Elende Missstände

Renate Hinz

"Elender kann es auf dem elendesten Dorfe kaum seyn, als es in sehr vielen der hiesigen Heckschulen ist. Alles, was den Sinn eines gesunden Menschen beleidigen, empören, mit Ekel, Mitleid und Unwillen erfüllen kann, scheint sich da zu vereinigen und man glaubt sich eher in einer schmutzigen Bettlerherberge, oder in einem lange nicht gereinigten Viehstalle zu befinden, als in einer Bildungsstätte der Jugend. Beym ersten Öffnen der Thüre, von einem zurückschlagenden Qualm überströmt, erblickt man in einem kleinen, dunklen, von Feuchtigkeit triefenden, stinkenden Loche eine Anzahl der Kinder, wie Heringe aufeinander gepackt, die hellen Tropfen an der Stirn, mit schwarz- und gelbgegriffenen, halbzerrissenen Büchern in den beschmutzten Händen, samt der nicht viel reinlicher aussehenden, mit Stock und Ruthe bewaffneten Lehrerin, eingehüllt in eine Nebelwolke mephitischer Dünste. ... Ein dumpfes unverständliches Gemurmel der ihre Lektion laut dahersagenden oder sich neckenden, schäckernden und zankenden Kinder, vereinigt sich mit dem schläfrigen Frage- und drohenden Scheltton der Lehrerin. ... In einem Winkel gedrängt sitzt die Familie der Lehrerin, trinkt Kaffee, verrichtet ihre häuslichen Geschäfte, ... nimmt Besuche von der Frau Nachbarin an, und die verheiratete Tochter reinigt ihr schreiendes Kind." (Johann Ludwig Ewald u. Johann Caspar Häfeli zit. in: Wulff, Hinrich: Geschichte der bremischen Volksschule. - Bad Heilbrunn / Obb. 1967, S. 28.)