeit gefährden.

Aber auch das Überfüllen des Kindes mit sinnlichen Genüssen, für welche es im ruhigen, sinnlich nicht unnatürlich gereizten Zustande kein Bedürfnis in sich selbst fühlt, untergräbt den Segen der heiligen Ruhe, in dem sich die Keime der Liebe und des Vertrauens naturgemäß entfalten, und erzeugt hinwieder ebenso den Unsegen der sinnlichen Unruhe und der Folgen ihres Mißtrauens und ihrer Gewalttätigkeit.

Die reiche Törin, die, in welchem Stande sie auch sei, ihr Kind täglich mit sinnlichen Genießungen überfüllt, bringt tierische Unnatur nach Gelüsten in dasselbe, die kein reales Fundament in den wirklichen Bedürfnissen der Menschennatur haben, sondern vielmehr in ihren Folgen der soliden Befriedigung derselben unübersteigliche Hindernisse in den Weg zu legen geeignet sind, indem sie die Kräfte, deren es zur sicheren und selbständigen Befriedigung dieser Bedürfnisse durch sein Leben unumgänglich bedarf, in ihm schon in der Wiege untergraben, verwirren und erlahmen machen und dadurch in ihm leicht und beinahe notwendig zu einer unversieglichen Quelle immer wachsender Unruhen, Sorgen, Leiden und Gewalttätigkeiten ausarten. Die wahre mütterliche Sorge für die erste, reine Belebung der Menschlichkeit im Kind, aus der das höhere Wesen seiner Sittlichkeit und Religiosität, menschlicherweise davon zu reden, hervorgeht, beschränkt ihre Sorgfalt auf die reelle Befriedigung seiner wahren Bedürfnisse. Die erleuchtete und besonnene Mutter lebt für ihr Kind im Dienst ihrer Liebe, aber nicht im Dienst einer Laune und seiner tierisch gereizten und belebten Selbstsucht.

Die Naturgemäßheit der Sorgfalt, mit der sie die Ruhe des Kindes befördert, ist nicht geeignet, seine Sinnlichkeit zu reizen, sondern nur seine sinnlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Sie, die Naturgemäßheit der mütterlichen Sorgfalt, wenn sie schon instinktartig in ihr belebt ist, steht dennoch mit den Ansprüchen ihres Geistes und ihres Herzens in Harmonie; sie ist geistig und herzlich begründet, und instinktartig nur belebt, also durchaus nicht eine Folge des Unterliegens ihrer edleren, höheren Anlagen unter den sinnlichen Gelüsten ihres Fleisches und ihres Blutes, sondern nur eine Mitwirkung ihres Fleisches und ihres Blutes zum Resultat der Bestrebungen ihres Geistes und ihres Herzens. Auf dieser Bahn ist es, daß der Einfluß der Mutterkraft und der Muttertreue bei ihrem Säuglinge die ersten Spuren der Liebe und des Glaubens naturgemäß entfaltet und zugleich den segensvollen Eindruck der Vaterkraft, des Bruder- und Schwestersinnes vorzubereiten und zu begründen und so allmählich den Sinn der Liebe und des Vertrauens über den ganzen Kreis des häuslichen Lebens auszudehnen geeignet ist. Die sinnliche Liebe und der sinnliche Glaube an die Mutter erhebt sich auf dieser Bahn zu einer menschlichen Liebe und zu einem menschlichen Glauben.

Von der Liebe zur Mutter ausgehend, spricht er sich in der Liebe zum Vater und zu seinen Geschwistern und im Glauben an sie aus. Der Kreis der menschlichen Liebe und des menschlichen Glaubens des Kindes dehnt sich immer mehr aus. Wen die Mutter liebt, den liebt ihr Kind auch. Wem die Mutter traut, dem traut es auch. Selber wenn die Mutter von einem fremden Manne, den es noch nie gesehen, sagt: „Er liebt dich, du mußt ihm trauen, er ist ein guter Mann, gib ihm dein Händchen! „, so lächelt es ihn an und gibt ihm gerne das Händchen seiner Unschuld. So hinwieder, wenn sie zu ihm sagt: „Du hast einen Großvater in fernen Landen, dem du lieb bist, „ so glaubt es an seine Liebe; es redet gerne mit der Mutter vom Großvater, glaubt an seine Liebe und hofft auf sein Erbe. Und ebenso wenn sie zu ihm sagt: „Ich habe einen Vater im Himmel, von dem alles Gute kommt, das du und ich besitzen,“ so glaubt das Kind auf das Wort seiner Mutter an ihren Vater im Himmel. Und wenn sie als Christin zu ihm betet und in der Bibel liest und an den Geist der Liebe, der in seinem Wort herrscht, glaubt und von ihm belebt ist, so betet das Kind mit seiner Mutter gerne zu ihrem Vater im Himmel, glaubt an das Wort seiner Liebe, dessen Geist es im Tun und Lassen seiner Mutter schon in seiner sinnlichen Unmündigkeit erkennen lernt. So ist es, daß das Kind des Menschen an der Hand seiner Mutter sich naturgemäß vom sinnlichen Glauben und von der sinnlichen Liebe zur menschlichen Liebe und zum menschlichen Glauben und von diesen zum reinen Sinn des wahren christlichen Glaubens und der wahren christlichen Liebe erhebt. Und diese Bahn ist es auch, in welcher die Idee der Elementarbildung das sittliche und religiöse Leben des Kindes von der Wiege auf menschlich zu begründen, zum Ziel ihrer Bestrebungen zu machen sucht.[7]

Kopf

Ich schreite weiter und frage mich:

II. Wie entfalten sich die Fundamente des geistigen Lebens des Menschen, die Fundamente seiner Denkkraft, seiner Überlegung und seines Forschens und Urteilens naturgemäß in unserem Geschlechte? Wir finden, die Bildung unserer Denkkraft geht von dem Eindruck aus, den die Anschauung aller Gegenstände auf uns macht und die, indem sie unsere inneren oder äußeren Sinne berühren, den unserer Geisteskraft wesentlich innewohnenden Trieb, sich selber zu entfalten, anregen und beleben. Diese durch den Selbsttrieb der Denkkraft belebte Anschauung führt ihrer Natur nach vor allem aus zum Bewußtsein des Eindrucks, den die Gegenstände der Anschauung auf uns gemacht haben, und mithin zur sinnlichen Erkenntnis derselben.

Sie erzeugt dadurch notwendig das Gefühl des Bedürfnisses von Ausdrücken, die die Eindrücke unserer Anschauung auf uns gemacht haben; und vor allem aus das Gefühl des Bedürfnisses der Mimik, zugleich, aber noch weit mehr und weit menschlicher, das Gefühl des Bedürfnisses der Sprachkraft, deren Entfaltung den diesfälligen Gebrauch der Mimik sogleich überflüssig macht. Diese der Ausbildung der Denkkraft wesentliche Sprachkraft unseres Geschlechts ist hauptsächlich als eine Dienstkraft der Menschennatur, um uns die durch Anschauung erworbenen Kenntnisse fruchtbar und allgemein zu machen, anzusehen. Sie bildet sich auch von Anfang an nur im festen Zusammenhang mit dem Wachstum und der Ausdehnung der menschlichen Anschauungserkenntnisse naturgemäß aus, und diese gehen ihr auch allgemein vor. Das menschliche Geschlecht kann über nichts naturgemäß reden, das es nicht erkannt hat. Es kann über nichts auf eine andere Weise reden, als wie es dasselbe erkannt hat. Was es oberflächlich erkannt, davon redet es oberflächlich; was es unrichtig erkannt, davon redet es auch unrichtig, und was diesfalls von Anfang wahr war, das ist es auch jetzt noch.

Die Naturgemäßheit der Erlernung der Muttersprache und jeder anderen Sprache ist an die durch Anschauung erworbene Erkenntnis gebunden, und der naturgemäße Gang der Kunst in der Erlernung von beiden muß mit dem Gange der Natur, nach welchem die Eindrücke unsrer Anschauungen in Erkenntnisse hinübergehen, wesentlich in Übereinstimmung stehen. Fassen wir diesen Gesichtspunkt in Rücksicht auf die Erlernung der Muttersprache ins Auge, so finden wir: Wie alles unterschieden und wesentlich Menschliche sich nur langsam aus dem Tierischen unserer sinnlichen Natur, aus dem es hervortritt, stufenweise entfaltet, so bildet sich auch die Muttersprache, sowohl in Rücksicht auf das Sprachorgan als auf die Erkenntnis der Sprache selber, in langsamen Stufenfolgen. Das Mutterkind kann so lange nicht reden, bis seine Sprachorgane gebildet sind. Es kennt aber auch anfänglich soviel als gar nichts und kann also über gar nichts reden wollen. Sein Wille und seine Kraft zum Reden bildet sich nur nach Maßgabe der Erkenntnis, die es allmählich durch die Anschauung gewinnt. Die Natur kennt keinen anderen Weg, das unmündige Kind reden zu lehren, und die Kunst muß in ihrer Nachhilfe zum nämlichen Ziele mit ihm eben diesen langsamen Weg gehen, aber es auch mit allen Reizen, die sowohl die Erscheinung der Gegenstände in den Umgebungen des Kindes, als in dem Eindruck des Klanges in der Verschiedenheit der Töne, deren die Sprachorgane fähig sind, auf dasselbe haben, zu begleiten und zu befördern suchen. Um das Kind reden zu lehren, muß die Mutter die Natur selber mit allen Reizen, die das Hören, Sehen und Fühlen etc. auf seine Organe hat, auf dasselbe einwirken machen. So wie das Bewußtsein dessen, was es sieht, hört, fühlt, riecht und schmeckt, in ihm belebt ist, so wird auch sein Wille, Ausdrücke für diese Eindrücke zu kennen und sie brauchen zu können, d.h. sein Wille, darüber reden zu lernen, sich in ihm immer stärker aussprechen, und seine Kraft, es zu können, sich bei ihm ausdehnen.

Auch den Reiz der Töne muß die Mutter zu diesem Zwecke benutzen. Wenn und insoweit es ihr daran liegt, ihr Kind geschwind reden zu lehren, muß sie ihm die Sprachtöne bald laut, bald leise, bald singend, bald lachend usw., immer wechselnd mit lebendiger Munterkeit und so vor die Ohren bringen, daß es die Lust, sie ihr nachzulallen, notwendig in sich selbst fühlen muß; und ebenso muß sie ihre Worte mit dem Eindruck der Gegenstände, deren Namen sie dem Kind ins Gedächtnis bringen will, begleiten. Sie muß ihm diese Gegenstände in den wichtigsten Verhältnissen und in den verschiedensten und belebendsten Lagen vor die Sinne bringen und vor den Sinnen festhalten, und in der Einübung der Ausdrücke derselben nur in dem Grad vorschreiten, in welchem ihr Eindruck durch die Anschauung im Kinde selber gereift ist. Die Kunst oder vielmehr die erleuchtete Muttersorge und Muttertreue kann die Langsamkeit dieses Naturganges in der Erlernung der Muttersprache vergeschwindern und beleben, und es ist eine Aufgabe der Elementarbildung, die Mittel dieser Vergeschwinderung und Belebung zu erforschen und den Müttern mit Klarheit und Bestimmtheit in Reihenfolgen geordneter Übungen vor die Augen zu legen, die dieses zu erzielen geeignet sind. So wie die Kunst dieses tut, wird sich ganz gewiß das Herz der Mutter für diese Mittel offen und bereitet finden, sie mit inniger Liebe zu ergreifen und für ihr Kind zu benutzen.

Die naturgemäße Erlernung jeder andern als der Muttersprache, geht diesen langsamen Gang gar nicht. Das Kind, das eine fremde, sei es eine alte oder eine neue, Sprache lernt, hat erstens schon gewandte Sprachorgane. Es hat bei jeder fremden Sprache nur einige wenige, dieser Sprache eigene Töne seinen, an sich im allgemeinen schon kraftvollen Sprachorganen einzuüben. Zweitens sind in dem Alter, in dem ein Kind fremde, neue oder alte Sprachen lernt, Millionen Erkenntnisse durch die Anschauung auf eine Weise in ihm zum gereiften Bewußtsein gelangt, daß es sie in der Muttersprache mit der höchsten Bestimmtheit auszudrücken imstande ist. Daher denn auch die Erlernung jeder neuen Sprache in ihrem Wesen für dasselbe nichts anderes ist, als die Erlernung, Töne, deren Bedeutung ihm in der Muttersprache bekannt ist, in Töne, die ihm noch nicht bekannt sind, umzuwandeln. Die Kunst, diese Umwandlung durch mnemonische Mittel zu erleichtern und in psychologisch geordnete Reihenfolgen von Übungen zu bringen, welche die Verdeutlichung und Erheiterung der Begriffe, deren wörtliche Erkenntnis dem Kind mnemonisch erleichtert wird, naturgemäß und notwendig zu ihrer Folge haben muß, ist hinwieder als eine der wesentlichsten Aufgaben der Idee der Elementarbildung anzusehen. Das Bedürfnis einer psychologischen Begründung der Anfangspunkte der Sprachlehre wird allgemein gefühlt, und ich glaube bei meinen schon vor einem halben Jahrhundert begonnenen und ununterbrochen betriebenen Versuchen, den Volksunterricht in seinen Anfangspunkten zu vereinfachen, zu einigen naturgemäßen, diesfalls fruchtbaren Mitteln, dieses wichtige Ziel zu erreichen, gekommen zu sein.

Um aber den Faden meiner Darlegung der Idee der Elementarbildung nicht aus den Händen zu verlieren, kehre ich zum Gesichtspunkt zurück, daß die von der Anschauung ausgehende Geistesbildung in der naturgemäßen Sprachlehre ihren ersten Kunstbehelf suchen muß. Dieser Behelf geht, als zur Verdeutlichung der Erkenntnisse dienend, aus der Anschauung hervor. Die Geistesbildung aber erfordert ihrer Natur nach weiterführende Fundamente. Sie fordert Kunstmittel zur naturgemäßen Entfaltung der Kräfte, die durch die Anschauung erkannten und in sich zum klaren Bewußtsein gebrachten Gegenstände selbständig zusammenzustellen, zu trennen und zu vergleichen, und dadurch die Anlage, über sie, über ihr Wesen und über ihre Beschaffenheit richtig zu urteilen, zur wirklichen Denkkraft zu erheben.

Die Geistesbildung und die von ihr abhängende Kultur unseres Geschlechts fordert fortdauernde Ausbildung der logischen Kunstmittel zur naturgemäßen Entfaltung unserer Denk-, Forschungs- und Urteilskräfte, zu deren Erkenntnis und Benutzung sich das Menschengeschlecht seit Jahrtausenden erhoben. Diese Mittel gehen in ihrem Wesen und Umfange aus der uns innewohnenden Kraft hervor, die durch die Anschauung zum klaren Bewußtsein gekommenen Gegenstände in uns selbst frei und selbständig zusammenzustellen, zu trennen und zu vergleichen, d.h. logisch ins Auge zu fassen und zu bearbeiten und uns dadurch zur gebildeten menschlichen Urteilskraft zu erheben.

Diese Mittel der Kunst, das Denkvermögen unseres Geschlechts zur gebildeten Urteilskraft zu erheben, sie in ihrem Wesen zu erforschen und zur allgemeinen Brauchbarkeit und Anwendbarkeit auszuarbeiten, ist hinwieder eine der wesentlichsten Bestrebungen der Idee der Elementarbildung. Und da die Kraft, durch die Anschauung deutlich erkannte Gegenstände logisch zu bearbeiten, offenbar in der gebildeten Kraft, zu zählen und zu messen, ihre erste, naturgemäßeste Anregung und Belebung findet, so ist klar, daß in der vereinfachten Bearbeitung der Zahl- und Formlehre[8] das vorzüglichste Mittel zu diesem wichtigen Zweck der Menschenbildung gesucht und anerkannt werden muß und warum die Idee der Elementarbildung die psychologisch bearbeitete und vereinfachte Zahl- und Formlehre, in Verbindung mit der ebenso vereinfachten Sprachlehre, gemeinsam als das tiefste, einwirkendste, allgemeine Fundament der naturgemäßen Kunstausbildung der menschlichen Denkkraft anerkennt und anspricht.

In Rücksicht auf die elementarisch zu bearbeitende Zahl- und Formlehre ist der Eindruck merkwürdig, den unsere ersten Versuche darüber schon in Burgdorf auffallend allgemein machten. Noch merkwürdiger aber ist, wie unwidersprechlich die späteren Resultate dieser in Burgdorf höchst einseitig begonnenen und später in einen so tödlich serbenden[9] Zustand versunkenen Versuche es allein möglich machten, daß meine so lange in sich selbst zerrüttete, ganze Reihen von Jahren in offenem Aufruhr um ihre Erhaltung kämpfende und am Rande ihres Abgrunds gestandene Anstalt sich bis auf diese Stunde zu erhalten vermochte *)[10] und gegenwärtig – bei der immer wachsenden Abschwächung und beinahe vollkommenen Zernichtung aller ihrer äußeren Mittel in der Errichtung einer Anstalt von Erziehern und Erzieherinnen – mitten im Anschein ihres nahen Erlöschens noch einen hohen Funken innerer Lebenskraft zeigt, dessen bedeutende Erscheinung die Hoffnung ihrer Errettung auch jetzt nicht ganz in mir auszulöschen vermag.

Hand

III. Wenn wir uns drittens fragen: Wie entfalten sich die Fundamente der Kunst, aus denen alle Mittel, die Produkte des menschlichen Geistes äußerlich darzustellen und den Trieben des menschlichen Herzens äußerlich Erfolg und Wirksamkeit zu verschaffen, hervorgehen und durch welche alle Fertigkeiten, deren das häusliche und bürgerliche Leben bedarf, gebildet werden müssen? – so sehen wir sogleich: Diese Fundamente sind innerlich und äußerlich, sie sind geistig und physisch. Aber wir sehen auch ebensowohl, daß das innere Wesen der Ausbildung aller Kunst- und Berufskräfte in der Ausbildung der geistigen Kraft der Menschennatur, in der Ausbildung seiner Denk- und seiner Urteilskraft, die in ihrem Wesen von der naturgemäßen Ausbildung seiner Anschauungskraft ausgeht, besteht. Wir können die Wahrheit nicht verkennen, daß, wer zum Rechnen und Messen und dem diesfalls beiwohnenden Zeichnen wohl, d.h. naturgemäß und genugtuend angeführt ist, die inneren, wesentlichen Fundamente aller Kunst und aller Kunstfertigkeit in sich selbst trägt und daß er nur noch die äußeren Kräfte seiner Sinne und Glieder in Übereinstimmung mit seiner innerlich entfalteten Kunstkraft für den bestimmten Zweck der Fertigkeiten derjenigen Kunst, die er erlernen will, mechanisch auszubilden notwendig hat.

So wie die elementarisch bearbeitete Zahl- und Formlehre ihrer Natur nach als die eigentliche Gymnastik der geistigen Kunstkraft angesehen werden muß, so müssen hingegen die mechanischen Übungen der Sinne und der Glieder, die zur Ausbildung der äußeren Kunstfertigkeiten notwendig sind, als die physische Gymnastik der Kunstkraft angesehen und erkannt werden.

Die elementarische Ausbildung der Kunstkraft, wovon die Berufskraft nur als eine spezielle, auf den Stand und das Verhältnis eines jeden Individuums passende Anwendung dieser Kraft angesehen werden muß, ruht also auf zwei in ihrem Wesen verschiedenen Fundamenten, und ihre naturgemäßen Mittel gehen aus der Belebung und Ausbildung zweier voneinander verschiedener Grundkräfte, der geistigen und der physischen, hervor, werden aber auch nur durch die gemeinsame und mit ihnen verbundene Belebung und Ausbildung der drei Grundkräfte der Kultur unseres Geschlechts Mittel der wahren, menschlichen Bildung, oder welches ebensoviel ist, wirkliche und naturgemäße Bildungsmittel des Eigentümlichen der Menschlichkeit, das in unsrer Natur liegt.

Ich habe das Wesen der elementarischen Ausbildung dieser Mittel in ihren sittlichen und geistigen Fundamenten berührt; ich berühre es noch in ihrem physischen. Wie der wesentliche Reiz der Ausbildung unsrersittlichen und geistigen Kräfte in ihrem Naturtrieb, sich selber zu entfalten, selbst liegt, so liegen die wesentlichen Reize zur naturgemäßen Ausbildung der Kunstkraft, auch in physischer Hinsicht, in dem Selbsttrieb dieser Kräfte, sich selber zu entfalten, der auch in dieser Hinsicht im Wesen unserer Sinne, Organe und Glieder liegt und, geistig und physisch belebt, uns die Neigung zur Anwendung dieser Kräfte so viel als notwendig macht. Von Seiten dieser Belebung hat die Kunst eigentlich wenig zu tun. Der physische Antrieb, Sinne und Glieder zu gebrauchen, ist wesentlich tierisch und instinktartig belebt. Die Unterordnung seiner instinktartigen Belebung unter die Gesetze der sittlichen und geistigen Fundamente der Kunst ist das, was die elementarische Bestrebung zur naturgemäßen Entfaltung unsrer diesfälligen Kraft eigentlich zu tun hat, und hierin wird sie vorzüglich von der Gewaltskraft, die in den Umständen und Verhältnissen eines jeden Individuums und in dem Einfluß des häuslichen Lebens, in dem sich diese Gewaltskraft in sittlicher, geistiger und physischer Hinsicht im Umfang ihrer Mittel konzentriert, unterstützt und belebt. Die sorgfältige und weise Benutzung der Bildungsmittel des häuslichen Lebens[11] ist also in physischer Hinsicht so wichtig, als sie es in sittlicher und geistiger Hinsicht auch ist. Die Ungleichheit dieser Mittel wird durch die Verschiedenheit der Lagen und Verhältnisse des häuslichen Lebens, in welchem sich jedes Individuum persönlich befindet, bestimmt; aber mitten im Wirrwarr der Verschiedenheit der Bildungsmittel zur Anwendung der Grundkräfte unserer Natur ist das Wesen der Entfaltung dieser Mittel in physischer, eben wie in sittlicher und geistiger Hinsicht ewigen und unveränderlichen Gesetzen unterworfen, folglich allenthalben sich selbst gleich.

Es geht in der Bildung des Kindes von der Aufmerksamkeit auf die Richtigkeit jeder Kunstform zur Kraft in der Darstellung derselben, von dieser zum Bestreben, jede in Rücksicht auf Richtigkeit und Kraft wohl eingeübte Form mit Leichtigkeit und Zartheit darzustellen, hinüber, und von der eingeübten Richtigkeit, Kraft und Zartheit derselben schreitet es zur Freiheit und Selbständigkeit in der Darstellung seiner Formen und Fertigkeiten empor. Das ist der Gang, den die Natur in der Ausbildung unseres Geschlechts zur Kunst allgemein geht und allgemein gehen muß; und indem sie in der Stufenfolge ihrer Bildungsmittel dem Zöglinge die Fertigkeit in der Richtigkeit, Kraft und Zartheit bis auf einen gewissen, gegenseitig gleichförmigen Grad der Vollendung einzeln einübt, kommt sie auch dahin, daß die Resultate dieser einzelnen Übungen unter sich in Übereinstimmung und Harmonie gelangen und dadurch sich zu einer Gemeinkraft der Kunst erheben, ohne welche der Mensch weder sich selbst durch die Kunst veredeln, noch selber zu einem soliden, in ihm selbst wahrhaft begründeten Streben nach der Vollkommenheit irgendeiner wirklichen Kunst zu gelangen vermag. Dieser naturgemäße Gang der Entfaltung der mechanischen Fundamente der Kunstkraft ist mit dem Gange der Natur in der Entfaltung der inneren, geistigen Fundamente derselben in vollkommener Übereinstimmung und bahnt ihr überhaupt den naturgemäßen Weg, mit den Fundamenten der Herzens- und Geistesbildung in Harmonie zu gelangen und so die naturgemäßen Bildungsmittel der Liebe und des Glaubens mit den naturgemäßen Bildungsmitteln der Kunstkraft (eben wie dieses auch in Rücksicht auf diejenigen der Denkkraft der Fall ist) zu vereinigen, ohne welche das Gleichgewicht unsrer Kräfte, dieses hohe Zeugnis der aus der Einheit unsers Wesens hervorgehenden Gemeinkraft unserer Natur im allgemeinen in ihren ersten Begründungsmitteln nicht einmal denkbar, viel weniger erreichbar ist.[12]

Gemeinkraft als Harmonie der drei Grundkräfte

Ich fasse dieses hohe Zeugnis der wahrhaft entfalteten Gemeinkraft unserer Natur, das Gleichgewicht der sittlichen, geistigen und physischen Kräfte unseres Geschlechts oder, welches ebensoviel ist, das Gleichgewicht unserer Herzens-, Geistes- und Kunstkräfte noch einen Augenblick von einer seiner wesentlichsten Seiten näher ins Auge.

Wenn es auch wahr und unwidersprechlich ist, daß jedes Übergewicht einer einzelnen unserer Kräfte über die andere den Segen der Gemeinkraft, der aus der Übereinstimmung von allen allein zu entspringen vermag, stört und entkräftet, so ist zwar gleich wahr, daß das Übergewicht der sinnlichen Reize und der sinnlichen Neigung zur Belebung der Kräfte des Herzens, der Liebe und des Glaubens, bei großer Schwäche und bei großer Verwirrung der Denk- und der Tatkraft noch mit einem ernsten Streben nach göttlicher und menschlicher Handbietung zur Stärkung einer frommen, liebenden und gläubigen Seele begleitet sein kann. Ein solcher Mensch, bei dem das Gleichgewicht der Kräfte von dieser Seite verloren gegangen, kann aber bei allem seinem ernst gemeinten Streben nach Stärkung seiner ihm mangelnden Geisteskräfte und bei allem seinem kraft- und fundamentlosen Hinstreben nach Erkenntnis der Wahrheit in seinen träumerischen Verirrungen sich immer mehr vertiefen und zur wirklichen Erkenntnis der Wahrheit und des Rechts und zur Ausübung aller Pflichten, die diese Erkenntnis ansprechen und voraussetzen, dennoch in einem hohen Grade unfähig werden. Er kann sogar durch die – wenn auch noch so sehr ursprünglich aus redlichem Herzen hervorgegangene – Gewaltsamkeit seines Fühlens, Denkens und Handelns, mit der er auf der einen Seite unnatürlich nach dem strebt, was er auf der anderen Seite um der Schwäche und der Täuschung willen, unter denen er es besitzt, in sich selber mißkennt und verachtet, das innere, wahre, heilige und göttliche Wesen seiner Liebe und seines Glaubens in sich selber abschwächen und dadurch in einen Zustand der Ohnmacht und in Widerspruch seiner selbst mit sich selbst geraten, der in einem äußersten Grad bedauernswürdig und – menschlicherweise davon zu reden – unheilbar werden kann. Doch, Gott ist in den Schwachen mächtig. Wer Ihn und durch Ihn göttliche und menschliche Handbietung zur Stärkung der ihm mangelnden Kräfte sucht, der hat die innere Fähigkeit zur Belebung, Stärkung und Wiederherstellung derselben nicht in dem Grad verloren und kann sie niemals in dem Grad verlieren, wie dieses bei Menschen, denen bei aller Schwäche einiger ihrer wesentlichen Kräfte der heilige Trieb, Handbietung zur Stärkung derselben im frommen Glauben an Gott und in reiner Liebe zu ihren Mitmenschen zu suchen, mangelt, vielseitig und sehr leicht der Fall ist. Sie, die tierische Befriedigung im Genusse der sinnlichen Folgen überwiegender Geistes-, Kunst- und Berufskräfte, führt durch ihr Wesen dahin, das Gefühl des Mangels von Liebe und Glauben und mit ihm das Streben, dieses Gleichgewicht der Kräfte durch Stärkung der Liebe und des Glaubens in sich selber wiederherzustellen, im Innersten der Menschennatur auf eine Weise zu ersticken, die seine Wiederherstellung, menschlicherweise davon zu reden, so viel als unmöglich macht. Die diesfällige Zerstörung des Gleichgewichts der Kräfte führt in ihren äußersten Folgen einen Zustand der Verstockung herbei, der bei allen Schwachheitsverirrungen der geistlosesten Liebe und des kraft- und tatenlosesten Glaubens nicht denkbar ist.

Die Frömmigkeit, der Glaube und die Liebe streben bei aller Schwäche und Verirrung nach Ruhe. Die Geistes-, Kunst- und Berufskraft ist ohne Glauben und ohne Liebe eine unversiegliche Quelle der tierischen Unruhe, die der naturgemäßen Entfaltung der menschlichen Kräfte wesentlich ans Herz greift. So gewiß es aber ist, daß die, zur gänzlichen Unfähigkeit des ernsten, wahren Strebens nach Stärkung schwacher und Wiederherstellung verlorener Kräfte hinführende Verstockung, zu welcher der Hochmut geistiger und der Übermut physischer Kräfte so leicht und so vielseitig hinführt, bei der Frömmigkeit, bei der Liebe und beim Glauben, auch bei sehr großem Mangel der Geisteskräfte und bei sehr großer physischer Unbehilflichkeit nicht die gleichen Reize hat und nicht leicht stattfindet, so ist dieses doch nur in dem Fall wahr und sicher, wenn man diese Art schwacher und einseitiger Menschen individualiter ins Auge faßt. Sobald sie als Masse, als Corps, als Orden, als Clique, als Sekte zusammenstehen und also auftreten, geht auch bei den einzelnen Gliedern dieser Verhältnisse das Gefühl ihrer individuellen Schwäche, das den Fundamenten der wahren Liebe und des wahren Glaubens so wesentlich und dem reinen Streben nach Stärkung mangelnder und nach Wiederherstellung verlorener Kräfte so notwendig ist, auch in ihnen verloren. Auch sie fühlen sich als Masse, als sinnliche menschliche, d.i. als tierische Kraft belebt, geistig und bürgerlich stärker, als sie sind, und der Widerspruch des frommen Gefühls ihrer Schwäche mit dem belebten Gefühl ihrer Massenkraft und ihrer Massenansprüche erzeugt auch bei ihnen eine Gemütsstimmung, die sie individualiter in ihrer Schwäche gar leicht zu einem innerlich belebten, heuchlerischen Selbstbetrug hinführt, der sie stolz auf ihre Massenkraft und leidenschaftlich, feindselig und verleumderisch gegen alle Menschen macht, deren Meinungen und Urteile nicht mit den Meinungen und Urteilen, die sie als Masse und als Sekte vereinigen, übereinstimmen, wodurch sich die wahre Kraft und der stille fromme Sinn nach Stärkung ihnen individualiter mangelnder und nach Wiederherstellung in ihnen verlorener Kräfte nicht bloß abschwächt, sondern noch dahin wirkt, die rohen Gefühle stolzer Anmaßung und den harten Sinn gewalttätiger Handlungen in ihnen zu erzeugen, aus dem auch die Verstockung der Weltkinder, die zur gänzlichen Unfähigkeit des reinen, wahren Strebens nach Stärkung abgeschwächter und nach Wiederherstellung verlorener Kräfte hinführt, hervorgeht. Der Esprit du corps geht in religiöser, wie in bürgerlicher Hinsicht nicht aus dem Sinn des Geistes, er geht aus dem Sinn des Fleisches hervor, und spricht sich in seinen endlichen Resultaten mit den einseitig belebten Resultaten überwiegender geistiger oder physischer Kräfte ganz gleich aus. So wichtig ist der Einfluß der Idee der Elementarbildung auf die Bildung des Gleichgewichts der menschlichen Kräfte auch in religiöser Hinsicht.

Unterschiedliche Unterrichtsmittel hinsichtlich Entfaltung und Anwendung

Ich gehe weiter und fasse jetzt die Idee der Elementarbildung in Rücksicht auf den ganzen Umfang der Ansprüche ihrer Unterrichtsmittel ins Auge. Ihre Naturgemäßheit fordert allgemein die höchste Vereinfachung ihrer Mittel, und es ist bestimmt von diesem Gesichtspunkt, wovon der Ursprung aller meiner pädagogischen Lebensbestrebungen wesentlich ausging. Ich wollte und suchte im Anfange dieser Bestrebungen durchaus nichts anderes, als die gewohnten und allgemeinen Unterrichtsmittel des Volks im höchsten Grad zu vereinfachen und dadurch ihre Ausübung, ihren Gebrauch den Wohnstuben des Volks allgemein näher zu bringen. Diese Ansicht führte natürlicherweise zur Organisierung von Reihenfolgen von Unterrichtsmitteln, die in allen Fächern des Kennens und Könnens des Menschengeschlechts, von höchst einfachen Anfangspunkten ausgehend, in lückenlosen Stufenfolgen vom Leichteren zum Schwereren hinführen, mit dem Wachstum der Kräfte der Zöglinge gleichen Schritt haltend, immer belebend und nie ermattend und erschöpfend aus ihm selbst hervorgehen und auf ihn einwirken. Die Möglichkeit einer unverwirrten, rein psychologischen Ausführung dieses Grundsatzes setzt wesentlich die Anerkennung des Unterschiedes zwischen den immer sich selbst gleichen, von ewigen Gesetzen ausgehenden Entfaltungsmitteln der menschlichen Grundkräfte und den Mitteln der Einübung und Abrichtung zu den Kenntnissen und Fertigkeiten, die die Anwendung der gebildeten Entfaltungskräfte anspricht, stattfindet. Diese letzten Mittel sind sämtlich in ihrem ganzen Umfange so verschieden als die Gegenstände der Welt, auf deren Erkenntnis und Benutzung unsere Kräfte angewandt werden, eben wie die Lage und Umstände der Individuen, die diese gebildeten Kräfte anwenden wollen und müssen, verschieden sind. Es ist aber die Aufgabe der Elementarbildung, den Folgen des verwirrenden Einflusses dieser Verschiedenheit durch den vorherrschenden Einfluß der ewig sich selbst gleichen Entfaltungsmittel unserer Kräfte vorzubeugen und zu diesem Endzwecke die Mittel der Anwendung unserer Kräfte denjenigen ihrer Entfaltung unterzuordnen und von ihnen abhängig zu machen. Sie tut dieses vorzüglich dadurch, daß sie im ganzen Umfange der Mittel zur Entfaltung und Anwendung unserer Kräfte jeden Schritt ihres diesfälligen Einflusses im Kinde zu vollenden sucht, ehe sie in ihren Übungen einen Schritt weiter geht. Dadurch bringt sie, beides, sowohl durch die Entfaltungsübungen der Kräfte als durch ihre Anwendungsübungen ein geistiges Streben nach Vollendung im Zögling hervor, das nicht nur geeignet ist, die Wirkung der elementarischen Entfaltungsmittel der Kräfte mit derjenigen der Ausbildung ihrer Anwendungsfertigkeiten in die innigste Übereinstimmung zu bringen, sondern auch das Streben nach Vollendung ihm in allem Tun des Lebens allgemein habituell zu machen.

Die Idee der Elementarbildung als Ideal

Ich berühre die vielseitigen Folgen dieses Gesichtspunkts jetzt noch nicht. Ich fasse, ehe ich weiter gehe, vor allem aus die Frage ins Auge: Ist die Idee der Elementarbildung nicht ein Traum? Ist sie das Fundament eines wirklich ausführbaren Gegenstandes? Ich höre die Frage laut und vielseitig an mich gelangen: Wo ist sie in ihrer Wirklichkeit?

Ich antworte: Allenthalben und nirgends. Allenthalben in einzelnen Belegen ihrer Ausführbarkeit. Nirgends in ihrer Vollendung. Als eine, in ihrem Umfang eingeführte und in ihren Mitteln organisiert dargestellte Methode ist sie nirgends. Es existiert keine, in ihrem Umfange elementarisch organisierte Schule; es existiert kein solches Institut. Das Wissen und Können unseres Geschlechts ist in allen seinen Fächern Stückwerk, und auch das Höchste und Beste unserer Kultur bildet und organisiert sich nur stückweise; der Mensch geht in jedem einzelnen Teil seiner sich nur stückweise bildenden Kultur bald vorwärts, bald wieder zurück. Es wird und kann kein Zustand entstehen, der den Ansprüchen dieser großen Idee je allgemein ein Genüge leisten wird. Die Menschennatur hat unüberwindliche Hindernisse der allgemeinen und in ihren Mitteln vollendeten Ausführung dieser Idee in sich selbst, und die menschliche Schwäche unseres Geistes und unseres Herzens, deren göttliches, inneres Wesen in der Hülle unseres vergänglichen Fleisches und Blutes wallet, läßt unser Geschlecht in keinem Stück seiner Ausbildung eine unbedingte Vollendung erreichen. Auch der kraftvollste Mensch muß in jeder seiner Bestrebungen zu irgendeiner Art seiner Ausbildung mit Paulus aussprechen: „Nicht daß ich's schon ergriffen habe, ich jage ihm aber nach, ob ich's auch ergreifen möge.“[13] Und wenn dieses vom einzelnen Menschen wahr ist, so ist es noch unendlich mehr von allen kollektiven Kulturbestrebungen unseres Geschlechts wahr. Ewig kann kein Institut, keine Anstalt, wenn sie äußerlich auch mit fürstlichen und mit diesen ähnlichen sittlichen und geistigen Hilfsmitteln belebt und unterstützt wäre, dahin gelangen, die Idee der Elementarbildung als eine, in ihren Mitteln vollendete Erziehungs- und Unterrichtsmethode für alle Stände praktisch allgemein im Lande einzuführen und anerkennen zu machen. Ich wiederhole es, die Menschennatur steht der vollendeten, allgemeinen Einführung dieser hohen Idee mit unwiderstehlicher Kraft entgegen. All' unser Wissen und all' unser Können ist Stückwerk und wird bis ans Ende der Tage Stückwerk bleiben, und jeder Vorschritt unseres Wissens und unseres Könnens und selber unseres Wollens wird in Ewigkeit, aus dem beschränkten Vorschritt einzelner Menschen und einzelner Verbindungen hervorgehend, ein Stückwerk unseres Wissens und unseres Könnens bleiben, und hinwieder individualiter den hierin vorzüglich fortschreitenden Menschen selber Hindernisse der Näherung zur Vollendung des Stückwerks, in dem sie sich auszeichnen, in den Weg legen.

Wir müssen es geradezu aussprechen: Eine der Idee der Elementarbildung in ihrer Vollendung genugtuende Erziehungs- und Unterrichts-Methode ist nicht denkbar. Setze auch ihre Grundsätze noch so klar ins Licht, vereinfache ihre Mittel aufs höchste, mache die innere Gleichheit ihrer Ausführung auch noch so heiter, es ist keine äußere Gleichheit ihrer Ausführungsmittel denkbar. Jeder einzelne Mensch wird diese Mittel nach der Verschiedenheit seiner Individualität anders als jeder andere, dessen Individualität mit der seinigen nicht harmoniert, ausführen. Der eine wird die Kraft zur Ausführung der Idee in seinem Herzen finden und ihr mit dem edlen Drange seiner Liebe entgegenstreben; der andere wird diese Kraft in dem geistigen Übergewicht seiner Individualität erkennen und sich den Weg zur Erreichung seines Ziels durch die Wahrheit und Richtigkeit der Begriffe, die zu demselben führen, anzubahnen suchen. Wieder ein anderer wird diesen Weg durch das Übergewicht der Kunst- und Berufskräfte, die er in sich selber fühlt, anzubahnen suchen; und es ist wahrlich gut, daß es so ist. Es gibt Genies des Herzens, es gibt Genies des Geistes und der Kunst. Gott hat sie geschaffen. Er hat einigen von ihnen ein millionenfaches, aber einseitiges Übergewicht über ihre Mitmenschen gegeben. Sie sind die Millionäre der inneren Mittel der sittlichen, geistigen und physischen Kräfte unseres Geschlechts, und auch im Inneren ihres Fühlens, Denkens und Handelns von allen Ansprüchen der individuellen Selbstsucht belebt, die wir an den Geld- und Gewaltsmillionären, welche in unsrer Mitte leben, zu bemerken alle Tage Gelegenheit finden. Sie haben in der Verschiedenheit ihrer aus der Natur ihres speziellen Kraftübergewichts hervorgehenden ungleichen Ansprüche, eben wie die Geldmillionäre, eine Stufenfolge von Anhängern, die, vom Interesse für die Erhaltung des Übergewichts ihrer einseitigen Kraft belebt, in Opposition mit den Ansprüchen des Übergewichts entgegengesetzter Kräfte stehen, deren Folgen notwendig dahin wirken müssen, daß jedes Übergewicht einzelner Kräfte zur Erhaltung des Gleichgewichts aller, aber zugleich zur Erhaltung der Schranken und Hemmungen des Stückwerks in den Vorschritten jeder einzelnen Kraft und im ganzen Umfange ihrer Mittel beizutragen von der Menschennatur selbst hingelenkt wird und an dessen Anerkennung die Naturgemäßheit aller Vorschritte unseres Wissens und Könnens und mithin auch alle Realität des Segens, der aus diesem Wissen und Können unseres Geschlechts hervorgeht, gebunden ist.

So lange wir dieses nicht erkennen, müssen wir die Idee der Elementarbildung bloß als einen Traum menschlicher Verirrungen ansehen und ihre Ausführung im ganzen Umfang ihrer Zwecke als unmöglich anerkennen. Sobald wir aber das Ziel der Elementarbildung an sich als das Ziel aller menschlichen Kultur ansehen und die Naturgemäßheit der Vorschritte alles unseres Wissens aus der Natur des Stückwerks hervorgehend anerkennen, das unserem Wissen und Können allgemein unübersteigliche Schranken setzt, so fällt uns das Ziel dieser großen Idee als das Ziel des Menschengeschlechts in die Augen, und damit fällt denn auch der Anspruch unserer Blindheit, daß sie ein eitler Traum menschlicher Verirrung und an sich unausführbar sei, von selbst weg.

Nein, was das Ziel meines Geschlechts ist, macht das Danach-zu-streben mir zur Pflicht, und was die Pflicht meines Geschlechts ist, kann ewig nicht unausführbar und unerreichbar sein und darf nicht dafür angesehen werden. Und das ist wahrlich mit der Idee der Elementarbildung, wenn sie richtig und in ihrer Reinheit ins Auge gefaßt wird, der Fall. So wie es wahr und unwidersprechlich ist, daß sie in den Formen und Gestalten ihrer Ausführung als Methode das Ziel ihrer inneren Vollendung nie erreichen wird, so ist ebenso gewiß, daß das Streben nach diesem Ziel allgemein in der unverkünstelten - ich möchte beinahe sagen: in der kulturhalber unverhunzten – Menschennatur liegt und daß wir den Grad der Kultur, zu dem sich die zivilisierte Welt in sittlicher, geistiger und physischer Hinsicht erhoben, diesem allgemein in der Menschennatur liegenden Streben zu danken haben. Jeder Grundsatz einer naturgemäßen Erziehung, jedes naturgemäße Mittel irgendeines Unterrichtsfaches ist ihr Werk. Ich sage noch einmal, diese hohe Idee ist allenthalben und nirgends. So wie sie in ihrer Vollendung nirgends ist, so ist sie im Stückwerk ihrer Erscheinungen und ihres Nachstrebens allenthalben sichtbar. Ihre allgemeine Mißkennung ist Mißkennung alles Göttlichen und Ewigen, das in der Menschennatur liegt. Dieses Göttliche und Ewige aber ist in seinem Wesen die Menschennatur selbst. Es ist in seinem Wesen das einzige wahre Menschliche in unserer Natur, und die Naturgemäßheit der Bildungsmittel unseres Geschlechts, die die Idee der Elementarbildung anspricht, ist in ihrem Wesen ebenso nichts anderes als die Übereinstimmung dieser Mittel mit den unauslöschlichen Fundamenten des ewigen, göttlichen Funkens, der in unserer Natur liegt, der aber auch ewig mit dem sinnlichen Wesen unsrer tierischen Natur im Widerspruch und im Kampfe steht.

Die sinnliche Selbstsucht ist das Wesen der tierischen Natur, und was aus ihr hervorgeht und mit ihren Reizen belebt ist, ist, rein menschlich ins Auge gefaßt, naturwidrig. Daher sind freilich die Ansprüche der Idee der Elementarbildung die wesentlichen Ansprüche der wahren Naturgemäßheit, die aus dem Geist und Leben unserer inneren Natur hervorgehen und mit dem ganzen Gewebe der tierischenVerkünstelungsmittel[14] unseres Geschlechts und ebenso mit der sinnlichen Allmacht der tierisch eingewurzelten Unnatur und Widernatur, die aus dem Übergewicht der Herrschaft des Fleisches über den Geist hervorgehen, im ewigen Widerspruche. Der Sinn der Welt, das Übergewicht der Aufmerksamkeit auf die Bildungsmittel der kollektiven Existenz unseres Geschlechts über diejenigen ihrer individuellen[15], ist dem Wesen der Ansprüche der Elementarbildung und dem Einfluß ihrer naturgemäßen Mittel im ganzen Umfang ihrer wahren Bedeutung entgegen. Sie kann nicht anders. Die Bildungsmittel der kollektiven Existenz unseres Geschlechts sprechen durch ihr Wesen mehr physische als sittliche und geistige Kraft, Kunst und Anstrengung an. Der Sinn des Fleisches ist dem Sinn des Geistes unter allen Formen und unter allen Gestalten zu unterwerfen, und der Geist der Idee der Elementarbildung führt im Wesen und im ganzen Umfang seiner Bestrebungen zur ernsten und belebten Anerkennung des Bedürfnisses dieser Unterwerfung.

Fasse ich den ganzen Umfang meiner Bestrebungen für die Anerkennung der Idee der Elementarbildung ins Auge, so kann ich mir nicht verhehlen, diese Idee lag in mir im Gefühl des unaussprechlichen Mangels ihres Daseins in den Anfangsmitteln der Volksbildung aller Stände. Sie führte mich mit unaussprechlicher Gewalt zu unauslöschlich in mir belebten Bestrebungen für die Vereinfachung der gemeinen, üblichen Formen des Volksunterrichts, als dem vorzüglichsten Mittel, dem üblen Zustand desselben in allen Ständen mit gesichertem Erfolge entgegenzuwirken. Aber sie, diese hohe Idee, lag in mir vorzüglich als das Produkt eines gutmütigen, liebevollen Herzens, mit unverhältnismäßiger Schwäche der Geistes- und Kunstkraft, welche dem diesfälligen Streben meines Herzens einen bedeutenden Einfluß auf die reelle Beförderung dieser hohen Idee hätte geben können.

Sie lag in mir als das Produkt einer äußerst belebten Traumkraft, die in der Gewalt des diesfälligen Routineganges der Welt, wie er in meinen Umgebungen dastand, keine wirklich bedeutende Realresultate hervorbringen konnte, sondern vielmehr als die Erscheinung eines Kindes, das sich mit den kraftvollen Zeitmännern, die das Gegenteil von den Bestrebungen seiner Traumsucht wollten und ausübten, in einen Kampf einließ, in dem es in dem Grad unterliegen mußte, als es in träumerischer Standhaftigkeit darin verharrte, anzusehen war. Meine Bestrebungen konnten unter diesen Umständen natürlich keine bedeutendere Realwirkungen hervorbringen, als die zum Teil lebhaften und schimmernden, aber im allgemeinen folgenlosen Anregungsresultate, die sie wirklich hervorbrachten. Die naturgemäßen Bildungsmittel unseres Geschlechts, die aus dem Sinne des Geistes hervorgehen, sprechen auf der anderen Seite die Individuen desselben allgemein in dem Grad an, als dieser Sinn des Geistes in ihm belebt ist. Sie müssen ihn in diesem Grad ansprechen.

So wie die Unnatur und Widernatur des Weltsinnes und aller verderblichen Folgen seiner Selbstsucht durch die Reize der sinnlichen Befriedigung allgemein ansteckend auf die tierische Natur unseres Geschlechts einwirkt und vermöge des tierischen Triebes der Nachahmung und der Allgewalt der Routinekraft des Esprit du corps ansteckend ist, so wirkt die Naturgemäßheit der Elementarbildung und aller ihrer Mittel, wo sie immer in der Wahrheit und im Segen ihrer Gemeinkraft wahrhaft dasteht, allgemein ergreifend und anziehend auf den Sinn des Geistes, wo dieser immer innerlich belebt dasteht. Sie wirkt allgemein auf die Empfänglichkeit sittlicher und geistiger Reize und auf die Unschuld und Unbefangenheit, aus der diese Empfänglichkeit wesentlich hervorgeht. Sie, die Elementarbildung, ist auch dadurch geeignet, den Reizen und Folgen der Unnatur und Widernatur in den Bildungs- und Belebungsmitteln unseres Geschlechts mit Erfolg entgegenzuwirken. Die Erfahrung aller Kultur unseres Geschlechts spricht diese ergreifende und anziehende Kraft der Natur-Gemäßheit der Bildungs- und Belebungsmittel unserer Kräfte oder, welches ebensoviel ist, die Idee der Elementarbildung und ihrer Mittel, wo sie immer mit der Unschuld und Unbefangenheit unseres Geschlechts in Berührung kommt, in allen Epochen ihrer Geschichte mit der unzweideutigsten Bestimmtheit aus. Aber man muß ihrem Dasein nicht im Traum der Möglichkeit ihrer allgemeinen und allseitig vollendeten Erscheinung, sondern in den allenthalben angeregten, unvollendeten, aber mehr und minder ihrer Vollendung nachstrebenden und sich ihr nähernden Bruchstücken nachspüren, und so fällt ihr Dasein dem Forscher in tausend und tausend stillen Erscheinungen als die Unschuld und Reinheit des menschlichen Herzens anziehend und ergreifend ins Auge.

Das Leben bildet

Ich fasse die Resultate unserer die Erforschung des tiefen Eingreifens der Elementarbildungsmittel auf die Menschenbildung bezweckenden Versuche mit dem großen Fundamentalgrundsatz alles naturgemäßen Erziehungswesens, mit dem Grundsatz: „Das Leben bildet“, in sittlicher, geistiger und physischer Hinsicht ins Auge.

In sittlicher Hinsicht (Herz)

a) In sittlicher Hinsicht knüpft sich die Idee der Elementarbildung an das Leben des Kindes dadurch an, daß sie den ganzen Umfang ihrer Bildungsmittel aus dem dem Menschengeschlecht allgemein innewohnenden und ursprünglich instinktartig belebten Vater- und Muttersinn der Eltern und aus dem im Kreise des häuslichen Lebens ebenso allgemein belebten Bruder- und Schwestersinn hervorgehen macht. Es ist unstreitig, daß Glauben und Liebe, die wir als die göttlich gegebenen, ewigen und reinen Anfangspunkte aller wahren Sittlichkeit und Religiosität anerkennen müssen, im Vater- und Muttersinn der häuslichen Verhältnisse, folglich im wirklichenLeben des Kindes, den Ursprung ihrer naturgemäßen Entfaltung und Bildung zu suchen haben. Unsere Anstalt kann sich freilich nicht rühmen, hierin mit Kindern von der Wiege auf selbst Erfahrungen gemacht zu haben.

Aber es ist dennoch gleich gewiß, daß die Mittel der Idee der Elementarbildung durch ihre Einfachheit allgemein geeignet sind, in sittlicher Hinsicht von der Wiege auf benutzt zu werden, und zwar weit früher und ergreifender, als in geistiger und Kunst-Hinsicht. Das Kind liebt und glaubt[16], ehe es denkt und handelt, und der Einfluß des häuslichen Lebens reizt und erhebt es zu dem inneren Wesen der sittlichen Kräfte, die alles menschliche Denken und Handeln voraussetzen. Und was wir, ungeachtet des Mangels von Erfahrungen mit Wiegenkindern, von unsern diesfälligen Versuchen mit verschiedener Überzeugung sagen können, ist dieses: Die Einfachheit aller elementarischen Bildungsmittel, die jedes Kind auf der Stufe der Erkenntnis, auf der es steht, fähig macht, das, was es kennt und weiß, jedem anderen Kinde mitzuteilen und einzuüben, hat in sittlicher Hinsicht ihre Kraft auch in unserer Mitte vielseitig bewährt und im Kreise unseres Hauses die Belebung des brüderlichen und schwesterlichen Sinnes und in Rücksicht auf die daraus herfließende, gegenseitige Liebe und Zutrauen in verschiedenen Epochen unsers Zusammenseins Resultate hervorgebracht, die vor unseren Augen viele edle Seelen, welche dieselben gesehen, überzeugt haben, daß unsere diesfälligen Bestrebungen geeignet sind, die Bildungskräfte des häuslichen Lebens für die Erziehung in sittlicher Hinsicht in einem Grad zu stärken und zu bilden und dem Gang der Natur in der Entfaltung unserer Kräfte von dieser Seite mit entschiedenem Erfolg und auf eine Weise näher zu bringen, wie wir dieses in unserer, durch verhärtete Verkünstelung so vielseitig und allgemein zur Unnatur versunkenen Zeit in allen Ständen sehr dringend bedürfen, aber auch in allen sehr schwer zu erzielen vermögen.

In intellektueller Hinsicht (Kopf)

 

Äussere Anschauung

b) In intellektueller Hinsicht spricht die Idee der Elementarbildung dem Erziehungsgrundsatze „das Leben bildet“ ebenso das Wort. So wie die sittliche Bildung wesentlich von der inneren Anschauung[17] unserer selbst, d.i. von Eindrücken, die unsere innere Natur belebend ansprechen, ausgeht, so geht die Geistesbildung von der Anschauung von Gegenständen aus, die unsere äußeren Sinne ansprechen und beleben. Die Natur knüpft den ganzen Umfang der Eindrücke unsrer Sinne an unser Leben. Alle unsere äußeren Erkenntnisse sind Folgen der Sinneneindrücke desselben. Selbst unsere Träume gehen aus denselben hervor. Der in allen unseren Kräften liegende Selbsttrieb zur Entfaltung der Kräfte unserer Sinne und Glieder macht uns unwillkürlich sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen, greifen, gehen usw. Aber unser Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Gehen, Greifen ist nur insoweit bildend für uns, als es die Kräfte unseres Auges zum richtig sehen, die Kräfte unsers Ohres zum richtig hören usw. hinführt. Diese Bildung zum richtig hören, sehen, fühlen usw. hängt von der Vollendung, von der Reifung der Eindrücke, welche die Anschauungsgegenstände der Welt auf unsere Sinne gemacht haben, ab. Wo immer der Eindruck einer Anschauungserkenntnis nicht vollendet in unseren Sinnen gereift ist, da erkennen wir den Gegenstand selber nicht im Umfang der Wahrheit, in der er vor unseren Sinnen steht. Wir erkennen ihn nur oberflächlich. Seine Erkenntnis ist nicht bildend.

Häusliches Leben

Sie ergreift den Bildungstrieb unserer Natur nicht im ganzen Umfang seines Wesens und seiner Kraft. Seine Folgen sind deswegen auch nicht befriedigend für unsere Natur, und was in seinen Wirkungen für die Menschennatur nicht befriedigend ist, das ist in seinen Ursachen und Mitteln insoweit nicht naturgemäß begründet. So wie die sittliche Bildung im instinktartigen Vater- und Muttersinn einen göttlich gegebenen Mittelpunkt ihrer naturgemäßen Entfaltung hat, so muß auch die geistige Bildung von einem Mittelpunkt ausgehen, der geeignet ist, die Anschauungserkenntnis, die wir uns durch unsere Sinne verschaffen, zu einer Reifung und zu einer Vollendung zu bringen, die unsere Natur befriedigt. Sie wird nur dadurch bildend, sie wird nur dadurch naturgemäß.

Fragen wir uns aber jetzt: Wo ist dieser Mittelpunkt, in welchem die Anschauungserkenntnisse unseres Geschlechts, d.h. der ganze Umfang der sinnlichen Fundamente unsrer Geistesbildung hierfür vereinigt ist? – so finden wir, es ist offenbar kein anderer als der Kreis des häuslichen Lebens, den das Kind von der Wiege an vom Morgen bis am Abend anzuschauen gewohnt und soviel als genötigt ist. Es ist unstreitig die Wiederholung der Anschauung der Gegenstände, es ist die öftere und vielseitige Erscheinung dieser Gegenstände vor den Sinnen des Kindes, die den Eindruck ihrer Anschauung bei ihm zur Reifung und Vollendung zu bringen vermag. Auch ist ebenso wahr, daß die Wohnstuben der Menschen, die noch eine Wohnstube[18] haben, dieser Mittelpunkt ist, und daß überhaupt außer dem Kreis des häuslichen Lebens kein Ort ist, in welchem die Gegenstände der Anschauung dem Kinde von der Wiege an so anhaltend, so ununterbrochen, so vielseitig und die Menschennatur so sehr in allen ihren Ansprüchen ergreifend vor die Sinne kommen, und folglich naturgemäß bildend auf dieselbe einwirken.

Unterscheidung zwischen allgemeiner Kräfteentfaltung und Erwerb von Anwendungsmöglichkeiten

Es ist in diesem Kreise, wo sich auch das Bedürfnis, die Entfaltungsmittel der menschlichen Kräfte von der Einübung der Kenntnisse und Fertigkeiten, deren jedes Kind nach seiner Lage und nach seinen Umständen individualiter bedarf, gesondert ins Auge zu fassen, so natürlich und einfach ausspricht, und hinwieder die Objekte der speziellen Anwendungsfertigkeiten, die es individualiter braucht, sich gleichsam von selbst an die in ihm entfalteten Grundkräfte, aus denen die Bildung der Anwendungsfertigkeiten naturgemäß hervorgehen muß, anschließen. Und da die ersten, die Entfaltungsmittel der menschlichen Kräfte, in allen Ständen und in allen Verhältnissen in ihrem Wesen die nämlichen sind und sein müssen und hingegen die Mittel der Bildung der Anwendungsfertigkeiten unseres Geschlechts unter sich unendlich verschieden sind, so ist der Grundsatz „das Leben bildet“ in dieser Rücksicht nach zwei verschiedenen Gesichtspunkten ins Auge zu fassen.

Es fragt sich nämlich erstlich: Auf welche Weise ist der Einfluß des Lebens geeignet, die Kräfte der Menschennatur naturgemäß zu entfalten? und zweitens: Inwieweit ist sein Einfluß geeignet, die Anwendungsfertigkeiten der entfalteten Kräfte des Kindes in ihm naturgemäß auszubilden? Die Antwort ist einfach. Es entfaltet die menschlichen Kräfte, auch unter den verschiedensten Umständen, unter denen sich das Kind befindet, nach ewigen, unveränderlichen Gesetzen, die in ihrem naturgemäßen Einfluß auf das Kind, das im Staube kriecht, und auf den Sohn des Throns die nämlichen sind und auf die nämliche Weise auf die Menschennatur einwirken. In Rücksicht auf die Anwendung der Kräfte wirkt das Leben hinwieder auf jedes Individuum, das es bildet, vollends in Übereinstimmung mit der Verschiedenheit der Umstände, Lagen, Verhältnisse, in denen sich das Kind, das gebildet werden soll, befindet, und ebenso in Übereinstimmung mit der Eigenheit der Kräfte und Anlagen des Individuums, das hierfür gebildet werden soll, ein. Sein letzter Einfluß ist also in dieser Rücksicht unaussprechlich verschieden.

Daraus folgt weiter, was die Kunst der Elementarbildung in ihrer Handbietung zur naturgemäßen Entfaltung der Anschauungskräfte der Kinder von der Wiege an beizutragen vermag und zu tun hat, und das ist nichts anderes, als die Anschauungsgegenstände des häuslichen Lebens dem Kind von der Wiege an reizend, kraftvoll und ansprechend vor die Sinne zu bringen und dadurch im reinen Sinn des Worts bildend auf dasselbe einwirken zu machen, so daß die elementarischen Bildungsmittel der Anschauungskraft im Grunde nichts anderes sind als psychologische Belebungsmittel des Selbsttriebs der Anschauungskraft, der ihr, wie jeder anderen Kraft der Menschennatur, zu ihrer selbständigen Entfaltung allgemein innewohnt. Sie sind nichts als Resultate der menschlichen Sorgfalt, die Eindrücke der Anschauungsgegenstände durch Festhaltung und Belebung für das Kind bildend zu machen.

Entfaltung der Sprachkraft

Ich gehe weiter. Die elementarische Kunst der naturgemäßen Ausbildung der Anschauungskraft ruft, vermöge ihres Wesens, der naturgemäßen Entfaltung der Sprachkraft, d.h. die bildend belebten Eindrücke der Anschauungsgegenstände rufen, vermöge ihres Wesens, der menschlichen Kraft, sie ausdrücken zu können, sie rufen der menschlichen Sprachkraft.

Die naturgemäße Ausbildung dieser Kraft ist durch ihr Wesen an den Gang der Natur in der Entfaltung der Anschauungskraft gebunden. Sie steht mit ihr im innigsten Zusammenhang und muß in Rücksicht auf die Organisation ihrer Ausbildungsmittel im innigsten Zusammenhang mit den Mitteln, die der Entfaltung der Anschauungskraft eigen sind, ins Auge gefaßt werden. So wie die Bildung der Anschauungskraft, also geht auch die Bildung der Sprachkraft vom Leben aus. Der Grundsatz „das Leben bildet“ ist in Rücksicht auf ihre Ausbildung ebenso wahr und ebenso eingreifend und bedeutend, als in Rücksicht auf die Ausbildung der Anschauungskraft. Es ist unstreitig: Der Gang der Natur in der Entfaltung der letzten geht durchaus, wie ihr Gang in der Entfaltung der ersten, vom Leben aus, und ihre Ausbildung ist nur dadurch und nur insoweit naturgemäß, als sie dieses tut, d.h. als sie mit diesem großen, allgemeinen und göttlich gegebenen Fundament der Menschenbildung in Übereinstimmung steht. Und ebenso gewiß ist, daß diese Übereinstimmung nur durch die Ankettung des ganzen Umfangs aller ihrer Mittel an das häusliche Leben, folglich an den ganzen Umfang der Anschauungserkenntnisse dieses Lebens wahrhaft erzielt werden kann, welche Erkenntnisse im Kinde mit bestimmten Begriffen vorher schon da sein sollen, ehe man das willkürliche Wortzeichen, das dieselben in jeder Sprache verschiedenartig ausdrückt, ihm in den Mund legt.

Wider das „Maulbrauchen“

Sowie man anfängt, dem Kinde leere Wörter, als wären sie Sacherkenntnisse oder Erlernungsmittel von Sacherkenntnissen, in den Mund zu legen und seinem Gedächtnis einzuprägen, von denen es weder durch die Gefühle seiner inneren Natur, noch durch die Sinneneindrücke seines äußeren Lebens ein Realfundament ihrer wirklichen Bedeutung in sich selbst trägt, so geht man offenbar in der Ausbildung der Sprachkraft vom Grundsatz „das Leben bildet“ ab, und indem man dieses tut, legt man ins Kind den Grundstein aller Verkehrtheit und aller Unnatur im Gebrauch der göttlichen Gabe der Sprachkraft. Man legt in dasselbe den Grundstein aller Anmaßung und aller Verhärtung, und damit den Grundstein zu dem größten Unglück unserer Tage, zu der Unnatur, die aus der Oberflächlichkeit aller Erkenntnisse und aus den Lügen unserer diesfälligen Ausdrücke hervorgeht und unser Geschlecht dahin führt, in den Sumpf aller Irrtümer, aller Anmaßungen und aller Selbstsucht zu versinken, die der Oberflächlichkeit der menschlichen Erkenntnisse in allen Formen und in allen Verhältnissen eigen sind, deren Folgen aber auch unser Zeitalter in allen Formen und in allen Verhältnissen leidend erkennt.

Stellung der Sprachlehre

Die Sprachlehre erscheint in Rücksicht ihres diesfälligen Zusammenhangs mit dem Grundsatz „das Leben bildet“ eigentlich als ein Anwendungsmittel der Anschauungserkenntnisse, dessen Bestimmung dahin geht, diesen letzten einen höheren Grad ihrer Brauchbarkeit zu verschaffen. Ihre Kunst geht wesentlich und notwendig von der Benennung der Gegenstände, von den Objekten der Anschauung aus und knüpft sich an die Beschaffenheitsveränderungen, an das Leiden und Wirken, d.i. an die Adjektive und Verben, die diese Beschaffenheiten, Veränderungen, dieses Leiden und dieses Wirken der Objekte ausdrücken, an. Je ausgedehnter und bestimmter die Anschauungserkenntnisse der Objekte, ihrer Beschaffenheiten, ihres Wirkens und Leidens beim Kinde sind, desto ausgedehnter und bestimmter liegen die naturgemäßen Fundamente der Sprachlehre oder vielmehr des naturgemäßen Redenlernens in ihm selber. Je beschränkter und unbestimmter die Anschauungserkenntnisse dieser Objekte und Beschaffenheiten im Kinde liegen, desto beschränkter und verwirrter liegen die echten und soliden Fundamente des naturgemäßen Redenlernens in ihm. Die Sprachlehre ist also bei jedem einzelnen Kind von demGrad der Ausdehnung und Bestimmtheit der Anschauungserkenntnisse, die es besitzt, abhängig, und der Sprachlehrer muß, wenn dem Zögling die seiner Lage und seiner Bestimmung wesentlichen Anschauungserkenntnisse mangeln, ehe er in seinem Sprachunterricht naturgemäß weiter gehen kann, die Lücken der dem Kinde jedes Standes notwendigen, aber mangelnden Anschauungserkenntnisse vor allem aus auszufüllen suchen.

Erwerb der Muttersprache, Teil I

Der naturgemäßeGang des Vorschrittes im Redenlernen, d.h. in der Erlernung der Muttersprache, kann demnach in keinem Fall schneller und in keinem Fall bildender sein, als die Vorschritte des Kindes in seinen Anschauungserkenntnissen es auch sind. So wie das Kind viele Jahre braucht, um die Gegenstände seiner Umgebungen sich von allen Seiten durch ihre Anschauung zum klaren Bewußtsein zu bringen, so braucht es auch viele Jahre, es dahin zu bringen, sich über den Kreis seiner Anschauungen mit Bestimmtheit ausdrücken zu können; und es kann in diesem Erlernen nur in dem Grad naturgemäß fortschreiten, als die Eindrücke der Gegenstände bei ihm in der Anschauung selber durch vielseitige Belebung zu ausgedehnterer Bestimmung gereift (sind). Nur soweit die Natur die Vielseitigkeit und Bestimmtheit der Anschauungseindrücke[19] belebt, nur soweit ist die Kunst, das Kind in den Ausdrücken der Gegenstände naturgemäß fortschreiten zu machen, wahrhaft und wesentlich begründet und beholfen. Die Kunst der naturgemäßen Erweiterung und Belebung der Anschauungseindrücke ist das einzige wahre Fundament aller Mittel, die Erlernung der Muttersprache in ihren Vorschritten naturgemäß zu behelfen. Das äußere der Sprache, die Töne selber, sind ohne belebten Zusammenhang mit den Eindrücken, die ihrer Bedeutung zu Grunde liegen, leere, eitleTöne. Sie werden nur durch das Bewußtsein ihres Zusammenhangs mit den Eindrücken der Anschauungsgegenstände wahre, menschliche Worte. Ihre Anfangsvorbereitung durch das, was das Mutterkind in seinen Umgebungen reden hört, ist lange bloß mechanisch; aber diese mechanische Vorbereitung zum Redenlernen fordert die ganze Aufmerksamkeit der Personen, die auf das Redenlernen des Kindes Einfluß haben.

Die Worte, die das unmündige Kind in seinen Umgebungen hört, werden ihm nur allmählich geistig bildend. Sie machen lange nur, wie das Glockengeläute, der Hammerschlag, sie machen nur wie die Tiertöne und alle anderen Naturtöne, einen sinnlichen Eindruck auf sein Gehör. Aber dieser Eindruck ist für die Sprachlehre bedeutend. Sein Eindruck, als solcher, vollendet sich allmählich im Gehör. So wie er im Gehör vollendet ist, geht er allmählich in die Kraft des Mundes, ihn nachzusprechen, hinüber. Es lernt in diesem Alter eine Menge Worttöne aussprechen, deren Sinn es nicht kennt; aber es ist dadurch vorbereitet, diesen Sinn ohne alles Maß leichter aufzufassen und fester zu behalten, als wenn sie ihm im Mund und Ohr nicht schon geläufig wären. Die Elementarbildung begnügt sich indessen nicht, die Eindrücke, welche die Natur dem Kind zufällig und verwirrt vor die Sinne stellt, zur Ausbildung seiner Sprachkraft, bloß so, wie sie kommen und sich einstellen, zu benutzen; sie dehnt ihren diesfälligen Einfluß auch dahin aus, dieselben wahrhaft nach dem Umfange der wirklichen Bedürfnisse der Menschennatur zu ordnen und ihre Benutzung mit diesen Bedürfnissen in Übereinstimmung zu bringen. Sie muß es. Denn es ist auffallend: So wie es für die Ausbildung des Anschauungsvermögens des Kindes notwendig und gut ist, daß der Kreis seiner Anschauungsgegenstände in seinen Umgebungen für die Entfaltung aller ihm wesentlichen und notwendigen Kenntnisse umfassendund ihmgenugtuend sei, aber durchaus nicht außer die Segensbedürfnisse seiner Lage, Verhältnisse und Kräfte so weit hinausgehe, daß er auf die ihm in seiner Lage und in seinen Verhältnissen notwendigen und wesentlichen Kenntnisse, sie stillestellend, abschwächend, zerstreuend und verwirrend einwirke – ebenso auffallend notwendig ist es, daß der Kreis der Sprachkenntnisse, in dessen Schranken das Kind reden lernen soll, für die Bedürfnisse seiner Lage, Verhältnisse und Kräfte umfassend und genugtuend sei, aber auch nicht über den Kreis der Segensansprüche dieser Verhältnisse so weit hinausgehe, daß er auf die ihm in seiner Lage und in seinen Verhältnissen notwendigen und wesentlichen Kenntnisse, sie stillestellend, abschwächend, zerstreuend und verwirrend einwirke. Dieser Gesichtspunkt ist auf die Entfaltungs- und Bildungsmittel aller menschlichen Kräfte gleich wahr und gleich bedeutend.

Auch das ärmste, auch dasjenige Kind, dessen Lage und Verhältnisse die allerbeschränktesten sind, kann in der Realität, in der Solidität seiner wesentlichen Grundkräfte auf eine naturgemäßeelementarische Weise nie zu weit geführt werden; es kann elementarisch undnaturgemäß nie zu wohlwollend, nie zu verständig, nie zu tätig und arbeitsam gebildet werden. Aber die Bildung der Anwendungsfertigkeiten seines Wohlwollens, seines Denkens und seines Arbeitens muß schon von den ersten Anfangspunkten an, in welchen sich die Kunst in die Erziehung einmischt, fest innerhalb der Schranken, die die Bedürfnisse und Verhältnisse seines wirklichen Lebens ansprechen, gehalten werden. Und hierin ist's, worin die Kunst der Elementarbildung die Anschauungs- und die Spracherkenntnisse in den Kunstmitteln ihrer Erlernung wesentlich zu bewähren geeignet und berufen ist. Alle Kunst der Erziehung muß bei jedem einzelnen Kind als im Dienst seines wirklichen Lebens stehend angesehen werden. Die Kunst der Erziehung darf dasselbe schon in den ersten Stufen seiner Bildung, schon in ihrer Mitwirkung zur Entfaltung seines Anschauungs- und Sprachvermögens nicht zum Nachteil der Bedürfnisse dieses seines wirklichen Lebens zu Anschauungs- und zu Sprachkenntnissen hinführen, die ihm im Kreis dieses Lebens nicht nur nicht anwendbar, sondern vielmehr geeignet sind, den Gang seiner Bildung in den ersten Bedürfnissen ihrer Übereinstimmung mit seinem wirklichen Leben zu verwirren, das Kind für dasselbe zerstreut und kraftlos zu machen und in der Harmonie seines diesfälligen Seins, Tuns und Lebens zu mißstimmen.

So groß sind die Folgen der Anerkennung des Unterschieds der Naturgemäßheit, der zwischen den Entfaltungsmitteln der menschlichen Kräfte und den Ausbildungsmitteln ihrer Anwendungsfertigkeiten auch in Rücksicht auf die Ausbildung seiner Sprachkraft stattfindet. Es ist merkwürdig, wie sehr der Unterschied zwischen den elementarischen Entfaltungsmitteln unserer Kräfte und der elementarischen Ausbildung unserer Anwendungsfertigkeiten mit dem Unterschied des Grads, in welchem die Kunstmittel zur Ausbildung der Anschauungskraft, der Sprachkraft, der Denkkraft und der Kunstkraft den verschiedenen Ständen gegeben werden müssen, im innigsten Zusammenhang steht.

Der innere Zusammenhang dieses gedoppelten Unterschiedes macht es auch auffallend, wie notwendig es ist, daß die Erziehung in den ersten Schritten der Einmischung ihrer Kunst den wahren Gang der Natur sowohl in den Entfaltungsmitteln unserer Kräfte als in den Bildungsmitteln der Anwendungsfertigkeiten derselben mit großer Sorgfalt festhalte und in dem einen sowohl als in dem anderen nicht gegen die Natur anstoße. Die Beruhigung des Menschengeschlechts und der wahre Segen aller Stände ist an die ernste und allgemeine Erkenntnis dieser Wahrheit gebunden. Die Gefahr der Abschwächung und der allmählichen Auflösung der reinsten Bande des gesellschaftlichen Lebens ist eine unausweichliche Folge der Mißkennung dieser Grundsätze in der häuslichen und öffentlichen Erziehung aller Stände.

Fremdsprachen

Ich gehe weiter. Die Naturgemäßheit der Erlernung jeder anderen als der Muttersprache, ist in ihren Mitteln, wie schon oben gesagt, von der Naturgemäßheit der Bildungsmittel der ersten wesentlich verschieden. Ihre ganze Kunst besteht in naturgemäßen Erleichterungsmitteln, die Worttöne der Muttersprache, deren Sinn dem Kind bekannt ist, in Worttöne einer anderen Sprache, die ihm vorher nicht bekannt war, umzuwandeln. Wenn die Kunst dieser Umwandlung in psychologischer und mnemonischer Hinsicht einen naturgemäßen Organismus zu ihrem Fundament hat, so ist sie, mitten indem sie von dem tief verkünstelten Routinegang der gewohnten Sprachlehre gänzlich abweicht, dennoch unendlich leicht. Sie ruht auf dem unbestreitbaren Erfahrungssatze: Das Redenlernen ist an sich und in den Anfängen seiner Einübungsmittel durchaus nicht die Sache der Geistesbildung, sondern des Redenhörens und des Redens selber. Das Bewußtsein aller grammatikalischen Regeln ist hinwieder nichts anderes als ein Probierstein, ob die naturgemäßen Mittel des Redenlernens und des Redenhörens beim Kinde ihren Zweck erreicht und ihm wirklich ein Genüge geleistet haben. Diese Regeln sind in ihrem Wesen bestimmt das Ende eines psychologisch gut geordneten Redenlernens, und bei fernem nicht ihr Anfang. Aber man hat seit langem in Rücksicht auf die Erlernung jeder anderen als der Muttersprache, das Redenlehren der Sprache von der eigentlichen Sprachlehre, deren geistiges Wesen durch die mechanischen Erleichterungsmittel des gemeinen Redenkönnens dem Kinde vorbereitend zum ahnenden Bewußtsein gebracht werden muß, ehe es durch die Erlernung der Regeln darin zur deutlichen Erkenntnis derselben gebracht werden kann und gebracht werden soll, unnatürlich gesondert. Man gibt dieses zwar in Rücksicht auf die lebenden Sprachen hier und da zu; man kann nicht anders als es zugeben; aber man widerspricht ihm in Rücksicht auf die toten Sprachen im höchsten Grade und wird zu diesem entscheidenden Widerspruche vorzüglich dadurch bewogen, weil der Unterricht in den toten Sprachen gegenwärtig wirklich, mitten in der Lückenhaftigkeit und Fehlerhaftigkeit der Routinemittel seiner Anfangspunkte, in unseren Tagen in seinen Resultaten sehr weit und wesentlich fortgeschritten und in seinen höheren Stufen wirklich auf psychologisch tiefer greifende Fundamente gebaut wird.

So richtig aber diese Tatsache auch immer ist, so bleibt dennoch gleich wahr, daß im allgemeinen die niederen Stufen unseres Zeitunterrichts[20] in den alten Sprachen weder in psychologischer noch in mnemonischer Hinsicht als naturgemäß und in dieser Rücksicht als befriedigend angesehen werden können. Das Vorzügliche, das dieselben in den oberen Stufen wirklich haben, hat in den niederen kein psychologisches und mnemonisches, dasselbe genugsam vorbereitendes und naturgemäß anbahnendes Fundament. Ich bin von dieser Wahrheit in dem Grade überzeugt, daß ich es wage, mit Bestimmtheit auszusprechen: Der gegenwärtige Routinegang in der Erlernung der Anfangspunkte der alten Sprachen ist in psychologischer und mnemonischer Hinsicht unnatürlich und naturwidrig. Ich weiß ganz wohl, in welchem Grade dieses Wort im Munde eines Mannes, der weder die alten Sprachen, noch die Vorzüge, zu welchen ihre Unterrichtsweise sich im allgemeinen erhoben, persönlich kennt, als unerträglich und beinahe empörend anmaßlich ins Auge gefaßt werden wird. Aber indem ich auf der einen Seite meine gänzliche Unfähigkeit, die höheren Stufen des Unterrichts in den alten Sprachen zu beurteilen, vollkommen erkenne, und alles, was hieraus natürlich folgt, von Herzen zugebe, darf ich meinem diesfälligen Geständnis auf der anderen Seite mit voller Überzeugung auch beifügen, daß eben diese Unkunde aller Raffinements- und Kunstmittel des Routinegangs im Sprachunterricht mir bei meinen Bestrebungen, die Mittel des Redenlernens wie den ganzen Umfang der Mittel des gemeinen Volksunterrichts zu vereinfachen und den diesfälligen Gang der Natur durch die Kunst psychologisch und mnemonisch zu stärken und für seinen Zweck eingreifend und fruchtbar zu machen, in einem Grad und auf eine Weise behilflich gewesen, auch den Gang der Natur in der Erlernung der toten Sprachen und ihrer psychologischen und mnemonischen Fundamente in seiner Einfachheit tiefer zu erforschen, als dieses mir, wenn ich die alten und neuen Sprachen in den besseren ihrer Routineformen zur höchsten Vollkommenheit erlernt hätte, wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre.

Sprachkraft als Mittelpunkt zwischen Anschauungskraft und Denkkraft

Ich sah sehr bald, daß die Mittel der Geistesbildung, die aus der vereinfachten Zahl- und Formlehre hervorgehen, in ihren wesentlichen Folgen auf die Menschenbildung gelähmt sind und im allgemeinen ohne Wirkung dastehen, wenn sie nicht mit einer ebenso tiefgreifenden Vereinfachung des Sprachunterrichts verbunden sind. Und da ich persönlich auf die tiefere und weitführende Bearbeitung der vereinfachten Zahl- und Formlehre keinen Anspruch machen darf [21], sondern mich in Rücksicht auf die diesfällige, genugtuende Bearbeitung dieser zwei Fächer für gänzlich unfähig erklären muß, so habe ich meine ganze Aufmerksamkeit auf die Mittelstufe, die zwischen der elementarischen Bearbeitung der Entfaltungsmittel der Anschauungskraft und derjenigen der Denkkraft stattfindet, geworfen; und mein ganzes Verdienst, das ich in Rücksicht meines Einflusses auf die Bearbeitung der Idee der Elementarbildung anspreche, bezieht sich einzig auf das Fach des Sprachunterrichts. Ich habe mir dieses Fach allein durch persönliches Nachforschen zu eigen und darin selbständig einzuwirken mich fähig zu machen gesucht. Ich bin also auch über dasselbe weitläufiger, als über diejenigen Fächer der Elementarbildung, die ich nicht in diesem Grad erforscht und nicht einmal sie in diesem Grad zu erforschen mich fähig achten darf.

Die naturgemäßen Mittel des Unterrichts jeder Sprache sind in ihrem Wesen naturgemäße Mittel der Entfaltung und Bildung der Sprachkraft, folglich im innigsten Zusammenhang mit den naturgemäßen Mitteln der Entfaltung der Anschauungskraft. Sie stehen eigentlich in der Mitte zwischen den naturgemäßen Kunstmitteln der Ausbildung der Anschauungskraft und den naturgemäßen Kunstmitteln zur Entfaltung der Denkkraft.

Die Ausbildung der Anschauungskraft, als wesentliches Fundament der Ausbildungsmittel der Sprachkraft, ist in Verbindung mit dieser letzten als wesentliches Fundament der naturgemäßen Ausbildung der Denkkraft anzusehen. Sie, die Sprachlehre, ist also die wesentliche Mittelstufe zwischen dem geistig belebten Wesen der Anschauungskraft und demjenigen der Denkkraft.

Die Bildungsmittel dieser Mittelstufe zwischen beiden sind in ihren Anfangspunkten also wesentlich mechanisch und müssen es sein, und die Sprachkraft ist das, die Eindrücke der Anschauungskraft mit den Entfaltungsbedürfnissen der Denkkraft vermittelnde Organ.

Alle drei Kräfte, die Anschauungskraft, die Sprachkraft und die Denkkraft, sind als der Inbegriff aller Mittel der Ausbildung der Geisteskraft anzuerkennen. Diese letzte findet in der Anschauungskraft den Anfangspunkt, in der Sprachkraft den Mittelpunkt und in der Denkkraft den Endpunkt ihrer naturgemäßen Bildung. Auch redet die Übereinstimmung der Bildungsmittel der Anschauungskraft mit derjenigen der Sprachkraft dieser Ansicht laut das Wort. So wie die ersten, die Bildungsmittel der Anschauungskraft, von den Objekten ausgehen und durch die Erkenntnis ihrer verschiedenen Beschaffenheiten und Wirkungen für die Kraft bildend werden, also geht auch das Mechanische der elementarischen Einübungsmittel der Sprachkraft von Substantiven aus und wird durch Anknüpfung der Adjektive und Verben, die in der Wirklichkeit mit denselben verbunden sind, mechanisch oder mnemonisch mitwirkendes Übergangsmittel der Anschauungskraft zur Begründung der naturgemäßen Ausbildungsmittel der Denkkraft. So wie das große Erziehungswort „das Leben bildet“ im ganzen Umfang seiner Ansprüche in Rücksicht auf die naturgemäße Entfaltung der Anschauungskraft wahr ist, so ist es in Rücksicht auf die naturgemäße Entfaltung der Sprachkraft ebenso wahr und ebenso bedeutend, und zwar in Rücksicht auf diejenigen Folgen, die die Sprachkraft als Mittelstufe der Bildungsmittel zur Entfaltung der Anschauungs- und der Denkkraft gleich hat, gedoppelt. Diese Folgen werden einerseits durch den Zusammenhang und die Ansprüche des inneren, geistigen Wesen unserer Natur mit den ewigen Gesetzen, die der Sprachkraft zu Grunde liegen, bestimmt, und insoweit sind auch ihre Mittel und ihre Resultate ewig unveränderlich und sich selbst gleich; andererseits werden sie durch den Zusammenhang und die Ansprüche der millionenfach verschiedenen Umstände, Lagen, Verhältnisse, Mittel und Kräfte der Individuen, die durch sie gebildet werden sollen, hinwieder bestimmt und sind in dieser Rücksicht in eben dem Grad unter sich ungleich und verschieden. Deswegen ist die Sprachbildung, wenn sie elementarisch gegeben werden soll, in dem Zeitpunkt, in dem das Kind reden lernen muß, in beiden Rücksichten einerseits den ewig gleichen Gesetzen der Sprachkraft, andererseits den unendlich verschiedenen Lagen und Umständen der Kinder, die reden lernen sollen, unterworfen und von ihnen abhängig. Es ist in der Welt kein anderer Anfang des Redenlernens der Muttersprache naturgemäß, aber auch kein anderer möglich.

Bedeutung der konkreten Lebenssituation („Individuallage“)

[22]

Das Redenlernen des Menschengeschlechts geht nicht von der Sprachlehre, die Sprachlehre geht vom Redenkönnen des Menschengeschlechts aus. Es ist indessen aber gar nicht die Ungleichheit der äußeren Sprachformen und Mundarten, es ist die Wahrheit und die Realität der Lagen, Umstände und Verhältnisse, in denen jeder einzelne Mensch lebt[23], es ist die Wahrheit und die Realität der Kräfte und Mittel, die jeder Mensch in dieser Rücksicht besitzt, was bei ihm den großen Unterschied in der Art und Weise, wie bei ihm die Sprachkraft naturgemäß entfaltet werden kann und werden soll, bestimmt; es ist diese Wahrheit und diese Realität des Lebens eines jeden Menschen, was den Kreis des Redenlernens bei den einen naturgemäß ausdehnt und bei den anderen naturgemäß einschränkt. Und was hierin bei den einzelnen Menschen wahr ist, das ist auch bei den einzelnen Klassen und Ständen der Menschen wahr. So wie die Objekte der Anschauung sowohl als die Mittel ihrer geist- und kunstbildendenBenutzung beim landbauenden Manne beschränkter sind als beim städtischen Berufs- und Gewerbsmann, so sind hinwieder die Objekte der Anschauung und die Mittel ihrer geist- und kunstbildenden Benutzung beim städtischen Berufs- und Gewerbsmann beschränkter als diejenigen der Stände und Menschen, die zu einer wissenschaftlichen Laufbahn gebildet werden sollen, und überhaupt als diejenigen der Individuen, deren Umstände sie über das Bedürfnis, für die Begründung oder auch für die Erhaltung des ökonomischen Zustandes ihres Hauses und ihrer Verhältnisse durch persönliche Einschränkung und Aufopferung zu sorgen, mit Sicherheit emporstellen.

Diese unwidersprechliche Wahrheit und Realität des diesfälligen ungleichen Zustandes der menschlichen Stände und Klassen, in Rücksicht auf die Naturgemäßheit der Entfaltung ihrer Sprachkraft, setzt notwendig das Bedürfnis ins Licht, daß die Kunstmittel der Sprachlehre, und zwar sowohl die häuslichen als die öffentlichen, mit den Realfundamenten des wirklichen Lebens der Menschen und Menschenklassen in Übereinstimmung gebracht werden müssen. Es fällt auf, daß sie nur dadurch als naturgemäß und zum wirklichen Segen unseres Geschlechts hinführend angesehen und anerkannt werden können. Die Mittel einer naturgemäßen Ausbildung der Sprachkraft müssen also in jeder dieser drei Klassen und Stände, in Rücksicht auf ihre Ausdehnung und Beschränkung, im allgemeinen notwendig und wesentlich sehr verschieden organisiert werden. Sie müssen in jeder derselben den Bedürfnissen ihrer Lage ein Genüge leisten, aber in keinem derselben in ein Hindernis des Segens und der Beruhigung desselben ausarten. Sie müssen in jedem dieser Stände mit den ihm in sittlicher, geistiger und Kunsthinsicht notwendigen und zu Gebote stehenden Anschauungsgegenständen verbunden werden und zur sicheren Begründung des Segenseinflusses derselben durch Übereinstimmung mit ihnen einwirken.

(a.) So wie die Kinder des Staubes und die ganze Klasse unbegüterter Landbauern in Rücksicht auf ihre Sprachbildung sich über alles dasjenige, was ihren Beruf, ihre Pflicht und ihre Verhältnisse betrifft, mit Bestimmtheit aus(zu)drücken lernen müssen, so müssen sie auch in religiöser Hinsicht dahin gebracht werden, sich über das Erhebende und Bildende des religiösen Sinnes in aller Einfachheit und Unschuld, aber in aller Wärme des Glaubens und der Liebe selbständig ausdrücken zu können. Die Herzenssprache des Gebetes muß ihnen auch in den niedersten Hütten in ihrer Mundart geläufig gemacht werden. Im frohen, heiteren Sinn, der dem jugendlichen Alter des Menschengeschlechts eigen ist, muß ihre Sprachkenntnis auch Herzens halber auf den Punkt gebracht werden, der sie innerlich zu erheben und zu befriedigen fähig, so wie sie äußerlich durch sie in den Stand gesetzt werden müssen, sich derselben zur Befriedigung ihrer Lagen und Umstände bedienen zu können. Aber die mühsame, ihre Sinne und Glieder vom Morgen bis am Abend ansprechende Arbeit ihres Standes fordert wesentlich, daß sie durch die Art ihrer Sprachbildung nicht in Kenntnisse und Interessen hineingelockt werden, die sie in den Fundamenten ihres Segens und ihrer Ruhe zerstreuen, abschwächen und untergraben[24]. Dabei ist es im höchsten Grad wichtig, daß der Mensch durch die Art, wie er reden lernt, nicht zum Schwatzen und Schwatzenwollen hingelenkt werde.

Es ist im Leben unaussprechlich wichtig, daß er nicht unüberlegt und unbedacht reden lerne, daß folglich die Übungen seines Redenlernens fest, kraftvoll und lebendig an die Übungen seines Denkens und Überlegens angeknüpft werden. Hinlenkung zur Geschwätzigkeit, die eine unpsychologische Sprachlehre durch ihre Mittel und Folgen selber bei den niederen Ständen auch leicht erzeugt, ist vorzüglich für Menschen, die ihr Brot im Schweiß ihres Angesichts suchen müssen, aber dabei auch erzogen werden sollen, um selbiges in ihrem Stande mit Gott und Ehren verdienen zu können, im höchsten Grad nachteilig. Und wahrlich, die sich kultiviert glaubende Zeitwelt nimmt es nicht genug zu Herzen, daß sie in ihrem Einfluß auf die Ausbildung des Landvolks in Rücksicht auf die Art des Redenlernens so wie der Ausdehnung der Kenntnisse halber im allgemeinen mit großer Sorgfalt zu Werke gehen und alles das, was dem unbegüterten Landvolk eigentlich nur zeitverderbendes Spielwerk ist, mit Kraft und Ernst der soliden Erlernung dessen, was es unumgänglich notwendig hat, nachgesetzt werden sollte.

(b.) Gehen wir weiter, so sehen wir, daß der bürgerliche Handwerks- und Berufsstand und der durch Eigentum und Gewerbsfleiß mit ihm sich in gleicher Lage befindende begütertere Landmann einen ausgedehnteren Übungskreis seiner Sprachfertigkeiten anspricht; aber auch dieser muß von der Wahrheit der Realität und der Bedürfnisse seines wirklichen Lebens ausgehen und wird vielseitig wieder durch dasselbe beschränkt. Die Fundamente der bürgerlichen Ehrenfestigkeit, Behaglichkeit und stillen, bescheidenen Rechtlichkeit des Handwerks- und bürgerlichen Erwerbs- und Berufsstandes, deren verlöschende Überreste ich in meiner Vaterstadt noch in meiner frühen Jugend gesehen, sprachen sich auszeichnend in den Vorzügen, die die Sprachbildung dieses Standes und die mit ihr innig verbundenen Lese- und Schreibübungen vor den diesfälligen Übungen hat, die das Landvolk im allgemeinen genoß, sehr aus. Ihr Kirchengesang und zum Teil auch ihre Freiheits-, ihre bürgerlichen Zunft- und Gesellschaftslieder, ihre Handwerksgesänge etc. etc. waren ein zuverlässiges Zeugnis einer mit der Wahrheit und der Realität ihres Lebens übereinstimmenden und sie in den Schranken ihres Standes innig erhebenden Ausbildung ihrer Sprachkraft. Wahrlich, wir müssen auch in dieser Rücksicht für diesen Stand zu den naturgemäßen Grundsätzen der Vorzeit zurückkehren und erkennen lernen, daß wir auch dem Bürgerstand des Wortwesens über unnütze, seine Segensverhältnisse nicht berührende Gegenstände im allgemeinen zu viel und in Rücksicht auf die Realbedürfnisse und Fundamente seines sittlichen, häuslichen und bürgerlichen Segens im allgemeinen nicht nur zu wenig, sondern wahrlich täglich je länger je weniger geben. Der Unterschied der diesfälligen Privat- und öffentlichen Besorgung der Söhne und Töchter der gemeinen Bürger, der nur bei meiner Lebenszeit einriß und stattfindet, ist äußerst groß. Die erhebende Aufmerksamkeit auf die allgemeine Erhaltung der Ehrliebe und Ehrenfestigkeit des niederen Bürgerstands ist in ihren Fundamenten tief erschüttert.

Ich trete in die Ursachen dieses Unglücks jetzt nicht ein; aber die Tatsache ist richtig, und ihre Folgen sind für die Mehrzahl der gemeinen städtischen Einwohner sehr drückend und sie nicht nur an der Beförderung und Sicherstellung ihres ökonomischen Wohlstands gefährdend, sondern auch an der Befriedigung ihrer höheren, menschlichen und sittlichen Bedürfnisse in einem hohen Grad hemmend. Der Bürgerstand bedarf einer bestimmt von der Tatsache seines wirklichen Lebens ausgehenden und sie belebenden Bürgersprache. Diese mangelt ihm in dem Grad, als das Bürgerleben wenigstens in sehr vielen unserer Städte kein Bürgerleben mehr ist, und sie muß ihm so lange mangeln, als dieses also ist. Weder der Bon ton, noch die verschiedenen Arten des mauvais genre du ton ist die Sprache, deren der Bürgerstand bedarf. Weder der eine, noch der andere geht aus der Wirklichkeit des wahren Bürgerlebens hervor, sondern ist den wesentlichen Bedürfnissen des öffentlichen und Privatsegens dieses Stands schnurstracks entgegen. Ich will von der Sprachlehre, die dem Bürgerstand durch die allgemeine Besuchung der Staatspromenaden, des Schauspiels, des Casino, der Zeitungs- und Journal-Lesegesellschaften und ähnlichen Auswüchsen des öffentlichen, städtischen Sprachunterrichts gegeben wird, nicht reden[25].

(c.) Die wissenschaftlichen und höheren Stände, die in eben dem Grad einer aus dem Leben hervorgehenden und mit ihm übereinstimmenden naturgemäßen Ausbildung der Sprachkraft bedürfen, als dieses bei ihnen in Rücksicht auf die Ausbildung ihrer Anschauungs- und ihrer Denkkraft der Fall ist, sind indessen wahrlich auch in dieser Rücksicht darin durch den Zeitgeist und seine Folgen ebenso übel beholfen, als der Bürgerstand und das Landvolk. Es ist, als wenn unsre Zeitwelt glaubte, die höheren Stände müssen durch das Redenkönnen denken und leben lernen, und seien gar nicht im Fall, durch das Leben reden und denken lernen zu müssen, und auf diesem Wege verlieren sie so viel als die Bildung der Realkräfte, die dem Reden, Denken und Leben von Natur allgemein zu Grunde liegen und hinwieder ihm durch die Kunst allgemein zu Grunde gelegt werden müssen. Sie verlieren dadurch vielseitig das wesentliche Belebungsmittel der naturgemäßen Ausbildung ihrer Anschauungs-, ihrer Sprach- und ihrer Denkkraft zusammen, und mit diesem die wesentlichen Fundamente der segensvollen Anwendung ihrer Kräfte im Leben. Die Bildungslücke, die dadurch in den Individuen, die in diesem Fall sind, notwendig stattfinden muß, ist groß und in ihren Folgen weitgreifend. Was nützt der Überfluß von Anwendungskräften, wo die Kräfte, die angewandt werden sollen, selber mangeln? Und unausgebildete, übelausgebildete und unnatürlich verbildete Kräfte sind wahrlich in Rücksicht auf den segensvollen Einfluß ihrer Anwendung als beinahe mehr als nur mangelnde Kräfte anzusehen. Ich mag meinem diesfälligen Urteil nicht zu viel trauen; aber ich dächte, dieser Gesichtspunkt wäre der ernsten Überlegung der edelsten Individuen aus den höheren Ständen würdig, und zwar um der Würde, des Wohlstands und der Selbständigkeit des Mehrteils ihrer Standsgenossen sowohl als um des mit denselben innig zusammenhängenden öffentlichen Wohlstands aller Stände willen.

Das Bedürfnis der naturgemäßen Ausdehnung, Verstärkung und Belebung der Bildungskräfte der höheren Stände ist wahrlich ebenso dringend als dasjenige der naturgemäßen Einschränkung und Verengung des unnatürlichen Ausschweifungsdranges der niederen Stände zu einem ihnen nicht nur unbrauchbaren und segenslosen, sondern noch nachteiligen und schädlichen Vielwissen und Vielreden, das gewöhnlich mit einem in eben dem Grad wenig und immer weniger Können und ebenso mit einem immer mehr oberflächlichen und unrichtigen Denken und Urteilen verbunden ist.[26]

Erwerb der Muttersprache Teil II

Der Gesichtspunkt vom gegenseitigen Bedürfnis der Ausdehnung und Beschränkung der Kunstbildungsmittel unseres Geschlechts in den verschiedenen Ständen desselben hat mich von der näheren Erforschung der naturgemäßen Mittel der Entfaltung der Sprachkraft weggelenkt. Ich kehre wieder zu derselben zurück und frage mich: Wie lernt das Mutterkind reden? Wie bereitet es sich von der Stunde seiner Geburt an zum Redenlernen? – Und ich sehe, es ist von dieser Stunde an ebenso aufmerksam auf die Töne, die vor seinen Ohren erschallen, als auf die Gegenstände, die ihm durch den Sinn des Gesichts und überhaupt durch jeden seiner Sinne zum Bewußtsein gebracht werden. Die Ausbildung der Organe, durch die ihm der ganze Umfang der Gegenstände seiner Anschauung zum Bewußtsein gebracht wird, ist also mit der Ausbildung des Organs, durch das es reden lernt, im innigsten Zusammenhang. Die Ausbildung der Sprachkraft muß mit der Ausbildung der Anschauungskraft beim Kinde von der Wiege an gleichen Schritt halten. Das Kind fühlt sehr früh eine Kraft in sich selbst, die Töne, die es hört, auch hervorbringen zu können, und diese Kraft wird, wie jede andere menschliche Kraft, in ihm durch den Selbsttrieb, sie gebrauchen und anwenden zu wollen, belebt, und durch diesen Gebrauch werden die Organe seiner Sprachkraft zwar unmerklich, aber von Tag zu Tag wirklich und real gestärkt. Das Schreien, das es nicht lernen muß, ist in seinen verschiedenen Artikulationen die erste Äußerung der in ihm liegenden Sprachkraft. Nach ihm folgen Töne, die mit den Artikulationen der menschlichen Sprache noch keinen Zusammenhang, sondern vielmehr mit den Tönen verschiedener Tierarten große Ähnlichkeit haben, und aus dem Drang der Organe, wie sie sich noch ganz tierisch, ohne allen Zusammenhang mit den menschlichen Worttönen, die sie umgeben, zu entfalten suchen, hervorgehen. Erst mehrere Monate hernach fangen diese Töne allmählich an, einen merklichen Zusammenhang mit dem Klang unsrer Vokale und Konsonanten, die sich in unseren Worttönen aussprechen, zu haben und sich dem Ton einiger ihnen oft vorgesprochenen Silben und Wörter zu nähern. Das Kind fängt jetzt an, die leichtesten Töne, die ihm die Mutter vorspricht, ihr nachzulallen. Das Redenlernen wird ihm täglich leichter und lieber, und knüpft sich im Vorschritte seiner Ausbildung immer an die Vorschritte der Ausbildung seiner Anschauungskraft an. Es geht auch, wenn es nicht durch unnatürliche Verkünstelungsverirrungen von diesem Gang der Natur abgelenkt wird, mit den Vorschritten der Ausbildung seiner Anschauungskraft immer in vollkommener Übereinstimmung gleichen Schrittes vorwärts.

Und wenn ich jetzt den naturgemäßen Gang der Erlernung der Muttersprache, den ich in seinen Anfangspunkten bezeichnet, in seinen Vorschritten weiter verfolge, so sehe ich ihn fortwährend diesen Gang in Einheit mit den Vorschritten der Anschauungskraft seiner Bildungsmittel im Kreise seines häuslichen Lebens und seiner nächsten Umgebungen suchen und finden. Und so ist es auch in Rücksicht auf die Entfaltung der Sprachkraft das Leben selbst, was den Menschen darin wahrhaft naturgemäß bildet und vorwärts bringt. Dieses aber muß im ganzen Umfange seiner Kulturmittel übereinstimmend vorwärts schreiten. Es muß in seiner Herzensbildung, es muß in seiner Geistesbildung, es muß in seiner Kunst- und Berufsbildung naturgemäß vorwärts, wenn es in seiner Sprachbildung naturgemäß vorwärts schreiten soll. Aber auch diese allein und isoliert ins Auge gefaßt, sind die Abwege von den ewigen Gesetzen des Naturgangs in den Verkünstelungssurrogaten der wahren und soliden Entfaltungsmittel unserer Kräfte sehr groß. Man macht die Kinder lesen, ehe sie reden können; man will sie durch die Bücher reden lehren; man zieht sie von der Anschauung, diesem Naturfundament des Redens künstlich und gewaltsam ab und macht auf die unnatürlichste Weise den toten Buchstaben zum Anfangspunkt der Sacherkenntnisse, deren naturgemäßer Hintergrund und Anfangspunkt der Geist und das Leben der Anschauung der Natur selbst ist und in allen Verhältnissen anerkannt werden sollte. Der Mensch muß schon lange über vieles richtig und bestimmt reden können, ehe er zum vernünftigen Lesen irgendeines Buches reif ist.

Aber man will in unseren Tagen immer mehr den Schein der Kraft als die Kraft selber, und tötet alle soliden Bildungsmittel der Kräfte durch den immer wachsenden Glauben an Scheinbildungsmittel, die aus der Kraftlosigkeit selber hervorgehen. Wenn ich jetzt auch die Naturgemäßheit des Redenlernens, dieses wesentlichen Fundaments der Sprachlehre, im bestimmten Gang seiner positiven, einfachen Mittel ins Auge fasse, so sehe ich, daß das unmündige Kind in seinen Umgebungen eine Menge Worttöne hört, deren Sinn es im Anfang gar nicht versteht. Viele von ihnen werden durch die öftere Wiederholung, in der sie vor dem Sinne seines Gehörs erscheinen, ihm dadurch bewußt und selber seinem Munde geläufig, ohne daß es ihre Bedeutung noch im geringsten versteht oder auch nur ahnt. Aber diese vorläufige, dunkle Erkenntnis, die das Ohr von ihnen erhält, und diese Geläufigkeit, die sich der Mund also von ihnen verschafft, ist für die reelle Ausbildung der Sprachkraft eine Vorbereitungsstufe, die ihr von wesentlichem Nutzen ist. Dem Begriffe der Gegenstände mit der Geläufigkeit des Lauts, der sie bezeichnet, voreilend, bleibt der Begriff des durch ihn bezeichneten Gegenstands dem Kind vom Augenblick an, in dem es den Gegenstand des Lauts selber durch die Anschauung vereinigt erkannt, unauslöschlich. Es ist deswegen für die Ausbildung der Sprachkraft ein großer Vorteil, wenn das Kind von der Wiege an in Umgebungen lebt, in denen ziemlich viel und über vielerlei, besonders aber über Gegenstände seiner nächsten Umgebungen und seines häuslichen Lebens, gesprochen wird. Der Einfluß der mechanischen Vorbereitungsmittel des Redenhörens auf die Ausbildung der Sprache in allen ihren Teilen, ist äußerst groß und vielseitig. Das Kind lernt durch dieses Redenhören nicht nur die Nomenklatur seiner Muttersprache in einem sehr ausgedehnten Umfange, ohne fast ein Bewußtsein, daß es etwas lernt; es übt sich die Formen des Deklinierens und Konjugierens im ganzen Umfang ihrer Abwechslungen ganz mnemonisch und allgemein umfassend ein.

Zusammenhang der Sprachkraft mit der Anschauungskraft

Und das führt schon weit. Wenn ich denn aber von der Ansicht des Ganges, den die Natur in Rücksicht auf die mechanische Entfaltung unsrer Sprache festhält, fortschreite und mich frage: Was ist der Gang der Natur in der Entfaltung der Sprachkraft auf das Innere, geistig Bildende derselben?[27] – so sehe ich ihre diesfälligen Bildungsmittel hinwieder im innigsten Zusammenhang mit den naturgemäßen Bildungsmitteln der Anschauungskraft. Sie folgt, Stufe für Stufe, dem Naturgang, den diese in den Vorschritten ihrer Bildung auch geht. So wie diese im Anfang ihrer Entfaltung jeden Gegenstand, der ihr erscheint, nur als ein einzelnes Ganzes ansieht und erkennt, und im Anfange sehr langsam dahin kommt, die Teile des Gegenstandes einzeln und gesondert voneinander ins Auge zu fassen; so wie hinwieder die verschiedenen Beschaffenheiten, in welchen jeder Gegenstand zu ungleichen Zeiten und unter verschiedenen Umständen sich befindet, in ihrem Umfang und Zusammenhang zum klaren Bewußtsein zu bringen, vor den Sinnen des Kindes nur zufällig, langsam und unzusammenhängend erscheinen, also führt der sich selbst überlassene, von der Kunst unbeholfene Gang der Natur in der Entfaltung der Sprachkraft auch dahin, den Gegenstand zuerst ohne Rücksicht weder auf seine einzelnen Teile noch auf die verschiedenen Beschaffenheiten zu benennen, und kommt spät und langsam dahin, die einzelnen Teile dieser Gegenstände in aller ihrer Vielseitigkeit ins Auge zu fassen und allgemein zu benennen sowie über die verschiedenen Beschaffenheiten, in welchen sich diese Gegenstände in mannigfaltig ungleichen Zeiten und Verhältnissen befinden, sich mit Bestimmtheit und Richtigkeit ausdrücken zu können. Die Elementarbildung und alle naturgemäßen Mittel ihrer Kunst führen das Kind auch in Rücksicht auf seine Sprachbildung vollends im Geleise des Gangs der Natur in der Entfaltung unserer Kräfte. Auch sie hörte sogleich auf, elementarisch zu sein, wenn sie in ihren Grundsätzen hierin schwankte und dieselbe in dem Vorschritt und Umfang ihrer Bildungsmittel nicht festhielte. Es ist Tatsache: Das elementarisch wohlgeführte Kind schwatzt nicht, ehe es erkennt, und nicht von dem, was es nicht auf irgendeine Art durch die Anschauung erkannt hat. Die intensiven und extensiven Vorschritte der Ausbildung der Sprachkraft müssen, wenn sie real sein wollen, notwendig diesen Gang gehen, und sie, die Sprachkraft selber, kann nur dadurch auf dieser Bahn wirklich als die solide bildende Mittelstufe der Anschauungskraft und der Denkkraft anerkannt und ihre Ausbildungsmittel können nur dadurch mit den allgemeinen Fundamenten der wahren, naturgemäßen Menschenbildung in Übereinstimmung gebracht werden.

Und nun die Sprachlehre oder vielmehr die Kunst des Redenlernens jeder Sprache also ins Auge gefaßt, wird vollkommen klar, was ich schon oben gesagt. Diese Kunst ist die Mittelstufe zwischen der auszubildenden Anschauungskraft und der auszubildenden Denkkraft. Die Kunst der Ausbildung der ersten geht der Kunst der Ausbildung der zweiten vorher. Die Mittel der Ausbildung der Denkkraft haben keinen naturgemäßen Boden, wenn ihnen die naturgemäße und genugtuende Ausbildung der Anschauungskraft, oder welches ebensoviel ist, der Resultate der Anschauungskraft, mangelt.

Anschauungskunst

Aber was ist die naturgemäße und genugtuend gebildete Anschauungskunst? Wann ist die Anschauungskunst, als Vorbereitungsmittel der zu entfaltenden Denkkraft, für einen jeden Stand und für jedes Individuum, naturgemäß und genugsam gebildet?

Die Antwort ist klar. Die Anschauungskraft ist durch die Anschauungskunst genugsam gebildet, wenn das Anschauungsvermögen des Menschen durch sie in jedem Stand und in jedem Verhältnis zu dem Grad der Kraft gebracht worden, der erforderlich ist, die Anschauungseindrücke seiner Umgebungen und Verhältnisse mit klarem Bewußtsein als sichere Fundamente seines Denkens und Urteilens über eben diese Gegenstände mit Freiheit und Sicherheit zu benutzen.

Dieser Grad der gebildeten Anschauungskraft ist aber in jedem Fall nur insoweit erreichbar, als die Mittelstufe der Bildung zwischen der Anschauungskraft und der Denkkraft zu eben dem Grad der Reife gebracht worden, zu welchem die Anschauungskraft gebracht werden muß, wenn sie als ein genugtuend mitwirkendes Fundament der zu entfaltenden Denkkraft angesehen und benutzt werden soll. Es ist offenbar, der naturgemäß zu führende Zögling muß durch die Ausbildung seiner Sprachkraft dahin gebracht werden, sich über die Anschauungseindrücke seiner Umgebungen und seiner Verhältnisse mit ebensoviel Bestimmtheit auszudrücken, als ihm die Anschauungsmittel dieselben klar und heiter gemacht haben. Ohne den Sprachzögling auf diesen Grad der Sprachkraft gebracht zu haben, liegt zwischen der Ausbildung seiner Anschauungskraft und der Ausbildung seiner Denkkraft eine Kluft, die nicht anders als durch eine mit der beiderseits naturgemäß gebildeten Anschauungs- und Denkkraft übereinstimmende und mit ihnen ins Gleichgewicht gebrachte Ausbildung der Sprachkraft ausgefüllt werden kann.

Sprachlehre und Sprachunterricht

Das ist die innere Aufgabe einer psychologisch zu begründenden Sprachlehre. Aber ihre Auflösung führt auch zur Beantwortung eines zweiten Problems, nämlich zur Aufstellung eines auf die Sprachlehre allgemein anwendbaren Sprachunterrichts, die als Norm des naturgemäßen diesfälligen Unterrichts in allen Sprachen anwendbar sei. Ist eine solche Norm aufgestellt, so ist die Aufgabe der psychologischen Begründung und Erlernung jeder einzelnen Sprache genugtuend aufgelöst. Das innere, geistige Wesen der zweiten ist dadurch so weit gefunden, daß es bloß eine Übersetzung, aber freilich eine in psychologischer Hinsicht vollendete Übersetzung der in einer Sprache gegebenen und aufgestellten Reihenfolgen der mnemonisch und psychologisch geordneten Übungen braucht, um dieselben in allen Sprachen auch zu benutzen.

Die Segensfolgen der Erreichung dieses Ziels und auch nur der Annäherung an dasselbe sind unermeßlich. Aber wir müssen uns nicht täuschen. Die Erreichung des Ziels, eine solche allgemeine Normalform der Sprachlehre aufzustellen oder auch nur zu einer wahrhaft truglosen Annäherung an dasselbe zu gelangen, fordert wesentlich, daß die naturgemäße Ausbildung der Sprachkraft in dieser Rücksicht fest und allseitig als die Mittelstufe zwischen der naturgemäß gebildeten Anschauungskraft und der ebenso naturgemäß zu bildenden Denk- und Urteilskraft anerkannt und überhaupt der Gang der Natur in der Entfaltung der Muttersprache fest im Auge gehalten werde. Die Grundsätze der Ausführungsmittel einer solchen allgemeinen Normalform des Verstehens und Redenlernens jeder fremden Sprache müssen notwendig und in ihrem ganzen Umfange von der Art und Weise, wie das unmündige Kind seine Muttersprache lernt, abstrahiert werden und auch allgemein von der deutlichen Erkenntnis der ewigen Gesetze, denen der Gang der Natur in der Entfaltung der Muttersprache selbst unterworfen ist, ausgehen. Und hier ist noch zu bemerken: Der naturgemäße Vorschritt von der elementarischen Erlernung der Muttersprache geht zuerst zur Erlernung der lebenden und dann erst zur Erlernung der toten Sprachen hinüber, weil die Sacherkenntnis, die durch die Erlernung einer lebenden Sprache dem Kinde gegeben werden muß, derjenigen, die ihm durch die Erlernung der Muttersprache gegeben worden ist, unendlich näher steht als diejenigen, die ihm klar und heiter gemacht werden müssen, wenn es eine tote Sprache wahrhaft und naturgemäß verstehen lernen soll.

In allen Fällen aber müssen die Grundsätze der Ausführungsmittel einer solchen allgemeinen Normalform des Verstehens und Redenlernens jeder fremden Sprache hinwieder von der Kunst des Menschengeschlechts in mnemonischer und psychologischer Hinsicht in ihrem ganzen Umfange unterstützt und beholfen werden. Diese Kunst, die uns seit Jahrtausenden der Sprachlehre und der Spracherkenntnisse halber auf den Punkt der Ausbildungsmittel gebracht, auf dem wir wirklich stehen, muß für diesen Zweck mit dem ganzen Umfang der Wahrheit und der Kraft ihrer diesfälligen Resultate benutzt, und alle Realfortschritte, die sie in mnemonischer und psychologischer Hinsicht uns darbietet, an das Fundament alles Redenlernens, an den Gang, den die Natur in der Entfaltung der Sprachkraft selbst geht, angeknüpft und damit verbunden werden.

Das, was die sich selbst überlassene Natur, vom Zustand der unentfalteten Sinne und Organe des Mutterkindes gehemmt, diesfalls nur langsam, unsicher und lückenvoll erzielt, das ordnet die Kunst in Reihenfolgen von Bildungsmitteln, deren jedes einzelne zwar von den ewigen Gesetzen des Naturgangs in der Erlernung der Sprache ausgeht, aber durch seine Zusammenstellung und Ordnung in mnemonischer und psychologischer Hinsicht einen Grad der Kraft erhält, zu der die sich selbst überlassene Natur sich unmöglich zu erheben vermag. So wahr und so gewiß dieses ist, so ist ebenso gewiß, daß die Kunst unseres Geschlechts sich ohne die tiefe Erkenntnis des Gangs der Natur in der Entfaltung der Muttersprache nicht zu dieser Höhe ihres mnemonisch und psychologisch bildenden Einflusses in der Erlernung neuer Sprachen zu erheben vermag, sondern, daß sie in diesem Falle im Gegenteil in ihrem Einfluß auf die Erlernung dieser Sprachen auf Verkünstelungsmanieren verfällt, die alle wahre Naturkraft auch von dieser Seite in ihrem Wesen untergraben und zu Grunde richten. Die tiefere Erkenntnis des Naturgangs in der Entfaltung der Muttersprache ist also auch das ewige Fundament und die eigentliche Quelle aller wahrhaft mnemonischen und psychologischen Vorteile, mit welchen die Kunst die naturgemäße Erlernung jeder neuen Sprache zu erleichtern und zu behelfen vermag.

Ich blicke noch einmal auf dieses große Fundament jeder naturgemäßen Sprachlehre[28] zurück.

Die Natur unterwirft unser Geschlecht in ihrem Einfluß auf die Erlernung der Muttersprache bis auf einen gewissen Punkt zwingend den ewigen Gesetzen, aus denen jeder naturgemäße Sprachunterricht wesentlich hervorgeht und hervorgehen muß. In der Mutter ist das naturgemäße Geben dieses Unterrichts und im Kinde das naturgemäße Empfangen desselben gegenseitig instinktartig belebt. Die Mutter und das Kind unterwerfen sich den ewigen Gesetzen dieses Naturgangs soviel als instinktartig. Doch nein, sie unterwerfen sich diesen Gesetzen nicht instinktartig, sie sind nur instinktartig dafür belebt. Ihre freie und frohe Befolgung ist ihre Lust und ihre Freude. Der Trieb, gegenseitig in Übereinstimmung mit diesen Gesetzen zu handeln, geht aus dem Innersten der mütterlichen und kindlichen Natur hervor.

Folgen der Nichtbeachtung des naturgemäßen Sprachunterrichts

Aber diese Natur ist durch das Verkünstelungsverderben[29] der Welt in den Zeitmüttern der Gegenwart soviel als allgemein gelähmt. Sowie dieses sie in unnatürliche Verhältnisse gegen ihr Kind hinwirft, so werden auch die Gesetze der Entfaltung der Sprachkraft in ihnen ohnmächtig. Sowie die böse Verkünstelung unserer Zeit sich auch in die Bildung der Anschauungserkenntnisse des Kindes, folglich in die Fundamente der Naturgemäßheit des Redenlernens einmischt, wird der Gang der Erlernung der Muttersprache vom Instinkt nicht mehr beholfen. Das naturgemäße Geben des Unterrichts ist in den Zeitmüttern vielseitig verwirrt und verdorben, und in diesem Falle ist der Instinkt, ihn naturgemäß zu empfangen, im Kinde umsonst da. Diese Untergrabung des instinktartigen Einflusses im Geben und Empfangen des ersten mütterlichen Unterrichts ist in seinen Folgen sehr wichtig. Alle weiteren Stufenfolgen der Führung des Kindes werden dadurch in der Wahrheit ihrer Naturgemäßheit tief und vielseitig geschwächt und untergraben. Sie können nicht anders. So wie das Verkünstelungsverderben unserer Zeit schon dem Kind Worte in den Mund legt und, als wären sie Sacherkenntnisse, einprägt, von deren wahren Bedeutung es weder innerlich noch äußerlich eine Anschauung in sich selbst trägt, ist die Kraft und mit ihr der Segen der Naturgemäßheit in der Erlernung der Muttersprache in ihm in seinem Wesen untergraben.

Seine Sprachlehre hat als bildende Mittelstufe zwischen der Ausbildung der Anschauungskraft und derjenigen der Denkkraft die Basis ihres wahren Naturgangs oder ihrer wahren Naturgemäßheit insoweit verloren; und so, wie die Belebung der naturgemäßen Ausbildung der Anschauungskraft irregelenkt wird, so wird auch der Naturgang im Redenlernen des Kindes selber in seinen Anfangspunkten in der Erlernung der Muttersprache stillgestellt, verwirrt und geschwächt. Auch die Basis der naturgemäßen Erlernung jeder anderen als der Muttersprache wird durch diese ersten Verwirrungsschritte in der Naturgemäßheit der Sprachlehre der reinen, segensvollen Kraft beraubt, die ihr im unverdorbenen, ungeschwächten Zustand dieser Kraft halber wesentlich beiwohnt.

Wesensmerkmale des naturgemäßen Spracherwerbs

Er, der naturgemäße Gang der Erlernung jeder fremden Sprache, muß mit dem Gang der Natur in der Erlernung der Muttersprache in vollkommener Übereinstimmung stehen. Diese Übereinstimmung zu suchen, ist das Ziel der wahren menschlichen Sprachlehre und aller ihrer Kunst; und es ist eine der vorzüglichen Aufgaben der Idee der Elementarbildung, dem Menschengeschlecht hierin Hand zu bieten und die Mittel zu erforschen, durch welche die Abirrung vom Gange der Natur in diesem Gesichtspunkte verhütet werden kann. Die wenigen und beschränkten Versuche, die diesfalls in unserer Mitte stattgefunden, beweisen auch unwidersprechlich, daß die Idee der Elementarbildung geeignet ist, die Kräfte der Wohnstube in dieser Rücksicht wesentlich zu stärken und zu beleben. Es ist eine tatsächliche Erfahrung, die Versuche dieser hohen Idee wirken, wo sie immer solid und genugtuend stattfinden, unfehlbar dahin, die Mütter auf der einen Seite durch die Erheiterung der Fundamente und Mittel der naturgemäßen Sprachlehre für ihre Ergreifung in ihnen selbst zu beleben und sogar zu begeistern, und auf der anderen Seite jedes nach ihren Grundsätzen geführte Kind auch der Sprache halber dahin zu bringen, alles, was ihm elementarisch genugsam eingeübt worden, seinen Geschwistern mitzuteilen, folglich auch die Erlernung der Muttersprache im Kreis seiner häuslichen Verhältnisse ins Geleise der echten Mittel, sie allgemein zu machen, hineinzuleiten. Das Erlernen der Muttersprache geht beim Kinde unbedingt vom Eindruck der Objekte aus, die es durch die Anschauung sinnlich erkannt und deren Namen zugleich seinem Ohr bekannt und seinem Munde geläufig gemacht worden sind. An das Erkennen und Aussprechen der Namen dieser Objekte schließt sich allmählich, aber langsam, das Erkennen und Aussprechen der Beschaffenheit und der Wirksamkeit derselben (der Zeit- und der Beschaffenheitswörter), die ihnen zukommen, an. Der Vorschritt dieses Redenlernens von den Objekten[30] zu den Beschaffenheitswörtern[31] und von diesen zu den Zeitwörtern[32] ist durchaus nicht eine Stufenfolge der Zeit halber. Das Mutterkind hört die Objekte, die Beschaffenheitswörter und die Zeitwörter der Zeit halber nicht in Stufenfolgen und getrennt, es lernt sie alle in einer innigen, des Erkennen- und Redenlernens halber sehr vorteilhaften und lehrreichen Verbindung in Phrasen, die es die Bedeutung der einzelnen Wörter und das Wesen ihres Zusammenhangs untereinander in allem, was es hört und was es redet, merken, ahnen und allmählich in immer wachsender Klarheit verstehen und begreifen zu machen geeignet sind. Das Sprachbildende dieses Umstands fällt in die Augen.

Jedes einzelne Wort einer Phrasis ist durch den Zusammenhang der Begriffe, die es ausdrückt, für die mit ihm durch sie verbundenen Wörter erläuternd, und darum behält sich auch eine Phrasis im ganzen leichter im Gedächtnis als ein einzelnes, isoliertes, an kein anderes naturgemäß angereihtes Wort. Der Sinn eines Worts von jeder Phrasis bekommt durch diese Verbindung mit den anderen Wörtern derselben eine bestimmte, wiewohl einseitige und beschränkte Begründung seiner allgemeinen Bedeutung. Die großen Vorteile des Gangs der Natur in der Erlernung der Muttersprache erhellen ferner auch daraus, daß er von den ersten Anfangspunkten seines Einflusses an alle Grundteile derselben gemeinsam anspricht und sie den Kindern durch tausend und tausend Wiederholungen in ihrer Erkenntnis heiter und in ihrer Anwendung geläufig macht. Das ist so wahr, daß dadurch nicht nur das Wesen jedes einzelnen Grundteils der Sprache dem elementarischen Zögling zum dunklen, aber festen Bewußtsein gebracht, sondern auch die Abänderungen, die jedes Substantiv, Adjektiv und Pronomen, d.i. die Abänderungen jedes deklinierbaren Grundteils der Sprache ihm gleichsam von selbst eingeübt und habituell gemacht werden, welches ebensosehr bei den Zeitwörtern im ganzen Umfange der Abänderungen, die sie durch das Konjugieren ansprechen und erdulden, der Fall ist. Die zweite Art der Grundteile einer jeden Sprache, die an sich unverändert bleiben[33], aber durch ihren Einfluß die Stellung der Wörter in phraseologischer Hinsicht ebenso nach ewigen Gesetzen den vielseitigsten Veränderungen unterwerfen – die Adverben, die Präpositionen, die Konjunktionen und Exklamationen – können durch psychologisch geordnete Reihenfolgen von Beispielen der Eigenheit ihres sprachbildenden Einflusses in einem hohen Grad gestärkt und die Fertigkeiten ihrer Anwendung dem Zögling auf eine Art erleichtert werden, den der sich selbst überlassene Gang der Natur in der Entfaltung der Sprachkraft durchaus nicht zu erreichen vermag. Es ist auch eine wesentliche Aufgabe der Idee der Elementarbildung, durch psychologisch und mnemonisch bildende Reihenfolgen von Beispielen, die den Gebrauch jedes einzelnen Sprachteils im ganzen Umfange seines Einflusses durch öftere Wiederholung, ihm unbewußt, soviel als mechanisch einprägen und habituell machen, dem Gange der Natur in der Entfaltung der Sprachkraft mit dem ganzen Umfange der Mittel ihrer Kunst nachzuhelfen und behilflich zu sein.

Die Wirkung dieser beiderseitig einzuübenden Reihenfolgen der Grundteile aller Sprachen ist von einer Natur, daß den Zöglingen der ganze Umfang des Deklinierens und Konjugierens, so wie der Ansprüche aller psychologisch begründeten Formen der Phraseologie in einer großen Ausdehnung und Solidität auf eine Weise eingeübt werden kann, bei welcher die gewohnten Beschwerlichkeiten dieser Einübungen soviel als allgemein wegfallen. Sie hören durch die ganze Zeit dieser Einübungen kein Wort weder von einer Syntax noch von einer Grammatik. Aber wenn sie sich auf diesem kunstlosen Wege ihre Muttersprache bis auf einen gewissen Grad also praktisch eingeübt und zur Vollendung geläufig gemacht haben, so sind sie denn auch zuverlässig auf dem Punkt, die Richtigkeit aller grammatikalischen Regeln, die vom Naturgang der Sprachlehre erzeugt werden und denselben in der Reinheit seines Ursprungs ansprechen, eben wie die Eigenheiten, durch welche sich das Wesen der Grundformen jeder Sprache in der Muttersprache ausdrückt, als in ihnen selbst liegend und durch die Erfahrung in ihnen selber begründet zu erkennen. Auf dieser Bahn kommt jedes in Rücksicht auf den Sprachunterricht naturgemäß geführte Kind dahin, den ganzen Umfang der Ausdrücke seiner Anschauungserkenntnisse, die es sich eingeübt, unauslöschlich in sich selbst zu besitzen und so sich in seiner Muttersprache in einem sehr weiten Umfang über seine Erkenntnisse mit der höchsten Bestimmtheit und Geläufigkeit ausdrücken zu können, ohne daß es während des ganzen Zeitraums seines Redenlernens notwendig hatte, weder sich die Grundsätze und Regeln der Sprachlehre zu eigen zu machen, noch für diesen Endzweck irgendein Wort auswendig zu lernen.

Naturgemässer Erwerb einer Fremdsprache

Indessen ist der Grundsatz, daß der ganze Umfang der Mittel, eine neue Sprache zu lehren, mit denjenigen, durch welche dem Kind die Muttersprache eingeübt werden muß, vollkommen ähnlich und im Wesen der nämliche sei, ein Gesichtspunkt, den das Raffinement der Verkünstelungsmittel, durch welche besonders die Anfangsstufen der Erlernung jeder neuen Sprache sehr verwirrt und erschwert werden, dem Zeitgeist aus den Augen gerückt hat. Aber er liegt dennoch im Bon sens der Menschennatur unerschütterlich tief eingegraben. Es ist Tatsache: Je weniger eine Person, die einem Kinde eine fremde Sprache einüben will, mit den Routineformen des gewohnten Sprachunterrichts bekannt ist, desto mehr führt sie die Natur hierin selbst für ihren Zweck auf Grundsätze und Mittel, die dem Gange der Natur in der Entfaltung der Muttersprache gleich sind. Die Erfahrung setzt außer allen Zweifel, daß je mehr sich unverkünstelte Menschen damit befassen, ein Kind eine neue Sprache zu lehren, desto auffallender auch der glückliche Erfolg ihrer Bestrebungen sei. Ein französisches Dienstmädchen, dem man ein deutsches Kind übergibt, dasselbe französisch zu lehren, bringt, wenn es seine Sprache nur grammatikalisch richtig reden kann, dasselbe ohne Mithilfe irgend einiger Kunstkenntnisse und Kunstmittel, durch bloßes anhaltendes, fleißiges Reden mit ihm innerhalb einer vergleichsweise auffallend kurzen Zeit dahin, daß es sich über den ganzen Umfang der Gegenstände, über welche das Mädchen sich mit ihm unterhält, mit Leichtigkeit richtig ausdrückt. Dieses aber leistet die Routinekunst unserer Zeit durch die bloße Benutzung der gewohnten Kunst-Unterrichtsmittel in der Erlernung einer neuen Sprache weder durch Privatunterricht noch in den öffentlichen Schulen.

Fragt man sich jetzt: Was gibt einem solchen Mädchen diesen Vorsprung über die gewohnten Lehrer einer fremden Sprache, die in ihrem Unterricht auch noch so fleißig und in gewisser Rücksicht verständig von den Kunstformen jeder Sprachlehre ausgehen, so ist offenbar, das Mädchen dankt den Vorsprung, den es diesfalls unzweideutig erhält, der Ähnlichkeit seines Tuns in seiner Unterrichtsweise mit dem Gang, den die Natur selbst in der Einübung jeder Muttersprache in aller Welt geht. Das Kind, das bei ihm die französische Sprache lernen soll, hört, eben wie das Kind, das die Muttersprache lernt, lange, sehr lange eine große Menge französischer Wörter, die das Mädchen vor ihm ausspricht, ehe es auch nur den Sinn derselben ahnet; es ist zugleich vorzüglich die Gegenwart der Gegenstände, die ihm vor den Sinnen liegen, was ihm den Zusammenhang der französischen Worte mit der Sprache selber mit sinnlich belebten Reizen ins Auge fallen und das Wort als den Ausdruck derselben erkennen macht. Ebenso schließt sich beim Unterricht dieses Mädchens allmählich die Erkenntnis des Ausdrucks, der Beschaffenheiten und Wirkungen an den Ausdruck der Objekte, der Hauptwörter, wie beim Erlernen der Muttersprache, auch an; und der ganze Umfang der Wörter, die es bei diesem Mädchen erlernt, wird ihm ebenso durch vielfache Wiederholungen und phraseologische Zusammensetzungen eingeübt. Eben wie bei der Muttersprache bringt die Phraseologie alle einzelnen Grundteile der Sprache dem Kinde gemeinsam verbunden zum Bewußtsein und belebt und verstärkt den Eindruck von allen durch unzählig wiederholte, in jedem Falle ungleich und eigens bestimmte Erscheinungen. Die Wörter der zu erlernenden Sprache und die Abänderungen dieses ihm eingeübten Wortschatzes werden ihm durch diese Zusammenstellungen und Wiederholungen teils in ihrem Inhalt bekannt, teils in ihrem Ausdruck geläufig und habituell, ohne daß es eigentlich weiß, wie es dazu gekommen, und wenigstens ohne alle Mühseligkeit des Auswendiglernens und der Erklärungsweise, die im Routinegang der Erlernung irgendeiner fremden Sprache gebräuchlich sind. So kommt es auf diesem Gange mit großer Leichtigkeit dahin, das Wesen jeder grammatikalischen Regel als eine, in ihm durch Erfahrung begründete Erkenntnis in sich selber zu tragen und sie bei der ersten wörtlichen Darlegung derselben vollkommen zu verstehen.

Meine diesfällige Ansicht von der Übereinstimmung der naturgemäßen Erlernung der Muttersprache mit der Art und Weise, wie eine fremde Sprache naturgemäß gelernt werden soll, erhellt auch aus der Übereinstimmung der tiefsten, fruchtbarsten Grundregeln, die den raffiniertesten Fundamenten der Kunstformen des Redenlernens selber zum Grunde legen. Selbst die Mißgriffe der Kunst gehen aus Tatsachen hervor, die in ihrem Ursprung naturgemäß waren; aber in der Unnatur ihrer Anwendungen das reine Wesen ihrer ursprünglichen Entstehung verloren haben. Ich füge übrigens noch ein Beispiel der auffallenden Gleichheit des Naturgangs in der Erlernung der Muttersprache mit den echten Fundamenten der Erlernung jeder anderen Sprache, das ebenfalls entscheidend ist, an. Man kennt das Sprichwort: „ Die Not ist der beste Lehrmeister.“ Aber es ist auch noch ein zweites üblich: „Die Not ist ein böser Ratgeber.“ Es sind beide ganz wahr: die Not führt immer entweder zu naturgemäßen Mitteln, sich zu helfen, oder zu den Gewalttätigkeitsmitteln der bösen Selbstsucht, durch welche der Mensch sich so viel als in jedem Fall selber enthilft und in sich selbst verwildert, indem er sich zu helfen sucht. Das Beispiel der Not, das ich zur Bestätigung meiner gegenwärtigen Ansicht anbringe, ist nicht von dieser letzten Art. Ein Mensch, der, durch welchen Zufall es auch immer sei, an einen Ort hinkommt, an welchem niemand seine Sprache redet und wo folglich er niemand und niemand ihn versteht, kann die Sprache, die er in dieser Stadt lernen muß, auf keine andere Weise erlernen als auf eine, die mit der Erlernung der Muttersprache und mit der Art und Weise, mit welcher das oben angeführte Mädchen ein deutsches Kind französisch lehrt, vollkommen in Übereinstimmung steht. Ich wiederhole die Ansichten dieser Übereinstimmung nicht. Sie sind in den oberen Beispielen klar ausgesprochen.

Rückblick auf erste pädagogische Versuche in Burgdorf und die Anschauungslehre

Ich gehe weiter, um zu zeigen, wie auch die ersten Versuche meiner pädagogischen Bestrebungen den Grundsatz, daß die naturgemäße Erlernung fremder Sprachen durch die Übereinstimmung ihrer Mittel mit dem Gange der Natur in der Erlernung der Muttersprache erzielt werden müsse, bestätigen. Diese Versuche, die Mittel des gemeinen Volksunterrichts zu vereinfachen, führten mich von ihrem Anfang zur Überzeugung, daß alle menschliche Erkenntnis, folglich auch aller menschliche Unterricht von der Anschauung[34] ausgehe. Die Idee der Anschauung lag durchaus wesentlich in mir als Fundament der Entfaltung der menschlichen Sprachkraft, schon lange, ehe sie in der Mitte unseres pädagogischen Vereins als naturgemäßes, aber in dem Zustand, in dem wir es gebrauchten, zu hoch gepriesenes Fundament des Rechnens anerkannt und mit Einseitigkeit ergriffen wurde[35]. Aber meine diesfällige Überzeugung konnte unter den Umständen, unter denen unser pädagogischer Verein beinahe von seinem Anfang an lebte, auf die naturgemäße Behandlung der Sprachlehre keine bedeutenden Folgen haben. Die elementarische Bearbeitung der Anschauungslehre war im allgemeinen ihrer Ansprüche und besonders in Rücksicht auf ihren Zusammenhang mit den Fundamenten der Sprachlehre und zwar in Rücksicht auf die Erlernung der Muttersprache und jeder anderen von dem Augenblick wesentlich geschwächt und vereinzelt, sobald der unverdiente Ruf unserer Anschauungstabellen[36], durch die wir einseitig genug unseren Kindern das Rechnenlernen erleichterten, unsere Aufmerksamkeit von den allgemeinen Bedürfnissen der Erforschung der Anschauungslehre ab- und auf diesen einzigen Punkt hinlenkte und uns den Gesichtspunkt, daß die naturgemäße Bearbeitung der elementarischen Anschauungslehre zuerst auf die Erforschung der naturgemäßen Fundamente der Sprachkraft und nur in Verbindung mit dieser auf diejenige der Denkkraft, wovon das Redenlernen nur ein einzelner Teil ist, hingelenkt werden müsse, aus den Augen rückte. Die Richtung, die unsere Anstalt von Anfang an nahm, war aber auch Jahre lang ohne allen Reiz und ohne alle Mittel zur Erforschung der allgemeinen Ansprüche der Ausbildung der Anschauungskraft im ganzen Umfang ihrer Bedürfnisse, beides, in Beziehung ihres Zusammenhangs mit der naturgemäßen Ausbildung der Sprachkraft sowohl als mit derjenigen der Denkkraft. Unter diesen Umständen war der Begriff der Anschauung von uns durchaus nicht mehr als das allgemeine Fundament des Redenlernens in seinem Umfang und in seiner Tiefe ergriffen, sondern nur partiell und einseitig in einigen Übungen der Botanik und Mineralogie[37] betrieben. Die Zahl- und Formlehre entfaltete sich in unserer Mitte allein als ein kraftvoll und naturgemäß bearbeitetes, aber isoliert gelassenes Mittel der Geistesbildung[38]. Die Folgen davon waren, in Verbindung mit anderen, in den Schicksalen unseres Hauses bis auf die heutige Stunde sehr groß und sehr traurig. Ich berühre sie jetzt nicht. Ich sage nur, was ich jetzt in Rücksicht auf die Vereinfachung der Sprachlehre versuche, steht im innigsten Zusammenhang mit dem Eigentümlichen meiner Bestrebungen für die Vereinfachung des Volksunterrichts, wie es schon in Burgdorf in mir selbst lag und sich in den berührten Versuchen aussprach. Drückende Erfahrungen von dem Mangel einer naturgemäßen Sprachlehre in unserer Mitte überzeugten mich schon lange von der Notwendigkeit, die diesfällige Lücke, die in den elementarischen Versuchen der Geistesbildung stattfand, soviel mir möglich auszufüllen oder wenigstens ein Scherflein zu ihrer künftigen Ausfüllung beizutragen. Es ist jetzt eine Reihe von Jahren, daß ich versuchte, die Naturgemäßheit des Sprachunterrichts in seinen wesentlichsten Fundamenten zu erforschen, um ihn in unseren elementarischen Bestrebungen als den Mittelpunkt der naturgemäßen Entfaltungsmittel der Anschauungskraft und der Denkkraft mit Erfolg zu benutzen und ihm die Einfachheit, Naturgemäßheit und solide Gemeinnützigkeit zu geben, deren er ebenso fähig ist, als er derselben dringend bedarf.

Nach unendlich verwirrten Ansichten und Begriffen, in denen ich mich jahrelang über diesen Gegenstand herumtrieb und deren Ursachen, die ich aber jetzt nicht berühre, zum Teil in mir selbst, zum Teil außer mir lagen, glaube ich endlich in der klaren Erkenntnis des Gangs, den die Natur in den Entfaltungsmitteln der Muttersprache allgemein geht, die eigentliche absolute Wegweisung zum ganzen Umfang der Mittel gefunden zu haben, durch welche die Sprachlehre allgemein in allen Teilen und nach allen Richtungen auf naturgemäße Fundamente zurückgeführt, folglich jede Sprache, welche diese auch immer sei, ungeachtet aller Eigenheiten und Verschiedenheiten, welche jede derselben, in der Bildung ihrer äußeren Formen individualiter haben mag, naturgemäß erlernt werden kann. Hierauf gestützt habe ich versucht, das Beispiel einer allgemeinen Normalform aufzustellen, auf welche Art und in welchem Grad es möglich sei, die Erlernung jeder fremden alten oder neuen Sprache auf diesen Gang der Natur zu bauen, und ihn aus den ewigen Gesetzen, die ihm zu Grunde liegen, hervorgehen zu machen. Der Grad, in welchem dieser Versuch sich seiner Reife zu nähern anfängt, hat mich überzeugt, daß er, wenn er in seinen Mitteln vollständig dargelegt ist, allgemein für diesen Zweck segensvoll benutzt werden könne. Ich habe hierfür die lateinische Sprache, in Verbindung mit der deutschen, die das Kind, das Latein lernen soll, zum voraus besitzen muß, gewählt, trete aber jetzt in den Detail dieses Versuches gar nicht ein, weil er durch die Herausgabe eines Teils desselben der Prüfung des Publikums ungesäumt übergeben werden soll und dadurch den Grad seines Erfolgs und den Wert seiner Mittel in ihrem ganzen Umfang und Zusammenhang weit bestimmter ins Licht setzen wird, als alles, was ich ohne diesen Schritt selber vorläufig Erheiterndes und Erläuterndes darüber immer sagen könnte.

Naturgemäße Entfaltung der Denkkraft

Ich fahre also fort, den Gegenstand der Elementarbildung, ohne fernere spezielle Rücksicht auf den Versuch der Aufstellung einer Normalform für die Erlernung aller Sprachen, ins Auge zu fassen.

So wie es von der Sprachkraft wahr ist, daß das Leben sie bildet und daß der ganze Umfang der Kunstmittel, die dem Gange der Natur in seinem Einfluß auf das sie bildende Leben wahrhaft nachzuhelfen geeignet sind, von den naturgemäßen Kunstmitteln der Ausbildung der Anschauungskraft ausgeht, so ist es von der Denkkraft ebenso wahr, daß das Leben sie bildet und daß der ganze Umfang der Kunstmittel, die dem Einfluß dieses sie bildenden Lebens nachzuhelfen geeignet sind, von der naturgemäßen Ausbildung der Anschauungskraft ausgeht. Und so wie die Mittel des bildenden Lebens sich in Rücksicht auf ihren Einfluß auf die solide Ausbildung der Sprachkraft durch ihre Übereinstimmung mit den Ausbildungsmitteln der Anschauungskraft solide zu bewähren vermögen, so vermögen sich auch die Ausbildungsmittel der Denkkraft durch ihre Übereinstimmung mit den Ausbildungsmitteln der Anschauungskraft solide zu bewähren. Der Gang dieses Zusammenhangs der Anschauungskraft und der Denkkraft ist dieser: Die Anschauungskraft führt, wenn sie nicht unnatürlich, verwirrt und irregelenkt wird, den Menschen schon an sich selber unter allen Umständen zu einzelnen klaren Vorstellungen über die Gegenstände seiner Umgebungen, d.h. zu einzelnen Fundamenten der naturgemäßen Belebung seiner Denkkraft. Aber soweit diese klaren Vorstellungen nur in der sinnlichen Anschauung begründet und nur durch sie belebt sind, tun sie der Menschennatur auf keine Weise ein Genüge. Diese will die ihr sinnlich klar gewordenen Vorstellungen in sich selbst zu deutlichen Begriffen erheben; sie will die Gegenstände ihrer Anschauung mit selbständiger Kraft zusammenstellen, trennen und untereinander vergleichen; sie will sie als vorbereitendes Bildungsmittel ihrer Urteilskraft benutzen; sie will sie logisch bearbeiten. Sie muß es wollen. Das Vermögen der Denk- und Urteilskraft, das in ihr liegt, zwingt sie unumgänglich dazu. Alle Welt benutzt diese Kraft; alle Welt denkt und urteilt.

Indessen ist die Kunst, den Übergang vom klaren Bewußtsein einzelner Anschauungsgegenstände zum richtigen Denken und Urteilen über dieselben, durch naturgemäß organisierte und in psychologischen Stufenfolgen geordnete Unterrichtsmittel zu erleichtern, nichts weniger als in einem hohen Grad ihrer Vollendung und Solidität in unseren Händen. Seitdem die Welt steht, arbeitet man an den Mitteln, den Übergang der Ausbildungsmittel der Anschauungskraft zu denjenigen der Denkkraft dem Menschengeschlecht durch die Kunst zu erleichtern und den aus der einfachen Anschauung der Gegenstände der Natur hervorgehenden Bon sens in demselben zur logisch gesicherten Denk- und Urteilskraft zu erheben. Aber so wie man in den Routine-Ausbildungsmitteln der Anschauungs- und Sprachkraft den Weg der Natur verlassen und sich auf den Wegen eitler Verkünstelungsmittel einer tiefgreifenden und verderblichen Unnatur in die Arme geworfen, so ist dieses auch in Rücksicht auf diejenigen Mittel wahr, die unser Verkünstelungsverderben zur Ausbildung unserer Denkkraft soviel als allgemein gebraucht. Es ist unwidersprechlich: Man ist in den diesfälligen Versuchen und Mitteln von der wahren Basis dieser Kunst, von der eigentlichen Übung im sorgfältig richtigen Zusammenstellen, Trennen und Vergleichen der Anschauungsgegenstände vielseitig abgewichen und will die Kinder immer mehr einerseits durch willkürliche und unnatürliche Ausdehnung oberflächlich und einseitig ins Auge gefaßter Reflexionsgegenstände, andererseits durch die Erlernung der Logik, d.h. durch die, ich weiß nicht, ob ich sagen soll, deutliche oder raffinierte Erklärung der ewigen Gesetze, die der Denkkraft zu Grunde liegen, denken lehren. Aber so wie der erste Weg der Vervielfältigung oberflächlich und einseitig aufgefaßter Erkenntnisse, anstatt die Entfaltung der Denkkraft wahrhaft zu befördern, im Gegenteil ihrer naturgemäßen Entfaltung die größten Hindernisse in den Weg legt, so können auf der anderen Seite die ewigen Gesetze, die der naturgemäßen Entfaltung der menschlichen Denkkraft zu Grunde liegen, von Zöglingen, die im wirklichen, einfach mit der Anschauung verbundenen Zusammenstellen, Trennen und Vergleichen der Gegenstände zum fortschreitenden Gebrauche der Denkkraft noch nicht genugsam vorbereitet sind, durchaus nicht in ihrer Wahrheit und Tiefe auf eine Weise verstanden werden, daß sie als wirklich allgemein brauchbares bildendes und stärkendes Mittel dieser Kraft selber angesehen werden könnten. Die Logik bleibt in dieser Rücksicht für sie, so lange sie sie auch in den Händen und im Kopfe herumdrehen, im stärksten Sinne des Worts, ein verschlossenes Buch.

So wenig als die naturgemäße Entfaltung der menschlichen Denk- und Urteilskraft von der Ausdehnung und Menge oberflächlich erkannter Anschauungs- und Reflexionsgegenstände ausgeht, so wenig geht sie aus der oberflächlichen Erkenntnis der ewigen Gesetze der Denkkraft und der daraus fließenden Regeln ihrer Anwendung hervor. Beides, sowohl die willkürliche Ausdehnung oberflächlicher und den Verhältnissen und Lagen des Kindes unanpassender Erkenntnisse als das unnatürliche Voreilen der Erlernung der logischen Regeln vor den genugtuenden Übungen der logischen Kraft, führt unser Geschlecht mitten in seiner Bestrebung, die Bildungskunst der menschlichen Denkkraft zu vervollkommnen, immer mehr von der reinen Basis dieser Kunst ab und auf Verkünstelungsmittel einer Bildung, die die Denkkraft selber, anstatt sie naturgemäß zu entfalten, widernatürlich in sich selbst aufdunset, verwirrt, abschwächt und stillstellt.

Funktion der Zahl- und Formenlehre

Es ist unstreitig: Der naturgemäße Gang der Kunst in der Entfaltung der menschlichen Denkkraft muß mit dem naturgemäßen Gang, den das menschliche Leben zur Entfaltung dieser Kraft selbst geht, in Übereinstimmung gebracht werden. Und so wie der Mensch naturgemäß sich nicht durch erläuternde Erheiterungen von dem Wesen der Liebe und des Glaubens, sondern durch die Tatsache des wirklichen Glaubens und der wirklichen Liebe zu der Kraft des Glaubens und der Liebe erhebt, so erhebt er sich ebensowenig durch erläuternde Erheiterungen der ewigen Gesetze, die der menschlichen Denkkraft zu Grunde liegen, sondern durch die Tatsache des Denkens zur gebildeten Kraft dieses Vermögens selber. Die Elementarbildung, die geeignet ist, den Naturgang in der Entfaltung der Denkkraft durch die Mittel ihrer Kunst zu behelfen und zu befördern, erkennt in der Zahl- und Formlehre[39] die einfachsten Mittel, den Übergang der gebildeten Anschauungskraft zu der ausgebildeten Denkkraft naturgemäß zu behelfen und zu befördern und die eigentliche Basis dieses höheren Vermögens, die Abstraktionskraft der menschlichen Natur, solide zu entfalten und zu bilden. Um aber über das Wesen dieses von der Idee der Elementarbildung anerkannten Fundaments der naturgemäßen Entfaltungskunst der menschlichen Denkkraft richtig zu urteilen, muß man zum voraus ins Auge fassen: Die Kunst der naturgemäßen Zahl- und Formlehre ist gar nicht eine mechanische Einübung des Zählens und Messens. Ebensowenig geht sie von – wenn auch noch so kunstreichen – Erleichterungs- und Abkürzungsmitteln des einzuübenden Rechnens und Messens aus. Sie ist auch kein bloßes Erleichterungs- und Verkürzungsmittel dieses Mechanismus. Ihre Mittel gehen in der Zahl nicht von Formen aus, die mit dem Einmaleins für das Rechnen und tausend andern Kunsterleichterungsformen des Zählens und Messens gleich sind. Sie geht aus der einfachsten, inneren Anregung und Belebung der Grundkräfte, die sich durch die Fähigkeit, Gegenstände der Anschauung in uns selbständig zusammenzustellen, zu trennen und zu vergleichen, aussprechen, hervor, und wir hatten sehr unrecht, sie aus dem Viereck unserer Anschauungstabellen und aus dem Mechanismus ihrer geistig unbelebten Einübungsmittel, wie einen Deus ex machina, hervorzaubern zu wollen.[40]

Die eigentliche Übungskraft alles dessen, was die elementarische Zahl- und Formlehre zu leisten versucht, liegt in dem Selbsttrieb der menschlichen Denkkraft. Der Mensch mußdie Gegenstände seiner Anschauung als Mittel, über sie denken zu lernen, sie selbständig in sich selbst zusammenzustellen, voneinander trennen und unter sich selbst vergleichen. Und indem er das tut, wie er es tun muß, entfaltet sich in ihm die Kraft, die diesen Selbsttrieb belebt, die Kraft zu zählen und zu messen, in ihrem geistigen, inneren Wesen gleichsam von selbst. Die reine, elementarische Zahl- und Formlehre geht also offenbar aus dem Geist und Leben der Kraft, zu deren naturgemäßen Entfaltung sie durch das innere Wesen ihrer Mittel mitzuwirken geeignet ist, hervor, und insofern sie von ihren Anfangspunkten aus elementarisch fortschreitet, verschmäht sie, vorzüglich in ihren Anfangsübungen, alle mechanischen Erleichterungs- und Verkürzungsmittel, welche die Routine- und Handwerksübungen selber der Arithmetik und Mathematik als bürgerliche Kunst- und Berufssache in der Einübung ihrer niederen und höheren Stufen allgemein benutzt.

Rein kraftentfaltend und in hoher Übereinstimmung mit allem, was im ganzen Umfang des Erziehungs- und Unterrichtswesens rein elementarisch behandelt wird, ergreift ihre Kunst das Kind in der Einfachheit ihrer ersten Anfangspunkte mit der größten Lebendigkeit. Es sieht die Gegenstände, in deren Anschauung das Wesen dessen liegt, was gezählt und gemessen werden kann, im millionenfachen Wechsel seiner Grundformen vor seinen Augen; aber so wie sie ihm als bloße isolierte Anschauungsgegenstände einzeln ins Auge fallen, muß es sie in Reihenfolgen von Abstraktionsformen erkennen lernen, durch welche die Stufenfolgen ihrer Verschiedenheiten in gesonderten Darstellungen ihm, mit ihrem wörtlichen Ausdruck vereinigt, zur Anschauung gebracht werden. Beides, die Zahl- und Formlehre, ist nichts anderes als eine Sammlung psychologisch geordneter Reihenfolgen von Mitteln, das innere, geistige Wesen der Zahl und der Form durch solche äußeren Darstellungen dem Kinde stufenweise auf die möglich leichteste Art solide einzuüben, d.h. dasselbe schon bei den ersten, einfachsten Übungen des Elementarunterrichts zusammenstellend, trennend und vergleichend denken und in der Fortsetzung dieser Übungen seine Denkkraft immer mehr zu stärken und zum Umfassenderen und tieferen Denken fähig zu machen.

Die Zahl- und Formlehre, rein elementarisch ins Auge gefaßt, ist also offenbar nichts anderes als ein reines Produkt der dem Menschen innewohnenden Urkraft des Denkens und der in ihm liegenden Fähigkeit, das richtig zusammenstellen, trennen und vergleichen zu können, was die gebildete Kraft des Messens und Zählens voraussetzt und wodurch sie beholfen und entfaltet wird. Die Kunstmittel der so ins Auge gefaßten Zahl- und Formlehre sprechen deswegen auch alle die höchste Übereinstimmung des allgemeinen Gangs der Natur in der Entfaltung aller unserer Kräfte unbedingt an. Sie müssen es, oder sie sind nicht elementarisch. Sie können es aber auch, und es läßt sich tatsächlich aufweisen, daß, wo die Kunst der Elementarbildung in diesem Gange der Natur voranschreitet, ihre Mittel denn auch geeignet sind, die Zöglinge von der ersten Anfangserkenntnis der Zahl- und Formlehre in lückenlosen Stufenfolgen ebenso schnell als solide bis zur selbständigen Berechnung nichts weniger als ganz leichter, algebraischer und geometrischer Aufgaben hinzuführen.

Damit aber ist gar nicht gesagt, daß die elementarisch zu bildenden Zöglinge allgemein und in allen Ständen also zu weitführenden algebraischen und geometrischen Erkenntnissen gebracht werden sollen. Das ist gar nicht der Fall. Die verschiedenen Klassen und Stände und selber die Individuen derselben bedürfen der Kunstausbildungsmittel der Zahl- und Formlehre durchaus nicht alle in gleichem Grade; die wenigsten von ihnen bedürfen derselben in einem ausgezeichnet hohen. Und es wäre wirklich gut, wenn in allen Ständen nur diejenigen Kinder darin weit und auf einen hohen Grad geführt würden, die in den niederen Stufen der diesfälligen Ausbildung, welche unbedingt allen naturgemäß wohl zu erziehenden Kindern gegeben werden sollte, vorzüglich große Vorschritte machen und von denselben so eigentümlich und genialisch ergriffen und gleichsam begeistert würden, daß man offenbar daraus sehen müßte, daß eine höhere, entscheidende Grundlage, sich Geistes- und Kunstkräfte halber auszuzeichnen, in ihnen liegt. Aber in einem solchen Falle sollte die Menschheit auch allgemein ihre Pflicht erkennen, der Entfaltung so ausgezeichnet auffallender Kräfte eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken und so viel es Umstände und Verhältnisse möglich und tunlich machen, dafür zu sorgen, daß eines sehr großen Wachstums fähige Kräfte, die Gott zu ihrer Entfaltung und Besorgung in unsere Hände gelegt, in denselben nicht verwahrlost bleiben und unbenutzt zu Grunde gehen oder sogar dahin gebracht werden, sich in böser Verwilderung allein tätig und kraftvoll aussprechen zu können.

Diese Sorgfalt, die ausgezeichnete Kräfte ansprechen, ändert indessen gar nicht, daß auch in der Zahl- und Formlehre, wie in allem, was die Kunst für die Bildung unseres Geschlechts zu tun vermag, der Grundsatz „ Das Leben bildet“ in allen Fällen unumstößlich erkannt werden muß und folglich auch eben dieses Unterrichtsfach jedem Menschen nur in dem Grad gegeben werden soll, als es mit der Wahrheit seiner Lage in seinen Umständen, Verhältnissen und Mitteln in Übereinstimmung steht oder wenigstens soweit wahrhaft in Übereinstimmung gebracht werden kann, daß es mit den wesentlichen und notwendigen Segensbedürfnissen seiner Lage nicht im Widerspruch steht und ihm am ruhigen Besitz und Genuß derselben hinderlich werde. Die liebevolle Sorgfalt, die wir ausgezeichneter Kinder halber fordern oder vielmehr wünschen, widerspricht diesem Grundsatz auf keine Weise, sie bestätigt ihn vielmehr in seinem ganzen Umfang. Es ist unwidersprechlich: So wie der Grundsatz „ Das Leben bildet“ alles, was die Kunst für die Bildung unseres Geschlechts zu tun vermag, anspricht, so muß auch der Grad, in welchem die Zahl- und Formlehre den verschiedenen Ständen, Klassen und Individuen eingeübt werden soll, eben wie es bei der Ausbildung der Anschauungs- und der Sprachkraft der Fall ist, mit den Umständen, Kräften und Bedürfnissen derselben in Übereinstimmung gebracht und darin erhalten werden. Die Frage: In welchem Grad und bis auf welchen Punkt muß die Zahl- und Formlehre im allgemeinen dem Bauernstand, dem Bürgerstand und den höheren, zur Kenntnis und Erforschung wissenschaftlicher Gegenstände berufenen Ständen und Individuen eingeübt werden? ist mit der Frage: Wie muß die Anschauungslehre, die Sprachlehre und die Elementarlehre der Kunstfertigkeiten diesen verschiedenen Ständen naturgemäß eingeübt werden? ganz die nämliche.

Ebenso bleibt die elementarisch einzuübende Zahl- und Formlehre in Rücksicht ihres Fortschreitens in den Stufenfolgen ihrer Ausübungsmittel im ganzen Umfange ihres Einflusses an den Grad der geistigen Entfaltung, zu dem ihr Zögling gelangt ist, gebunden. Diese Mittel müssen ihm durchaus nicht außer dem Verhältnis des Grades der gebildeten Empfänglichkeit, auf dem er steht, gewaltsam eingepfropft, sie müssen aus ihm oder vielmehr aus der Kraft, die in ihm selbst dafür zu Grunde liegt, in milder, freier Lebendigkeit herausgelockt werden.

Es ist also offenbar, der naturgemäße Übergang von den Eindrücken der Anschauungserkenntnisse zur naturgemäßen Entfaltung, Stärkung und Belebung der Denkkraft geht wesentlich von der Tatsache des Zusammenstellens, Trennens und Vergleichens der dem Kinde zum klaren Bewußtsein gebrachten Anschauungsgegenstände selbst aus. Die Neigung, dieselbigen zusammenzustellen, zu trennen, zu vergleichen und zum Fundament der Entfaltung der Denkkraft und der Ausbildung der Urteilskraft zu benutzen, liegt in ihm selber, und hat, wie jede andere Kraft, den Trieb, sich zu entfalten, von der Wiege an im Kinde selbst. Es ist aber die Sache des Menschengeschlechts, diesen Selbsttrieb auf der Bahn der Natur festzuhalten und ihm dieselbe durch seine Kunst zu erleichtern. Sie darf die Ausbildung der Denkkraft und den Stufengang ihrer Mittel, die von dieser Kraft ausgehen, nicht dem Zufall überlassen; sie muß ihren Zögling mit dem ganzen Einfluß der menschlichen Sorgfalt einem Zustande entgegenführen, der geeignet ist, die Erkenntnis und Benutzung ihrer Mittel dem Menschengeschlecht mit entschiedener Kraft und Sicherheit zu erleichtern. Die naturgemäßen Kunstmittel dieses Zweckes gehen offenbar von der höchsten Vereinfachung aller menschlichen Unterrichtsmittel und besonders der Zahl- und Formlehre aus, die in Verbindung mit aus dem wirklichen Leben des Kindes hervorgehenden und innerhalb seiner Schranken genossenen und gereiften Anschauungserkenntnissen als die Basis der naturgemäßen Ausbildung der menschlichen Denkkraft anzusehen ist.

Doch ich gehe einmal zu meinen Ansichten über die elementarische Entfaltung der Kunstkraft hinüber.

In Hinsicht der Kunst (Hand)

Grundsätzliche Erwägungen

c) Die Kunstkraft ist, wie jede andere Kraft des Menschengeschlechts, vor ihrer Ausbildung nur Kunstanlage, Kunstsinn. Diese entfaltet sich, eben wie die Anlage der Anschauungs-, Sprach- und Denkkraft, nur durch ihre Übung, durch ihren Gebrauch allmählich zur Kunstkraft. Ihre Bildung geht offenbar von der Übung der Kräfte der Sinne, Organe und Glieder aus. Das innere, geistige Wesen aller Kunst ist mit dem inneren Wesen der Geistesbildung und der Denkkraft innig verwoben. Alle elementarischen Mittel der naturgemäßen Entfaltung der Denkkraft sind in ihrem Wesen auch naturgemäße Entfaltungsmittel des inneren, geistigen Wesens aller Kunst und aller Kunstkräfte[41]. So wie die Zahl- und Formlehre durch ihr Wesen geeignet ist, die logischen Kräfte unseres Geschlechts durch Übungen der Anschauungsgegenstände im Zusammenstellen, Trennen und Vergleichen zu begründen und progressiv zu entfalten, zu stärken und zu erhöhen, so sind eben diese Übungen geeignet, das innere, geistige Wesen der Kunst in Gemeinschaft des inneren Wesens der Denk- und Urteilskraft elementarisch zu begründen, zu entfalten, zu stärken und zu erhöhen. Die äußeren und inneren Grundanlagen der Kunst aber müssen, wenn sie elementarisch entfaltet und gestärkt werden sollen, beim Kinde von der Wiege auf beiderseits gemeinsam und im innigsten Zusammenhang untereinander menschlich belebt, in Tätigkeit gesetzt und so sich selbst bildend benutzt und gebraucht werden.

Alle Mittel der naturgemäßen Bildung und Entfaltung unserer Kunstkräfte hängen deswegen mit den elementarischen Entfaltungsmitteln der Anschauungskraft innig zusammen. Wie diese wesentlichen Folgen der gebildeten menschlichen Sorgfalt und Kunst zur Aufweckung, Belebung, Leitung und Stärkung des menschlichen Selbsttriebs in der Entfaltung der Anschauungskraft sind, so sind ebenso die naturgemäßen Elementarmittel zur Entfaltung der menschlichen Kunstkraft als Folgen der gebildeten menschlichen Sorgfalt zur Aufweckung, Belebung, Leitung und Stärkung des menschlichen Selbsttriebs zur Entfaltung der menschlichen Anschauungskraft anzusehen und zu benutzen. Das innere Wesen der Kunstkraft ist, wie das innere Wesen der Anschauungskraft, der Sprachkraft und der Denkkraft, Geist und Leben; die äußeren Mittel der Entfaltung der Kunst sind, insofern sie die Ausbildung unserer Sinne und sinnlichen Organe ansprechen, physisch, insofern sie die Ausbildung unserer Glieder ansprechen, mechanisch. Beide sprechen eine elementarische Gymnastik der Sinne, der sinnlichen Organe und der Glieder an. Die Kunstgrundsätze und Mittel der Gymnastik der Sinne und sinnlichen Organe müssen von den physischen Gesetzen abstrahiert werden, die im Wesen der Kräfte selber liegen, die den Sinnen und ihren Organen eigen sind (und) die sie, die Gymnastik, naturgemäß für die Kunst beleben, bilden und stärken soll. Die Gymnastik der Glieder hängt ebenso von den Gesetzen ab, die den Kräften der Glieder eigen sind, die sie, die elementarische Gymnastik für die Kunst beleben, stärken und bilden soll. Ihre Mittel gehen aus der Natur des Mechanismus, der den Kräften der menschlichen Glieder zu Grunde liegt, hervor, und sind also in ihrem Wesen mechanisch.

Der Selbsttrieb, der den Kräften der Sinne, der Sprachorgane und der Glieder zu Grunde liegt, reizt die Sinne, Organe und Glieder an sich selbst zur Tätigkeit, die sie bildet. Aber die Kunst[42] ist geeignet, die Wirkung dieser Tätigkeit vielseitig zu erleichtern, zu vergeschwindern und zu berichtigen. Sie, wenn sie naturgemäß oder elementarisch gegeben wird, bietet uns eine Stufenfolge psychologischer Bildungsmittel, die Anschauungskraft des Ohrs für das Richtig-Hören, des Auges für das Richtig-Sehen und des Mundes für das Richtig-Reden und Richtig-Singen progressiv zu schärfen und zu stärken, an. Ebenso bietet sie uns eine Stufenfolge von Mitteln an, die Kunstkraft unserer Glieder zum Dienst des inneren Wesens der Kunst mechanisch zu entfalten.

Das Kind, vom Selbsttrieb der Kräfte, die in ihm liegen, gedrungen, fängt mit dem Gebrauche der vielseitigen Kräfte seiner Sinne und Glieder, die seine Tätigkeit zur Kunst ansprechen, von selbst an.

Es geht der nachhelfenden Kunst in selbständiger Freiheit voraus. Die nachhelfende Bildung muß dieser freien Tätigkeit des ungebildeten Kunstsinnes nicht voreilen. Die Kunst muß den Sinn des Kindes nur reizend ansprechen. Sie muß durch die Regemachung des Gefühles: Ich kann das auch - das Kind zum Nachlallen eines lieblichen Tons reizen. Sie muß es frei Kreide, Bleistift, Kohlen etc. in die Hand nehmen und gerade und krumme Striche ins Kreuz und in die Quere, ohne sich dareinzumischen und ihm dieselben berichtigen zu wollen, an die Wand, an den Boden, in den Sand oder, wo es ist, zeichnen lassen. Erst dann, wenn es leichte Wort- und liebliche Klangtöne von sich selbst nachgelallt und an den Veränderungen und näheren Bestimmungen seiner Kreuz- und Querstriche einen Gefallen zu haben anfängt, erst dann, wann der Reiz, mehrere und verschiedene Wort- und Klangtöne nachzulallen und seine Kreuz- und Querstriche richtiger, vielfacher und sich selber gleicher zu machen und der Gedanke in ihm erwacht: die liebende Mutter kann mir helfen, das zu machen, was ich gerne machen möchte und nicht recht machen kann – erst dann ist der Zeitpunkt da, wo die Handbietung der Kunst naturgemäßen Eingang beim Kinde findet und ihm naturgemäß angeboten werden soll. In allen Fächern der Kunstbildung ist dieser Gang ihrer Bildungsmittel ein und eben derselbe. Die Lehre der Kunst, die von der regegemachten und belebten Freiheit des Kunstsinns und seines Selbsttriebs ausgeht, ist in allen Mitteln, die von den Gesetzen ihres inneren Wesens ausgehen, sich immer selbst gleich.

Der ganze Umfang aller wahrhaft elementarischen Bildungsmittel geht von der höchsten Einfachheit ihrer wesentlichen Anfangspunkte aus und schreitet in lückenlosen Stufenfolgen intensiv und extensiv unter sich übereinstimmend, den höheren Stufen jeder Erkenntnis, jedes Bildungs- und Unterrichtsfaches entgegen.

Übereinstimmung der Bildungsmittel der Kunst mit den Grundbedürfnissen des Menschen

Die Bildungsmittel aller Kunst gehen teils von sinnlichen Bedürfnissen unsers tierischen Daseins, teils von geistigen Antrieben und Neigungen zum inneren Wesen der Kunst selbst aus. Die höchste Stufe der Baukunst geht von den Verschönerungskünsten der Schilfhütte des Wilden aus. Würde unser Geschlecht keines Schutzes gegen Wind und Wetter bedürfen, so hätte der Mensch keine Paläste; und wenn das Gelüste, vom Ufer eines Flusses ans andere und vom Strand eines Sees an den anderen, ohne große Umwege hinüberzukommen, nicht in uns läge, so hätten wir von unseren vielerlei Schiffen wahrscheinlich wenige, und der Name Baukunst und Schiff-Baukunst wäre in unserer Sprachlehre kaum zu finden.

Erst wenn wir die Bedürfnisse unseres tierischen Daseins in einem merklichen Grad befriedigt haben, führt uns unser Kunsttrieb naturgemäß weiter und sucht, die in der Befriedigung der tierischen Bedürfnisse erprobten und gestärkten Kunstkräfte auf die Befriedigung der uns innewohnenden geistigen Antriebe und Neigungen zur Kunst selber anzuwenden, und stärkt sich in der Solidität ihres menschensegnenden Einflusses auf die Bildung unseres Geschlechts im allgemeinen, solange und soweit sie in den Bildungsmitteln ihrer Kräfte mit der Sorgfalt für die Quelle, woraus sie wesentlich entspringt, in Übereinstimmung bleibt. Sowie sie aber, von dieser Bahn abweichend, den Mittelpunkt ihrer naturgemäßen Selbstbildung, den innigen, engen Zusammenhang ihrer naturgemäßen Vorschritte mit dem Segenseinfluß ihrer Kraft auf die Befriedigung der Notbedürfnisse unsers sinnlichen Daseins auf Erden, mißkennt und durch partielle Übersättigung in diesen Bedürfnissen dahin gelangt, die Scheinausbildung der in uns wohnenden, höheren, geistigen Kunstkräfte zur Befriedigung der die Menschennatur in allen ihren Kräften wesentlich abschwächenden Kitzel- und Flittergelüste ihrer Sinnlichkeit allgemein in allem Volke anzusprechen, so hat sie das wahre und wesentliche Fundament ihrer Segenskräfte für das Menschengeschlecht verloren und führt uns mit vollem Zügel dem Flitterglanz des die Menschennatur im Innersten ihrer Segenskräfte verheerenden Zustandes einer allgemein in alle Stände eingreifenden Verkünstelungsabschwächung entgegen.

Die Mittel der geistigen und höheren Kunstbildung müssen der Solidität der die Notbedürfnisse des Menschengeschlechts sicherstellenden Kunstbildungsmittel in gewissen Rücksichten so viel als untergeordnet ins Auge gefaßt werden. Unser Weltteil hatte kaum jemals wie jetzt nötig, die Ausdehnung und Allgemeinmachung der Ansprüche an höhere und geistige Kunstausbildung in die Schranken zurückzulenken, die das Bedürfnis der wesentlichen Solidität und Sicherheit der gemeinen, broterwerbenden, anspruchslosen, häuslichen und bürgerlichen Tätigkeit und ihrer Fundamente ihr anweist. Die höhere Kunst selber findet in der Sorgfalt für diese Beschränkung wesentliche Fundamente zur Sicherstellung und Erhaltung ihrer eigenen Segenskräfte. Der Luxus ihrer Ausdehnung ist sowohl in rein menschlicher als bürgerlicher Hinsicht[43] das Grab ihrer Solidität, indem er die wesentlichen inneren Fundamente ihrer Kraft selber untergräbt und ebenso ihre äußeren Resultate segenslos und folglich für die Menschennatur unbefriedigend läßt.

Zusammenhang zwischen Kunstkraft, Anschauungskraft, Denkkraft und Sprachkraft

Die Ausbildungsmittel der Anschauungskraft durch alle fünf Sinne sind das wesentliche Fundament der naturgemäßen Ausbildung der Kunstkraft und müssen es sein, denn diese, die Kunstkraft, geht wesentlich aus der ersten, der Anschauungskraft, hervor, und ihre naturgemäße Ausbildung ist nur durch die gute Beschaffenheit und genugtuende Ausbildung der Sinne, Organe und Glieder, deren tätige Mitwirkung die Ausbildung der Anschauungskraft anspricht, denkbar.

Die Ausbildung des geistigen Wesens der Anschauungskraft spricht aber zugleich auch die Ausbildungsmittel der Denkkraft, (d.h.) die Erkenntnis der Zahl- und Formlehre, sowie die Ausbildungsmittel der die Anschauungs- und die Denkkraft vermittelnden Sprachkraft an. Das Wesen aller Ausbildungsmittel der Kunstkraft besteht in der geistigen Belebung und sinnlich genugtuenden Übung der Anlagen, die dem Zeichnen, Messen und Rechnen, sowie dem Singen und der Tonkunst, im ganzen Umfange des Wortes, zu Grunde liegen. Wer elementarisch, d.h. durch Reihenfolgen von psychologisch organisierten Bildungsmitteln, messen, rechnen und zeichnen gelernt, der hat den ganzen Umfang der geistigen Bildungsmittel zur Kunst in sich selbst, und es fehlt ihm nichts mehr als die Ausbildung der mechanischen Fertigkeiten, die die äußere Ausübung des speziellen Kunstfaches, das er erlernen will, besonders anspricht.

Tonkunst

Das ist sogar auch in der Tonkunst und der mit ihr innig verbundenen Tanzkunst richtig. Wer sich die Kraft des Messens und Rechnens elementarisch eingeübt, der hat einen Vorsprung in der deutlichen Erkenntnis aller Fundamente der Gesangslehre, die in der Vokal- und Instrumentalmusik allenthalben die nämlichen sind und die auch die mühsamsten Einübungen der äußeren Fertigkeiten sowohl des Singens als des Spielens auf jedem Instrument in einem hohen Grad erleichtern und durch die Deutlichkeit des Bewußtseins der Grundsätze des Unterrichts sicher machen. Diese innere Erheiterung der Fundamente der Vokal- und Instrumentalmusik mindert indessen das Bedürfnis der anstrengungsvollen Übungen der äußeren Werkzeuge der Tonkunst, in Verbindung mit dem inneren Wachstum des geistigen Bewußtseins und der geistigen Klarheit ihrer Fundamente, gar nicht. Wenn die Zahl- und Formlehre die Erlernung des inneren Wesens der Tonkunst erleichtert, so muß das Wachstum der inneren Erkenntnis der Fundamente der Tonkunst mit dem Wachstum der äußeren Kräfte der Ausübung in jedem Fache derselben gleichen Schritt halten.

Die vier Stufen der Entwicklung der Kunstfertigkeit

Der Bildungsgang aller mechanischen Fertigkeiten, die der ganze Umfang der äußeren Kunstbildungsmittel erheischt, ist, wie ich oben schon in einer allgemeinen Beziehung gesagt habe, dieser: Von Übungen zur Richtigkeit einer jeden mechanischen Fertigkeit ausgehend, schreitet er zur Einübung der Kraft in der Richtigkeit, und von dieser Kraft zur Zartheit in der Darstellung derselben vorwärts, und gelangt endlich durch eingeübte Richtigkeit, Kraft und Zartheit seiner Kunstfertigkeit zur Freiheit und Selbständigkeit in den Ausübungsmitteln derselben. Wir haben den diesfälligen Gang der Bildungsmittel der mechanischen Fertigkeit im Schreiben, Zeichnen, Singen, Klavierspielen einzig naturgemäß und in seinen Wirkungen allgemein sich selbst gleich und befriedigend gefunden. Die Fundamente seiner Stufenfolge sind im Wesen der Menschennatur selbst gegründet. In ihrem ganzen Umfange an mathematische Sicherheit und mechanische Genauigkeit gebunden, gehen sie von der höchsten Einfachheit der Anschauungserkenntnisse aus und ergreifen die kindliche Natur auf allen ihren Stufen. Der unbefangene Beobachter muß, er kann nicht anders, erkennen, daß bei der sorgfältigen Befolgung ihrer Stufenfolgen die Kunst zur Natur und die Natur zur Kunst wird.

Die Bedeutung des häuslichen Lebens in den verschiedenen Ständen

Die elementarische Geistes- und die elementarische Kunstbildung stehen, wie schon oben gesagt, im großen, innigsten Zusammenhang nebeneinander. Das Kind, dem die elementarische Zahl- und Formlehre solide eingeübt worden, besitzt das geistige Element der naturgemäßen Ausbildung zur Kunst ebenso tief und ebenso allgemein in sich selbst als das geistige Element der naturgemäßen Entfaltung seiner Denk- und Urteilskraft, und die mechanischen Fertigkeiten, die jedem speziellen Kunst- und Gewerbsfache zu Grunde liegen, werden dem Kinde, das einer wahrhaft elementarischen Führung unterworfen erzogen wird, im häuslichen Leben schon zum voraus gegeben, und zwar in allen Ständen in wesentlicher Übereinstimmung mit den speziellen Lagen und Bedürfnissen, ebenso wie in Übereinstimmung mit dem Grad der Kräfte und Anlagen, die ihnen zu Grunde liegen. Die Anwendung des Grundsatzes „das Leben bildet“ ist indessen, wenn von dem guten, naturgemäßen Einfluß des häuslichen Lebens auf die Bildung unseres Geschlechts, sowohl in Beziehung seiner naturgemäßen Mittel als seiner segensvollen Resultate, die Rede ist, in Rücksicht auf die höheren Stände weniger allgemein anwendbar als in Rücksicht auf die niederen. Diesen letzteren wird das Wesen der mechanischen Fertigkeiten, deren sie durch ihr Leben vorzüglich bedürfen, soviel als allgemein von der Wiege an schon zum voraus vielseitig eingeübt und eigen gemacht. Die Kinder des Landvolks, der Handwerktreibenden und aller ihren Haussegen durch ihren Gewerb gründenden und fördernden Stände leben im allgemeinen vom Morgen bis am Abend in Umgebungen und Verhältnissen, in denen sie alle Augenblicke Gelegenheit und Reiz finden, an den mechanischen Fertigkeiten ihres väterlichen Berufs teilzunehmen und sich das Wesentliche der speziellen Fertigkeiten, die sie für irgendein künftiges, ihrer Lage und ihren Verhältnissen angemessenes Berufsfach nötig haben, einzuüben.

Das ist aber freilich bei den höheren Ständen nicht der Fall.

Not und Bedürfnis helfen ihnen dazu gar nicht. Ihre Kinder sprechen im allgemeinen mit eingesogener Selbstzufriedenheit das Wort aus: „Ich bin reich und bin reich geworden und bedarf dessen nicht.“ Das segensvolle Gefühl gemeiner bürgerlicher und ländlicher Kinder: „Ich kann meinem lieben Vater und meiner lieben Mutter in ihren Geschäften und selber in solchen, die sie im Schweiß ihres Angesichts verrichten müssen, einige Handbietung und Hilfe leisten, die sie freut und erleichtert“ – dieses segensvolle Gefühl der Kinder der gemeinen Stände und die häusliche Vorbereitung zu genugtuender Einübung der mechanischen Fertigkeiten, die auch sie in jedem ihren Verhältnissen angemessenen Berufsfach notwendig haben möchten, fehlt den Kindern der höheren Stände allgemein, und noch mehr den Kindern aus dem zahllosen Schwarm der anmaßlichen Menschen, die in bürgerlicher und häuslicher Kraft- und Verdienstlosigkeit[44], ohne einen Schatten von wahrem Recht, nicht zum gemeinen Volk und nicht zum Stand, in den sie wirklich gehören, sondern mit Gewalt zu einer Art von Gnadenanhängsel der vornehmen und reichen Leute, die in ihrer Nähe wohnen, gezählt sein wollen, im höchsten Grad.

Unsere, sich von der Segensbahn der häuslichen Verhältnisse immer mehr entfernende Zeitverkünstelung hat einen großen Teil von Individuen aus den höheren Ständen und selber einige sonst sehr edle Seelen unter ihnen in Rücksicht auf alles, was ihre Kinder von früher Jugend an sittlich, geistig und physisch kraftvoll bilden und in allen diesen Beziehungen zu einer befriedigenden Selbsttätigkeit und Selbständigkeit erheben konnte, irregeführt und diesfalls auf Abwege hingelenkt, auf denen die Bahn der Natur in der Entfaltung und Bildung ihrer Kräfte ihnen soviel als allgemein und gewaltsam aus den Augen gerückt wird.

Der Gang der Kunst[45] muss mit dem Gang der Natur übereinstimmen[46]

Der Mangel der naturgemäßen Einübung der mechanischen Fertigkeiten für die allgemeine solide Begründung der Kraftbildungsmittel unseres Geschlechts, die auch die höheren Stände zum gesegneten Fleiß und zur gesegneten Betreibung aller guten Werke ihres Standes notwendig haben, ist in unseren Tagen größer und für ihren Haussegen drückender und irreführender, als er es je war. Es mangeln uns in der Verkünstelung unseres gegenwärtigen Zeitpunkts, beides, sowohl der Gang der Natur als derjenige der Kunst, der dem Gange der Natur nachhelfen sollte und ihm auch nachhelfen würde, wenn wir für den Gang der Natur und die daraus herfließenden Mittel der Idee der Elementarbildung mehr Sinn und Takt hätten, als wir dafür wirklich besitzen. Wir suchen nicht bei der Wahrheit der Kunst, sondern bei dem Verderben unserer Verkünstelung Mittel und Hilfe gegen die Quelle der Übel, von der wir gegenwärtig Natur und Kunst halber gleich entfernt sind und uns beiderseits gleich in Verlegenheit befinden.

Wir müssen in dieser Rücksicht die Natur und die Mittel der Elementarbildung, insofern sie Mittel der menschlichen Kunst sind, genau und scharf von dem Gang der Natur in der Entfaltung unserer Kräfte gesondert ins Auge fassen. Der Gang der Natur in der Entfaltung unserer Kräfte, der dem Gang der Kunst in der Ausbildung derselben, folglich auch dem ganzen Umfang der elementarischen Bildungsmittel vorhergeht und ihn begründet, ist ewig und unveränderlich. Der Gang der Kunst ist dieses zwar in Rücksicht auf das Innere seines Wesens ebensowohl, aber in Rücksicht auf das äußere seines Einflusses und seiner Anwendungsmittel ist er veränderlich. Sein Wesen ist nicht seine äußere Erscheinung; sein Wesen ist die Kraft selber, aus der seine äußere Erscheinung hervorgeht. Die äußere Erscheinung der Kunst ist zwar im Wesen der Kunst selber gegründet; aber sie ist nur insoweit wahre Kunst, als sie mit dem Gang der Natur in der Entfaltung unserer Kräfte in Übereinstimmung steht. Sowie sie dieses nicht tut, sondern mit ihm im Widerspruche dasteht, ist sie insoweit unerschöpfliche Quelle der bösen Verkünstelung unseres Geschlechts, die besonders in unserer Zeit durch die Gewalt ihrer Reize auf den Segen und das Wachstum der wahren Kunst tödlich eingreift.

Ich fasse beides, den diesfälligen Gang der Natur und denjenigen der Kunst, so wie dieser sich in der Idee der Elementarbildung und durch sie in der bestimmtesten Opposition mit dem Verkünstelungsverderben unserer Zeit und ihrer Routinemittel als wahre Erziehungskunst bewähren soll, ins Auge, und werfe einen kurzen Hinblick auf das Tun und die Bestimmung des einen neben dem anderen sowie auf den Zusammenhang, in welchem beide, gegenseitig sich unterstützend und behelfend, nebeneinander dastehen und auf den wirklichen Zustand des Erziehungswesens in unserem Geschlecht einzuwirken bestimmt sind.

Entfaltung der Anschauungskraft

Der Gang der Natur in der Entfaltung der Anschauungskraft ist an die Wahrheit der Lage des Individuums, dessen Anschauungsvermögen gebildet werden soll, gebunden. Sein Einfluß auf die Entfaltung dieser Kraft hängt gänzlich von der Erscheinung der Gegenstände ab, wie solche dem Kind in der Wahrheit seiner Umgebung vor die Sinne gelangen. Die Kunst der Elementarbildung kann diese Erscheinungen vermehren, sie kann ihren Reiz erhöhen, sie kann ihn ordnen, sie kann ihn lehrreicher und als ihr Bildungsmittel auf die Menschennatur eingreifender machen. Und dieses alles kann sie von der Wiege auf. Sie soll es auch. Aber sie soll es nur in dem bestimmten Zusammenhang mit dem Gang, den die Natur in der Darstellung der Anschauungsgegenstände beim Kinde selbst geht, und diese ist in dieser Darstellung an die Wahrheit und Wirklichkeit der Lagen, Umstände und Verhältnisse, in denen das Kind, dessen Anschauungsvermögen durch den Eindruck und die Benutzung dieser Erscheinungen gebildet werden soll, gebunden.[47] Die Kunst darf ihren diesfälligen Einfluß durchaus nicht außer dem Zusammenhang mit der Wahrheit und Wirklichkeit dieser Lagen, noch weniger im Widerspruch mit denselben versuchen. Sie soll weder durch ihren Einfluß auf die Vermehrung der Anschauungsgegenstände, noch durch ihre Anordnung, noch durch die Erhöhung ihrer Reize nachteilig auf den Gang der Natur, der in seinem Einfluß auf die Entfaltung des Anschauungsvermögens des Kindes an die Wahrheit und Wirklichkeit der Lage und der Umstände, in denen es lebt, gebunden ist, einwirken. Tut sie es, so ist sie nicht wahre Kunst, sie ist nicht elementarisch begründet, sie ist zum erniedrigten Mittel unserer Zeitverkünstelung und ihres Verderbens herabgesunken, und die elementarische Kraft der wahren Erziehungskunst, deren Schild sie aushängt, ist nicht in ihr. Die wahre Kunst soll und darf ihren Zögling auf keine Weise außer dem festen Zusammenhang mit dem Gang der Natur in der Entfaltung unserer Kräfte und ebensowenig im Widerspruch mit den bildenden Anschauungseindrücken, die aus der Wahrheit und Wirklichkeit der Lage, der Umstände und der Verhältnisse, in denen ihr Zögling lebt, hervorgehen und hervorgehen sollen, anreizen, beleben und ergreifen.

Entfaltung der Sprachkraft

So ist hinwieder der Gang der Natur in der Entfaltung der Sprachkraft ebenso an die Wahrheit und Wirklichkeit der Lagen, Umstände und Verhältnisse des Individuums, bei welchem die Sprachkraft entfaltet werden soll, gebunden. So wie die Kunst der Elementarbildung die Erscheinung der Anschauungsgegenstände vor den Sinnen des Kindes zu vermehren, ihre Eindrücke zu verstärken, sie ergreifender zu machen und belehrender zu ordnen, geschickt ist, so ist sie dadurch auch geeignet, die Erscheinungen der Anschauungsgegenstände dahin zu benutzen, die Kunstbildungsmittel der Sprachkraft ausgedehnter, belehrender und ergreifender zu machen, als dieses dem sich selbst überlassenen Gang der Natur in der Entfaltung unserer Kräfte möglich ist und möglich werden kann. Die Anschauungskraft und die Sprachkraft haben in ihrem, für das Menschengeschlecht segensvollen Kunsteinfluß den nämlichen Spielraum, aber auch die nämlichen Schranken. Der Gang der Kunst darf sich weder in seinem Einfluß auf die Erweiterung und Belebung der Sprachkraft, noch in demjenigen, den er auf die Vermehrung der Reize des Kindes für die Sprachkunst, als solche, zu ergreifen haben könnte, ebensowenig als in seinem Einfluß auf die Erweiterung und Belebung der Anschauungskraft und in demjenigen, den er auch in diesem Fach auf die Vermehrung der Reize des Kindes für diese Kunst, als solche, haben könnte, vom Gang der Natur in der Entfaltung dieser Kräfte entfernen oder sogar im Widerspruch mit denselben auf seinen Zögling einwirken.

Selbst die Erlernung einer neuen, toten oder lebendigen Sprache findet die Fundamente ihres naturgemäßen Ganges in der Übereinstimmung ihrer Mittel mit dem Gang, nach welchem die Natur beim Kinde, das die Mutter reden lehrt, in Übereinstimmung mit seiner Lage und mit seinen Verhältnissen zu Werke geht.

Entfaltung der Denkkraft

Alles in Rücksicht auf die Übereinstimmung des Gangs der Natur und des Gangs der Kunst in der Entfaltung und Ausbildung der Sprachkraft Gesagte ist auch in Rücksicht des Einflusses, den die Sprache als Mittelstufe zwischen der Entfaltung der Anschauungskraft und der Denkkraft besitzt, gleich wahr. In der Entfaltung der Denkkraft ist der Gang der Natur hinwieder an die Anschauungserscheinungen der Gegenstände und an den Grad der Klarheit, in welchem sie dem zum Denken zu bildenden Individuum durch die Anschauung der Sinne und durch die Sprachkraft zum festen Bewußtsein gebracht werden muß, gebunden. Die Anschauungskunst erzeugt die Eindrücke der Gegenstände, die Sprachkraft gibt dem Zögling die Ausdrücke, den Sinn, die Bedeutung der Eindrücke zu bezeichnen. Beide zusammen machen diese Gegenstände zu Objekten, die das Kind in sich selbst als zusammengehörend oder voneinander getrennt ins Auge fassen, miteinander vergleichen und zur Belebung seiner Denkkraft benutzen kann. Und was diesfalls von dem Zusammenhange des Gangs der Natur mit dem Gange der Kunst in Beziehung der Anschauungskraft und der Sprachkraft gesagt ist, das ist auch in seinem ganzen Umfang in Beziehung des Zusammenhangs des Gangs der Natur mit dem Gange der Kunst in der Entfaltung der Denkkraft und des durch sie naturgemäß zu begründenden Unterrichts in allen wissenschaftlichen und Kunstfächern gleich wahr.

Der naturgemäße Gang der Entfaltung der Denkkraft ist indessen, eben wie der naturgemäße Gang der Anschauungskraft, wenn er, von der Kunst unbeholfen, sich selbst überlassen ins Auge gefaßt wird, an das Positive der Lagen und Verhältnisse, in welchen die Gegenstände der Anschauung dem Kinde vor die Sinne kommen, gebunden. Auch reift das Vermögen der Denkkraft bei diesem Gange langsam und in engen Schranken. Ohne Beihilfe der Kunst denkt das Kind über wenige Gegenstände und wird langsam zum freien und erweiterten Denken reif. Zwar erweitert schon die Anschauungs- und die Sprachkunst diese Schranken in der Entfaltung der Denkkraft. Aber es ist ein selbständiges Vermögen in der Denkkraft, sich über die Schranken der Anschauungseindrücke zu erheben und schöpferisch in der Ausbildung seiner selbst selbständig vorwärts zu schreiten. Dieses Vermögen liegt im Wesen der Denkkraft. Es ist eigentlich ihr Wesen. Es konstituiert ihr Wesen. Es heißt Abstraktionsvermögen. Aber auch dieses Vermögen entfaltet sich, wenn es kunstlos sich selbst überlassen wird, nur langsam. Es ruft der Kunst mit innerer selbständiger Kraft.

Aber so wahr dieses, so selbständig und schöpferisch die Kunst an sich selbst ist und auf unser Geschlecht einwirkt, so soll und darf sie doch nicht durch die Mittel ihrer Ausbildung, welche diese auch immer sein mögen, außer den Zusammenhang mit dem Gang der Natur in der Entfaltung der Anschauungskraft und der Sprachkraft sinnlich gereizt, zu einem außer den Zusammenhang des wirklichen Lebens geworfenen Freidenken, dem das heilige, segensvolle Fundament des durch menschliche Lage und menschliche Pflicht beschränkten Denkens mangelt, zu einem, diesen Segen untergrabenden Herumschweifen und Ausschweifen im Denken widernatürlich und außer dem Kreis des wirklichen positiven Zusammenhangs des Kinds angereizt und angelockt werden. Die wahre Kunst tut das niemals, aber das Verkünstelungsverderben, das, von der Selbstsucht unserer sinnlichen Natur belebt und gereizt, der wahren Kunst selber in allen Rücksichten ans Herz greift, tut das vielseitig. Es lockt, durch die Unnatur seiner Ausbildungsmittel zur Scheinkunst unseres Geschlechts, den Zögling mit gewaltigen Reizen auf die vielseitigste Art zu einem ungebundenen, oberflächlichen, mit dem positiven Leben des Menschen durchaus wesentlich und eng zusammenhängenden Herumschweifen im Denken. Dieses aber ist in seinen verderblichen Folgen so wichtig, daß es wesentlich notwendig ist, demselben frühe und zwar schon in der Bildung der Anschauungs- und der Sprachkraft vorzubeugen, umso mehr, da die ersten Reize dazu in der Unnatur und in den Verirrungen, die in der Ausbildung der Anschauungskraft und der Sprachkraft selber stattfinden, zu suchen sind. Wir können uns gar nicht verhehlen, in welch einem hohen Grad die sinnlichen Belebungsmittel in der Routineentfaltung unserer Anschauungskraft und unserer Sprachkraft in dieser Rücksicht unvorsichtig und gefährlich sind, und zwar vorzüglich wegen des gewöhnlich verbundenen, großen Mangels an genugsamen Übungen, die mit durchgreifender Ordnung und Festigkeit, der Ausschweifung und Zerstreuung im Anschauen der Bildungsgegenstände und im Reden darüber kraftvoll Einhalt zu tun und vorzubeugen geeignet sind.

Die Oberflächlichkeit unserer diesfälligen Routineübungen reizt gewöhnlich allgemein zum gedankenlosen Maulbrauchen über die Gegenstände, durch die wir uns unterrichten sollten. Wenn das Kind das, was es lernen sollte, nicht versteht, und doch zeigen sollte, daß es dasselbe verstehe, so führt das natürlich zum gedankenlosen Schwatzen über Sachen, die es nicht versteht. Sein Lernen selber wird ein eigentlicher Unterricht im Maulbrauchen über das, was es nicht versteht. Dadurch wird denn aber auch das Schwatzen darüber ein eigentliches Versüßungsmittel des Verdrußes und der Langeweile, die jeder Unterricht, den man nicht versteht, der Menschennatur notwendig macht. Es ist psychologisch richtig und sehr leicht zu erklären, wie man auf diesem Wege dahin kommen kann, am Ende leidenschaftlich viel über Dinge zu reden, mit denen man sich zum Ekel lange und mühselig beschäftigen mußte, ohne es in sich selber dahin gebracht zu haben einzusehen, was sie sind und wozu sie dienen.

Vereinfachung der Erziehungs- und Unterrichtsmittel

So weit gehen die Folgen der Abweichung der Kunst vom Gange der Natur in der Entfaltung unserer Kräfte allgemein in den Anfangspunkten der Routineausbildungsmittel unserer Anschauungskraft, unserer Sprachkraft und unserer Denkkraft. So wahr dieses ist, so wahr ist hinwieder auch, daß die Vorbeugungsmittel sowohl gegen die Ursachen als gegen die Folgen dieses Verkünstelungsverderbens und die Bahn zur wahren Begründung der echten Kunst der Erziehung im Wesen der Idee der Elementarbildung liegen. Fasse ich diese große Idee mit Festhaltung dieses Gesichtspunkts noch einmal ins Auge, so sehe ich, ihre wesentliche Kraft geht von dem Einfluß aus, den die Vereinfachung des ganzen Umfangs der Erziehungs- und Unterrichtsmittel auf die Kultur des menschlichen Geschlechts hat und notwendig haben muß; und es ist diese Vereinfachung, wodurch sie geeignet wird, den bildenden Einfluß des häuslichen Lebens und seines Mittelpunkts, der Wohnstube aller Stände, zu erhöhen und dadurch Millionen Kräfte für die Erziehung in Bewegung zu setzen, die gegenwärtig schlafend unbenutzt und unbelebt in unserer Mitte dastehen.

Ich führe zur Bestätigung des Weitführenden dieser Wahrheit nur dieses an: Jedes Kind wird, wie wir schon wissen, durch die elementarische Vereinfachung des ganzen Umfangs seiner Unterrichtsmittel instand gesetzt, das, was es auf jeder Stufe der Ausbildung, auf der es steht, selbst gelernt hat, seinen Geschwistern und jedem anderen Kinde, das dieses nicht kann, mitzuteilen; und es ist jedem hierin wohl geführten Kinde selber eine Herzensfreude, dieses zu tun, so wie es jeder unverkünstelten Mutter eine Herzensfreude wäre, ihm hierin selber behilflich zu sein, wenn sie es nur könnte. Ich bin sogar überzeugt, tausend und tausend Mütter würden bei diesem Tun eines solchen Kindes wehmütig erkennen und bedauern, daß sie es selber nicht können, und mit Mutterfreude an ihrer Seite es ihnen abzulegen suchen. Ich träume nicht; das Fundament dieser Überzeugung liegt im gegenseitigen Einfluß des allgemein instinktartig belebten Mutter- und Kindersinns. Das ist in Rücksicht auf das Geben und auf das Empfangen dieses Unterrichts, gleich wahr. Es ist eine unwidersprechliche Tatsache, daß Kinder sich von Kindern unendlich lieber zeigen lassen, was sie noch nicht können, als von irgendeinem erwachsenen Menschen, der nicht ein auffallend zartes, mütterliches Gemüt oder ein ebenso auffallend kraftvolles, väterliches Herz in seinem Leibe trägt.

Es ist aber eine unstreitige Wahrheit, daß die Idee der Elementarbildung jedes Kind, das nach ihr wohl geführt ist, zu dieser Fähigkeit emporhebt, deren hohe Wichtigkeit dadurch ins Auge fällt, daß sie unwidersprechlich beweist, daß alle wahrhaften und solide durchgeführten Mittel der Elementarbildung geeignet sind, die Kinder fähig zu machen, ihren Eltern allgemein und zwar in sittlicher und geistiger Hinsicht für die Erziehung ihrer Geschwister ebensowohl an die Hand zu gehen, als Not und Armut sie in physischer und wirtschaftlicher Hinsicht in allen ihr Brot mit Handarbeit suchenden Haushaltungen dafür mit menschlichen Reizen anlockt, bildet und selber dazu nötigt.

So gewiß ist, daß auch die Anerkennung der Idee der Elementarbildung Millionen schlafende Kräfte für die Erziehung in Bewegung setzen würde und überhaupt ihre allgemeinen segensvollen Folgen, wenn sie wirklich eingeführt wäre, auf den guten Zustand des häuslichen Lebens nicht zu berechnen sein würden. Ihre Grundsätze und Mittel sind indessen nichts weniger als eine neue Lehre. Die Welt hat die wesentlichen Wahrheiten, die ihr zu Grunde liegen, von jeher erkannt, wenn sie dieselben schon nicht wörtlich nach unseren Ansichten ausgesprochen. Ich habe in meiner Jugend in gemeinen Haushaltungen, unter den verschiedensten Verhältnissen, das Wort hundertmal aussprechen gehört: „Ein Kind, das von früher Jugend an beten, denken und arbeiten gelernt, ist schon halb erzogen.“ Und es ist wahr, ein Kind, das von seinen frühesten Jahren auf gewohnt ist, täglich herzlich und andächtig zu beten, den Tag über hinwieder alles, was es tut und redet, wohl zu überlegen und mit Fleiß und Anstrengung auszuführen, ist für alles, was es in der Welt werden soll und werden muß, zum voraus wohl vorbereitet, folglich insoweit wohl erzogen. – Dieses große Wort, dessen tiefer Sinn den Alten so stark eingeprägt war und im Leichtsinn der Neuen so vielseitig entkräftet und ausgelöscht ist, findet in der Idee der Elementarbildung wesentlich sein bildendes Element. Und je tiefer ich dieses Wort beherzige, desto mehr werde ich überzeugt, daß der ganze Umfang aller Mittel der Elementarbildung aus dem einfachen Gang der Natur hervorgeht, durch welchen der wahre Sinn des Betens, Denkens und Arbeitens in einem Kind in Liebe und Glauben belebt und ihm eingeübt worden ist, daß folglich ein jedes im großen Sinn dieses Worts von der Wiege an erzogene Kind wesentlich im Geiste der Elementaridee gebildet und dadurch zu allem, was es in der Welt sein und werden will, zum voraus wohl vorbereitet ist. Diese Ansicht macht es auch vollkommen klar, daß der ganze Umfang der elementarischen Bildungsmittel nichts anderes ist als ein psychologisch mit Sorgfalt und Umfassung bearbeiteter Kunstzusatz zum Gange der Natur in der Entfaltung und Ausbildung unserer sittlichen und geistigen und physischen Kräfte und eine psychologisch begründete Nachhilfe ihres diesfälligen guten Tuns selbst. Die Ansicht dieses Gegenstandes oder vielmehr das innere Wesen dieser in der alten Zeit so gewöhnlichen Ansicht der Fundamente des Erziehungswesens spricht sich auch in dem elementarischen Grundsatze, die Entfaltungsmittel der menschlichen Kräfte als das innere Fundament der Bildungs- und Einübungsmittel der Anwendungsfertigkeiten und folglich aller Unterrichts- und Abrichtungsmittel unseres Geschlechts anzusehen, anzuerkennen und zu benutzen, sowie die Notwendigkeit, den ganzen Umfang der Unterrichts- und Abrichtungsmittel unseres Geschlechts den höheren Gesetzen der Entfaltung unserer Kräfte unterzuordnen, bestimmt aus.

Die Folgen, welche die psychologisch wohl eingelenkten und sorgfältig durchgeführten Elementarbemühungen, die Erziehungskräfte des häuslichen Lebens durch Vereinfachung ihrer Mittel allgemein zu stärken, ihrer Natur nach auf das Menschengeschlecht in allen Rücksichten haben müssen, sind in ihren Anfangspunkten gleichsam an das beginnende Leben des Kindes im ganzen Umfang aller seiner Kräfte gebunden, sie gehen auch wesentlich von selbst aus demselben hervor. Der ganze Umfang der elementarischen Entfaltungs- und Bildungsmittel hat für die Unschuld der Kinder selber von der Wiege an belebende Reize, indem sie sich an die ersten Keime des sich in uns entfaltenden Selbsttriebs anschließen und so, naturgemäß angeregt, gleichsam von selbst aus ihm hervorsprudeln. Die Wahrheit dieser Ansicht bewährt sich auch dadurch, daß die echten Mittel der Idee der Elementarbildung, ebenso wie sie die Unschuld des Wiegenkindes ergreifen, geeignet sind, mit dem steigenden Wachstum der Kräfte dieses Selbsttriebs gleichen Schritt zu halten und dieselbe fortdauernd mit gleichen Reizen zu begleiten. Es ist Tatsache, der wildeste Knabe, der im Gefühl seiner Kräfte und belebt durch den Selbsttrieb zu ihrer Entfaltung in seinen Umgebungen umherstürmt und alles, was um ihn ist, als Mittel zu dieser Entfaltung anpackt und in Unordnung bringt, wird, wenn ihm die Mittel der Elementarbildung mit genugsamer Einfachheit, Kraft und Liebe eingeübt werden, auf eine Weise von ihnen ergriffen, daß er ihre ihn belebende Wahrheit und ihre ihn belebende Kraft tief in sich selbst fühlt und unwillkürlich ein in ihm belebtes Interesse dafür nehmen muß. Er kann nicht anders; der Selbsttrieb zur Entfaltung seiner Kräfte findet in ihnen Nahrung. Er fühlt, daß er durch sie etwas erkennt, das er vorher nicht kannte, und etwas lernt, das er vorher nicht konnte. Er will, vom Selbsttrieb seiner Kraft belebt, in seinem Kennen und in seinem Können weiter schreiten. So wild er vorher umherstürmte, zu suchen, was ihm mangelte, sitzt er jetzt freiwillig hin, zu genießen, zu benutzen und zu äufnen, was er besitzt, und zu leben in dem, was in ihm lebendig und reizvoll erwacht ist. So verschieden ist der psychologische Einfluß der elementarischen Entfaltungsmittel der menschlichen Kräfte von dem Einfluß der Routinekunst, durch welche einem Kinde von keinen Anschauungseindrücken unterstützte und belebte Worterkenntnisse eingebläut werden. Das Wort ist merkwürdig, das ein einsichtsvoller Mann, da er diesen Unterschied in einer Unterrichtsstunde der Formlehre gesehen, zu mir sagte: C'est un pouvoir, ce n'est pas un savoir[48]. Es ist richtig, mit diesem Wort ist unstreitig das eigentliche Wesen des Unterschieds zwischen einer wahrhaft elementarischen und einer, auf welche Art sie dieses auch immer sein mag, unelementarischen Bildungsweise ausgesprochen und in ein heiteres Licht gesetzt.

Ebenso ist in sittlicher Hinsicht wahr, daß der der Idee der Elementarbildung wesentliche Grundsatz, den ganzen Umfang der Bildungs- und Erziehungsmittel der Kinder an das häusliche Leben zu ketten, geeignet ist, Glauben und Liebe auf das große, allgemeine Fundament der Sittlichkeit und Religiosität, auf den Vater-, Mutter- und Kindersinn der Menschennatur zu bauen und mit aller Kunst und aller Kraft ihres Einflusses diesen in seinem Ursprung instinktartigen Sinn zur gebildeten Vaterkraft und Muttertreue zu erheben und durch die Vereinfachung ihrer Mittel die Erziehungskräfte von Millionen Eltern in allen Ständen wesentlich in sittlicher und religiöser Hinsicht zu bestärken und zu beleben. In intellektueller Hinsicht finden wir in der elementarisch vereinfachten Sprach-, Zahl- und Formlehre den Inbegriff aller Mittel der naturgemäßen Geistesbildung von ihren ersten Keimen aus vereinigt. Die elementarische Sprachlehre, die sich an die elementarische Ausbildung der Anschauungskraft anschließt, führt das Kind an der Hand der Natur und mit ihrer Kraft zum richtigen Ausdruck über den ganzen Umfang der Eindrücke, welche die Anschauungsgegenstände seiner Umgebungen auf dasselbe gemacht haben, und die elementarische Zahl- und Formlehre ist durch die psychologisch vereinfachte Organisation ihrer Mittel geeignet, das Kind fähig zu machen, die ihm durch die Anschauung erkannten Gegenstände zusammenzustellen, zu trennen, sie untereinander zu vergleichen und sich dadurch in den Stand zu setzen, sie in sich selbst logisch zu bearbeiten und über dieselben zu urteilen. Sie, die elementarische Zahl- und Formlehre, ist in ihrem Wesen eine reine und allgemein für alle Stände und Menschen gleich segensvoll anwendbare Ausbildung der Denkkraft selbst, die dem Menschen, in welchem Stande und in welchen Verhältnissen er sich immer befindet, das Überlegen und Nachdenken soviel als von der Wiege auf habituell macht und dabei keinen Menschen, weder den Mann, der den Pflug führt oder ein Handwerk treibt, noch irgendeinen anderen davon weglockt, sondern ihn überhaupt zum Nachforschen und Nachdenken über die gute Benutzung seiner Lage hinführt. Tausendfache Erfahrungen zeigen uns, wie dieses durch die Routinemittel unserer Zeitbildung selber in den höheren Stufen unserer Kultur nicht erzielt wird, wie im Gegenteil zahllose, auf diesem Wege selber wissenschaftlich gebildete Menschen bei ihrer Führung durchaus nicht dahin gebracht worden sind, sich das ernste forschende Denken in ihrer Lage und in ihren Verhältnissen und für dieselben habituell zu machen; wie sie vielmehr in allem Tun des Lebens, das außer dem Kreise ihrer wissenschaftlichen, Berufs- oder Liebhabereibildung liegt, denkens-, forschens- und überlegenshalber äußerst ungewandt in der Welt und in ihren Umgebungen dastehen. Wir können uns auch nicht verhehlen, daß dieser Umstand seine Quelle und Ursache im Mangel einer von früher Jugend psychologisch naturgemäß entfalteten Denkkraft suchen muß, daß aber die sich selbst überlassene, von keiner soliden Kunst unterstützte Natur sehr schwer hat, die Lücke, die aus diesem Mangel entsteht, auszufüllen.

Die Idee der Elementarbildung bleibt indessen in intellektueller Hinsicht durchaus nicht bei ihrem Einfluß auf die reine Entfaltung der menschlichen Denkkraft stehen, sie dehnt denselben auch auf den ganzen Umfang sowohl unserer wissenschaftlichen als unserer Kunst- und Berufskenntnisse und -fertigkeiten aus. Jede wissenschaftliche, jede Kunst- und jede Berufskenntnis und -fertigkeit hat eben, wie jede einzelne Kraft der Menschennatur, ihr bestimmtes eigentümliches Wesen, das von dem bestimmten eigentümlichen Wesen jeder anderen Wissenschaft, jeder anderen Kunst und jedes anderen Berufs verschieden ist. Die naturgemäße Ausbildung und Erlernung der Anwendungserkenntnisse und Fertigkeiten unserer Kräfte und Anlagen setzt also den vollen Besitz der Wissenschaft, der Kunst und des Berufs, der jedem einzelnen Individuum eingeübt werden muß, in allen seinen Eigentümlichkeiten voraus. Der Mann, der sich anmaßt, irgendeine Wissenschaft, eine Kunst oder einen Beruf naturgemäß zu lehren, muß, beides, die vollendete Erkenntnis der elementarischen Ausbildungsmittel unserer Kräfte und Anlagen und die vollendete Erkenntnis der Kunst und der Wissenschaft, die er seinem Zögling einüben will, in sich selber vereinigt besitzen. Dieser Umstand scheint, wenn man ihn in dieser Zusammenstellung bloß, an sich, ins Auge faßt, gegenwärtig noch so viel als unübersteigliche Schwierigkeiten zu haben; aber die Natur kommt auch hierin in der Zusammenstellung dieser zwei Bedürfnisse der Kunst zu Hilfe und geht ihr als Wegweiser in ihrem künftigen Tun voraus.

Wenn wir den positiven Gang der Ausbildung aller Künste und Wissenschaften, ohne Rücksicht auf die Idee der Elementarbildung, ins Auge fassen, so sehen wir, es ist Tatsache, alles was immer in wissenschaftlicher oder Kunsthinsicht solide gelehrt wird, geht aus der inneren Erkenntnis der Grundsätze, Gesichtspunkte und Mittel, die der Idee der Elementarbildung zum Grund liegen, hervor. Ob diese mit klarem Bewußtsein begleitet oder in dunklen Ahnungsgefühlen in ihm liege, ist gleich viel, wenn sie nur in den Segenskräften ihrer Ausführung dasteht, und sich darin offenbart und bewährt; und das ist vielseitig in vielen Ständen und in vielen Verhältnissen der Fall, denen nicht einmal der Name „Idee der Elementarbildung“, verschweige denn[49] die wirkliche Erkenntnis ihres Gangs und ihrer Mittel wörtlich und namentlich bekannt ist. Die psychologisch tiefer gehenden Kenner aller Wissenschaften vereinigen sich allgemein in dem Grundsatz, daß die Mittel der Erlernung und der Betreibung jeder Wissenschaft und jeder Kunst, besonders in ihren Anfangspunkten, auf alle mögliche Weise vereinfacht werden müssen. So wie sie in ihren höheren Stufen immer, auch wenn sie selber beim höchsten Mangel der Vereinfachung der Anfangspunkte ihrer Wissenschaften sich noch so mühsam und naturwidrig zu dem Grad der Kraft, in der sie in ihrer Wissenschaft wirklich stehen, haben durcharbeiten müssen, so erkennen sie dennoch, daß jeder höhere Grad der wissenschaftlichen Ausbildung das Bedürfnis der Vereinfachung der Anfangsmittel ihres Unterrichts sowohl als die Mittel der Kunst, den Anfangsunterricht jeder Wissenschaft zu dieser Vereinfachung zu erheben, in ein helles Licht setzt und die Mittel der Ausführung dieses Gesichtspunkts allgemein vorzubereiten geschickt ist. Also ist offenbar, das Gefühl dessen, was es brauche, die Idee der Elementarbildung auf irgendeine Kunst oder Wissenschaft wohl und genugtuend anzuwenden, ist mit dem Gefühl, was es brauche, irgendeine Wissenschaft oder Kunst wohl und genugtuend zu erlernen, in ihrem inneren Wesen vollends das nämliche. Alles, was immer solide erlernt wird, wird durch Mittel seiner Erlernung auf irgendeine Weise erkannt, die mit den Grundsätzen und Mitteln der Idee der Elementarbildung in Übereinstimmung stehen. Also bereitet die Natur der Kunst auch hierin den Weg. Und es ist offenbar, die Kunst ist in allen Punkten, in denen sie solide dasteht, auf die Grundsätze, die die Idee der Elementarbildung anspricht, auch da, wo diese Idee wörtlich und namentlich nicht gekannt ist, gebaut; und so wie ihre Mittel durch ihre Fortbearbeitung auf die Bildung unseres Geschlechts vielseitiger und auf die Menschennatur eingreifender vorschreiten werden, so wird das Bedürfnis, sie auf jede einzelne Wissenschaft und Kunst anzuwenden, auch allgemeiner gefühlt und leichter ausgeführt werden, wodurch denn auch die Schwierigkeiten, Menschen zu finden, die die volle Kenntnis der Idee der Elementarbildung mit ebenso solider Kenntnis derjenigen Wissenschaft und desjenigen Berufs, den sie elementarisch zu lehren versuchen werden, zu vereinigen imstande sind, sich in eben dem Grad vermindern müssen.

Unterschiedlicher Grad der Bildungsmittel in den verschiedenen Ständen

Auch in diesem Gesichtspunkt findet das große Erziehungswort „das Leben bildet“ seine einfache und natürliche Anwendung: Es macht auch diesfalls in seinen Folgen die nämlichen Ansprüche und führt zu den nämlichen Resultaten, die wir früher als seine Folgen und seine Resultate erkannt haben. Und wir müssen es auch in diesem Gesichtspunkt ins Auge fassen, daß die Idee der Elementarbildung, indem sie die höchste Vereinfachung der Bildungsmittel der Kräfte und Anlagen unseres Geschlechts anspricht, den größten Unterschied in dem Grade fordert, in welchem ihre Mittel den verschiedenen Ständen und Klassen unseres Geschlechts in intellektueller und Kunsthinsicht erteilt und eigen gemacht werden können und sollen.

So wichtig der Segen der psychologisch gegründeten, elementarischen Bildungsmittel der Denk- und Kunstkraft im allgemeinen für eine solide Begründung der Nationalkultur ist, so wichtig ist auch die Erkenntnis der Schranken, innerhalb welchen alle höheren Stufen der elementarischen Bildungsmittel sowohl in Rücksicht der Anschauungskraft als der Sprachkraft, der Denkkraft und der Kunstkraft, besonders in denjenigen Ständen gegeben werden sollen, deren Brot und Ruhe, und ich darf sagen, deren Glaube, Liebe und Treue vom stillen Segen ihres häuslichen Arbeitsfleißes abhängt.

Dieser wesentlichen Basis alles wahren Volksglücks muß in den ersten Grundmitteln der Volksbildung auch von Seite seiner Kunstbildung mit Sorgfalt Vorsehung getan werden; und es ist auf der Bahn dieser Sorgfalt, aber auch nur auf ihr möglich, die die Menschennatur mächtig ergreifenden Elementarbildungsmittel der menschlichen Denk- und Kunstkraft zum Segen aller Stände und damit als Fundament aller Staatskraft, aller Staatsruhe und alles Staatssegens zu benutzen.

Wir dürfen uns nicht täuschen. Auf dem Weg unseres Zeitgeistes und seiner alle wahren Segenskräfte der Menschennatur abschwächenden und in ihrer Abschwächung sie bald zur Verträumung, bald zur Erlahmung, bald zur Verwilderung hinführenden Verkünstelungsmittel aller unserer Kräfte ist dieses nicht möglich; es ist nur auf dem Weg einer weisen Sorgfalt ihrer nach den Bedürfnissen und Umständen der verschiedenen Volksklassen ausgedehnten oder beschränkten Anwendung möglich, sie mit gesichertem Erfolg als ein allgemein gesegnetes Mittel der Volkskultur anzusehen. Aber bei dieser Sorgfalt und mit diesen Schranken führt sie denn auch auf jeder Bahn, auf jeder Stelle und in jedem Fach ihrer wissenschaftlichen Kunst allgemein zum Segen aller Stände; und es ist unstreitig, wenn sie in einem Land in diesemGeiste anerkannt und eingeführt wäre, so würde sie, besonders in den höheren Ständen und bei allen, ihrer Berufsbestimmung halber, einer eigentlichen wissenschaftlichen Bildung bedürftigen Menschen dahin wirken, sie persönlich zu einem Grad der Selbstentfaltung ihrer ihnen eigenen Kräfte und Anlagen hinzuführen, die sie einerseits zu einer soliden und ihnen genugtuenden Erlernung ihrer Berufswissenschaft fähig machen, andererseits sie individualiter auch dahin erheben würde, für die Aufnahme und Förderung des Studiums ihrer Wissenschaften sowie zu allgemeinen Segenskräften ihrer Anwendung persönlich mit Erfolg zu wirken.

Ebenso würden die Elementarbildungsmittel, wenn sie den bürgerlichen Ständen und selber dem die Erde mit eigener Hand bauenden Landmann in diesem Geiste eingeübt würden, in beiden Ständen zu ihrem individuellen Segen die nämliche Richtung nehmen und die nämliche Wirkung haben. Sie würden, wenn sie mit dieser Sorgfalt, Solidität und Beschränkung in einem Lande allgemein gemacht würden, besonders auch das Gelüste nach einem höheren Grad der Geistes- und Kunstbildung als derjenige, der zu einer soliden Begründung und Ausdehnung ihres eigentlichen Haus- und Standessegens vorzüglich geeignet ist, in tausend und tausend zu einer höheren äußeren Stellung in allen Rücksichten unfähigen Menschen erkalten machen und ebenso vorzüglich, ich möchte sagen, von Gottes wegen ausgezeichneten Menschen Wege bahnen, das Übergewicht ihrer Anlagen im Kreise ihres Standes und ihrerVerhältnisse zu ihrer Befriedigung und zum Segen ihrer nächsten Umgebungen anwenden und benutzen zu können. Das Unglück ist groß, daß in unserer Zeit eine zahllose Menge Menschen außer die wahren und soliden Segensgenießungen ihres Standes herausgelockt und durch böse, aber starke Reizmittel gleichsam mit Haaren aus denselben herausgezogen werden. So wie dieses große Unglück unserer Tage von der immer weiteren Entfernung unserer Bildungs- und Erziehungsmittel und von dem Gange der Natur in der Entfaltung unserer Kräfte und der Einfachheit der Bildungs- und Erziehungsmittel unseres Geschlechts abhängt und herzuleiten ist, so ist ebenso gewiß, daß dieses große Unglück vorzüglich durch Annäherung zu den allgemein kraftbildenden Erziehungsgrundsätze und Erziehungsmittel, deren Erforschung, Begründung und Ausführung die Idee der Elementarbildung gewidmet ist, in seinen Wurzeln solide angegriffen und allmählich gehoben werden kann. Die höchsten elementarischen Resultate müssen nach allen Richtungen der Erziehungsbedürfnisse von der Wiege auf vorbereitet werden. Sie sind aber auch alle von der Natur, daß die diesfälligen Vorbereitungsmittel in den niederen Hütten des Landvolks ebenso anwendbar sind, als in den Palästen der Großen und an jeder Stelle, wo sie wahrhaft erkannt und sorgfältig benutzt werden, durch ihr Wesen gleich tief und vielseitig segenbringend in den ganzen Umfang des Erziehungs- und Unterrichtswesens, und in die solide Begründung aller ihrer Vorschritte, sowie in die Einlenkung der Erkenntnis ihrer späteren Resultate, eingreifen.

Fassen wir die elementarischen Übungen, die in ihrem ganzen Umfange von ihrem ersten Anfangspunkt, von der Ausbildung der Anschauungskraft und der höchsten Vereinfachung ihrer Mittel aus, bearbeitet werden müssen, ins Auge, so sehen wir, daß sie sämtlich zu einer Einfachheit erhoben und mit dem kindlichen Alter angemessenen Reizen verbunden werden können und verbunden werden müssen, die ihren wahrhaft naturgemäß bildenden Gebrauch von der Wiege an möglich machen, und indem sie einer Reihenfolge von diesfälligen Bildungsmitteln rufen, deren Reize die Anschauungskraft nach allen Richtungen von Stufe zu Stufe lebendig ansprechen, erweitern und stärken, die Kinder ihrer Natur nach zum fortdauernden Wachstum der lebendigen und klaren Erkenntnis aller Gegenstände, die sie umgeben, hinführen und dadurch den ersten Grundstein zur Entfaltung der menschlichen Denkkraft auf eine solide Weise hinlegen.

Fassen wir jetzt ebenso auch die elementarische Sprachlehre ins Auge, so finden wir, daß sie an sich eine fortdauernde, durch die naturgemäße Entfaltung der Sprachkraft zu erzielende Fortsetzung, Stärkung, Benutzung und Erweiterung der Resultate der naturgemäßen Ausbildung der Anschauungskraft ist und dadurch zu eben der Einfachheit hingeführt und für das kindliche Alter mit eben den Reizen belebt werden muß, wie dieses bei der elementarischen Ausbildung der Anschauungskraft der Fall ist. Wir finden ferner, daß sie, mit den Vorschritten der Anschauungskraft immer gleichen Schritt haltend, geeignet ist, den Zögling fortwährend zur progressiven Verdeutlichung seiner Begriffe hinzuführen und so, mit der elementarischen Anschauungslehre vereinigt, den ersten Grundstein zur naturgemäßen Entfaltung der menschlichen Denkkraft zu legen und also als Mittelstufe zwischen der Entfaltung der menschlichen Anschauungskraft und der menschlichen Denkkraft dazustehen.

Gehen wir jetzt weiter und fassen die elementarische Zahl- und Formlehre, als die bestimmten eigentlichen Kunstausbildungsmittel der Denkkraft, ins Auge, so sehen wir, daß sie in ihrer Eigentümlichkeit aus dem Wesen der Zahl und Form selber hervorgehen und darum auch den ganzen Umfang ihrer Segensfolgen in Übereinstimmung mit diesen Fundamenten zu suchen haben. Wir sehen ferner, daß sie von den ersten Anfangspunkten ihrer Erlernung ebenso wie die naturgemäßen Bildungsmittel der Anschauungs- und Sprachkraft mit gleichen, die Menschennatur im kindlichen Alter ergreifenden Reizen belebt werden muß, aber dadurch auch geeignet wird, die Zöglinge in Verbindung mit den Resultaten der naturgemäß eingeübten Anschauungs- und Sprachkraft auf eine Weise zu der wissenschaftlichen Ansicht eben dieser Gegenstände und überhaupt zu einem Grad der logisch gebildeten Denkkraft zu erheben, der ohne die Bildungsmittel, die uns die naturgemäße Zahl- und Formlehre verschafft, im allgemeinen unerreichbar ist.

Elementare Sprachbildung als Grundlage wissenschaftlicher Bildung

Fasse ich den Umfang der Kunstmittel, die zu diesem hohen Ziel unserer intellektuellen Kräfte hinführen, von ihren Anfangspunkten ins Auge, so sehe ich: Die aufgestellte Normalform einer allgemeinen Sprachlehre gibt hierüber vielseitiges Licht. Sie greift, eben wie jeder wahrhaft elementarisch gegebene Unterricht in einer neuen Sprache, durch alle Mittelstufen ihres progressiv bildenden Einflusses in alle Fächer der menschlichen Erkenntnisse ein und führt durch die aus ihr hervorgehenden und ihr notwendig innewohnenden Übungen zu einem Erheiterungsgrade der Begriffe von den Gegenständen, die die zu erlernenden Wörter bezeichnen, daß der Endpunkt der durch sie erzielten Erkenntnis der gemeinen Gegenstände des Lebens sich immediat an den Anfangspunkt anschließt, von welchem die wissenschaftlichen Ansichten dieser Gegenstände ausgehen. Dieser Gesichtspunkt ist in allen wissenschaftlichen Fächern gleich wahr und unter allen Verhältnissen und Lagen unseres Geschlechts in seinem Wesen gleich anwendbar. So wie kein Kind in der Welt ohne einen gewissen Kreis von Anschauungsgegenständen lebt, die in ihm gereift sind, so steht jedes Kind, das in der Ausbildung seiner Sprachkraft elementarisch, d.h. so weit geführt ist, als es in der Anschauungskraft vorgerückt ist, auf dem Punkt, in welchem seine Anschauungserkenntnisse an die Ansichten grenzen, von denen aus es naturgemäß zur Empfänglichkeit der wissenschaftlichen Ansichten eben dieser Gegenstände geführt werden muß.

Nehme ich die Naturgeschichte zum Beispiel, so sehe ich, ein jedes Kind, wenn es auch in den beschränktesten Verhältnissen lebt, kennt in jedem Falle doch wenigstens sechs Säugetiere, so viele Fische, Vögel, Insekten, Amphibien und Würmer. Und wenn es diese wenigen Tiere elementarisch von der Wiege an mit Genauigkeit anschauen, sie in allen ihren wesentlichen Teilen und abänderlichen Beschaffenheiten richtig erkennen und sich darüber mit Bestimmtheit ausdrücken gelernt, wie dieses bei einer wahrhaft elementarischen Führung zur Sprachlehre, auch in den niedrigsten Hütten, erzielt werden kann und erzielt werden muß, ein solches Kind hat den Anfang einer soliden und naturgemäßen Erlernung der wissenschaftlichen Ansicht der Säugetiere, der Ornithologie, der Ichthyologie, usw. in sich selbst. Und wenn Lage, Umstände und Verhältnisse es dazu veranlassen oder gar verpflichten, diese Wissenschaften zu lernen, so ist es durch seine bisherige Führung dazu vorzüglich gut vorbereitet. Ferner ist ebenso richtig, daß, wenn es von der Wiege auf in der Anschauungskunst und in der aus ihr immediat hervorgehenden elementarischen Zahl- und Formlehre naturgemäß geführt worden, so ist es durch das Rechnen, Zeichnen und Messen, das es wohl mit elementarischer Kraft erlernt hat, dafür vorzüglich vorbereitet.

Das ist in allen Wissenschaften der nämliche Fall. Die durch die elementarisch eingeübte Anschauungs-, Sprach-, Zahl- und Formlehre naturgemäß entfalteten Kräfte der Menschennatur haben in allen Fächern der menschlichen Erkenntnisse die nämliche Wirkung; seien es reine, seien es mathematische Wissenschaften, seien es Berufswissenschaften und Berufsfertigkeiten, seien es Kenntnisse, von welcher Art sie immer sein mögen, so haben die elementarischen Bildungsmittel der menschlichen Kräfte auf sie die nämliche Wirkung. Ich spreche das Wort mit Überzeugung aus: die elementarischen Bildungsmittel sind entweder zu allem diesem gut oder zu gar nichts. Ihr Wert, ihr großer Wert liegt teils in uns selber, teils in Umgebungen, deren bildende Eindrücke in ihrem Wesen keinem Menschen ganz mangeln. Jedes Kind, das z.B. den allen Menschen täglich vor Augen liegenden Zustand des Wassers in seiner Ruhe, in seiner Bewegung, und seine Veränderungen in Tau, Regen, Dunst, Dampf, Reif, Hagel, usw. und dann hinwieder seine Wirkungen und seinen Einfluß in allen diesen Zuständen auf andere Naturgegenstände mit elementarischer Genauigkeit anschauen und sich darüber mit Bestimmtheit ausdrücken gelernt, hat die Anfänge der Kunstansicht der Naturlehre[50] über alle diese Gegenstände in sich selbst. Hinwieder jedes Kind, das die Auflösung des Salzes und des Zuckers in der Küche, die Wiederherstellung desselben aus seinem nassen Zustand in den trockenen, und seiner Kristallisierung etc., und ebenso die Gärung, das Abstehen und Zu-Essig-Werden des Weins im Keller, die Umwandlung des Alabasters in Gips und des Marmors in Kalk, des Kiesels in Glas usw. elementarisch anschauen und sich darüber mit Bestimmtheit ausdrücken gelernt, trägt die Anfänge der Anschauungserkenntnisse der Wissenschaften, deren nähere Erforschung diese Gegenstände ansprechen, so gut in sich selbst, als ein Kind, das auch nur einige wenige Bauernhäuser in allen ihren Teilen mit elementarischer Genauigkeit ins Auge fassen und sich darüber mit Bestimmtheit ausdrücken gelernt, ebenso die Anfangspunkte der Baukunst in ihren wesentlichen Teilen in sich selbst trägt, und, wenn es dafür vorzügliche Anlagen besitzt, durch die bloße, mit den elementarischen Einübungen der Zahl- und Formlehre unterstützte Anschauungserkenntnis eines Bauernhauses einfach und naturgemäß auf die Bahn geführt werden kann, die Anfangsgründe der Baukunst und ihrer vielseitigen Erkenntnisfächer in ihrem ganzen Umfange in sich selbst zu entfalten und nach Umständen und Verhältnissen in wirklichen Werken der Baukunst an den Tag zu fördern.

Es ist allerdings nicht zu berechnen, wie weit die von der Wiege auf wohl behandelte Ausbildung der Anschauungskraft in der Erkenntnis wissenschaftlicher Gegenstände hinführen kann, wenn sie selber durch psychologisch geordnete Anschauungsübungen im Kinde begründet und ihre geistige abstrakte Erkenntnis naturgemäß und solide in ihm vorbereitet worden. Wo immer die Kraft stark ist, da ist die Kunst leicht; und wo immer die Kunst leicht ist, da führt sie von selbst weit. Ein Kind, das in der Anschauung der Zahl und Form solide geführt worden, hat den Übergangsweg zu den Abstraktionsübungen im Zählen und Messen schon zur Hälfte zurückgelegt, ehe die eigentlichen diesfälligen Abstraktionsübungen mit ihm naturgemäß auch nur angefangen werden können. Diese letzten Übungen setzen, im Falle sie naturgemäß gegeben werden, eine durch ihr genugtuende Bildungsübungen auf einen merklichen Grad der Reifung gebrachte Anschauungskraft schon voraus. Dieses Weiterführen der menschlichen Geisteskräfte durch die elementarischen Bildungsmittel hat indessen gar keine Gemeinschaft mit dem anmaßlichen Vorrücken des Wirrwarrs unserer oberflächlichen Zeitvielwisserei und aller träumerischen Scheinbildungsmittel unserer verderblichen allgemeinen Volksliteratur und ihrer unser Geschlecht irreführenden Routineübungen. Fest angebunden an den hohen Grundsatz „das Leben bildet“ und in ihrer Erweiterung allgemein aus dem naturgemäßen Bildungsgang des häuslichen Lebens hervorgehend, führen die Elementarbildungsmittel, vermöge ihres Wesens, durchaus nicht auf die Abwege der Zeitverirrung, zu denen die oberflächlichen Mittel unserer Volks- und Zeitkultur Millionen Individuen unseres Geschlechts zu ihrem Verderben hinreißen. Die Mittel der wahren Elementarbildung sind im ganzen Umfang ihrer Anwendung allgemein Geist und Leben, so wie sie dieses auch im ganzen Umfang ihrer Ursprungs-und Entfaltungsmittel sind. Das ist so weit wahr, daß auch in dem irrtumsvollsten Gange der Routineneinübung von Wissenschaften, die keine reelle, sinnliche Anschauung zu Grunde haben und von einer Natur sind, daß ganz junge Kinder ihr geistig bildendes Wesen durchaus nicht zu begreifen vermögen, dennoch mit Wahrheit gesagt werden kann, die Grundsätze der Elementarbildung seien geeignet, den Bon sens der Menschennatur auf die Art und Weise, wie auch solche Wissenschaften soviel möglich naturgemäß gelernt werden können, aufmerksam zu machen und ihn auf die Mittel, die hierzu führen, hinzulenken. Zum Beleg dieser Ansicht fasse ich die Geographie und die Geschichtslehre von diesem Gesichtspunkt aus ins Auge. Ich bin natürlicherweise weit entfernt, eines dieser Fächer im Umfang seiner wahrhaft bildenden und wirklichen wissenschaftlichen Bedeutung weder als ein Volks- noch als ein Kinderstudium anzuerkennen; aber wenn man nun einmal ein Kind, ob mit Recht oder Unrecht, das ist gleich viel, eines dieser Fächer lernen lassen will, so führen die elementarischen Bildungsgrundsätze in Rücksicht auf die Geographie in einem einfachen, naturgemäßen Gange zu den leichtesten Einübungsmitteln der Kenntnis der Namen, den die Berge, Flüsse, Städte und Orte der verschiedenen Länder haben, und ebenso zu einer leichten, sinnlichen Einprägung der Kunstanschauungsmittel von der Lage dieser Städte, Flüsse etc., wie sie in der Wahrheit ihrer Lokalität nebeneinander liegen und aufeinander folgen.

Diese beidseitigen Übungen sind dem kindlichen Alter im höchsten Grad angemessen. Sein Gedächtnis und sein Anschauungsvermögen sind im vollen Leben ihres jugendlichen Erwachens für alles, was sinnlich auf sie einwirkt, in einem hohen Grad offen und empfänglich. Ich würde also einem Kinde, das die Geographie lernen sollte, neben dem natürlichen Gebrauche der elementarisch einzuübenden Anschauungsmittel der geographischen Lagen und Verhältnisse, die in seinen nächsten Umgebungen nach allen Richtungen ihm vor Augen liegend stattfinden, die Namen der Städte und Orte einer bestimmten Gegend, z.B. eines Flußgebietes, schon beim ersten Reden- und Lesenlehren in der Ordnung und Reihenfolge, wie sie in der Welt und auf der Landkarte nebeneinander stehen und aufeinander folgen, mnemonisch genugsam einüben und ihm ihre Aussprache in der Ordnung ihres reellen Aufeinanderfolgens und Nebeneinanderstehens genugsam geläufig machen. Ich würde im ersten Kursus dieser mnemonischen Einübungen die Flußgebiete der ersten und hernach die der zweiten Größe in Quelle-, Mittel- und Ausflußgebiete abteilen, und dann von dem Quellengebiete bis auf den Ausfluß des Stromes in bestimmten Entfernungen voneinander Orte von einer gewissen Bedeutung zum Mittelpunkt der minder bedeutenden Orte, die in einer gewissen Entfernung um dieselben herumliegen, festsetzen; und die Kinder müßten bei jedem ihnen in diesem zweiten Kursus einzuübenden neuen Orte nichts anderes lernen als: Es liegt in der oder dieser Entfernung von dem Ort, an dessen Namen und Lage es ihnen mnemonisch angeknüpft bleiben soll; und da ihnen dieser Ort im früheren Kursus nach allen seinen Lagen und Umgebungen bestimmt, umständlich und unauslöschlich bekannt ist, so wird ihnen durch die Anknüpfung an dieselben die Lage und die Umgebungen des neuen Orts ebenso bestimmt und ebenso unauslöschlich bekannt. Ich bin sicher, daß auf diesem Wege die Kinder in der Nomenklatur dieser Wissenschaft und in dem festen Anschauungsbewußtsein der Lokalitätsverhältnisse der Länder und Orte gegeneinander unglaublich schnelle und beinahe unauslöschliche Vorschritte machen würden. Ich weiß indessen auch ganz wohl, daß diese Übungen, als wirkliche Voreinübungen zu dem, was das Wesen der wissenschaftlichen Geographie ist, gar nicht angesehen werden können.

Aber so wie es beim Redenlehren des Kindes dennoch eine wirkliche und sehr vorteilhafte Vorbereitungsübung zur späteren Erkenntnis der Gegenstände ist, deren Namen es aussprechen lernt, wenn dieselbe vorläufig seinem Ohr eingeprägt und seinem Mund geläufig gemacht worden sind, lange ehe es die Gegenstände dieser Worte in ihrer vollen Bedeutung erkennt und zu erkennen vermag; so ist auch eine solche Namens- und Ortekenntnis von Reihenfolgen von Orten, wie sie auf der Landkarte nebeneinander liegen, und aufeinander folgen, eine gute Vorübung für die späteren geographischen Studien, deren gegenwärtig tiefergehende Erforschung ein Hors d'oeuvre seines Alters, seiner Lage und seiner Bildung ist. Ich sehe diese Nomenklatur-Übungen insoweit auch für nichts anderes an, als für eine Art von Sandtragen und Materialien-Zuführen zu einem Gebäude, dessen Fundament noch nicht einmal gegraben ist. Aber was hat man bei dem Routinegang, mit dem man junge Kinder beim Einüben der Geographie, die man auch auf dieser Stufe des Kinderunterrichts Wissenschaft heißt, bisher anderes und mehr getan? Bei dem, was ich vorschlage, tut man doch mit Bewußtsein nichts anderes und will mit Bewußtsein nichts anderes und nicht mehr tun. Aber man gewinnt mit dieser rein mnemonischen Erleichterung des Einübens der geographischen Nomenklatur, und mit den künstlichen Anschauungseinübungen des Bewußtseins der Lage der Orte auf der Karte für die spätere Einübung der wirklichen Unterrichtsmittel dieser Wissenschaft bei den Vorschritten zur vielseitigen Ansicht des geographischen Studiums sehr viel; und neben dem ist diese Erlernungsweise der Geographie in diesem Alter, eine das Namengedächtnis und das Lokalgedächtnis der Kinder real stärkende und bildende Wirkung.

Das Nämliche ist bei der im kindlichen Alter versuchten Einübung der Geschichte gleich wahr. Ohne die Kinder von gar nicht vorgerücktem Alter durch die wörtliche Einübung geschichtlicher Erkenntnisse für den Takt, das Wesen und den inneren Geist der Geschichtskunde selber zum voraus zu verderben und soviel als dafür unfähig zu machen, darf man es durchaus nicht versuchen, sie die Geschichte, als solche, auch nur in den ersten Anfängen ihrer wissenschaftlichen Ansichten lehren zu wollen. Es ist vollkommener Unsinn, Menschen, die mit der in lebendiger Anschauung vor ihren Sinnen stehenden gegenwärtigen Zeitwelt noch nicht bekannt sind, mit dem Geist der Vorwelt bekannt machen zu wollen, der den Sinnen und der Anschauung der lebenden Welt schon seit Jahrhunderten und selber seit Jahrtausenden entrückt ist. Man kann deswegen bei solchen Kindern in der Erlernung der Geschichte nicht weiter gehen, als ihnen eine ausgedehnte Nomenklatur historischer Namen und ein ausgedehntes Bewußtsein der Lokalität, deren Erkenntnis die Geschichte anspricht, mnemonisch wohl einzuüben.

Ich sehe auch die diesfälligen Einübungen des Totengerippes der Geschichte und Geographie für nichts anderes als eine Art von mnemonisch erleichterten Sprachübungen an. Indessen zeigt alles, was ich bisher über die Sprachübungen gesagt habe, wie groß und wie wichtig ihr Einfluß auf den ganzen Umfang sowohl der Entfaltungsbedürfnisse unserer Kräfte als der Begründung unseres soliden Kennens, Könnens und Wissens im allgemeinen ist.

Rückwirkung des Fremdsprachen-Lernens auf das Bewusstsein

Ich berühre diese Ansicht noch von einem anderen Gesichtspunkt.

Jede elementarisch erlernte alte oder neue Sprache ist als eine naturgemäße und, wenn der Gesichtspunkt fest ins Auge gefaßt und wohl benutzt wird, in seinen Folgen äußerst weitführende Rekapitulation des Bewußtseins aller Gegenstände, zu deren Erkenntnis der Mensch, bei Erlernung seiner Muttersprache, durch seine Anschauungserfahrungen gelangt ist, anzusehen. Aber der Mensch weiß unendlich viel, dessen er sich durchaus nicht klar bewußt ist, und eine durch die Erlernung einer neuen Sprache psychologisch wohl eingelenkte und durchgeführte Rekapitulation unserer Kenntnisse belebt, erneuert und bestimmt in uns tausend und tausend Erkenntnisse, deren wir uns in unserer Muttersprache nur sehr dunkel bewußt sind und im gewohnten Gebrauch derselben nur selten Gelegenheit haben, daran erinnert und ihrethalben belebt zu werden. Darum ist auch die Rekapitulation unserer Erkenntnisse, die durch eine psychologisch und mnemonisch wohl eingelenkte und durchgeführte Erlernung einer neuen Sprache erzielt werden kann, auf die Erweiterung und solide Begründung der Erkenntnisse der Zöglinge von der äußersten Wichtigkeit.

Die Normalübungen, durch die wir die Erlernung der lateinischen Sprache aus der deutschen hervorgehen machen, zeigen die Wichtigkeit dieses Gesichtspunktes in zwei Epochen. Das Vokabularium, mit dessen Durchlesung wir unsere diesfälligen Übungen anfangen, erneuert dem Zögling den sinnlichen Eindruck der Gegenstände, deren Worte ihm eingeübt werden, durch das Gedächtnis und belebt ihm diesen Eindruck durch seine Einbildungskraft im ganzen Umfang der Gegenstände, deren Bewußtsein ihm durch die Rekapitulation der Wörter erneuert wird. Diese Wirkung wird durch die immediat dem Vokabularium folgenden Übungen, die die Erkenntnis der Beschaffenheiten und Wirkungen dieser Gegenstände durch Hinzusetzung der Adjektive und Verben in ihm erweitern, stufenweise und naturgemäß in seinem Gedächtnis und in seiner Einbildungskraft von neuem belebt und durch die phraseologischen Übungen so weit verstärkt, daß der Zögling am Endpunkt dieser Übungen zu einem Grad der Klarheit in der Ansicht dieser Gegenstände gelangt, den er durch die sich selbst überlassene, routinemäßige und auch schulroutinemäßige Erlernung der Muttersprache gar nicht leicht und sicher nur selten erhalten würde und welcher als der Anfangspunkt der Hinführung desselben zu der wissenschaftlichen Ansicht eben dieser Gegenstände angesehen werden kann und angesehen werden muß und folglich in Rücksicht auf die höhere Kultur des Menschengeschlechts von wesentlicher Bedeutung ist.

Diese Ansicht aber kann durchaus nur durch die Publikation der Normalform selber in ein genugtuendes Licht gesetzt werden.

Vom inneren Wesen der Idee der Elementarbildung: Harmonie der Kräfte

Doch, ich ende einmal diesen Gesichtspunkt und schreite von der beschränkten und einseitigen Ansicht der elementarischen, aber isoliert ins Auge gefaßten Ausbildungsmittel der Anschauungs-, Sprach-, Denk- und Kunstkraft zu der allgemeinen, das ganze innere Wesen der Idee der Elementarbildung umfassenden Ansicht derselben vorwärts.

Ich muß es; denn wenn es auch bis zur Unwidersprechlichkeit bewiesen ist, daß die elementarisch wohl ausgeführten Entfaltungs- und Bildungsmittel aller intellektuellen und Kunstkräfte das Kind durch ihre Einfachheit allgemein bilden, anreizen und dahin bringen, in der Anschauungs-, Sprach-, Denk- und Kunstkraft einzeln sehr befriedigende und sehr auffallende Fortschritte zu machen, so ist damit durchaus noch nicht gesagt, daß durch die Einzelfortschritte jeder dieser Kräfte die Menschennatur selber in den wesentlichen Bedürfnissen der Menschlichkeit im allgemeinen naturgemäß genugsam beholfen und befördert sei. Es ist damit nicht gesagt, daß die Gemeinkraft der Menschennatur, insofern durch sie die Fundamente der Menschlichkeit selber solide gegründet werden sollen, durch die Resultate dieser Bildungsmittel wirklich naturgemäß und genugsam begründet sei. Die wahre naturgemäße Gemeinkraft der Menschennatur geht, wie wir wissen, wesentlich aus dem Streben zum Gleichgewicht aller menschlichen Kräfte untereinander hervor, und die isolierte Bearbeitung der Geistes- und Kunstkräfte tut dieses an sich durchaus nicht. Sie führt an sich durchaus nicht naturgemäß zum reinen, festen Streben nach diesem Gleichgewicht; sie führt in dieser Isolierung und durch sie im Gegenteil mit vielseitigen Reizen zum gewaltsamen Streben nach dem sinnlichen Übergewicht jeder einzelnen menschlichen Kraft über die andere, folglich zur Begründung des Widerspruchs einer dieser Kräfte und eines den Segen derselben untergrabenden und störenden Kampfs gegeneinander. Sie wird auch dadurch offenbar die bestimmte, ursprüngliche Quelle des Kriegs aller gegen alle. Auch durch diese Ansicht erklärt sich heiter, daß die Frage: Was ist in der Erziehung und im Unterricht naturgemäß? nur dannzumal richtig beantwortet und der Begriff der Naturgemäßheit nur dannzumal richtig ins Auge gefaßt werden kann, wenn die Frage: Was ist die Menschennatur selber? zum voraus heiter gemacht ist. Diese aber besteht nur in dem Wesen der Menschlichkeit selber und geht folglich, wie ich im Anfange dieser Bogen schon gesagt habe, aus dem Geist und Leben der inneren, göttlichen Kräfte, die wir mit keinem Geschöpf auf Erden, das nicht Mensch ist, gemein haben, hervor.

Auch das Vieh hat Geist und Leben, aber nicht menschlichen, sondern tierischen Geist und tierisches Leben. Und ich werfe in der Unschuld meiner mir selbst wohl bewußten diesfälligen Beschränkung anmaßungslos und unbesorgt das Wort hin: Ich denke mir den Anfangspunkt der Menschlichkeit in den geistigen Kräften unseres mit den Tieren gemeinhabenden Fleisches und Blutes an den sich im Unsichtbaren verlierenden Endpunkt der zartesten Fasern der menschlichen Nerven, folglich an den Endpunkt unsers Fleisches und Blutes selber, das sich auch im Tier bis auf einen gewissen Punkt in seinen Fundamenten als geistig erprobt und in seinen Resultaten als geistig ausspricht.[51] Aber auch die instinktartigen Gefühle der Liebe und des Vertrauens haben in den zartesten Fasern unseres Fleisches und Blutes, und in dem tiefsten Organismus unserer tierischen Natur den Anfangspunkt ihres Übergangs in das göttlich gegebene, innere Wesen der menschlichen Liebe und des menschlichen Glaubens, deren Wachstum und Vollendung in unserer durch den religiösen Glauben zu erzielenden Heiligung unserer Natur und in den Mitteln der göttlichen Gnade zu suchen ist. Die Resultate der instinktartigen Liebe und des instinktartigen Glaubens sind die Resultate aller aus bloß sinnlichen Anschauungen hervorgehenden Erkenntnisse unseres Geschlechts und insoweit nur tierisch begründet, folglich insoweit vom inneren Wesen der Menschlichkeit selber vollends entblößt. Und auf diesem Punkt erprobt sich der Geist unseres Geschlechts weder in Rücksicht auf seine Kraft zum Denken noch in Rücksicht auf seine Kraft zum Glauben und zum Lieben als ein wirklich menschlicher Geist; er ist insoweit in beiden Rücksichten nur eine Kraft, die wir mit den Tieren des Feldes gemein haben und deren Fundamente viele Tiere in Rücksicht auf die Sinne, durch die sie die Welt, wie wir, nach ihrer Art zu erkennen vermögen, in einem weit höheren Grad als wir besitzen. Der Hund hat eine weit bessere Nase und der Adler ein weit besseres Auge als der Mensch, und was auf diese Fundamente der tierischen Geisteskraft wahr ist, das ist auch auf die vielseitigen tierischen Anwendungen dieser Kraft gleich wahr.

Diese grenzen vielseitig und allgemein für uns ans Wunderbare und stehen in ihrem ganzen Umfange als dem höchsten Grad aller menschlichen Kunstkraft unerreichbar vor unseren Augen. Aber ihre ganze Kunst ist keine menschliche Kunst; sie ist nur das Resultat einer instinktartig belebten, tierischen Kraft, deren Natur der höchste Grad der menschlichen Geisteskraft zwar nicht ergründen, aber deren Unterschied zwischen der menschlichen Kunstkraft und der ihr zugrundeliegenden, menschlichen Denkkraft auch dem niedersten, menschlichen Wesen heiter ins Auge fällt.

Dieser Unterschied der menschlichen und der tierischen Kunstkraft und überhaupt des menschlichen und tierischen geistigen Seins sowie die Größe des Übergewichts des Niedersten in der menschlichen gegen das Höchste in der tierischen Natur ist so auffallend, daß sich bei mir bei der Ansicht dieses Übergewichts mit dem Worte Davids „Du hast uns ein wenig minder gemacht als die Engel“ allemal der gefühlvoll belebte Gedanke verbindet: „Du hast uns über alles Fleisch und Blut, das auf Erden wandelt, unendlich erhoben, du hast uns unendlich höher gestaltet, als alle Tiere der Erde.“ Alle, auch die höchsten Resultate des tierischen Denkens und der tierischen Kunst sind durchaus keine Beweise der menschlichen Denkkraft. Das Denken unseres Geschlechts, als menschliches Denken, geht durchaus, auch im kleinsten Produkt seiner Wahrheit, nicht aus irgendeiner Kraft hervor, die sich an die zartesten Fasern unseres Fleisches und unseres Bluts anschließt. Unser Denken, insofern es wahrhaft menschlich ist, geht aus der göttlichen Kraft hervor, unseren Geist über unser Fleisch herrschen zu machen, und ist und wird nur dadurch ein wahrhaft menschliches Denken, das mit allem tierischen Denken in vollkommenem Widerspruche steht. Alles tierische Denken ist mit allem menschlichen Denken, wie die Finsternis mit dem Lichte, im Widerspruche und führt in seinen Vorschritten und Endpunkten immer zur Unmenschlichkeit. Um das Wort „Naturgemäßheit“ in der Bedeutung, in der es in Rücksicht auf elementarische Menschenbildung ins Auge gefaßt werden muß, nicht schwankend und unbestimmt zu lassen, müssen wir den Gesichtspunkt festhalten, daß die elementarische Geistes- und Kunstbildung unseres Geschlechts in allen ihren Wirkungen geeignet ist, eine Gemeinkraft der Menschennatur zu erzeugen, die die Segenskräfte unserer Natur alle untereinander vereinigt. Und forschen wir dem Wesen dieser Gemeinkraft nach, so sehen wir, sie entfaltet sich im Menschengeschlecht nur insofern auf eine dasselbe befriedigende Weise, als sie wahrhaft und wesentlich aus der Harmonie unserer Kräfte hervorgeht und durch das Gleichgewicht derselben instand gesetzt wird, in uns herrschend auf unser Tun und Lassen, auf die wesentlichen Kräfte der Menschennatur, die unserem Fühlen, Denken und Handeln zu Grunde liegen, einzuwirken.

Wo eine dieser drei Kräfte schwach, gelähmt, unentfaltet und ungebildet und noch mehr verbildet in uns dasteht, da mangelt der Gemeinkraft der Menschennatur durchaus die Basis, ohne deren Dasein die zwei anderen Kräfte einen die Menschennatur im ganzen Umfang ihrer Ansprüche befriedigenden Spielraum ihres Segenseinflusses unmöglich zu erhalten imstande sind. Das ist beim Menschen, der in seiner Sittlichkeit einseitig belebt, gedankenlos, geistig unentfaltet und in seinen häuslichen und Berufspflichten ungebildet, ungewandt, nachlässig und bürgerlichen kraftlos umherwandelt, ebenso der Fall, wie es beim ausgezeichnetesten besten Kopfe, dem es an den Fundamenten der Ausbildung der sittlichen Kraft, an wahrer Liebe und an wahrem Glauben mangelt, ebenso der Fall ist.[52] Diese segensvolle Gemeinkraft der Menschennatur ist indessen bei mittleren und sogar bei schwachen Kräften eines Individuums ebenso möglich und ebenso denkbar, als sie bei isolierten, abgeschnittenen, unverhältnismäßig großen, selber gigantischen Einzelkräften oft schwierig und sogar unerreichbar ist. Dabei aber ist wesentlich zu bemerken, daß ein im reinsten Sinne des Worts vollendetes Gleichgewicht der menschlichen Kräfte nicht denkbar ist. Der Mensch, dessen Wissen und Können Stückwerk ist, ist in keiner seiner Kräfte einer reinen vollendeten Ausbildung, folglich auch niemals eines vollendeten Gleichgewichts derselben untereinander oder, welches ebensoviel ist, einer in ihren Fundamenten allgemein gleich vollendet begründeten Gemeinkraft der Menschennatur fähig. Alles, was von einem menschlichen Gleichgewicht der Kräfte und von einer aus ihr hervorgehenden Harmonie geredet, ist nur von einem Zustand der menschlichen Kräfte zu verstehen, der sich dieser Harmonie und diesem Gleichgewicht derselben untereinander nähert oder wenigstens mehr oder minder zu nähern sucht.

Die Unmöglichkeit eines vollendeten Gleichgewichts der Menschennatur ist durch die Wahrheit der Disharmonie der Kräfte und Anlagen der einzelnen Menschen zum voraus entschieden. Jeder einzelne Mensch wird in hoher Ungleichheit seiner Kräfte gegen die Kräfte tausend und tausend anderer Menschen geboren. Der eine ist in der Anlage seines Herzens, der andere in derjenigen seines Geists und der dritte in derjenigen seiner Kunst in sich selbst überwägend erschaffen, und jeder Mensch, folglich auch das Menschengeschlecht im Ganzen, muß in Rücksicht auf das vollendete Gleichgewicht und die vollendete Harmonie seiner Kräfte nicht nur mit Paulus aussprechen „nicht, daß ich sie schon ergriffen habe“, er muß noch hinzusetzen: „Nicht, daß ich sie je ergreifen werde“; aber dann darf er auch mit dem Apostel fortfahren: „Ich jage ihr aber nach, wie wenn ich sie wirklich ergreifen könnte.“[53]

Indessen ist, wie ich eben sagte, der sich dem Gleichgewicht nähernde Zustand unserer Kräfte bei schwachen Kräften ebenso denkbar als bei starken. Das Gleichgewicht von drei Pfunden ist mit dem Gleichgewicht von drei Zentnern eines und eben dasselbe Gleichgewicht. Ich sah gar oft in meinem Leben die segensvolle Gemeinkraft, so wie sie unserem Geschlecht erreichbar ist, bei Individuen mit sehr mittelmäßigen Anlagen in einem ruhigen, wirklich befriedigenden Gleichgewicht dastehen. Das brillante Hervorstrahlen einzelner Kräfte wird hingegen dem Menschengeschlecht gar oft ein unübersteigliches Hindernis der Ausbildung der segensvollen Gemeinkraft und des Gleichgewichts, das ihnen mangelt; hinwieder ist auch wahr, daß die Ausbildung dieser Gemeinkraft auch beim höchsten Mangel äußerer Mittel ebenso erreichbar ist als beim Überfluß derselben. Ich habe das Maximum dieses Gleichgewichts und der daraus hervorgehenden Gemeinkraft beim Minimum aller äußeren Kräfte und Mittel im Bilde meiner Gertrud[54], beinahe vor einem halben Jahrhundert, darzulegen gesucht, und ich glaube, es gebe über diesen Gesichtspunkt vielseitiges Licht.

Die Wahrheit, daß der Grad des Gleichgewichts, dessen unser Geschlecht fähig, unter allen Umständen und Verhältnissen des Menschengeschlechts gleich erreichbar ist, hängt mit dem Gesichtspunkt zusammen, daß derselbe nur durch das gesicherte Dasein der Liebe und des Glaubens zu erzielen möglich ist. Dabei aber darf durchaus nicht vergessen werden, daß wahrer Glauben und wahre Liebe, ohne allgemeine Liebe zur Wahrheit, d.i. ohne Liebe zu aller und jeder Wahrheit, undenkbar ist und daß die Bildungsmittel zur wahren Liebe und zum wahren Glauben mit den Bildungsmitteln zur Erkenntnis aller Wahrheiten und zur Liebe aller Wahrheiten im innigsten Zusammenhange stehen. So wie ohne die segensvolle Kraft der Liebe und des Glaubens keine Harmonie unserer Kräfte, kein innerer Friede weder mit mir selbst, noch mit meinem Geschlecht denkbar ist, so ist auch ohne solide Sorgfalt für die Ausbildung des Menschengeschlechts zur Erkenntnis der Wahrheit, d.i. ohne ernste Sorgfalt zur soliden Entfaltung seiner intellektuellen Kräfte, sowohl in sittlicher und religiöser als in häuslicher und bürgerlicher Hinsicht, kein wahres Gleichgewicht und sogar keine wahre Annäherung an das Gleichgewicht der menschlichen Kräfte und also auch keine wahre, Segen und Befriedigung bringende Gemeinkraft der Menschennatur denkbar. Diese geht durchaus nicht aus einer einseitigen Ausbildung, einer einzelnen menschlichen Kraft, sie geht, den Gegenstand menschlicherweise ins Auge gefaßt, aus der gegenseitig gleich sorgfältigen Entfaltung aller Kräfte hervor. So wie es unwidersprechlich ist, daß sie nicht aus Lieblosigkeit und Unglauben hervorgeht, so ist ebenso gewiß, daß sie nicht aus Gedankenlosigkeit, Dummheit, Geistesschwäche und Geistesleerheit entspringt. Ich erkenne zwar ganz, daß Lieblosigkeit und Unglauben, diese unseligen Kinder der in unseren Tagen unnatürlich belebten sinnlichen Selbstsucht, das schreckliche Unglück unserer Tage hervorgebracht haben. Aber ich erkenne dabei ebensowohl, daß diese Lieblosigkeit und dieser Unglaube auch die ersten Fundamente einer wahren, segenbringenden Denk- und Berufskraft in unserer Mitte und die wesentlichen Fundamente derselben, die im reinen häuslichen Leben und in dem ihm beiwohnenden, reinen Vater-, Mutter- und Kindersinn liegen, in einem hohen Grad abgeschwächt und vielseitig beinahe ihrer Zernichtung nahe gebracht haben. Der wahre Glauben, der, wie die wahre Gottesfurcht, die göttliche Segensverheißung des gegenwärtigen wie des künftigen Lebens besitzt, fordert für alle Stände die Ausbildung der Denk- und Kunstkraft, die zur Sicherstellung der Segensgenießungen unserer häuslichen und bürgerlichen Verhältnisse, d.i. zum echten Dienst unseres öffentlichen und Privatlebens notwendig sind.

Wir dürfen uns den Zusammenhang des Bedürfnisses der menschlichen Sorgfalt für die Ausbildung unserer Geistes- und Kunstkräfte mit demjenigen der heiligen Sorgfalt für die Ausbildung des Glaubens und der Liebe auf keine Weise aus den Augen rücken lassen; und wir können es uns nicht verhehlen: Was immer in unserer Mitte die Kraft des Vater-, Mutter-, Bruder- und Schwestersinns im häuslichen Leben untergräbt und zernichtet, das wirkt auf die Zerstörung der Fundamente des wahren Glaubens und der wahren Liebe ebenso, wie es auf die Zerstörung der wahren Fundamente der Denk- und Berufskräfte und der Segensgenießungen der häuslichen und bürgerlichen Verhältnisse des Menschengeschlechts verheerend einwirkt. Die Hilfe gegen die Übel, unter denen das gute Herz aller Stände diesfalls gegenwärtig leidet, kann nur aus Maßregeln hervorgehen, die, indem sie der Lieblosigkeit, dem Mißtrauen und dem Unglauben im ganzen Umfang ihrer Ursachen und Quellen entgegenwirken, geeignet sind, die Vaterkraft, die Muttertreue und den Kindersinn in der Erziehung, im öffentlichen wie im Privatleben, in dem Grad mit Sorgfalt zu beleben und – ich möchte in gewissen Rücksichten sagen – von den Toten auferstehen zu machen, als wir dieselben gegenwärtig auf der einen Seite soviel als offen im Grabe vor unseren Augen liegen sehen, auf der anderen Seite aber ihrer dringend bedürfen. Und unser Zeitgeschlecht hätte gewiß Unrecht, sich dieses Gesichtspunkts halber dem eitlen Wahn zu überlassen, das, was wir seinethalben und zwar gegenwärtig schon dringend notwendig haben, werde sich ohne unser Zutun wohl etwa von selbst geben. Weder die Anlagen der Liebe und des Glaubens, noch diejenigen der Denk- und der Kunstkraft bilden sich in den Individuen unseres Geschlechts, noch viel weniger in den Massenverhältnissen unserer Stände und Klassen, ohne unser Zutun. Die sinnliche und geistige Angewöhnung alles dessen, was Liebe, Weisheit und Glaube in unseren Lagen und Verhältnissen von einem jeden von uns fordern, erheischen unbedingt menschliche Sorgfalt zur Einübung aller Fertigkeiten und Gewandtheiten, die uns unser häusliches und bürgerliches Leben zur Pflicht machen und die das wahre Christentum selber als unumgängliche Mittel zur Ausübung derselben anerkennt und von uns fordert. Menschlicherweise davon zu reden, ist es auch vorzüglich durch die Einwirkung einer naturgemäßen Angewöhnung und Einübung der Fertigkeiten, die die Ausübung dieser Pflichten erfordern, wodurch das Joch Jesu Christi unserem schwachen Geschlecht ein leichtes Joch und seine Last eine leichte Last zu werden vermag.

Entfaltung der Mittel zur Ausbildung der Gemeinkraft

Ich fasse die Idee der Elementarbildung noch einmal in dem Gesichtspunkt ins Auge: Wie entfalten sich ihre der Menschennatur und zu der aus ihr hervorgehenden Harmonie der menschlichen Kräfte? - Das innere Entfaltungsmittel dieser Gemeinkraft unserer Natur ist die Liebe; die äußeren Mittel ihrer Entfaltung liegen im ganzen Umfange der menschlichen Tatkraft, wie diese uns befähigt, das – von der Geistes- und Kunstkraft unterstützt – äußerlich darstellen zu können, wofür die Liebe die Gemeinkraft der Menschennatur bildend anspricht und alle unsere Kräfte in Bewegung setzt. Auch hier ist die Sprachkraft die vereinigende Mittelstufe unserer Anschauungs- und unserer Denkkraft, indem sie das Kind in den Stand setzt, den Eindruck der Anschauungsgegenstände, wenn sie in der Wahrheit, Beschränkung und Ausdehnung nach allen Richtungen geistes-, herzens- und kunsthalber vor ihm liegen, zusammenzustellen, zu trennen und zu vergleichen, d.i. geistig zu behandeln, darüber zu denken und zu urteilen. Offenbar wird die Sprachkraft auch darin das äußerlich vermittelnde Organ der Kräfte, welche die einzelnen Fundamente und Grundteile der Gemeinkraft und der Gemeintätigkeit unserer Natur in dieser Rücksicht untereinander vereinigt und durch ihre Vereinigung in ihren Resultaten die Menschlichkeit in ihrem ganzen Umfange anspricht. Ohne sie, ohne dieses große Resultat aller gelungenen Bildung unseres Geschlechts, ohne diese entfaltete Gemeinkraft der Menschennatur, ist das Ziel aller Erziehung, die Entfaltung der Menschlichkeit selber, unerreichbar. Ohne sie erhebt sich keine menschliche Wissenschaft, kein menschliches Gewerbe, keine Art von Tätigkeit zur Menschlichkeit selber.

Das innere Erweckungsmittel der alles in uns belebenden Gemeinkraft, die die Tätigkeit aller einzelnen Kräfte, sie unter sich vereinigend, anspricht und sich in dem göttlichen Fundament der Menschlichkeit, in der Liebe, äußert, braucht zur Belebung ihres Wesens an sich keine Handbietung der Kunst. Sie genießt im Inneren eines jeden Menschen, der sie sucht, göttliche Handbietung. Der Ruf zu ihr, der Ruf sie zu suchen, liegt in jedem Menschen in der göttlichen Gnade und in der göttlichen Kraft des Gewissens. Ihre äußere Ausbildung hingegen fordert in dem Grad die Handbietung der menschlichen Kunst, als die naturgemäße innere Entfaltung der Kräfte der Menschlichkeit göttliche Handbietung in ihm selbst findet; und es ist überhaupt die naturgemäße äußere Ausbildung dieser Gemeinkraft, worin die Idee der Elementarbildung in allen ihren psychologischen Bestrebungen die wesentlichsten Mittel zur naturgemäßen Entfaltung der Fundamente der Ausbildung unserer Kräfte und Anlagen zu suchen hat.

Es ist auch auf eben dieser Bahn, wodurch es allein möglich gemacht werden kann, den Hindernissen, die diesen Bestrebungen im Wege liegen, mit Erfolg entgegenzuwirken. Diese entspringen allgemein aus dem Übergewicht der selbstsüchtigen, sinnlichen Ansprüche unserer tierischen Natur über diejenigen der sittlichen und geistigen Fundamente unserer Menschlichkeit selber. Es ist auch bestimmt das Übergewicht unserer Aufmerksamkeit auf die unserer Natur unwesentlichen, von der Wirkung der Zeitlaunen und Zeitumstände herrührenden und gebotenen Kollektivansprüche[55] unserer Verhältnisse über die aus dem Wesen der Menschlichkeit selbst herfließenden Individualansprüche eines jeden und folglich des Menschengeschlechts und der Menschennatur selber, welches seiner Natur nach das Verkünstelungsverderben unseres Geschlechts in allen seinen Formen und Gestaltungen erzeugt und herbeigeführt. Und dieses ist es dann hinwieder, was dem Gang der Natur in der Entfaltung und Ausbildung unserer Kräfte die größten Hindernisse allgemein in den Weg legt und legen muß, und indem es das tut, den wesentlichsten Wirkungen der Idee der Elementarbildung und aller ihrer Bildungsmittel tief ans Herz greift. Es ist offenbar, daß die Realansprüche der individuellen Existenz unseres Geschlechts als Ansprüche der Menschennatur selber den Ansprüchen der Kollektivexistenz desselben allgemein, d.i. in sittlicher, geistiger und physischer Hinsicht vorhergehen und sie sich unterordnen sollen. Tun sie das nicht, unterliegen sie dem Unrecht und den willkürlichen Anmaßungen des Verkünstelungsverderbens und seiner Quelle in den sinnlichen, selbstsüchtigen Ansprüchen unserer Kollektivverhältnisse, so legen sie dem Gange der Natur in der Entfaltung und Bildung unserer Kräfte zur Menschlichkeit allgemein und tiefgreifend die größten Hindernisse in den Weg. Sei es im Bauernstand, im Bürgerstand, sei es im Adelsstand und selber im Klosterstand, die tierische Selbstsucht dieser Ansprüche hat in allen Verhältnissen die nämliche Wirkung. Sie ist der reinen Entfaltung unserer Kräfte zur Menschlichkeit im höchsten Grad hinderlich; und was immer der reinen Entfaltung und Bildung zur Menschlichkeit an sich selbst und notwendig hinderlich ist, das ist auf der anderen Seite ebenso den sinnlichen und tierischen Reizen zur Belebung der Unmenschlichkeit angemessen, dienlich und förderlich, und das in einem jeden Stand so gut als in allen anderen. Dadurch ist aber offenbar, daß das Verkünstelungsverderben, so wie es der Entfaltung unserer Kräfte zur Menschlichkeit hinderlich, verderblich und tödlich ist, auch ebenso dahin wirken muß, uns das eigentliche Wesen der Idee der Elementarbildung vollkommen aus den Augen zu rücken und uns dadurch für dasselbe innerlich blind und äußerlich nicht nur ungewandt und ungeschickt, sondern sogar beinahe gänzlich untauglich und unfähig zu machen, und zwar besonders in einem Zeitpunkt, in welchem dieses Verderben von der Routinegewalt des wirklichen Lebens in einem so hohen Grad allgemein unterstützt und belebt wird, als dieses gegenwärtig der Fall ist.

Ich muß dieser Ansicht noch beifügen: Wir haben dieses alles, sowohl in uns selber als im ganzen Kreis der Umgebungen, auf die sich unsere Bestrebungen ausdehnen, wirklich erfahren, und die Zeit ähnlicher Erfahrungen ist für andere, welche sich, unreif wie wir, an die Ausführung und Einführung dieser hohen Idee wagen möchten, noch nichts weniger als vorüber. Es liegt im unreifen Eingreifen in das Geschäft der Elementarbildung so viel Stoff und Materie, den Kopf anzustoßen und die Finger zu verbrennen, daß ich allen, in ihrer Gutmütigkeit und in ihrer Schwäche mir gleichen Jünglingen, wie dem Bock, der bei einem glühenden Kohlenhaufen steht, zurufen möchte: „Rühr' nicht, es brennt!“ Je vielseitiger ich diesen Gegenstand ins Auge fassen, und je tiefer ich in das Wesen desselben eindringen werde, desto heiterer werden auch die Gründe und Ursachen meiner diesfälligen Ansicht ausfallen. Ich verfolge meinen Gegenstand, wie bisher auf meinem Wege links und rechts hier und da einkehrend und selber oft von der Landstraße abweichend, aber immer das Ziel desselben fest im Auge haltend, forthin und stehe wieder einen Augenblick bei dem Gesichtspunkt stille, daß die Bestrebungen der Elementarbildung in Rücksicht auf die Ausbildung unserer Geisteskräfte eine erneuerte Sorgfalt für die reine und kraftvolle Entfaltung der allgemeinen Fundamente der Menschlichkeit, der Liebe und des Glaubens, folglich auch eine erneuerte und belebte Sorgfalt für die Verstärkung der Kräfte des häuslichen Lebens und seines heiligen Fundaments, des Vater-, Mutter- und Kindersinns, aus welchem die Gemeinkraft der Menschennatur, tatsächlich und allgemein ins Auge gefaßt, wesentlich hervorzugehen vermag, voraussetzen und ansprechen.

Sie, diese Gemeinkraft, kann nur aus der Wahrheit des inneren, göttlichen Wesens der Menschennatur, und durchaus nicht aus der isolierten, wenn auch noch so künstlich und glücklich belebten, einzelnen Kraft derselben hervorgehen. Ebenso ist die Idee der Elementarbildung auch nicht durch die isolierte Naturgemäßheit ihrer Ausbildungsmittel der menschlichen Denkkraft, sie ist durchaus nicht durch die isolierte Bearbeitung der Zahl- und Formlehre geeignet, auf die Entfaltung der Menschlichkeit und die ihr wesentlich zum Grunde liegenden Fundamente des Gleichgewichts und der Harmonie unserer Kräfte einzuwirken; sie ist dieses wesentlich nur durch ihre innigste Verbindung mit den heiligen Fundamenten des Glaubens und der Liebe. Selbst die alten Griechen erkannten das Bedürfnis des innigen Zusammenhangs der Liebe und des Glaubens mit den naturgemäßen Entfaltungsmitteln der menschlichen Denkkraft. Ihr alétheuein en agapé[56], ihr die Wahrheit in der Liebe Nachforschen, spricht bestimmt aus, daß sie das bloße, von der Geisteskraft allein belebte Forschen nach Wahrheit für die Erkenntnis des Menschlichen in der Wahrheit nicht als genugtuend erkannten. Es ist es auch nicht, und in Übereinstimmung mit der Überzeugung, daß es dieses nicht ist, strebt die Idee der Elementarbildung dahin, selber die sinnlich und instinktartig belebten Fundamente der Liebe und des Glaubens von der Wiege an durch Vereinfachung ihrer Bildungsmittel zu stärken, zu fördern und zu behelfen. Sie strebt allgemein dahin, ihre naturgemäßen Entfaltungsmittel der Liebe und des Glaubens mit den naturgemäßen Entfaltungs- und Bildungsmitteln des Wahrheitssinnes und der Wahrheitskraft zu vereinigen. Ihre Erkenntnis der in der Einheit der Menschennatur selbst begründeten innigen Vereinigung aller menschlichen Kräfte untereinander macht sie das Bedürfnis der Vereinigung der Bildungsmittel des Glaubens und der Liebe mit denjenigen der Denk- und Kunstkraft der Menschennatur tief fühlen und, auf die diesfällige Überzeugung gestützt, die Organisation der gegenseitigen Ausbildungsmittel der sittlichen und intellektuellen Kräfte unserer Natur in der höchstmöglichsten Übereinstimmung untereinander begründen. Ihre Überzeugung von den Ansprüchen der Einheit der Menschennatur an den ganzen Umfang der Entfaltungs- und Bildungsmittel aller unserer Kräfte und Anlagen macht der Idee der Elementarbildung die höchste Sorgfalt für die innige Vereinigung der sittlichen und geistigen Bildungsmittel unseres Geschlechts zur höchsten Pflicht.

Man fasse diese große Idee im ganzen Umfang der Übereinstimmung ihrer Mittel mit dem Gang der Natur in der Entfaltung der Kräfte und Anlagen unseres Geschlechts ins Auge, so wird man auffallend sehen, in welchem Grad ihre Entfaltungs- und Bildungsmittel unserer geistigen Kräfte mit denjenigen unserer sittlichen von der Wiege an in Übereinstimmung stehen. Sie müssen es; sie hören auf, elementarisch zu sein, wenn sie es nicht tun; sie tun es aber auch. Das häusliche Leben, in dem sich der ganze Umfang ihrer Bildungsmittel konzentriert, verbindet beides, den Stoff, die Mittel und die Reize dieser Vereinigung in sich selbst. Es spricht die höchste Sorgfalt für diese Vereinigung schon in der Unmündigkeit des Kindes an, aber es trachtet freilich auch, die Bildungsmittel der Liebe und des Glaubens den Bildungsmitteln der Denkkraft vorhergehen zu machen und die letzten durch die ersten ebenso zu begründen, als sie mit denselben in Übereinstimmung zu bringen. Zu der höchstmöglichen Vereinfachung zurückgedrängt, kann der ganze Umfang der Elementarbildungsmittel nur mit wahrer Mutterliebe dem Kind gegeben und nur mit wahrem liebendem Vertrauen in der Kraft ihres Segens benutzt werden. Auch ist es unwidersprechlich, daß die elementarischen Kunstausbildungsmittel der Anschauungs-, Sprach-, Denk- und Kunstkraft nur in Verbindung mit der heiligen Sorgfalt für die naturgemäße Entfaltung des Glaubens und der Liebe auf eine die Menschennatur im Ganzen befriedigende Weise und mit gesegnetem Erfolg gegeben werden können und daß sie, wenn sie beim Mangel dieser belebenden Bildungsmittel auffallend gute Resultate hervorzubringen scheinen würden, diese Resultate durchaus nur Scheinresultate wären, welche die Menschennatur nicht befriedigen könnten, sondern segenslos und sogar naturwidrig auf den ganzen Umfang der naturgemäßen Erziehung und ihrer elementarischen Bildungsmittel einwirken müßten. Das wesentlichste und reinste Belebungsmittel der Gemeinkraft der Menschennatur geht in seiner ursprünglichen Quelle ewig nur aus Liebe und Glauben hervor, und die unterscheidende Frucht ihrer Wahrheit ist unverbrüchliche Treue. Je reiner, wahrhafter und gebildeter die Liebe und der Glaube, desto reiner, wahrhafter und gebildeter ist auch die Gemeinkraft, die durch sie belebt wird, und desto sicherer und zuverlässiger ist ihr höchstes erhabenstes Resultat, ihre Treue und die mit ihr verbundene allseitige Tätigkeit, Anstrengung, Ausharrung, Hingebung und Aufopferungskraft derselben. Aber auch umgekehrt, je unreiner, sinnlicher, geistig und physisch ungebildeter die Liebe und der Glaube und ihre beidseitige Tatkraft im Menschen ist, desto unreiner, zweideutiger, trüglicher, schwankender, tatenloser und bloß scheinbarer ist die Gemeinkraft, die aus ihr entspringt, und desto unsicherer, unzuverlässiger und trüglicher ist auch die Treue, die auf sie gebaut wird, so wie alle Resultate der mit der wahren Liebe innig verbundenen und ihr unzertrennlich beiwohnenden Tätigkeit, Anstrengung, Ausharrung, Hingebung und Aufopferungskraft. Die Schwachheit und Sinnlichkeit der Liebe und des Glaubens ist deswegen als eine gefährliche Brutstube der Untreue und der Lieblosigkeit, die sich im milden Flaum der Sinnlichkeit und Behaglichkeit neben den toten Scheineiern der Treue und des Glaubens gemächlich ausbrütet und unvermerkt stark wird, anzusehen. Es ist folglich eine wesentliche Aufgabe der Idee der Elementarbildung, dem Trug und der Ausartung der sinnlichen Liebe und der sinnlichen Glaubensschwäche mit der ganzen Kraft ihrer Naturgemäßheit in ihren Wurzeln entgegenzuwirken. Die Natur muß auch in Rücksicht auf diese Ansicht im ganzen Umfang ihrer Mittel als herrschende Führerin, aber die Kunst hingegen auch im ganzen Umfang ihrer Mittel als untergeordnete und folgsame Dienerin derselben ins Auge gefaßt werden.

Ich bin über die Idee der Gemeinkraft und über das Streben nach der Harmonie und dem Gleichgewicht der menschlichen Kräfte etwas weitläufig und muß es sein. Der Mangel an richtiger Erkenntnis ihres Wesens ist Mangel an richtiger Erkenntnis des Wesens der Idee der Elementarbildung selber. Diese ist ein Traum, ein Tand und ein Verführungsmittel des Volkes, wenn sie nicht auf das allgemeine Bestreben unseres Geschlechts, sie aus dem einzigen, ewigen Fundament der naturgemäßen Bildung zur Menschlichkeit, aus Liebe und Glauben und der ihnen ewig beiwohnenden Tatkraft hervorgehen zu machen, gebaut ist. Und dieses ist sie, beides, in dem Fall nicht, wenn sie durch isolierte und sich selbst überlassene Mittel der Geistes- und Kunstbildung zu erzielen gesucht wird; aber auch ebensowenig, wenn sie der naturgemäßen Ausbildung der Geistes- und Kunstkräfte, welche zur genugtuenden Entfaltung der Gemeinkraft der Menschennatur notwendig sind, mangeln und ihr Hindernisse in den Weg legen sollte.

Vorrang der Herzensbildung zu Liebe und Glauben

Diese Ansicht meines Gegenstandes hat noch eine andere Seite.

Weder die elementarische Entfaltung der Anschauung, noch diejenige der Sprach- und der Denkkraft kann einzeln und von den anderen gesondert in ihrem Einfluß als zu einer wahren und soliden Entfaltung unserer intellektuellen Kräfte naturgemäß mitwirkend angesehen und anerkannt werden. Die intellektuelle Kraft unseres Geschlechts ist in ihrem ganzen Umfang als eine Kraft der Menschennatur oder, welches ebensoviel ist, als eine Kraft der Menschlichkeit unserer Natur anzusehen. Die Ausbildung, oder vielmehr die Erhebung der Geisteskraft zur Menschlichkeit fordert zum voraus die Ausbildung der Menschlichkeit selber, ohne deren kraftvoll gebildetes Dasein eine wahre Erhebung der Geisteskraft zur Menschlichkeit nicht denkbar ist. Diese aber geht wesentlich aus Liebe und Glauben hervor. Ohne Liebe und ohne Glauben mangelt der Anfang des Fadens, von dem allein alle wahre Entfaltung zur Menschlichkeit ausgeht, fortschreitet und endet. Mit einem Wort, Glaube und Liebe ist das A und das O der naturgemäßen, folglich der elementarischen Bildung zur Menschlichkeit. Die Geistesbildung und die Kunstbildung sind nur ihr untergeordnete Bildungsmittel und vermögen nur in dieser Unterordnung mitwirkend das Ihrige zur Harmonie unserer Kräfte und zum Gleichgewicht derselben untereinander beizutragen. Die Natur geht in der Entfaltung der Menschlichkeit vollkommen diesen Gang, und die Kunst, folglich auch die Mittel der Elementarbildung, müssen ihr Schritt für Schritt folgen.

Kräfteentfaltung als Basis der Anwendung der Kräfte

Fasse ich diese große Idee als naturgemäßes Entfaltungs- und Bildungsmittel der Geistes- und Kunstkräfte ins Auge, so wird tatsächlich heiter, daß die Aufmerksamkeit auf den Unterschied der Entfaltungsmittel unserer Kräfte und denjenigen der Ausbildung der Unterrichts- und Abrichtungsfertigkeiten, die die Anwendung dieser Kräfte ansprechen, besonders in unserem Zeitalter für uns von der äußersten Wichtigkeit ist. Dieses Zeitalter will in allem seinem Tun Früchte von Bäumen, ehe sie geblüht haben, und selber von Bäumen, die es in seinen Wurzeln faul werden läßt. Es will Scheinresultate, ehe die Fundamente, deren alle soliden Resultate bedürfen, gegraben, will geschweigen gelegt sind. Es ist offenbar, daß die Entfaltung der menschlichen Kräfte notwendig als wesentliche Wurzel aller Ausbildungsmittel der Anwendungsfertigkeiten unserer entfalteten Kräfte angesehen werden muß, aus welcher die wahre Blüte und die wahren Früchte derselben hervorzugehen vermögen; und es fällt auf, daß in der tieferen Anerkennung dieses Unterschieds die wesentliche Spur der Mittel zu finden ist, durch welche dem Verderben unserer diesfälligen Zeitverirrungen, die in den Anfangspunkten unsers Verkünstelungsverderbens in der Erziehung liegen, mit Erfolg entgegengewirkt werden kann und daß in diesem Gesichtspunkt der Anfangspunkt der Mittel gesucht werden muß, durch welche es möglich ist, in allen Ständen und Verhältnissen den Vater- und Muttersinn der Menschennatur zur gebildeten Vater- und Mutterkraft zu erheben und die Erziehungs- und Unterrichtskräfte des häuslichen Lebens auf eine Weise zu erhöhen, daß dadurch den traurigen Folgen eines unnatürlichen, unelementarischen, mit den Lagen, Verhältnissen und Bedürfnissen aller Stände im Widerspruche stehenden Scheingelehrsamkeitseinflusses der Schulen auf dieselben und dem Glauben an ihr, den häuslichen Segen des Volks allgemein untergrabendes Blendwerk ein Ziel gesetzt werden könne. Wir können uns nicht verhehlen, der Drang eines oberflächlichen, die Kinder aller Stände von der festen Aufmerksamkeit und Einübung alles dessen, was ihnen in ihren Verhältnissen Bedürfnis ist und Segen bringt, ablenkenden und störenden Schuleinflusses ist groß, und die Folgen seines Verkünstelungseinflusses auf den öffentlichen Privatwohlstand vielseitig und tiefgreifend und hängen mit den übrigen, Mißmut, Unbehaglichkeit und Leiden aller Art erzeugenden Folgen unserer Zeitgelüste, Zeitlaunen und Zeitmängel innig zusammen. Es liegt offenbar im Wesen und in den Kräften der Idee der Elementarbildung, den Quellen dieses Zeitverderbens mit Erfolg entgegenzuwirken.

Übereinstimmung der Bildung mit den konkreten Lebensumständen

So wie diese hohe Idee die größte Sorgfalt für die psychologische Begründung des Stufengangs aller ihrer Bildungsmittel und die Harmonie derselben untereinander anspricht und festzuhalten verpflichtet ist, so spricht sie ebensosehr die größte Aufmerksamkeit auf die Übereinstimmung des ganzen Stufengangs ihrer Bildungsmittel mit den Lagen und Umständen der verschiedenen Stände und Verhältnisse unseres Geschlechts an, und der Mittelpunkt ihrer diesfälligen Maßregeln geht allgemein ebenfalls aus der Sorgfalt hervor, den ganzen Umfang ihrer Mittel in allen Ständen an das häusliche Leben zu ketten und dadurch mit den Lagen, Umständen und Verhältnissen, die jedem dieser Stände eigen sind, in Übereinstimmung zu bringen. Die Folgen dieser Sorgfalt sind geeignet, die Beruhigung aller Stände[57] auf die vielseitigste Weise zu begründen. Das Kind lernt vermöge dieser Sorgfalt in allen Ständen lieben, was in seinen Lagen und Verhältnissen liebenswürdig dasteht; es lernt vorzüglich über das denken, was in seinen Lagen und Verhältnissen seine Denkkraft zu reizen dasteht; es lernt von der Wiege an tun, wünschen, hoffen, glauben und darnach streben, was in seinen Lagen und Verhältnissen als wünschbar notwendig und nützlich vor ihm erscheint. Es wächst in dieser Übereinstimmung seiner selbst mit seinen Lagen und Verhältnissen der Reifung seiner Kräfte entgegen. Sein väterliches Haus, sein väterlicher Stand, sein väterliches Recht wächst ihm ans Herz, und das Tragen seiner Beschwerden wird ihm leicht. Es wächst im Tragen derselben auf. Auch seine Schranken werden ihm leicht, sie werden ihm von der Wiege an habituell. Es fühlt sich in denselben gar nicht beengt.

Ist es ein Bauernkind, die Mittel der Elementarbildung machen es weder herzens-, noch geistes-, noch kunsthalber zu einem Traumgeschöpf, das, außer seinen Bauernstand hinausgeworfen, für den Segen desselben und für die Schätzung seines Wertes allen guten Sinn verloren und dadurch zur Benutzung der Mittel, seinen Standessegen als solchen zu erhöhen und zu erweitern, unfähig und für denselben unbrauchbar werden muß. Auf der Bahn einer wohleingeübten Elementarbildung wird sein Verstand, sein Herz und seine Kunst, zu welchem Grad der Kraft das eine oder andere auch erhoben werden kann, ein dasselbe in seinem Bauernstand segnender Verstand, ein es in seinem Bauernstand befriedigendes Herz und eine es in seinem Bauernstand erhebende Kunstkraft.

Das Nämliche ist auch in Rücksicht auf den Bürgerstand und auf alle Stände mehr und minder gleich wahr. Dennoch aber ist die Erzielung dieser Übereinstimmung in jedem Stande auch in dem Grad schwieriger, als das Verkünstelungsverderben der Zeit die wesentlichen Fundamente des allgemeinen Haussegens und der allgemeinen Berufskraft dieses Standes in einem hohen Grad abgeschwächt und untergraben hat; und die ausschweifende Disharmonie, die unsere Zeitsitten und Zeitgrundsätze in die Fundamente der städtischen Bildung zu einer segensvollen häuslichen, beruhigenden Erwerbskraft hineingebracht, und die ihm wesentlich beiwohnenden Widersprüche eingewurzelter und sich immer steigernder Anmaßungen, Ansprüche, Gewohnheiten und Bedürfnisse mit den sich immer mindernden, die häusliche Selbständigkeit begründenden und sichernden Ressourcen des bürgerlichen Erwerbsstands haben hie und da in diesem Verhältnis einen Zustand der Dinge hervorgebracht, daß nun die größere Anzahl der bürgerlichen Einwohner in sehr vielen, mehr und minder bedeutenden Städten nicht mehr wie ehemals in reiche, wohlhabende, bedürftige, aber auch in ihrer Dürftigkeit sich in bürgerlicher Ehrenfestigkeit erhaltende und über alles Gesindel emporstehende Bürger und endlich in die gar nicht zahlreiche, unterste Klasse der ganz unbehilflich und unberaten dastehenden und sich dem Gesindelstand nähernden Spital- und Armenhausbürger abgeteilt werden könnte.

Das ist jetzt ganz anders, und dieses Ganzanderssein geht hier und da so weit, daß mich Männer, die den wahren Zustand der Zeitwelt im näheren Kreise der Umgebungen, in denen ich lebe, besser als ich kennen, versichern, es seien hier und da nicht nur wenige, sondern viele und dann noch bedeutende städtische Orte diesfalls dahin versunken, daß man die größere Anzahl ihrer Einwohner, wenn man sie in der Wahrheit ihrer Lage ins Auge faßt, nicht mehr anders als in ein abhängliches, in prekären Ressourcen schwelgendes Prunkgesindel und in ein tief in Kot getretenes, außer den Ehrenkreis des im Grunde ebenso armen Prunkgesindels hinausgeworfenes und in sittlicher, geistiger und physischer Hinsicht sich selbst und seinem Notzustand preisgegebenes Bettelgesindel abteilen könne. Das Bild ist stark, es ist grell, es schauert mir selbst davor, und man kann nicht mehr als ich wünschen, daß es geprüft und in der Wahrheit weniger drückend, weniger beunruhigend und weniger aus Unrechtlichkeit hervorgehend und zu Unrechtlichkeit hinführend erfunden werde. Ich will auch in meiner beschränkten, nur in dem sehr kleinen Kreis meiner nahen Umgebungen sich ausdehnenden Weltkenntnis gerne glauben, daß es hierin nur an wenigen städtischen Orten in diesem Grad grell und beunruhigend aussehe und daß vielmehr auch an den schlechtesten dieser Orte die Zahl der bürgerlichen Einwohner, die weder zu dem diesfälligen Prunk-, noch zu dem diesfälligen Bettelgesindel gehören, weit die stärkere sei. Aber um der Ansicht von der Größe des Übels an jedem Ort, wo es diesfalls mehr oder minder so grell aussehen möchte, nichts zu vergeben und nicht von ferne das Ansehen zu haben, als ob ich dieser Ansicht halber auf beiden Achseln trage und mich mit der Sprache, wie ich wirklich darüber denke, mit vollkommenem, offenem Gradsinn herauszurücken scheue, muß ich dem Gesagten noch beifügen, daß ich alle Arten von Individuen, die ohne persönliches Eigentum[58] verdiente oder nicht verdiente Einkünfte jährlich aufbrauchen, um durch ihr Leben einen ihnen ungebührlichen Aufwand machen zu können, ohne dabei ihren Kindern, die sie in allen Ausschweifungen, Anmaßungen, Ansprüchen, Frechheiten und Gewalttätigkeiten reich erzogener Bettler haben aufwachsen lassen, auch nur zu einem notdürftig selbständigen Unterhalt genugtuende Erbmittel zu hinterlassen, zu dem städtischen Prunkgesindel rechne, von dem ich geredet und dessen erste und merkliche Verminderung ich als ein wesentliches und dringendes Bedürfnis unserer Zeit achte.

Vom Segen des Mittelstandes

Die erste Stütze aller wahren und segensreichen Staatskraft ist sowohl im Bauern- und Bürgerstand als in den höheren Ständen, in dem in allen diesen Ständen selbständigen und durch seine Selbständigkeit in seinen Verhältnissen allgemein Kraft und Segen verbreitenden Mittelstand[59] zu suchen. Und es scheint mir dringendes Bedürfnis, alles zu tun, um den Segenseinfluß wiederherzustellen, den dieser in seiner Selbständigkeit feststehende Mittelstand in allen Klassen, sowohl auf die begüterten Glieder der höheren Stände als auf die bedürftigen Glieder des Bauern- und Bürgerstandes unter unseren Ahnen hatte, um sie zu allseitigem, individuellem Emporstreben nach Ehrenfestigkeit, Ehrbarkeit, Achtbarkeit und persönlicher Selbständigkeit zu erheben. Wir dürfen uns nicht verhehlen, daß die Ausschweifungen unsers Zeitluxus großenteils im Mangel des Daseins dieses selbständigen Mittelstandes in allen Ständen zu suchen sind, und ebensowenig, daß die Kräfte und Mittel, die zu seiner Wiederherstellung erforderlich sind, durch das, was wir in der Ausschweifung unseres Zeitluxus und unserer Zeitverkünstelung wirklich geworden sind, in uns selber und im häuslichen Leben aller Stände in einem hohen Grad abgeschwächt und beinahe bis zur Zernichtung in unserer Mitte verloren gegangen.

Wiederherstellung des Mittelstandes in den verschiedenen Ständen

Seine Wiederherstellung fordert offenbar in den verschiedenen Ständen verschiedenartige Maßregeln, und wenn ich diesen Gesichtspunkt mit Rücksicht auf den Bürgerstand bestimmter ins Auge fasse, so finde ich, der Bürgerstand bedarf unstreitig nicht eigentlich einer größeren Solidität in der Entfaltung und Begründung seiner Anschauungs-, Sprach- und Denkkraft als der Landmann, aber er bedarf einer merklich verschiedenen Form und Gestaltung der Entfaltungsmittel dieser Kräfte, so wie der Ausbildung der Anwendungsfertigkeiten derselben. Wenn der für seinen Stand genugsam gebildete Landmann dahin gebracht werden soll, nicht für jedes Brett, das gehobelt werden sollte, den Tischmacher, und für jeden Nagel, der in die Wand hineingeschlagen werden muß, den Schmied und den Schlosser mit einem Hammer und mit einer Zange in sein Haus kommen zu lassen, sondern in den Stand gesetzt werden muß, so etwas mit seinem eigenen Hobel zu hobeln und allfällig einen krummen Nagel auf seinem eigenen Feuerherd glühend zu machen und auf einem kleinen Hausamboß selber wieder gerade zu schlagen, so muß der für den bürgerlichen Erwerbsstand genugtuend vorbereitete Bürger durch seine Erziehung dahin gebracht werden, die Gegenstände der Kunst, welche die verschiedenen bürgerlichen Gewerbsarten ansprechen, mit mathematischer Genauigkeit und ästhetischem Takt ins Auge zu fassen, die Gegenstände der Zahl in algebraischen Auflösungen und die Gegenstände der Form im Zusammensetzen, Trennen und Vergleichen mit gebildeter Erfindungskraft und mathematischer Richtigkeit zu behandeln. Ebenso muß der städtische Einwohner bei seiner Erziehung allgemein für die solide Kenntnis und Behandlung des vielseitigen Stoffes, der dem bürgerlichen Stand als Erwerbsmittel eigen ist, sorgfältig und genugtuend vorbereitet werden, und zwar nicht nur in Verbindung mit den geistigen Mitteln seiner Ausbildung in der Kunstkraft, sondern auch in Verbindung einer soliden und kraftvollen Handanlegung an die wesentlichen Teile der Ausübungsmittel der Kunstwerke.

Die tiefe Kraft der elementarischen Ausbildung ist tatsächlich außer allem Zweifel. Ihre Solidität weckt durch ihre Naturgemäßheit den Selbsttrieb, der dem Wesen aller Kunstkräfte zu Grunde liegt, in einem Grad auf, daß in dieser Rücksicht wohlgeführte Kinder sich nicht bloß begnügen, das Wesen der Kunstbehandlung der Gegenstände geistig aufzufassen. Ihre durch die elementarischen Bildungsmittel eingreifend und allgemein belebte Kunstkraft treibt sie mit unwiderstehlichen Reizen selbst an, die Hand an die Kunstarbeiten, deren Wesen sie geistig ergriffen, wo sie immer Gelegenheit haben, anzulegen. Es wird ihnen eine wahre Lust, die Werkzeuge eines geschickten Drehers, eines mathematischen Instrumentenmachers, eines Uhrenmachers, eines Ebenisten[60] und jedes bürgerlichen Arbeiters selbst in die Hand zu nehmen, ihren Gebrauch zu erforschen und sich, beides, die Kunstfertigkeiten, die ihnen zu Grunde liegen, und diejenigen, die durch sie erzielt werden sollen, selbst eigen zu machen. Dieser Umstand muß bei einer soliden Bildung zum bürgerlichen Erwerbsstand mit der größten Sorgfalt als ein vorzüglich und trefflich mitwirkendes Bildungsmittel für diesen Stand anerkannt und benutzt werden. Man kann sich nicht verhehlen, der bürgerliche Broterwerb, der bürgerliche Wohlstand und die bürgerliche Selbständigkeit, diese wesentlichen Quellen eines soliden städtischen Mittelstandes, hängen von der Allgemeinheit eines Grads der dem Bürgerstand tief eingeübten Kraft des selbsteigenen Handanlegens an die Gegenstände der bürgerlichen Berufsarten ab, und es ist wesentlich zu bemerken, daß die gute Ausführung der Idee der Elementarbildung durch die Solidität ihrer geistigen Ausbildungsmittel die Reize zur selbsteigenen und selbsttätigen Handanlegung und Mitwirkung an bildenden Kunstarbeiten im Kinde selbst in dem Grad lebendig und kraftvoll erzeugt, als die Unnatur unseres das Wesentliche der menschlichen Kräfte allgemein abschwächenden Zeitgeists und der ganze Umfang der Modeerziehungsmittel unseres Verkünstelungsverderbens und auch ihrer Routineschulmittel geeignet ist, den weit größeren und weit bedeutenderen Teil der Kinder des Bürgerstandes vom selbständigen Handanlegen an alles das abzuhalten und dadurch zu alle dem unfähig zu machen, was den bürgerlichen Erwerbsstand in den Grundfertigkeiten, deren er zu seiner Äufnung und Emporhebung zum Mittelstand bedarf, bilden, stärken und beleben und den Segen dieses Standes und aller seiner Verhältnisse allgemein solid begründen könnte.

Die unteren Stände und auch die niederste Stufe derselben, das arme, eigentumslose Volk[61], wird von den dringenden Bedürfnissen der Selbsterhaltung, es wird von der Not des Lebens zum Handanlegen an alles, was ihm Brot gibt, von selbst gereizt und sogar beim Mangel aller Nothilfe der Kunst dennoch bis auf einen gewissen Grad von selbst gut oder wenigstens erträglich dazu vorbereitet und gebildet. Auch der Bürgerstand, wo er nicht durch Umstände, welche die Segenskräfte desselben entkräftet, in den inneren Fundamenten seiner wirklichen und wesentlichen Stellen zugrunde gerichtet ist, findet im Wesen des bürgerlichen Erwerbs und im ganzen Umfang seiner in der Natur seines Erwerbs liegenden Bildungsmittel sowie in den Überresten der alten, ehrbaren und achtbaren, einfacheren, beides, anmaßungsloseren und unerniedrigteren Tätigkeit dieses Standes allgemein von Kindheit an große und vielseitige Reize zum wirklichen Handanlegen an die Gegenstände des bürgerlichen Erwerbs; er bedarf aber auch der Benutzung dieser Reize vorzüglich in unserer Zeit im allgemeinen dringender als je. Ein sehr geachteter, aber im alten Geist meiner Vaterstadt fühlender, denkender und handelnder Bürger sagte gar oft: „Seitdem unsere Bürgerssöhne, deren Großväter noch im Schurzfell zum Herrn Bürgermeister und selber auf ihr Rathaus gingen, mit adeligen Handschuhen auf den Bällen erschienen, seitdem ißt fast mehr oder minder die halbe Stadt Gnadenbrot und empfängt es gar oft aus der Hand von Menschen, die eines solchen in einem noch höheren Grad selbst bedürfen und in einer anderen, nur etwas glänzenderen Form wirklich genießen.“ Es ist unstreitig, der Bürgerstand im allgemeinen muß zu seiner geistigen Ausbildung und zur Erweiterung, mehr aber noch zur Solidität seiner höheren Ausbildung durch tätige Teilnahme an den bürgerlichen Berufsarbeiten, folglich auch durch selbsteigenes Handanlegen an dieselben vorbereitet und gebildet werden.

Bei den höheren, in ihrer Höhe selbständig und feststehenden Ständen ist dieses nicht der Fall. Sie bedürfen dessen nicht, und in ihrer Lage liegen keine Reize und keine Mittel dazu. Sie sind durch ihr Leben nie gezwungen, auch nur einen Augenblick nachzudenken, wo das Brot eigentlich herkomme. Sie können und sollen durchaus nicht durch die Tätigkeit ihrer Hände zur Tätigkeit ihres Geistes und zur Erhebung ihres Herzens hingeführt werden, sie müssen durch die Erhebung ihres Herzens und durch die Tätigkeit ihres Geistes zur Tätigkeit ihrer Hand angereizt und hingelenkt werden.

In diesem Gesichtspunkt liegt das innere Wesen des Unterschieds, der in der Organisation der elementarischen Bildungsmittel der verschiedenen Stände zur naturgemäßen Entfaltung und Ausbildung ihrer Kräfte, Kenntnisse und Fertigkeiten stattfinden muß. Das Wesen dieses Unterschieds geht im Bauernstand und im bürgerlichen Gewerbsstand von dem höheren Grad der Ausbildung der Kräfte des Könnens, in den höheren Ständen von dem Bedürfnis der Erweiterung des richtigen Wissens und Kennens und in den wissenschaftlichen Ständen von der Befriedigung des Bedürfnisses der höheren Ausbildung seiner geistigen Anlagen zum tieferen Ergreifen und Durchforschen seiner Erkenntnisgegenstände aus. Der Segen des ganzen Erwerbsstands, sowohl des bürgerlichen als des ländlichen, hängt ganz von der Ausbildung der Kräfte des Könnens ab. Aller Erwerbssegen ruht auf dem Können; die Ausdehnung des Wissens trägt sehr wenig dazu bei.

Die höheren Stände hingegen bedürfen als unterscheidendes Merkmal des Eigentümlichen ihrer Ausbildungsweise einer merklichen Erweiterung des Wissens, aber auch nur eines durch die Anschauung solide begründeten Wissens. Das eigentliche Können, dessen sie bedürfen, ruht auf dem Grad der Ausdehnung und der Solidität ihres Wissens, d.i. der Erkenntnis von Gegenständen und von Behandlungsweise der Gegenstände, für deren wirkliche und tatsächliche Behandlung sie vielseitig anderer Leute Hände an der Hand haben und brauchen dürfen und sollen. Das Personale der wissenschaftlich zu bildenden Stände bedarf, als unterscheidendes Merkmal seiner Standesbildung weiterführender und tiefergreifender Ausbildungsmittel des geistigen und erforschenden Eindringens in das innere Wesen der Gegenstände, deren wissenschaftliche Erforschung und geistige Behandlung ihre Lebensbestimmung erfordert. Es bedarf der weiterführenden Ausbildung in den Kunstentfaltungsmitteln des logischen Denkens.

Weiterführende Bildung setzt elementare Bildung und Erfahrung des Naheliegenden voraus

Es fragt sich nun: Was tut die Natur in dieser Rücksicht für die Erzielung dieses Eigentümlichen, dessen vorzüglicheren Ausbildung jeder dieser Stände bedarf? Und es fällt auf, die vorzüglichen Bildungsmittel dafür liegen in den die Individuen dieser Stände näher berührenden und um sie belebten Tätigkeitsgegenständen ihrer verschiedenen Stände, Lagen und Verhältnisse selber.

Bei den wissenschaftlich zu bildenden Ständen ist dieses nur insoweit der Fall, als Berufsgegenstände, die mit dem wissenschaftlichen Fache, zu dem ein Individuum bestimmt ist, eine nähere Beziehung haben, in seinem Hause oder in seinen näheren Umgebungen praktisch betrieben werden.

Die menschliche Kunst ist bestimmt, diesem Gang der Natur in der Ausbildung unserer Kräfte, und zwar nach jeder Richtung, nach welcher diese ihr vorgeht, in Übereinstimmung mit ihr und ihr untergeordnet nachzuhelfen. Sie bedarf, um dieses zu können, in jedem Fall einer tiefen Erkenntnis und eines belebten Gefühls von dem Gang der Natur selber, in dessen Fußstapfen sie, ihr nachfolgend und dienend, eintreten soll. Sie ist aber in jedem Fall hierfür immer nur in dem Grad fähig, als ihre Mittel nicht durch das Verkünstelungsverderben der Zeit in ihr selbst zugrunde gerichtet sind und in diesem Zustand aus der Willkür des unnatürlichen Mißbrauchs der Kunstkraft, sondern aus den ewigen, der wahren Kunst zu Grunde liegenden Gesetzen der Menschennatur selber hervorgehen. Daraus folgt hinwieder: Wo immer die Kunst dem Gang der Natur in der Entfaltung und Ausbildung unserer Kräfte also nachhelfen soll, da müssen die elementarischen Entfaltungsmittel unserer Kräfte als die Grundlage der Ausbildungsmittel der Anwendungsfertigkeiten, so wie jedes speziellen Faches derselben und alles Eigentümlichen, dessen diese Fächer bedürfen, angesehen und anerkannt werden. Es liegt in ihrer Natur und sie sind nur dadurch wahrhaft elementarisch, wenn sie sich im ganzen Umfang ihrer Anwendung und ihres Gebrauchs als die wahren und ewigen Grundlagen der Bildungsmittel aller speziellen Fertigkeiten, die jedes einzelne Kunstfach anspricht, bewähren; woraus sich auch dann die Naturgemäßheit der Steigerung der Ausbildungsmittel der einzelnen Kräfte, wie diese in den ungleichen Ständen und Lagen erfordert wird, heiter erklärt. Wenn das vornehmste Kind, das elementarisch geführt werden soll, dasjenige in seiner Vollendung besitzt, wodurch die elementarische Führung des ärmsten Kindes in der niedersten Hütte als für dasselbe genugtuend anerkannt werden kann, so hat es einen vollendet guten Boden für jede Steigerung der Bildungsmittel, deren es zur Befriedigung der höheren Ansprüche, die seine Lage und seine Verhältnisse erfordern, bedarf. Die Steigerung der Bildungsmittel, deren es bedarf, geht allgemein von den Grundsätzen und Übungen aus, die bei der elementarischen Führung der Kinder auch in den niedersten Ständen stattfinden, und es ist bestimmt von der Einfachheit und Kunstlosigkeit dieser gemeinen, aber wesentlichen elementarischen Grundübungen, die auch in den niedersten Ständen stattfinden müssen, von welchen die Mittel der Steigerung der Ausbildung der Kunstkräfte, deren die höheren Stände bedürfen, allein naturgemäß und allgemein auszugehen vermögen.

Es ist unwidersprechlich: Sobald die elementarische Führung der Kinder bei den niedersten Ständen in der Entfaltung der Anschauungs-, Sprach- und Denkkraft als befriedigend und für sie genugtuend angesehen werden kann, so führen ihre Mittel den Zögling in der Ausbildung dieser Kräfte in jedem Fall auf den Punkt, aus welchem der höhere Punkt der Anschauungs-, Sprach- und Denkkraft, dessen ein höherer Stand bedarf, insofern er ein Resultat der Kunstbildungsmittel dieser Kraft ist, gleichsam von selbst hervorgeht, der aber auch wesentlich nur ein leichter Zusatz zu dem ist, was er dieser Bildung halber schon wirklich besitzt. So ist die solidere Begründung des ausgedehnteren Wissens, dessen die höheren Stände bedürfen, hinwieder ebenso nur als ein auf dem Wege der fortdauernden Elementarbildung zu erzielender Zusatz zu dem anzusehen, was die niederen Stände, wenn sie diesfalls elementarisch gut besorgt wären, wirklich besitzen würden. Diese Stände würden also durch die Solidität der Anfangspunkte der gemeinen Erkenntnisse, die ihnen mit den niederen Ständen gleich gegeben werden müssen, für den weiteren Kreis der Kenntnisse und Fertigkeiten, deren sie in ihren höheren Verhältnissen bedürfen, und zur bildenden und naturgemäßen Anwendung ihrer Kräfte für die volle Benutzung des weiteren Kreises der Anschauungsgegenstände ihrer hierfür günstigen Lagen und Verhältnisse naturgemäß vorbereitet.

Selbst die Eigenheiten, welche die Bildung zu jedem einzelnen Wissenschaftsfache anspricht, finden die Vorbereitungsmittel zu ihrer naturgemäßen und befriedigenden Einübung in der Einfachheit der elementarischen Entfaltung der Anschauungs-, Sprach- und Denkkraft, wie sie dem Kind in den niederen Strohhütten gegeben werden kann und gegeben werden sollte. Der Zusatz der tieferen, weiterführenden, elementarischen Kunstentfaltungsmittel, deren die wissenschaftliche Bildung bedarf, um sich unabhängend von ihrer Belebung durch die Anschauungseindrücke zur solide begründeten Abstraktionskraft zu erheben, ist in seinem Wesen ebenfalls nichts anderes als eine psychologisch geordnete Fortsetzung der Art und Weise, wie sie die Anschauungskraft, die Sprachkraft und die Denkkraft durch ihre zur höchsten Einfachheit erhobenen Elementarmittel allgemein für alle Stände zu begründen geeignet ist.

Die speziellen Mittel der Steigerung der Ausbildungsmittel der Abstraktionskraft, deren sie bedürfen, liegen vorzüglich in der Fortsetzung und Weiterführung der elementarischen Übungen der Geistesbildung, wie selbige in ihren Anfangspunkten von der elementarisch geordneten Zahl- und Formlehre ausgehen. So wie der Wirrwarr unserer Zeiterziehung, wenigstens in sehr vielen ihrer Teile, als ein Kind unserer Abschwächung und unserer Abschwächungsausschweifungen angesehen werden muß, indem sie uns in den Mitteln einer kraftvollen Selbständigkeit immer ärmer und dabei in der Armut immer eitler, verschwenderischer und anspruchsvoller macht, als wir es bei den Kräften des diesfälligen guten Zustands und der Selbständigkeit unserer Lagen, Verhältnisse und Umstände in häuslicher und bürgerlicher Hinsicht sicher nicht wären, so ist die Idee der Elementarbildung in der Wahrheit ihres Wesens und ihrer Kraft als die Mutter, Pflegerin und Wiederherstellerin der Kräfte, die wir durch die Abschwächungsausschweifungen in der Erziehung täglich mehr verlieren, anzusehen und ins Auge zu fassen, indem sie uns durch die Solidität ihrer Mittel zu eben der Kraft im Erwerben alles dessen, was die menschliche Selbständigkeit in allen Rücksichten zu begründen und zur Sparsamkeit in der Erhaltung alles diesfalls Erworbenen in einem hohen Grade kraftvoll hinführt. Und wir können uns nicht verhehlen, daß tausend und tausend edle, unbefangene Menschen auf jeder Stelle, auf welcher die Mittel dieser hohen Idee als Erfahrungssache anschaulich dargelegt würden, von ihnen ergriffen, in ihnen solide Mittel zur allmählichen Wiederherstellung der Einfachheit des häuslichen Lebens und der Fundamente der Selbständigkeit unserer besseren Vorzeit, aus welcher der Segen des Mittelstands in allen Klassen der Staatsbürger in diesem Zeitpunkt hervorging, erkennen und mit treuen, reinen Menschen- und Bürgerherzen Hand dazu bieten würden, sie in ihren Kreisen allgemein benutzen zu machen. Aber so wie das innere Wesen der Entfaltung aller elementarischen Mittel an sich selbst ewig und unveränderlich ist, so sind nicht nur die Objekte und Gegenstände der Anwendung der Kräfte, für die jedes Individuum nach seiner Lage und nach seinen Umständen gebildet werden soll, sehr verschieden, sondern auch der Grad, in welchem die elementarischen Geistes- und Kunstkräfte in den Individuen dieser ungleichen Stände ausgebildet werden müssen, ist ebensosehr verschieden. Die genugtuende Ausbildung aller menschlichen Kräfte hat in allen Ständen einen ausgedehnteren oder beschränkteren Kreis.

Die Ausbildung der Geistes- und Kunstkräfte, die dem Bauern genugtuend, ist dem städtischen Gewerbsmann, und diejenige, die dem städtischen Gewerbsmann und Handwerker genugtuend, ist dem höheren Geschäftsmann und den wissenschaftlich zu bildenden Ständen und Individuen nicht genugtuend.

Indessen die Kinder in den niederen, handarbeitenden Ständen diesfalls nach Lagen und Umständen beschränkt und auf keine Weise aus dem Kreis der Not und der Umstände ausschweifend und herumschweifend gebildet werden dürfen, so dürfen sie hingegen in den höheren und wissenschaftlich zu bildenden Ständen nicht hinter den Kreis der wesentlichen Erfordernisse ihrer Lage und ihrer Verhältnisse zurückgedrängt werden. Merkwürdig ist es, der Kreis der nötigen und sie wahrhaft bildenden Anschauungserkenntnisse steht den niederen Ständen in ihren Lagen und Verhältnissen weit belebter vor ihren Sinnen als den höheren. Die Natur hilft den letzten in der Begründung ihrer diesfalls nötigen Ausbildung bei weitem nicht selbst nach, wie sie dieses bei den niederen Ständen vielseitig tut. Darum bedarf aber auch die Vorbereitung zu der Bildung, welche die höheren Stände und die zu einem wissenschaftlichen Beruf bestimmten Menschenklassen ansprechen, in jedem Fall eines weit ausgedehnteren Bodens der Nachhilfe der Kunst zur Ausbildung ihrer Anschauungserkenntnisse, ihrer Spracherkenntnisse und ihrer Denkkraft sowie zur Einübung aller Fertigkeiten des tätigen, Anstrengungskräfte erheischenden Lebens, welches die Lagen und die Umstände der höheren Stände ebenso ernst ansprechen, als dieses in den niederen Ständen der Fall ist. Und es ist wesentlich, daß diesem Bedürfnis der höheren Stände mit aller psychologischen Kunst und Sorgfalt, deren Erkenntnis die Idee der Elementarbildung nachstrebt, ein Genüge geleistet werde. Aber so wahr dieses ist, so ist auf der anderen Seite ebenso wahr: Der Sohn des Staubs darf im Wesen dieser Gesichtspunkte ebensowenig verwahrlost werden als der Sohn des Glanzes in der Höhe seiner Marmorpaläste. Die Anschauungserkenntnisse, die Spracherkenntnisse, die Denkkraft und die Fertigkeiten der äußeren Tätigkeit, deren der Sohn des Staubs in den niedersten Hütten bedarf, können und sollten ihm auf eine ihn in seinem Stande und in seinen Umständen ebenso genugtuend befriedigende, seinen Geist, sein Herz und seine Hand mit gleicher Kraft ansprechende und erhebende Weise gegeben werden, wie dieses der Sohn des Glanzes für die ausgedehnteren Erfordernisse seiner Lage und seiner Pflichten auch so bedarf und zu wünschen ist, daß er's finde. Dieses Problem, dessen Auflösung bestimmt eine der wesentlichsten Aufgaben der Idee der Elementarbildung ist, fällt beim ersten Anblick als sehr schwer in die Augen. Aber indem die tiefe Erforschung des Wesens und der Wirkungen dieser hohen Idee uns die Unnatur und Fundamentlosigkeit der ihr tatsächlich entgegenstehenden Routinebildungsmittel unseres Zeitverkünstelungsverderbens in einem großen Umfange und mit großer Lebendigkeit auffallen macht, so wirkt diese Erforschung ihrer Natur nach auch dahin, die anscheinenden Schwierigkeiten der Auflösung dieses Problems vielseitig gleichsam von selbst wegfallen zu machen.

Von diesem Gesichtspunkt aus erheitert sich auch die für die Idee der Elementarbildung so wichtige Wahrheit, daß, so wie die Mehrzahl der Probleme, die sie aufzulösen hat, durch die Unnatur des Verkünstelungsverderbens, aus dem sie hervorgehen, untereinander zusammenhängen und sich gegenseitig mit ihren Scheinkräften unterstützen und beleben, so hängen die elementarischen Mittel der Auflösung dieser Probleme durch das Wesen der Menschennatur selber und durch die Einheit derselben, aus der sie hervorgehen, unter sich ebenso zusammen, und unterstützen sich in den Mitteln ihrer Auflösung gegenseitig mit dem ganzen Umfang und mit der ganzen Wahrheit ihrer Kraft, in dem Grad mächtig und eingreifend in die Menschennatur, als sie solid elementarisch sind und folglich aus der Menschennatur selber hervorgehen. Die Wahrheit dieses Gesichtspunkts erheitert sich in ihrem ganzen Umfang von jeder Seite, von welcher die Idee der Elementarbildung und die Natur und das Wesen ihrer Mittel und ihrer Resultate ins Auge gefaßt werden. Insonderheit gibt dieser Gesichtspunkt auch darüber Licht, daß die gemeinen Ansichten des Lebens, wenn sie zu einem Grad der Reifung gelangt sind, sich an die wissenschaftlichen Ansichten eben dieser Gegenstände anschließen und naturgemäß auf die tiefere Erkenntnis derselben vorbereitend einwirken. Jede, dem Menschenkind auf eine solide Weise eingeübte Erkenntnis ist, wenn sie auch die allergemeinste Anschauungserscheinung im Leben des Volks ist und aus demselben hervorgeht, insoweit als eine solide Begründung und Vorbereitung einer naturgemäßen Einübung der ausgedehnteren Anschauungserkenntnisse, deren die Bildung zur wissenschaftlichen Ansicht und Behandlung der Anschauungsgegenstände bedarf, anzusehen.

In jedem Fall grenzt eine jede, sei es auch im niedersten, engsten Erfahrungskreis, vollendet eingeübte Erkenntnis irgendeines Anschauungsgegenstands an die wissenschaftliche Erkenntnisweise eben dieses Gegenstands.

Der Endpunkt der elementarisch genugtuend eingeübten, gemeinen Anschauungserkenntnisse des Lebens grenzt in jedem Fall an den naturgemäßen Anfangspunkt der elementarisch zu bildenden wissenschaftlichen Ansicht und Behandlung eben dieses Gegenstandes. Dieser Anfangspunkt aber geht durchaus und wesentlich nur von der einfachen Erweiterung des Anschauungskreises der Gegenstände, die der Zögling im Kreis seiner Umgebungen sich zum voraus schon eigen gemacht hat, hervor. Der naturgemäß erweiterte und durch die elementarische Entfaltung der Sprachkraft unterstützte und belebte Kreis der Anschauungserkenntnisse führt natürlicherweise zur Erweiterung des Stoffes der logischen Behandlung eben dieser Gegenstände, er führt zu Übungen, dieselben nach verschiedenen Gesichtspunkten und in verschiedenen Rücksichten geistig in sich selbst zusammenzustellen, zu trennen und zu vergleichen, d.i. sie als Übungen der Denk- und Urteilskraft zu benutzen und sich zur wissenschaftlichen Erkenntnis eben dieser Gegenstände zu erheben.

Grad der Ausdehnung oder Beschränkung der Bildungsmittel in den einzelnen Ständen

So weitführend und tiefgreifend der Grundsatz im allgemeinen ist, daß die Elementarbildungsmittel in ihrem ganzen Umfang mit der Lage und mit den Umständen eines jeden ihrer Zöglinge in Übereinstimmung gebracht und darum in ihrer Anwendung bei ihnen in ihren verschiedenen Ständen ungleich benutzt werden müssen, so weitführend und tiefgreifend ist es hinwieder auch, in besonderer Rücksicht den Grad der Ausdehnung oder Beschränkung zu erforschen, in welchem die elementarischen Kunstmittel der Geistesbildung den einzelnen Menschen in den verschiedenen Ständen gegeben und eingeübt werden müssen. Würde man dem Stande der Landbauern in der Einübung der elementarischen Kunstbildungsmittel im allgemeinen den Grad der Ausbildung oder vielmehr der tieferen Begründung erteilen wollen, dessen der bürgerliche Erwerbsstand bestimmt bedarf, so würde dieser Stand die Übereinstimmung seiner Bildung mit seiner Lage, seinen Umständen, Kräften und Bedürfnissen in einem hohen Grad verlieren und in sich selbst verwirrt den Samen einer Gemütsstimmung entkeimen machen, der ihm die Schranken seines Standes und seiner Umstände zu seinem Unglück zur drückenden Last machen könnte und müßte. Der nämliche Fall ist es, wenn man dem Bürgerstand, der in der bürgerlichen Kunst- und Gewerbsindustrie den Wohlstand seines Hauses gründen und auf Kinder und Kindeskinder hinab erhalten und äufnen soll, allgemein und ohne Unterschied in der elementarischen Sprach-, Zahl- und Formlehre den Grad der Ausbildung erteilen und eigen machen und überhaupt das Wissen dieses Standes nach vielseitigen Richtungen durch die Einübung seiner Kunstbildungsmittel in dem Grad ausdehnen wollte, in dem es den höheren und wissenschaftlich zu bildenden Ständen ausgedehnt eingeübt werden muß, damit sie in denselben Reiz und Mittel zu einer ihnen in ihren Lagen und Umständen notwendigen und ihrer würdigen Ausbildung ihrer Kräfte finden, so würde man hinwieder den Bürgerstand durch die Heterogenität seiner Geistes- und Kunstbildung mit dem positiven Zustand seiner Lagen, Umstände und Verhältnisse, und mit den wesentlichsten und solidesten Segensquellen derselben in Widerspruch bringen.

Um aber den Grad zu bestimmen, in welchem die Kunstbildungsmittel dieser hohen Idee den Individuen aller Stände im allgemeinen eingeübt und gegeben werden sollen, muß man das Verhältnis der Natur und des Wesens einer jeden dieser eine solide Kultur gleich ansprechenden Volksklassen genau ins Auge fassen; und dann fällt auf, daß die Geistesbildung der handarbeitenden Stände in einem weit kleineren Grad ein Resultat ihres Abstraktionsvermögens als ihres Anschauungsvermögens und ihrer Sinne- und Handübungen ist; daß folglich die Kunstmittel der Geistesbildung dieser Stände wesentlich und vorzüglich von Sinnen- und Handübungen ausgehen und auf dieselben gegründet werden müssen. Für den handarbeitenden Mann ist die genugtuende und kraftvolle Ausbildung seiner Sinne und Glieder zum Dienst alles dessen, was seinen Lebenssegen begründet, die Stufenleiter, auf welcher er sich zum richtigen und ihn in seinen Lagen und Verhältnissen segnenden Denken emporzuheben berufen ist. Die Ausbildung seines Abstraktionsvermögens muß aus dem durch tägliche Übung gereiften Gebrauch seiner Organe und seiner Glieder hervorgehen und darauf begründet werden. Die Kraft seines Abstraktionsvermögens muß aus der Reifung seiner Organe zum Sehen und Hören, und aus der Reifung seiner Glieder zum Tun und Handeln hervorgehen.

Das ist von den ersten Anfangspunkten seiner Kunstbildungsmittel gleich wahr. Auch sein Lesen- und Schreibenlernen ist diesem Gesichtspunkt unterworfen und muß, wenn es ihm naturgemäß eingeübt werden soll, aus seinem gereiften Redenkönnen hervorgehen. Sein Redenlernen muß indes in den niederen Ständen weit weniger von den Kunstmitteln des Lesens und Schreibens unterstützt oder vielmehr verfeinert werden, als man dieses bei den sogeheißenen gebildeten Ständen zu glauben scheint und ausübt. Diese sind hundertmal im Fall, durchs Lesen und Schreiben zum Reden gebildet und darin beholfen zu werden. So widernatürlich dieses auch an sich ist, so schadet es den Kindern aus den diesfälligen Ständen dennoch weit weniger, als es den Kindern aus gemeinen, handarbeitenden Ständen schaden würde, wenn dieses auch bei ihnen vielseitig der Fall wäre. Je größer und vielseitiger die Unnatur in der Führung eines Kindes im allgemeinen ist, desto weniger schadet ihm ein einzelner Punkt dieser Unnatur an sich selbst. Je einfacher und beschränkter der Stand eines Menschen ist, desto mehr bedarf er der höchsten Einfachheit und Beschränkung in den Kunstausbildungsmitteln seiner Erziehung. Der Landbauer als solcher bedarf der Sprach-, Zahl- und Formlehre nur in dem Grad, als er dadurch in den Stand gesetzt wird, die Mittel, die er als Bauer für die Gründung eines soliden Wohlstandes in seiner Hand hat, mit Erfolg dafür zu benutzen. Er muß Sprachkenntnisse und richtige Sprachkenntnisse besitzen, um sich über alles, was er in seiner Lage und in seinen Verhältnissen wissen soll, mit Bestimmtheit und Klarheit aussprechen zu können. Ebenso muß sein Denkvermögen durch die gereifte Kraft seines Anschauungsvermögens in den Stand gesetzt werden, alles, was ihm in seinem Kreis zur Verbesserung seiner Lage an der Hand liegt, richtig ins Auge zu fassen, wohl zu überdenken, um es mit Sicherheit segensreich benutzen zu können. Das heißt aber auch bestimmt, seine Anschauungskraft muß durch die Kunstmittel der Elementarbildung sehr viel weiter geführt werden, als es für ihn notwendig ist, sein Abstraktionsvermögen durch diese Kunstmittel weit zu führen. Seine Denkkraft darf durch die Weiterführung in den Übungen dieser Kunstformen zur Bildung des Abstraktionsvermögens nicht dahin gesteigert werden, um vielerlei Reize in ihn zu bringen, dieselbe außer dem Kreise und im Widerspruch mit seiner ländlichen Lage benutzen oder vielmehr damit brillieren zu wollen.

Die nämliche Ansicht findet diesfalls auch im allgemeinen in Rücksicht auf den Bürgerstand statt. Auch für diesen Stand müssen die elementarischen Kunstübungen zur Bildung des Abstraktionsvermögens im allgemeinen nicht über die Schranken der Bedürfnisse, welche die Bildung desselben zu seiner kraftvollen Tätigkeit fordert, gegeben und nicht auf den Grad gesteigert werden, auf dem es die Menschen, die durch ihre Bestimmung zu einem speziellen wissenschaftlichen Fache, das entweder ein tieferes Sprachstudium, höhere mathematische Fertigkeiten oder ausgedehnte, weit führende wissenschaftliche und Weltkenntnisse anspricht, bedürfen. Indessen sind die Bedürfnisse des Bürgerstandes in Rücksicht auf die ausgedehnteren oder beschränkteren Kunstausbildungsmittel des Abstraktionsvermögens individualiter so verschieden, daß es auch nur mit fester Rücksicht auf das Individuum, von dem in jedem Fall die Rede ist, möglich ist, diesen Grad für dasselbe mit Genauigkeit zu bestimmen.

Die höheren Stände hingegen, so wie jede einzelne Person, die durch ihren Stand, Rang oder ökonomischen Wohlstand ihre Zeit und ihre Kräfte, ohne Rücksicht auf diesfalls hemmende Schranken ihrer Lage, auf einen hohen Grad wissenschaftlicher Ausbildung zu verwenden imstande sind oder dazu berufen scheinen, müssen in den soliden Kunstausbildungsmitteln des Abstraktionsvermögens, die in der elementarischen Behandlung der Zahl- und Formlehre liegen, auf einen den höheren Ansprüchen ihrer Lage bestimmt genugtuenden Grad geführt werden, damit sie dadurch vor dem weitführenden und nicht nur ihnen selbst, sondern auch ihren Mitmenschen gefährlichen Unglück bewahrt werden, auf der Bahn des oberflächlichen Vielwissens und des armseligen Allwissens der Kraft-, Takt- und Charakterlosigkeit eines Zeitgeists zu unterliegen, dessen verderbensvolle Erfahrungen uns doch endlich zur Überzeugung gebracht haben sollten, daß der geistige Luxus unserer oberflächlichen Erkenntnisse, mit dem physischen Luxus unserer Tage vereinigt, (damit ich nicht mehr sage und nur den kleinsten, äußerlichen Teil ihres verderblichen Einflusses berühre) den Nervus rerum[61] allen Ständen und den niederen derselben besonders bis auf den letzten Heller aus den Händen spielt.

Alle diese Unterscheidungen des Grades, in welchem die Mittel der Elementarbildung den ungleichen Ständen gegeben werden müssen, haben ihr Fundament im Geist und Wesen von Bedürfnissen und Ansprachen der Menschennatur selber; und es ist vermöge dieses Zusammenhangs, daß diese Mittel, in welchem Grade sie auch immer den ungleichen Ständen und Individuen eingeübt werden müssen, sich auf der einen Seite in ihrem ganzen Umfang auch selber als Geist und Leben bewähren, indem sie auf der andern Seite zugleich geeignet sein müssen, mit sinnlicher, physischer Kraft ins Fleisch und Blut der Zöglinge, denen sie eingeübt werden, hinüberzugehen.

Bedeutung der Mutter

Es fällt auf, daß die Sorgfalt und Aufmerksamkeit, die die Übereinstimmung der Führung der Kinder jedes Standes hierin erfordert, bei ihnen von der Wiege auf stattfinden sollen. Das Bedürfnis dieser Vorbereitung aller Resultate der Elementarbildung von der Wiege an ist im ganzen Umfang ihrer Mittel allgemein. Ohne seine Befriedigung mangelt der Idee der Elementarbildung der naturgemäße Anfangspunkt des soliden Einflusses auf das Wachstum aller unserer Kräfte und mit ihm auf die Sicherstellung des innigen Zusammenhangs derselben untereinander. Und da der Gang der Natur, in dessen Fußstapfen der Gang der Kunst, ihr nachhelfend, eintreten soll, den Anfangspunkt der soliden Entfaltungsmittel unserer Kräfte in der Einheit der Menschennatur besitzt und durch ihn allgemein, von der Wiege an, auf die Vereinigung und den Zusammenhang der Resultate aller Bildungsmittel unseres Geschlechts einwirkt, so ist offenbar, daß die Kunst, ebenso von der Wiege an, den Anfangspunkt aller ihrer Mittel in der Einheit der Menschennatur suchen und durch sie die Harmonie ihrer Resultate und ihre Übereinstimmung mit dem Gang der Natur zu erzielen trachten muß.

Der Mittelpunkt der Kraft der Idee der Elementarbildung zu allem diesem ruht wesentlich in diesem Gesichtspunkt, aus welchem sich denn auch die Notwendigkeit ergibt, den ganzen Umfang ihrer Mittel gemeinsam und im Zusammenhang untereinander von der Wiege an zu beleben, zu stärken und zu fördern und dieselben in ihrer Einfachheit selber in die Hand der Mütter zu legen, in denen der Trieb, nach ihnen zu haschen und sie zu ergreifen, schon zum voraus instinktartig belebt vorliegt und sie in den Stand stellt, sie für ihre Kinder in sittlicher, geistiger und Kunsthinsicht auf eine Weise zu benutzen, daß ihre Bildungskraft einfach und belebt auch in ihre Kinder übergeht und diese in den Stand setzt, nicht nur innerlich und naturgemäß belebt zu empfangen, was die Mütter ihnen also einüben, sondern sie noch dahin bringt, das, was ihnen beim festgehaltenen Organismus dieser Übungen beigebracht worden, ihren Geschwistern und jedem anderen Kinde selber wieder mitzuteilen, einzuüben und beizubringen; wodurch offenbar die Erziehungskräfte im häuslichen Leben in Millionen Menschen belebt werden könnten, in denen sie ohne die Erkenntnis und Benutzung dieser Grundsätze und Mittel unbelebt stocken bleiben und naturwidrig ausarten müßten.

Die Problematik fremder Erzieher

Aber indem ich dieses annehme und festsetze, kann ich mir nicht verhehlen, man wird mir dagegen einwenden, es sei eine Torheit zu glauben, daß die Anerkennung der Idee der Elementarbildung jemals dahin wirken werde, daß diejenigen unserer Zeitmütter und Zeitväter, die nicht die Not dazu zwingt, sich je mit Ernst persönlich mit der Erziehung ihrer Kinder abgeben werden. Ich glaube das im allgemeinen selbst, und weiß sogar, daß es jetzt allgemein Mode und beinahe zu einer Ehrensache so vieler Eltern dieser Stände geworden, ganz treuherzig einzugestehen, sie verstehen nichts von der Erziehungskunst, sie müssen ihre Kinder bezahlten Händen anvertrauen. Indessen lassen sie sich weder Mühe noch Geld dauern, hiefür gute Subjekte aufzufinden und auszuspüren. Und sie tun dieses wirklich auch gar oft mit dem Anschein großer Generosität, aber auch sehr oft mit unglaublichem Erfolg. Es ist nicht anders möglich.

Das Auffinden eines guten Erziehers ist für jemand, der nicht weiß, was ein guter Erzieher sein soll, ein Glück, wie das große Los in einer Lotterie; und obgleich, wie das Sprichwort sagt, oft auch eine blinde Kuh ein Hufeisen findet, so ist ein solcher Glücksfall dennoch immer eine Seltenheit, und es begegnet sehr vielen Leuten, die auf diesem Wege sich erziehungshalber des großen Loses in der Lotterie durch die Größe des Jahrlohns versichern wollen, daß sie mit dem größten Jahrlohn einen schlechteren Erzieher erhalten, als wenn sie selber aus Geiz den wohlfeilsten angestellt hätten. Dieses Unglück betrifft sehr viele Personen aus den höheren und sehr begüterten Ständen. Es ist aber auch sehr groß, so wie die Zahl der Menschen, welche die Irrtümer unserer Modeerziehung zum Nachteil ihrer Kinder mit schwerem Geld gekauft haben, und die Folgen ihrer Verirrung zum Teil mit lauten Äußerungen bejammern.

Aber es ist auch hiermit, wie mit vielem anderen, noch nicht aller Tage Abend. Es kann eine Zeit kommen, daß edle Menschen aus allen und besonders aus den höheren Ständen durch ernstes Nachdenken über das, was ein guter Erzieher sein soll, dahin kommen werden, über diesen Gesichtspunkt richtiger zu urteilen und mit einem durch die Anschauung der Folgen der Elementarbildung belebten Vater- und Mutterherzen Hand bieten werden, dem Modeton der diesfälligen Unkunde eine bessere Mode zu substituieren. Die immer steigende, ökonomische Beschränkung, welche die großen, gegenwärtigen und unausweichlich noch zu erwartenden Folgen unserer allgemeinen, das Mark unserer Kräfte abschwächenden Zeitverkünstelung notwendig herbeiführen muß, kann sehr vieles zur Änderung des diesfälligen Modetons beitragen und dahin wirken, den wesentlichen Ursachen der sittlichen, geistigen und physischen Irreführung und Verwahrlosung von Millionen Kindern unserer Tage in den wichtigsten Angelegenheiten der Erziehung mit Erfolg ein Ziel zu setzen.

Chancen der Idee der Elementarbildung in der gegenwärtigen Gesellschaft

Wir dürfen die Möglichkeit dieses Begegnisses um so mehr mit etwas Zuversicht erwarten, da es unwidersprechlich ist, daß die Anerkennung der Vorzüge und der Bedürfnisse der naturgemäßen Erziehung, welche die Idee der Elementarbildung bezweckt, in ökonomischer Hinsicht allerdings zu einer soliden Erkenntnis der wahren Fundamente des Haussegens und der häuslichen Selbständigkeit und dadurch zu einer tieferen Erkenntnis der Mittel, sie zu begründen, naturgemäß und mit Sicherheit hinführt. Je näher wir die Natur dieses Segens ins Auge fassen, desto mehr muß es uns auffallen, daß wir desselben gegenwärtig mehr und dringender bedürfen, als es vielleicht in der Welt je der Fall war. Der Weltsinn unseres Verkünstelungsverderbens hat eine Höhe erreicht und von dieser Seite so tiefe Wurzeln gefaßt, wie dieses wenigstens in christlichen Zeitaltern kaum je der Fall war. Das aber soll die Freunde der Menschheit und der Erziehung nichts weniger als mutlos machen. Es ist ebenso wahr: Da, wo die Verkünstelung ihre Abschwächungsgewalt auf das Höchste getrieben, da wird das Gefühl des Bedürfnisses einer die geschwächten Kräfte solid wiederherzustellen fähigen Kunst in eben dem Grad groß und führt in jedem Falle Umstände und Verhältnisse herbei, deren allgemein nachteiliges und drückendes Dasein den Segen wahrhaft naturgemäßer Bildungsmittel jedem auch nur in einem gewissen Grad unbefangenen Vater- und Mutterherzen auffallen machen muß. Dennoch aber dürfen wir uns freilich auch in dieser Rücksicht nicht blindlings täuschenden Hoffnungen überlassen. Die Schwierigkeiten der Allgemeinmachung der Idee der Elementarbildung sind ebenso groß, als das Verkünstelungsverderben, dem sie entgegenwirken sollten, dieses auch ist. Die bisher und gegenwärtig noch stattfindende und in einem so hohen Grad belebte, entgegengesetzte Richtung unserer selbst, unserer Neigungen und Ansichten gegen die wesentlichsten Teile der Idee der Elementarbildung, verschlingt alle Fundamente der Kräfte und Fertigkeiten, deren wir bedürfen, um über das Wesen dieser hohen Idee richtig zu urteilen, und von den Vorteilen derselben ergriffen, in den Stand gesetzt zu werden, die Mittel der Individualsorge für unsere sittliche, geistige und physische Existenz nicht von dem Übergewicht der Bildungs- und Abrichtungsmittel unserer Kollektivexistenz verschlingen zu lassen.

Offenbar ist, daß nur tiefergreifende, psychologische Grundsätze über das Wesen der Erziehung und der Menschenbildung imstande sein können, uns in diesem wesentlichen Bedürfnisse unserer Zeitlage wahre und solide Hilfe zu leisten oder auch nur uns die Bahn zu eröffnen, auf welcher es allein möglich ist, diesem wichtigen Ziel mit gegründeter Hoffnung eines guten Erfolgs entgegenzuschreiten. Ich schreibe der Idee der Elementarbildung diese Kraft, gestützt auf die tatsächlich bestätigte Überzeugung, zu, daß ihre Mittel die Individualsorge für die sittliche, geistige und physische Selbständigkeit unserer Kräfte beim Menschen in dem Grad auf sich selbst konzentrieren und in ihm selbst beleben, als die Routinemittel unseres Verkünstelungsverderbens die Fundamente dieser Sorge in ihm selbst abschwächen und dilapidieren[62]. Sie können nicht anders; sie müssen dieses tun. Die Zeitbildung ist im allgemeinen ihres Einflusses und ihrer Mittel in jedem Stande weit mehr ein Resultat der Kollektivansprüche[63] unseres Geschlechts, wie diese sich in der Laune und in der Willkür ihres Wechsels immer veränderlich aussprechen, als ein Resultat der guten Besorgung der allgemeinen Bedürfnisse der Menschennatur selber, wie diese sich bei jedem einzelnen Individuum, vermöge der ewigen Gesetze der Menschennatur selber aussprechen und aussprechen müssen. Unsere Zeitbildung ist im allgemeinen des Einflusses ihrer Mittel und ihrer Wirkungen unendlich mehr einmischend in das, was uns fremd ist, als bildend für das, was wir selbst sind und was wir als selbständige Wesen um unserer selbst willen bedürfen und nötig haben.

Die Folgen dieses Umstands sind von der höchsten Wichtigkeit. Ganz gewiß hat die Unruhe unserer Tage und der ganze Umfang aller ihrer blutigen und windigen Erscheinungen ihre Quelle in der immer steigenden Abschwächung unserer Individualkräfte für unsere Selbsthilfe, die sich durch den Einfluß unseres Verkünstelungsverderbens mit jedem Tag verstärkt, zu suchen. Es ist unstreitig, wenn die allgemeine Anerkennung der Segenskräfte der Idee der Elementarbildung auch nur dahin wirken würde, die Individualbildungsmittel unseres Geschlechts von Millionen Menschen um ein Geringes, um ein sehr Geringes zu erhöhen, so würden die Segenskräfte, die in Millionen Individuen auch nur um diesesGeringe wahrhaft verstärkt würden, auch die Staatskräfte um ein Großes, um ein sehr Großes erhöhen. Diese große Idee würde aber, wenn die Zeitwelt einmal tiefer von ihr ergriffen und zu ihrer Benutzung reifer geworden wäre, die Individualkräfte der einzelnen Staatsglieder nicht um ein Geringes, sie würde sie um ein Großes, um ein recht Großes erhöhen. Sie könnte nicht anders. Der Weg der elementarischen Verstärkung der menschlichen Kräfte ist der Weg der Natur. Er ist göttlich gegründet, und das Gift des Verkünstelungsverderbens, dessen Opfer heute die Welt von den Täuschungen und dem Spielwerk des Papiergelds bis auf den Trug und die Täuschungen tausenderlei Papier- und Bücher-, selber Schulbücherspielwerke hinab früher oder später zu werden gefahret, hat in unserer Zeit und in unserer Mitte unaussprechlich tiefe Wurzeln gefaßt und eine Höhe seiner Vergiftungskünste erreicht, die die Welt, nach meinem Urteil, wenigstens in christlichen Zeitläufen im allgemeinen noch nie erlebt.

Abschliessender Überblick über die Idee der Elementarbildung

In sittlicher Hinsicht

Das Wort, das ich dieser Idee halber ausgesprochen, ist groß, und ich möchte weder mich selbst darüber täuschen noch irgend jemand seinethalben irreführen. Ich werfe meinen Blick noch einmal auf den Geist, aus welchem die große Idee der Elementarbildung hervorgeht, und fasse ihn zuerst in sittlicher Hinsicht ins Auge. Ich muß es. Der Anfangs- und Mittelpunkt der Vereinigung aller Segensfundamente, die in den Kräften unserer Natur selbst liegen, geht von diesem Gesichtspunkt aus und setzt die naturgemäße Entfaltung der Gemütlichkeit[64], die aus der Liebe und aus dem Vertrauen wesentlich hervorgeht, voraus; und indem sie durch ihr Bestreben den ganzen Umfang der Erziehungs- und Unterrichtsmittel durch ihre Vereinfachung den Wohnstuben aller Stände näher zu bringen sucht, ist sie dadurch offenbar geeignet, zur naturgemäßen Entfaltung der sittlich-religiösen Anlagen unseres Geschlechts die erste, segensvolle, menschliche Handbietung zu leisten. Weit entfernt, daß sie zu bloßen moralischen Wortlehren und einseitig belebter, geistiger Auffassung derselben hinlenke und durch das Auswendiglernen sich mönchisch eingeübter, rabbinisch erläuterter, sektenartig belebter und kollektiv verhärteter Religionsmeinungen den heiligen Samen der wahren Religion in unbebauten Boden, zwischen Dornen und Disteln und in Wegen, wo ihn die Vögel auffressen und die Menschen zertreten, hinwerfe und ohne tatsächliche, kraftvolle Belebung der Liebe und des Glaubens im Fleisch und Blut der Menschen und allfällig in den mißlichen, mit der Belebung des Fleisches und des Blutes innig zusammenhängenden Belebungsmitteln der Einbildungskraft ihr segens- und kraftloses Spiel treiben läßt, ist sie im Gegenteil geeignet, die wahren und ewigen Fundamente der Liebe und des Glaubens von der Wiege an durch tatsächliche Belebung ihrer selbst in der Wahrheit ihres reinsten menschlichen Anfangspunkts zu entfalten und das Emporheben der sinnlichen menschlichen Liebe und des sinnlichen menschlichen Glaubens zur höheren göttlichen Liebe und zum wahren Glauben naturgemäß menschlich zu begründen.

Je tiefer wir die Idee der Elementarbildung in ihrer Wahrheit und in ihrer Kraft von dieser Seite ins Auge fassen, desto mehr fällt es auf, daß sie in ihrem Wesen Geist und Leben ist und in ihren Mitteln als eine aus Glauben und Liebe hervorgehende und im Glauben und in der Liebe einwirkende menschliche Handbietung und Vorbereitungsweise zum wahrhaft christlichen Fühlen, Denken und Handeln anzusehen ist und anerkannt werden muß. Es fällt auf, daß sie geeignet ist, alles, was uns die Religion als Pflicht gebietet und soweit dieses durch die Kraft menschlicher Mitwirkung erzielt und befördert werden kann, von der Wiege an uns einzuüben, habituell und gleichsam zur andern Natur zu machen.

Es ist nicht anders möglich, als daß die Entfaltungsweise der menschlichen Kräfte, insofern sie in elementarischer Reinheit aus Liebe und Glauben hervorgeht und das Wachstum ihrer Vorschritte im Glauben und in der Liebe zu erzielen sucht, auch[65] zur naturgemäßen, menschlich mitwirkenden Begründung des christlichen Denkens, Fühlens und Handelns hinführen müsse. Ich habe zwar oben gesagt, die religiöse Sittlichkeit gehe durchaus nicht von der menschlichen Kunst aus; sie habe eine tiefere Begründung und müsse von einem höheren Standpunkt aus ins Auge gefaßt werden. Der Gedanke ist richtig; aber er fordert eine nähere Bestimmung. Die religiöse Sittlichkeit fordert von der Wiege an menschliche Handbietung zur Angewöhnung alles dessen, was die Religion uns im Umfang aller unserer Verhältnisse, folglich in häuslicher und bürgerlicher Hinsicht zur menschlichen Pflicht macht. In dieser Rücksicht ist es unwidersprechlich: Die Religion, die an sich selbst von einem höheren Standpunkt ausgeht, benutzt, vollendet und heiligt alle Resultate der menschlichen Kunst zur Begründung der sittlichen Angewöhnungen, die sie uns unumgänglich zur Pflicht macht. Aber an sich selbst gibt sie uns diese Angewöhnungen nicht. Sie übt sie uns an sich selbst nicht ein; sie unterrichtet uns nicht darin; aber sie benutzt dazu menschliche Handbietung im ganzen Umfang der Verhältnisse, die uns diesen Unterricht zu geben und uns diese Angewöhnungen einzuüben imstande und geeignet sind. Es versteht sich von selbst, die Religion bildet an sich keinen Kaufmann, keinen Gewerbsmann, keinen Gelehrten und keinen Künstler. Aber sie vollendet, was sie nicht gibt; sie heiligt, was sie nicht erschafft, und segnet, was sie nicht lehrt. Sie begründet, entfaltet und sichert die Gemütsstimmung, die den Stand des Kaufmanns, des Gewerbsmanns und jeden anderen Stand im Innern seines Wesens erhebt, heiligt, reinigt und wahrhaft menschlich macht.

Die Religiosität, dieses höhere Resultat aller wahren menschlichen Bildung, ist durchaus kein Erzeugnis und kein Beförderungsmittel der sinnlichen Menschlichkeit und ihrer Bestrebungen, Mittel und Kräfte, als solcher; die Welt ist ihr nichts, aber sie braucht die Welt und alle ihre Mittel und Kräfte zum Dienst des Höheren und Göttlichen, das in ihr lebt, und dieses mit einer Aufmerksamkeit, Sorgfalt und Tätigkeit, als wäre sie im Dienst der Welt selber. Aber sie ist es nicht; sie darf es nicht sein. Die Religion macht uns das Sinnliche, Tierische unseres Fleisches und unseres Bluts, das den göttlichen Funken, der ihr zum Grunde liegt, ihn verderbend und auslöschend, umhüllt, tief in uns selber fühlen und erhebt uns zum ernsten, unabläßlichen Kampf gegen dasselbe. Sie erkennt auch die sinnlichen Erscheinungen der Anfangspunkte der Liebe und des Vertrauens, insofern wir sie mit den Tieren des Felds gemein haben, so wenig als die intellektuellen und Kunstkräfte, die uns tierisch-sinnlich belebt und zum Teil instinktartig innewohnen, als Kräfte des inneren, göttlichen Funkens, aus welchem alle wahre Menschlichkeit und alle wahre Religiosität hervorgeht. Selber die Liebe, als bloßes sinnliches Wohlwollen[66] ins Auge gefaßt, ist nicht Sittlichkeit, noch weniger Religiosität.

Denk' dir den höchsten Grad der sinnlichen Gutmütigkeit, des sinnlichen Wohlwollens der Liebe, denk' dir selbst das höchste Resultat aller menschlichen Ausbildungsmittel derselben, denk dir selber die noch so reizende, aber nur sinnlich, folglich nur selbstsüchtig belebte Erscheinung der Vater-, Mutter- und Kinderliebe im häuslichen Leben, denk' dir hinwieder das ebenso nur sinnlich belebte Wohlwollen auf Freunde, Nachbarn und Verwandte, selber auf Notleidende und Arme ausgedehnt, denk dir alles dieses bis zum Anschein der höchsten sinnlich belebten Aufopferungskraft erhoben und forsche ihm in seiner Wahrheit und in seinem Wesen nach: Du wirst, du mußt finden, es erzeugt durch ihre sich selbst allein überlassenen Resultate durchaus kein sicheres Fundament der reinen, hohen Kraft der wahren Sittlichkeit - der Religiosität. Alle Resultate unserer nur sinnlich belebten Liebe und Zuneigung gegeneinander führen, vermöge der Selbstsucht, die ihnen allgemein zum Grunde liegt, unser Geschlecht nicht weiter, als daß wir unser Fleisch und Blut, d.i. uns selbst in unsern Kindern vorzüglich lieben. Und in Rücksicht auf unser ganzes Geschlecht führen sie uns nicht weiter, als daß wir die lieben, die uns hinwieder lieben, und denen Gutes tun, die uns hinwieder Gutes tun; kurz nur dahin, daß wir in sinnlicher Beschränkung der selbstsüchtigen Gefühle, die in ihren letzten Folgen in jedem Fall zur Unmenschlichkeit führen, den Kitzel von Annehmlichkeiten suchen, die in ihrem Wesen nicht Sittlichkeit, nicht Geist und Leben, sondern sinnlicher, tierischer Natur sind.

Noch mehr als die sinnliche Belebung der Liebe, ist die sich selbst überlassene Belebung und Entfaltung der intellektuellen Kräfte unseres Geschlechts an den Einfluß der tierischen Selbstsucht unserer Natur gebunden. Sie führt ohne höhere, innere Belebung von Kräften, die dem tierischen Einfluß unserer Selbstsucht mit höherer Kraft entgegenstehen, durchaus nicht zur Entfaltung des reinen, göttlichen Wesens unserer inneren Natur, sie führt nicht zum wahren, wirklichen Streben nach Vollendung unserer selbst, nach Vollkommenheit, ohne welche keine wahre, wirkliche Sittlichkeit denkbar ist.

Noch viel weniger als beides, die sich selbst überlassene und nur sinnlich belebte Liebe und die ebenso sich selbst überlassene und nur sinnlich belebte Entfaltung der Geisteskraft, führt die wenn auch an sich noch so naturgemäße Entfaltung der Sinne und Glieder, die der menschlichen Kunst- und Berufskraft zum Grunde liegen, an sich zu irgendeinem reinen Resultat der wahren Sittlichkeit[67]. Sie ist an sich, isoliert ins Auge gefaßt, eine von Geist und Leben entblößte Ausbildung der Kräfte des Fleisches und des Bluts unserer Natur selber zur physischen Gewandtheit tierischer Anlagen und Kräfte.

Jede bloß sinnliche Formierung und Belebung einer zu entfaltenden, physischen Kraft gefährdet an sich selber das Übergewicht der geistigen Belebungsmittel derselben; und die Gemeinkraft, die in einer der Anlagen, aus deren Zusammensetzung sie hervorgeht, dem sinnlichen Übergewicht ihrer Belebung unterliegt, ist keine wahre Gemeinkraft der Menschennatur und darum auch durchaus nicht in der Wahrheit elementarisch begründet. Sie geht nicht im ganzen Umfang ihres Einflusses aus dem Streben nach sittlicher und geistiger Vollendung hervor.

Sie trägt das Gepräge der göttlichen Liebe und des göttlichen Glaubens, aus dem allein reines und ungeheucheltes Streben nach der wahren Vollendung unserer Kräfte, nach Vollkommenheit hervorgeht, nicht in sich selbst; im Gegenteil: Sie trägt, vermöge ihrer Natur und ihres Wesens, den Samen der Zwietracht unserer Kräfte und Anlagen sinnlich belebt tief in sich selbst. Das Streben nach Vollkommenheit, nach Vollendung, das allein geeignet ist, den Samen der Zwietracht in uns selbst in seinem Wachstum wahrhaft abzuschwächen und zu vertilgen, geht nur aus dem ernsten Suchen des göttlichen Beistands und der göttlichen Gnade hervor. Die Wahrheit dieses Suchens führt untrüglich zur Andacht und zum Gebete, aber die Wahrheit der Andacht und die Wahrheit des Gebets ist ohne die Wahrheit des göttlichen Glaubens und der göttlichen Liebe undenkbar.

So innig hängt das Wesen der Idee der Elementarbildung mit dem Geist des Christentums, seines göttlichen Glaubens und seiner göttlichen Liebe zusammen. Auch erscheint die Elementarbildung in dieser Rücksicht in allen ihren Ansprüchen, Mitteln und Resultaten, wie ich schon mehrere Male gesagt habe, als eine dem Geist des wahren Christentums und seinen göttlichen Mitteln zu unterordnende, menschliche Sorgfalt und Handbietung zur Entfaltung, Angewöhnung und Einübung alles Fühlens, Denkens, Wollens, Kennens und Könnens von dem, was die Ausübung der christlichen Pflichten im positiven, menschlichen Dasein von jedem Menschen nach seiner Lage und nach seinen Umständen und Verhältnissen wesentlich fordert und wozu das Menschengeschlecht, ohne Mitwirkung einer solchen menschlichen und christlichen Sorgfalt und Kunst, ewig nie zu gelangen vermag. So entschieden ist, daß die Sittlichkeit und Religiosität auf der einen Seite an sich selbst nicht aus der menschlichen Kunst hervorgeht und ihrer an sich selbst nicht bedarf, aber auf der andern Seite, daß sie in ihrer göttlichen Reinheit und durch sie alle Resultate der wahren menschlichen Kunst, welche sie immer sein mögen, zu benutzen, zu stärken und zu heiligen geeignet ist. Und ebenso gewiß ist, daß sie, insofern sie nicht in der Allgemeinheit ihres inneren Wesens, sondern im positiven Zustand des bürgerlichen, gesellschaftlichen Lebens dastehend ins Auge gefaßt wird, der Mitwirkung und Handbietung der Kunst unumgänglich bedarf, indem sie vom Einfluß der menschlichen Selbstsucht und ihrer tierischen Sinnlichkeit einen tödlichen Einfluß auf ihr Wesen zu gefahren hat und nicht genug auf ihrer Hut sein kann, die menschliche Kunst nur durch ihre Wahrheit und Solidität und nicht durch ihr Verkünstelungsverderben, das eine Folge unserer tierischen Natur ist, auf sich wirken zu lassen.

Ich fasse das Wesen dieses Gesichtspunktes noch einmal ins Auge.

Die Gemeinkraft des Menschengeschlechts ist ohne einen Gemeingeist, der sie innerlich belebt und die verschiedenen Kräfte unserer Natur unter sich selbst vereinigt, ein Unding und nicht denkbar. Der Gemeingeist aber geht wesentlich aus der Einheit der Menschennatur hervor. Sie aber, die Einheit der Menschennatur, ist in ihrem Wesen die reine, göttliche Gnade, aus welcher alle menschlichen Kräfte, alle menschlichen Mittel und alle menschliche Sorgfalt, den Geist über das Fleisch herrschen zu machen, hervorgehen. Alle Belebungsmittel der Gemeinkraft unseres Geschlechts, die nicht aus dem Geist und Leben unseres inneren, göttlichen Wesens, sondern aus den sinnlichen Trieben des Fleisches und Blutes unserer tierischen Selbstsucht hervorgehen, sind nicht elementarisch.

So ist offenbar, daß die Wahrheit der elementarischen Bildung und des ganzen Umfangs ihrer Mittel aus dem heiligen, inneren Wesen des göttlichen Funkens, der in der Menschennatur liegt, hervorgeht, folglich mit dem Geist des Christentums in hoher Übereinstimmung steht. Hingegen ist ebenso unwidersprechlich, daß der ganze Umfang der Zeitbildungsmittel unseres Verkünstelungsverderbens und seiner Routinemittel nicht aus dem Wesen des göttlichen Funkens unserer inneren, höheren Natur, sondern aus dem Fleisch und Blut unserer tierischen, sinnlichen Erscheinung hervorgeht, folglich mit dem Geist und Wesen des wahren Christentums in vollkommenem Widerspruch steht und in allen seinen Resultaten den wesentlichen Fundamenten desselben mit den ganzen Reizen seines sinnlichen Verderbens entgegenwirkt.

Ich habe mein lebhaftes Gefühl über den Grad, in welchem das Verkünstelungsverderben unserer Zeit mit dem Geist des Christentums in Widerspruch steht, in dem Stammbuch einer Enkelin[68] eines meiner unvergeßlichen Freunde mit folgenden Worten ausgedrückt: „Die Zeitwelt gefährdet die Religiosität und den Geist des Christentums vorzüglich durch Sitten, Gewohnheiten und Lebensweisen, die die Liebe der Selbstsucht, die Wahrheit dem Wortwesen, das Recht seinen Formen, die Pflicht der Konvenienz, die Humanität der Urbanität, das Gewissen dem Beispiel, das Göttliche dem Irdischen, die Kraft der Schwäche, die Vernunft der Einbildungskraft, die Realität der Traumsucht, den Segen der Welt der Abträglichkeit ihrer Geldjagd und das Heil der Armen der Behaglichkeit der Reichen, den Ansprüchen der Glücksritter und Bavardagen[69] von Leuten, die nicht wissen, wo das Brot herkommt, unterordnen.“

In intellektueller, geistiger Hinsicht

Ich halte mich gerne noch einen Augenblick bei diesem Gesichtspunkt auf.

So wie das Verkünstelungsverderben unserer Zeit mit allen Folgen der Abschwächung, Untergrabung und Verwirrung aller unserer Kräfte in sittlicher Hinsicht seine wesentlichen Quellen und Ursachen vorzüglich im Mangel der naturgemäßen, reinen Einfachheit des häuslichen Lebens und der ihm zum Grunde liegenden, wesentlichen Fundamente des kraftvollen Vater-, Mutter- und Kindersinns zu suchen hat, so hat dieses Verderben in geistiger Hinsicht seine Quellen und Ursachen hinwieder vorzüglich im Mangel einer psychologisch genugtuenden Organisation der Bildungsmittel der Anschauungs-, Sprach- und Denkkraft zu suchen. Diese Mittel aber stehen, eben wie die Kräfte, die ihnen zum Grunde liegen, im innigsten Zusammenhang nebeneinander.

Das Kind, dessen Anschauungsvermögen psychologisch genugtuend gebildet [worden ist], hat das Anfangsfundament der Bildung, sich richtig über die Anschauungsgegenstände auszudrücken sowie richtig darüber zu denken, in sich selbst und ist dafür naturgemäß und solid vorbereitet. Sein Reden oder vielmehr seine Sprachkraft ist als Mittelstufe seiner Anschauungs- und seiner Denkkraft dadurch ebenso naturgemäß und solid begründet. Ihr natürliches Fundament, die Anschauungskraft ist nicht schweifend, zerstreut und dadurch irreführend und zum eitlen leeren Schwatzen hinlenkend; und ihre Denkkraft ist dieses gleichfalls auch nicht. Ihr so geführter Zögling ist durch seine diesfällige Bildung so wenig zum unbegründeten und gedankenlosen Urteilen als zum unbegründeten und gedankenlosen Schwatzen über nur oberflächlich und halb empfangene Anschauungsgegenstände angereizt. Und wir sehen bei einer auch nur geringen Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand, daß das Herumschweifen und Ausschweifen der Anschauungs-, Sprach- und Denkkraft seine wesentliche und erste Quelle in dem Überfluß der Reize seiner sinnlichen Nahrung und im Mangel der geistig und gemütlich befriedigenden Belebung seiner Kräfte zu suchen hat und daß das oberflächliche Schwatzen und Urteilen, das aus dem naturwidrig belebten oberflächlichen Anschauen und Erkennen der Gegenstände hervorgeht und ihm eigen ist, mit der Naturwidrigkeit der Ausbildungsmittel der sittlichen und geistigen Fundamente des Erziehungswesens im allgemeinen innig zusammenhängt, so wie sich dieser Zusammenhang in den ersten und tieferen Ursachen unseres Verkünstelungsverderbens auffallend im ganzen Umfange der naturgemäßen wirksamen Mittel, den immer tiefer greifenden Resultaten unsers Verkünstelungsverderbens mit Erfolg entgegenzuwirken und dieselben in ihren ersten und wesentlichen Quellen stille zu stellen oder sie davon abzulenken, erprobet.

So wie wir gesehen, daß den Folgen der Unnatur unseres Verkünstelungsverderbens in sittlicher Hinsicht vorzüglich durch Mittel entgegengewirkt werden muß, die geeignet sind, die reinen Fundamente des häuslichen Lebens in ihrer tieferen Begründung wiederherzustellen, so ist ebenso wahr und unwidersprechlich, daß den Folgen unseres Verkünstelungsverderbens in intellektueller Hinsicht mit Erfolg nur durch Mittel entgegengewirkt werden kann, die geeignet sind, die Fundamente der naturgemäßen Anschauungs-, Sprach- und Denkkraft solid und genugtuend wiederherzustellen. Es ist unstreitig, ein Kind, dessen Anschauungs-, Sprach- und Denkkraft naturgemäß und genugtuend gebildet, trägt die wesentlichen und vorzüglichen Mittel, den Folgen der Unnatur und der Ausschweifung des Verkünstelungsverderbens in geistiger Hinsicht mit Erfolg entgegenzuwirken, in sich selbst und ist für dieses wichtige Bedürfnis der Zeit in dieser Rücksicht wesentlich und wohl vorbereitet.

Auch ist ebenso wahr, was diesfalls den einzelnen Menschen zur Veredelung seiner selbst emporhebt oder zu seiner Entwürdigung herabsenkt, das erhebt oder entwürdigt unser Geschlecht ebenso in jeder Richtung in seinen kollektiven Verhältnissen. Das, was in Rücksicht auf die Bildungsmittel des einzelnen Menschen auf den ganzen Umfang seiner Erziehung wahr ist, und ebenso, was diesfalls in Rücksicht auf die Wiederherstellung seiner selbst bei seinem Unterliegen unter den Folgen unseres Verkünstelungsverderbens bei ihm wahr ist, das ist noch in einem weit höheren Grad bei den konkreten Verhältnissen unseres Geschlechts in allen Ständen und Gemeinschaften, darin die Menschen untereinander verteilt sind und zusammenleben, gleich wahr, und was, menschlicherweise davon zu reden, geeignet ist, solid mitzuwirken, den einzelnen Menschen in seinem Verderben wiederherzustellen, das ist auch, menschlicherweise davon zu reden, geeignet, solid mitzuwirken, das Menschengeschlecht im Verderben seiner Massaverhältnisse wiederherzustellen.

Fassen wir die Idee der Elementarbildung in intellektueller und Kunsthinsicht[70] an sich und gesondert von ihrem inneren, ewigen Zusammenhange mit den sittlichen und religiösen Grundlagen unserer Natur ins Auge, so ist offenbar, daß so, wie sie die wesentlichen Hauptteile der intellektuellen Bildung, die Anschauungs-, Sprach- und Denkkraft, sinnlich naturgemäß, d.i. in Übereinstimmung mit den Gesetzen, die ihnen in der tierischen Natur zum Grunde liegen, auszubilden und in ihrer einzelnen Ausbildung an sich zu vollenden sucht, so legt sie dadurch das äußere sinnliche und geistige, aber nicht das innere, sittliche, menschliche und religiöse Fundament der naturgemäßen Vereinigung von allen Grundteilen der Gesamtheit der intellektuellen Kunstbildungsmittel unseres Geschlechts.

Fassen wir die Idee der Elementarbildung auch in Rücksicht ihres Einflusses auf die naturgemäße Entfaltung der sinnlichen, tierischen Neigungen und Kräfte unseres Fleisches und Bluts, mit welchen der göttliche Funken unserer inneren, wahren Natur gleichsam umhüllt in uns lebt, ins Auge und fragen wir uns: Was ist der Einfluß des Lebens auf die Bildung dieser Hülle zu ihrer Übereinstimmung mit dem göttlichen Funken unserer inneren Menschennatur selber? so sehen wir, alles, was unser Fleisch und Blut sinnlich zum Glauben, zur Liebe und zum Denken und Arbeiten im Glauben und in der Liebe anreizt und bildet, ist geeignet, die tierische Hülle unseres Fleisches und Bluts mit dem göttlichen Funken unserer inneren Menschennatur in Übereinstimmung zu bringen. Und fragen wir uns dann: Was kann die Kunst des Menschengeschlechts dazu beitragen, diesen Gang der Natur in seinem Einfluß auf Übereinstimmung zu befördern und ihn darin zu behelfen? so zeigt sich: Alles, was die menschliche Kunst zur Entfaltung des Denkens und Arbeitens im Glauben und in der Liebe beizutragen vermag, das ist auch geeignet, die tierische Hülle unseres Fleisches und Blutes mit dem göttlichen Wesen unserer inneren Natur menschlich zu befördern und ihr dafür behilflich zu sein. Alles, was uns wahrhaft menschlich zu bilden vermag, ist auch geeignet, das tierische Übergewicht des Fleisches und Bluts über den inneren Funken unserer wahren Menschennatur zu schwächen und dadurch die Übereinstimmung unseres sinnlichen, tierischen Wesens mit diesem göttlichen Funken oder vielmehr die Unterordnung des ersten unter den letzten menschlich zu befördern und zu behelfen.

Dieser Gesichtspunkt ist im praktischen Leben des Menschen allgemein anerkannt. Jedermann weiß, daß die Erkenntnis der Wahrheit und die Einübung der Fertigkeiten, die die Ausübung unserer wesentlichsten Pflichten allgemein voraus setzt und anspricht, gleichsam zur anderen Natur gemacht und wie die Volkssprache sich ausdrückt, ins Fleisch und Blut hinübergebracht werden müssen. Das Wort, in succum et sanguinem vertere[71], drückt das Nämliche bestimmt aus.

Der Grad, in welchem die Kunst mit Erfolg zu diesem Ziel einwirken kann, hängt von dem Grad des Erfolgs ab, mit welchem sie imstande ist, alle einzelnen Grundteile, die die Menschlichkeit, oder welches ebensoviel ist, die Menschennatur in ihrem Wesen selber konstituieren, naturgemäß zu entfalten. Daher fällt ebensosehr auf, daß die Idee der Elementarbildung, welche die Nachhilfe der Kunst am vorzüglichsten anspricht, notwendig mit großer Aufmerksamkeit dahin trachten muß, die einzelnen Grundteile der intellektuellen Kraft, die Anschauungs-, Sprach- und Denkkraft einzeln in der möglichsten Vollendung auszubilden, welches nur dadurch erzielt werden kann, daß die Mittel ihrer Kunst mit dem Gange der Natur in der Entfaltung jeder dieser einzelnen Kräfte in genugtuende Übereinstimmung gebracht werden oder, welches ebensoviel ist, daß jedes ihrer diesfälligen Mittel den ewigen Gesetzen genau unterworfen werde, aus denen die naturgemäße Entfaltung jeder einzelnen dieser Kräfte allein hervorzugehen vermag. Diese Aufmerksamkeit der Idee der Elementarbildung ist darum wesentlich und wichtig, weil alles, was in seinen einzelnen Teilen nicht bis auf einen gewissen Grad vollendet ist, sich auch nicht naturgemäß zum Ganzen, davon es ein Teil ist, zusammengestaltet, und hinwieder weil alles, was in seinen einzelnen Teilen bildungshalber unvollendet ist, sich durchaus nicht naturgemäß an irgend etwas anderes, das naturgemäß vollendet gebildet ist, anschließt. Die vernachlässigte Anschauungskraft schließt sich nicht naturgemäß an die ausgebildete Sprachkraft, und die vernachlässigte Ausbildung der Denkkraft schließt sich nicht naturgemäß an die naturgemäß gebildete Anschauungskraft an. Nur Gleiches und Gleiches gesellt sich gerne; was aber ungleich ist, hat die Neigung zur Trennung in sich selbst, und wirkt, wenn es versucht wird zu vereinigen, widernatürlich und störend auf den Zweck der gesuchten Vereinigung.

Dieser Gesichtspunkt steht mit einem anderen, in pädagogischer Hinsicht ebenso wichtigen, im innigsten Zusammenhange. Jede nur oberflächlich erkannte, in ihren wesentlichen Teilen durch die Anschauung nicht begründete und durch die Denkkraft nicht erwogene Wahrheit steht in der Menschennatur wie in den Lüften; sie ist gar nicht geeignet, sich an andere Wahrheiten, mit denen sie in der Wirklichkeit im Zusammenhange steht, naturgemäß anzuschließen, und zahllose solche oberflächlich erkannte Wahrheiten haben auf die Ausbildung der Denkkraft weniger bildenden Einfluß als nur eine einzige, in der Anschauung genugsam begründete und von der Denkkraft in ihrer Vollendung erkannte Wahrheit. Oberflächlich erkannte Wahrheiten führen durchaus nicht zur Harmonie unserer Kräfte, diesem letzten Ziel sowohl des Naturganges in der Entfaltung derselben als des ganzen Umfangs aller Kunstbildungsmittel, die die nämlichen Zwecke zu befördern geeignet sind. Die Harmonie unserer Kräfte geht nur aus der gleichartig guten und naturgemäßen Besorgung jeder einzelnen derselben wahrhaft und befriedigend hervor; und was diesfalls in Rücksicht auf die intellektuelle Ausbildung unserer Kräfte wahr ist, das ist auch in Rücksicht auf die Ausbildung der Anlagen, die unserer Kunstkraft zum Grunde liegen, gleich wahr. Die naturgemäß genugtuende Ausbildung jeder Anlage, die irgendein Fach der Kunst anspricht, muß der Ausbildung der Gemeinkraft, die ein jedes Kunstfach gemeinsam anspricht, einzeln hervorgehen. Wird irgendeine dieser Anlagen einzeln vernachlässigt, so wird die Erzielung der Erlernung des Kunstfaches im Ganzen seiner Ansprüche unnatürlich gelähmt und verspätet.

Wir haben diese Ansicht aber schon einmal berührt. Die Kunstkraft wird, eben wie die Geisteskraft nur durch die naturgemäße Ausbildung jedes einzelnen ihrer Grundteile Geist und Leben; ebenso werden die einzelnen Teile der Kunstkraft sowohl als diejenigen der intellektuellen, Geist und Leben und dadurch wirksame Mittel zur Entfaltung der Menschlichkeit selber. Es ist unstreitig, jedes einzelne Mittel der Kunstbildung wird nur insoweit, als es durch die Naturgemäßheit seiner Ausbildungsmittel in sich selbst zum Geist und Leben erhoben wird, mitwirkendes Mittel, die Menschlichkeit unserer Natur, oder vielmehr die Erhebung unseres Geschlechts zur Menschlichkeit durch die Kunst zu begründen, zu befördern, auszusprechen und darzustellen.

Fasse ich in dieser Rücksicht die Sprachkraft, oder vielmehr die Sprachlehre als Kunstausbildungsmittel ins Auge, so finde ich, die Kunst ihrer naturgemäßen Begründung geht in ihrem ganzen Umfange aus der Kunst der naturgemäßen Begründung der Anschauungskraft hervor, und nur durch Verbindung von beiden ist die Bahn zur naturgemäßen Entfaltung der Denk- und Urteilskraft auf eine solide, die Menschennatur in ihren wesentlichen Ansprüchen befriedigende Weise möglich. Diese letzte, die elementarische, oder was gleich viel ist, die naturgemäße Entfaltung der Denk-, Forschungs- und Urteilskraft fordert indes eine größere Handbietung der Kunst unseres Geschlechts als die Ausbildung der Anschauungskraft. Die logischen Operationen des naturgemäßen Zusammensetzens (Zusammendenkens), Trennens und Vergleichens, die dem Kinde, dessen Denk- und Urteilskraft durch die Kunst naturgemäß gebildet und gestärkt werden soll, eingeübt und habituell gemacht werden, fordern freilich eine wesentliche, tiefe, psychologische Bearbeitung der Grundkräfte, die alles solide Zusammensetzen, Trennen und Vergleichen d.h. alle Fundamente des soliden Denkens naturgemäß zu beleben, zu stärken und in ihren Resultaten sicher zu machen geeignet sind. Sie fordern unstreitig eine tiefe, psychologische Bearbeitung der menschlichen Kräfte, die sich im Zählen und Messen aussprechen, und von denen die Zahl- und Formlehre ausgeht, deren geist- und kunstbildende Folgen sich in ihrem Einfluß auf alles menschliche Denken vom gemeinen Urteilen über einfach in der Anschauung liegende Gegenstände bis auf die höchste Stufe der reinen Wissenschaften zu erheben fähig sind.

So viel indes die Kunst der Elementarbildung auch von dieser Seite fordert, so gewiß ist sie erreichbar, und ich darf mit der Bescheidenheit, mit der ich über die Resultate meiner Lebensbestrebungen zu urteilen schuldig bin, dennoch das Wort aussprechen: Das Scherflein, welches die vereinigten Bemühungen derjenigen Glieder meines Hauses, welche die wesentlichen Fundamente der elementarischen Entfaltung der Denkkraft nicht vollkommen unter das Eis haben fallen lassen[72], hat ganz gewiß einen wesentlichen, der ernsten Prüfung würdigen Beitrag dazu geliefert, die Möglichkeit der höchsten Resultate der Idee der Elementarbildung von Seite ihres Einflusses auf die naturgemäße Entfaltung der menschlichen Denkkraft außer allen Zweifel zu setzen. Die Bahn, auf welcher diesfalls elementarisch vorgeschritten werden muß, ist diese: Die elementarische, nach berührten Grundsätzen bearbeitete Sprachlehre muß vermög der wesentlichen Eigenschaften aller ihrer Mittel als naturgemäßes Bildungsmittel der Muttersprache dahin wirken, die Kräfte der Wohnstube in allen Ständen in der soliden Ausbildung der Anschauungskräfte der Kinder wesentlich zu erhöhen und dadurch die Lücken auf eine solide Weise auszufüllen, die zwischen der Ausbildung der Anschauungskraft und der Ausbildung der Denkkraft statt hat und die nur durch die naturgemäße Ausbildung der Sprachkraft ausgefüllt werden kann. Die Mittel, welche die elementarische Entfaltung der Sprachkraft den Müttern und dem ganzen Kreis der Hausgenossen, die, auf welche Weise dieses auch ist, mit den unmündigen Kindern einer Haushaltung in Berührung sind, dafür an die Hand gibt, sind von einer Natur, daß sie die diesfälligen Kräfte des Kindes in den Anfangspunkten ihrer ersten Entfaltung allgemein und zwar im festen Zusammenhang untereinander ergreifen und geeignet sind, alles, was im Kind einer menschlichen Regsamkeit fähig, die Freude, die Liebe, die Aufmerksamkeit, die Tätigkeit, die Anstrengung oder, mit anderen Worten, sein Herz, seinen Geist und seine Hand naturgemäß zu beleben und so seine Kräfte allgemein und im Zusammenhange untereinander anzuregen und das naturgemäße Wachstum derselben von ihren Anfangspunkten aus in ihrem ganzen Umfang bildend und stärkend vorzubereiten und anzubahnen.

In Hinsicht der Kunstkräfte

Fassen wir die wesentlichen Grundsätze und Mittel der Elementarbildung in Rücksicht ihres Einflusses auf die Entfaltung der Kunstkraft ins Auge, so ergeben sich bei der elementarischen Führung des Kindes vollkommen die gleichen Resultate. Das Lesen- und das Schreibenlernen (damit ich von den geringsten und allgemeinsten Anfangspunkten der Schulkunst anfange) führt, wenn es in seinen Übungen wahrhaft naturgemäß behandelt wird, zu den nämlichen Resultaten, zu welchen das naturgemäße Redenlehren auch führt. Wo immer die Kunstmittel des Lesens und Schreibens nicht ebenso geeignet sind, den Geist, das Herz und die Hand des Kindes gemeinsam zu ergreifen und zu beleben, so sind sie insoweit nicht elementarisch genugsam gegeben und führen in den Stufenfolgen ihrer Anwendung nicht zu der Gemeinkraft der Menschennatur, die als das notwendige Resultat der naturgemäßen, elementarischen Führung unseres Geschlechts allgemein anzusehen, anzuerkennen und zu bezwecken ist. Man sieht aber auch wohl, daß dieses, und mit ihm der ganze Umfang der Resultate der elementarischen Bildung, ohne den Zusammenhang mit den aus Liebe und Glauben hervorgehenden Bildungsmitteln des häuslichen Lebens unerreichbar ist. Aber was immer dem häuslichen Leben eigen ist, das ist in jedem Fall auch als ein wesentliches Fundament jeder wahrhaft elementarischen Bildungsübung anzusehen.

Ich fasse die Schreibkunst von dieser Seite noch einmal ins Auge. Alles, was das Kind durch die Elementarbildungsmittel im Reden gewinnt, das gewinnt es auch im Schreiben. Jeder dem Kind durch die Anschauung so klar gewordene Gegenstand, über den es sich mit Bestimmtheit aussprechen kann, hat das Geistige, das der Fähigkeit, sich über diesen Gegenstand mit eben dieser Bestimmtheit schriftlich auszudrücken, beiwohnt, schon zum voraus in sich selbst, und es fehlt ihm, (um) dieses zu tun, nichts mehr und nichts anderes als die Einübung der mechanischen Fertigkeiten der Schreibkunst, die das schriftliche Ausdrücken dessen, was es mündlich sagen kann, erfordert. Aber auch auf die Einübung dieser Fertigkeiten haben die Mittel der Elementarbildung einen entscheidenden und im Ganzen des Erziehungswesens sehr weitführenden Einfluß. Die elementarische Anführung zur Schreibkunst geht nicht von der Einübung der Buchstaben irgendeiner Sprache, sondern von der Festigkeit und Sicherheit in der Einübung vielseitiger und reiner Grundformen der geraden und krummen Linien in perpendikularer und horizontaler Richtung aus und fordert mit genauem Augenmaß eingeübte Formen der abwechselnden Schiefheit derselben von oben bis unten und in der Rundform die Einübung ihrer fortdauernden Beschränkung in eine sich immer verengernde, liegende und stehende, kurze und verlängerte Eiform. Sie sucht auch ohne alle Rücksicht auf die eigentliche Schönheit der in ihrem Wesen unästhetisch begründeten Formen der Buchstaben vorzüglich die bestimmte Deutlichkeit der in ihrem Wesen bizarren und willkürlichen Gestaltungen derselben und die Schnelligkeit in der Handführung des Kindes zu erzielen, d.h. es deutlich und schnell schreiben zu lehren. Die Schönheit des Schreibens ist nichts anderes als Zartheit in den Übergangsformen des Dicken zum Dünnen und des Geraden ins Schiefe. Übungen, die dieses erzielen, sind Übungen im Schönschreiben. Und so ist es, daß die Elementarbildung auch in Rücksicht auf die Einübung der Schreibkunst von den Anfangspunkten ausgeht, welche der naturgemäßen Ausbildung der Zeichnungskunst, d.i. der Kunst, alle Arten von Formen richtig und schön auszudrücken, zugrunde liegen. Der ganze Unterschied, der in der Art und Weise, wie diese Mittel auf die Ausbildung der Schreibkunst und auf die Ausbildung der Kunstkraft überhaupt einwirken, stattfindet, ist, daß sie, die Schreibkunst, in ihrer höchsten Vollendung zur Verhärtung der Hand in ihrer Richtigkeit und selber in ihren Zartheitsformen und hingegen die Kunst überhaupt und besonders die Zeichnungskunst zur ewig wachsenden Freiheit in allen Formen der Zartheit und der Schönheit hinführt. Ebenso ist das, was ich in Rücksicht auf die naturgemäße Begründung des Lesenlehrens und der Schreibkunst gesagt, in Rücksicht auf den ganzen Umfang alles dessen, was zur naturgemäßen Entfaltung der Kräfte, die der Erlernung aller Kunst- und Berufsfächer zugrunde liegen, gleich wahr.

Es ist äußerst wichtig, daß die Mittel der Idee der Elementarbildung allgemein und auf jeder Stufe mit dem Grad der Empfänglichkeit der Kräfte, deren Entfaltung dafür erforderlich ist, in Übereinstimmung gebracht werden. Die Zeitwelt, die in der Unnatur der Routineverkehrtheit ihres Verkünstelungsverderbens[73] wenig Rücksicht auf diese Übereinstimmung nimmt und durchaus keinen großen Takt weder für die Wichtigkeit noch für die Natur dieses Gesichtspunkts hat, wird und muß die Ausführung desselben unendlich schwer finden. Aber den Gegenstand, in seiner diesfälligen Wahrheit ins Auge gefaßt, ist nichts weniger als in dem Grad schwierig. Die elementarische Führung ist im ganzen Umfang ihrer Bildungs- und Unterrichtsmittel von einer Natur, daß der nach ihr geführte Zögling auf keiner Stufe seiner Bildung nur einen Schritt vorwärts kann, wenn er den vorhergehenden sich nicht vollständig eingeübt hat, so daß es für den Lehrer, den Grad seiner diesfälligen Kräfte zu bestimmen, gar nicht schwer ist. Dieser Grad zeigt sich ihm bei dieser Führung gleichsam von selbst; dieses aber ist bei der unzusammenhängenden Oberflächlichkeit der gewohnten Routinemittel freilich gar nicht der Fall. Im Gegenteil, bei dem Wirrwarr der Stufenfolgen jedes oberflächlichen und unnatürlichen Unterrichts ist es in jedem Falle sehr schwer, den Stufengang der Empfänglichkeit für jeden Unterricht, auf welchem das Kind steht, sowie den Grad der Urkraft, der dieser positiven Empfänglichkeit in ihm zum Grunde liegt, richtig zu bestimmen, und noch mehr, ihn wohl zu benutzen.

Schluss

Doch ich schreite einmal zum endlichen Resultat meiner Ansichten über meinen Gegenstand, welches dahin geht: Wenn die Idee der Elementarbildung im Wesen ihrer Ansprüche in ihrer Wahrheit erkannt und die Grundsätze ihrer naturgemäßen Ausführung richtig befolgt würden, so wäre nach meiner Überzeugung der Erfolg derselben in alledem unfehlbar, was wir als durch sie zu erzielen möglich ins Auge gefaßt und dargestellt haben. Das aber setzt freilich unbedingt voraus, daß erstlich der ganze Umfang der Ausführungsmittel dieser großen Idee auf Glauben und Liebe gebaut und dieses wesentliche Fundament derselben im ganzen Fortgang ihres Gebrauchs festgehalten werde, indem es dadurch allein möglich ist, den ganzen Umfang der Ausbildungsmittel unserer Kräfte und Anlagen unter sich selbst in Harmonie und in Übereinstimmung zu bringen und darin zu erhalten. Dieses wesentliche Ziel der Idee der Elementarbildung und alle Hoffnungen und Erwartungen, die wir darauf bauen, setzen dann ferner voraus, daß jedes einzelne der Kunstausbildungsmittel unserer Kräfte den ewigen Gesetzen, nach welchen die Natur selbst diese Kräfte entfaltet, mit Sorgfalt untergeordnet werde; ferner, daß die Ausbildung eines einzelnen Teils irgendeiner menschlichen Kraft nie als die Ausbildung dieser Kraft selber, sondern immer nur als ein zur Ausbildung derselben gehörendes Element angesehen und behandelt werde. Ebenso setzt es voraus, daß die Sorgfalt, den ganzen Umfang der Kunstausbildungsmittel unserer Kräfte innerlich aus der Einheit der Menschennatur hervorgehen zu machen, mit eben der Sorgfalt verbunden werde, diese Mittel auch äußerlich mit den Lagen, Verhältnissen, Umständen und Kräften der einzelnen Stände und Individuen, denen sie eingeübt werden müssen sowie mit dem Grad der Ausdehnung und Beschränkung, in welchem dieses bei ihnen, vermöge ihrer Lage und ihrer Kräfte naturgemäß geschehen kann und geschehen soll, in Übereinstimmung gebracht werden; und ich muß bestimmt wiederholen, daß die Segenshoffnungen von dem Einfluß dieser hohen Idee in jedem Fall nur insoweit und nur in dem Grad zu erwarten sind, als diesen Bedingnissen in den Ausführungsmitteln ein Genüge geschieht.

Ich muß dieses umso notwendiger bestimmt und wiederholt äußern, da ich mir wohl bewußt bin, wie sehr ich die Segensresultate dieser hohen Idee nicht nur als für die Erzielung, Begründung und Sicherstellung der wesentlichen Endzwecke meiner Lebensbestrebungen weitführend und als hierfür tief in die Menschennatur eingreifend, sondern auch als in ihrem ganzen Umfang erreichbar und ausführbar dargestellt und die Ahnung und Hoffnung, daß sie gleichsam mit aller Sicherheit erwartet werden dürfen, in diesen Bogen mit warmer Lebhaftigkeit rege zu machen gesucht habe.

Unter diesen Umständen muß ich natürlich und notwendig voraussehen und für gewiß annehmen, jeder Leser, der sie mit Umsicht und ernster Aufmerksamkeit gelesen, wird, wenn er dieses auch zwei und dreimal getan, am Ende über den Kontrast dieser Darstellung mit dem wirklichen Mißlingen meiner Bestrebungen[74] nur staunen und mich fragen: „Aber, Pestalozzi, wenn das im ganzen Umfang deiner geäußerten Ansichten wirklich also wäre, wie könnte es möglich sein, daß deine zwanzigjährigen diesfälligen Lebensbestrebungen keinen anderen Erfolg gehabt hätten als denjenigen, den du mit uns und wir mit dir vor unseren Augen sehen?“

Ich antworte hierüber mit Bestimmtheit. So wie ich in diesen Bogen dem Publikum meine Ansichten und meine Überzeugung über den inneren Wert der Idee der Elementarbildung dargelegt, so fest bin ich entschlossen, ihm sowohl den Unwert, die Schwächen und die Fehler meiner Bestrebungen an sich selbst als auch die äußeren Gründe ihres unausweichlichen Mißlingens, wo nicht in ihrem ganzen Umfange, doch in ihren eigentlichen Urquellen unverhohlen vor Augen zu legen. Ich wollte diese Darlegung auch wirklich mit den gegenwärtigen Bogen vereinigen, und sie lag schon beinahe ein Jahr lang zur Publizierung bereitet. Umstände, die ich hier nicht berühre, haben ihren Druck verhindert[75]. Sie wird aber von diesen Bogen getrennt, besonders gedruckt erscheinen, und es ist mir gegenwärtig wirklich nicht unangenehm, meinen Schwanengesang, den ich auf eine Art mit den Gefühlen eines Sterbenden dem Herzen der Menschen- und Erziehungsfreunde nahe bringen will, von einer Geschichte getrennt zu haben, deren tiefe Kränkungen und Leiden mit den Gefühlen, die ich in diesen Bogen in mir selber rein erhalten möchte, nicht in einem mich vollkommen beruhigenden Einklang stehen. Die Hindernisse, die meinen zwanzigjährigen Bestrebungen, die Idee der Elementarbildung theoretisch und praktisch ins Licht zu setzen, im Wege standen und endlich die soviel als gänzliche Auflösung meiner Anstalt in Iferten herbeiführten, liegen erstlich in dem Kontrast, den der Anspruch an reine Naturgemäßheiten im Erziehungs- und Unterrichtswesen mit dem hohen Grad des Verkünstelungsverderbens, in welches unsere Zeiterziehung und unser Zeitunterricht versunken, macht, oder vielmehr in den Ursachen, die dem Verwilderungs- und Verkünstelungsverderben unseres Geschlechts allgemein unter allen Himmelsstrichen zugrunde liegen. Der Sinn des Fleisches ist allgemein wider den Sinn des Geistes, er ist allgemein wider das innere göttliche Wesen aller Grundlagen der höheren Menschennatur. Der sinnliche, tierische Mensch erkennt in aller Welt die Dinge nicht, die des Geistes Gottes sind und mit dem inneren Funken des ewigen, göttlichen Wesens, der in unserer Natur liegt, in wahrer, kraftvoller Übereinstimmung stehen. Er schwebt in aller Welt, unter allen Himmelsstrichen und unter allen Umständen und Verhältnissen in sinnlicher Abschwächung der Früchte des Glaubens und der Liebe, in tierisch belebtem Widerspruch der Ansprüche seines Geistes mit den Ansprüchen seines Fleisches und des daraus erzeugten Unterliegens seiner Vernunft unter seinen Gelüsten umher. Alle Kraft der Anstrengung, die die Wahrheit in der Liebe, im Denken und im Handeln anspricht, und ebenso alle Anstrengung der Kunstkraft, die der Segen der menschlichen Tätigkeit auf gleiche Weise allgemein anspricht, ist der tierischen Natur unseres Geschlechts fremd und umbehaglich; folglich liegt das erste Hindernis der Anerkennung der Idee der Elementarbildung und der Neigung, sich ihre Bildungsmittel einzuüben, in der ungebildeten, sinnlichen Natur unseres Geschlechts selber. Der Sinn des Fleisches führt unser Geschlecht auf keine Weise zu der wahren Kunst, aus welcher die Bildungsmittel der Idee der Elementarbildung naturgemäß allein hervorgehen, sondern vielmehr zu dem Verkünstelungsverderben, das der Ausbildung unseres Geschlechts zur wahren Kunst mit allen Reizen unserer tierischen Sinnlichkeit entgegenwirkt.

Das ist in allen Epochen des Menschengeschlechts allgemein gleich wahr. Der Geist der Torheit und der Sünde liegt in unserem Fleisch und in unserem Blut und wirkt mit allen seinen Reizen der Entfaltung unserer Kräfte zur Weisheit und zur Tugend, zur Liebe und zum Glauben entgegen. Die wahre Kunst unseres Geschlechts, die die Idee der Elementarbildung bezweckt, geht auf keine Weise aus diesem Sinn hervor. Dieser wirkt im Gegenteil mit dem ganzen Umfang seiner mächtigen, sinnlichen Reize auf die Erzeugung unseres Verkünstelungsverderbens, das der Entfaltung des Resultats der Idee der Elementarbildung seiner Natur nach entgegensteht und entgegenstehen muß. Wir wissen auch alle, in welchem Grad dieses Verkünstelungsverderben in der Epoche, in der wir leben und in welche mein Tun und Lassen hineingefallen, nicht nur allgemein tief eingewurzelt, sondern noch durch die Resultate des großen Begegnisses[76], das die Welt gleichsam aus allen ihren Angeln zu heben drohte, auf eine Weise belebt worden, die alles Entgegenwirken gegen die Folgen der Leidenschaften, die in diesem Zeitpunkt zügellos belebt wurden, fruchtlos und unwirksam zu machen in einem hohen Grad geeignet war. Ich habe aber über diesen Gesichtspunkt in gegenwärtigen Bogen soviel als alles gesagt, was ich darüber zu sagen habe.

Die Hindernisse, die meinen Bestrebungen, diese hohe Idee theoretisch und praktisch ins Licht zu setzen, im Wege standen, liegen ferner in mir selber und in den speziellen Umständen der zwanzigjährigen Epoche meines Aufenthalts in Burgdorf und Iferten, deren Geschichte ich getrennt von den gegenwärtigen Bogen publizieren werde. In Rücksicht auf die Hindernisse, die in mir selber lagen, habe ich keine Ursache, mich über dieselben in diesen gegenwärtigen Blättern, und zwar wie dieselben einerseits in der individuellen Eigenheit meines Charakters und anderseits in den Umständen und Verhältnissen meiner Jugendjahre und meiner Erziehung lagen, nicht offen und bestimmt zu erklären.

Ich tue dieses auch ungesäumt.

Fortsetzung