Jakob Blendermann

Renate Hinz

Als Lehrer an der von Ewald und Häfeli gegründeten Bürgerschule reist Jakob Blendermann 1802 nach Burgdorf, um in Pestalozzis Institut in der neuen Methode ausgebildet zu werden. Über seinen dortigen Aufenthalt gibt der im Auftrage des helvetischen Rates von Dekan Ith verfaßte "Amtliche Bericht über die Pestalozzische Anstalt" Auskunft: "Nun kommt Blendermann hinzu, den Dr. Ewald für ein Jahr aus Bremen sandte. ... Er scheint wie dazu geeignet, der Methode das Frohe, Spielende einzuhauchen, dessen sie für das jüngste Alter noch so sehr bedarf. Er muß sich bis zu jener Höhe hinaufschwingen, auf welcher die Mutter steht, die, wenn sie dem Kinde etwas zur Ansicht bringt oder seine Einsicht in etwas befördert, ... zugleich sein Aug ... erheitert und seinen ganzen Leib ... in eine für Gesundheit und Kraftentwicklung wohlthätige Anstrengung setzt. Blendermann arbeitet jetzt, gemeinschaftlich mit Pestalozzi und Krüsi, diesem Zusammenhange der Naturbildung, den der Instinkt dem mündigen Kinde sichert, Dauer zu verschaffen, und ihn dem Zeitpunkt der beginnenden Kunstbildung eben so zu sichern, wie die Natur ihn dem Zeitpunkt der Instinktbildung gesichert hatte." (Ith, Johann: Amtlicher Bericht über die Pestalozzische Anstalt und die neue Lehrart derselben. - Bern / Zürich 1802, S. 93.) 1803 kehrt Blendermann mit einem "von allen Lehrern unterschriebenen Zeugniß, daß er gut genug mit der Methode bekannt sei, um sie ohne weitere Anleitung ausüben zu können" (Ewald, Johann Ludwig: Geist der Pestalozzischen Bildungsmethode, nach Urkunden und eigener Ansicht. Zehn Vorlesungen. - Bremen 1805, S. XII.), nach Bremen zurück. Trotz anfänglicher Bedenken, daß der erst 20 Jahre alte Blendermann für eine Unterrichtstätigkeit zu jung sei, beschließt der Senat aufgrund seiner hervorragenden Referenzen seine Anstellung am Pädagogium, wo Blendermann die Pestalozzische Methode zur Anwendung bringt. (Vgl. Runschke, E.: Wegbereiter Pestalozzis in Bremen. In: Pestalozzianum, 31. Jg. 1934, Nr. 2, S.11.) Pestalozzi zeigt sich über den in Bremen erzielten Erfolg seiner Methode sehr erfreut, so daß er in einem Brief im Jahre 1807 schreibt: "Lieber, theurer Blendermann! Unter den vielen Nachrichten, die ich über den Fortgang der Methode von mehreren Seiten erhalten, hat mir noch keine so viel Freude gemacht als Ihr letzter Brief. ... Dein ganzer Brief, liebes Blendermännchen, zeigt, Du hast die ersten Schwierigkeiten überwunden, Du hast Deinen Berg überstiegen und siehst nun mit Ruhe auf die Mühseligkeiten Deines Hinaufklimens. ... Wir sehen jetzt in Ihnen nicht mehr unser schüchternes Blendermännli, wir ehren jetzt in Ihnen einen gereiften thätigen Mitarbeiter unsers Werks." (Pestalozzi an Blendermann [1807]. In: Johann Heinrich Pestalozzi. Sämtliche Briefe. Kritische Ausgabe Bd. 5; bearb. v. Emanuel Dejung u. Walter Feilchenfeld Fales. - Zürich 1961, S. 191.) Nach seiner Rückkehr aus Berlin, wo Blendermann für zwei Jahre am Plamannschen Institut tätig ist, in dem die Pestalozzische Methode vor allem auf den Realienunterricht übertragen wird, reicht er dem Senat einen "Plan zu einer Pestalozzischen Knabenschule in Bremen" ein, mit dem er um die Konzession zur Führung einer privaten Lehranstalt nach Pestalozzis Pädagogik bittet. Trotz grundsätzlicher Zustimmung zu dem vorgelegten pädagogischen Konzept lehnt der Senat das Gesuch aus pragmatischen Überlegungen ab, die sich bei einem zu erwartenden Anstieg der Privatschüler im wesentlichen auf die Befürchtung eines starken Rückgangs der Schülerzahl an den renomierten öffentlichen Schulen begründen. Erst im Jahre 1814, also nach dem eigentlichen Ende der bremischen Schulreform, erhält Blendermann die Erlaubnis zur Eröffnung seiner Anstalt, die er viele Jahre mit großem Erfolg führt, so daß er an Pestalozzi schreiben kann: "Ich habe seit drei Jahren ein Privatinstitut, welches noch imer sich weiter ausgedehnt hat; es ist jetzt auf drei Classen eingerichtet für das Alter von 7 bis 14 Jahren, und außer mir arbeiten noch 5 Lehrer mit an demselben. Die Anzahl der Schüler ist gegenwärtig 106. Die Hauptunterrichtsgegenstände sind Sprache und Mathematik; und so fange ich in der untern Klasse mit dem Elementarunterricht an, oder setze vielmehr denselben fort, denn ich bekome die Kinder von der Jungfer Henriette Rönneberg schon vorbereitet, und bringe denn die Kinder so weit, daß sie die Gelehrtenschule oder Handlungsschule nach her noch einige Jahre besuchen, um den Schulunterricht zu vollenden." (Blendermann an Pestalozzi, 1817. Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Mscr. Pestal. 50, Nr. 27.) In der Auseinandersetzung mit der Pestalozzischen Pädagogik steht für Blendermann das Interesse an der anthropologischen Grundlegung der Methode und ihrer didaktischen Ausgestaltung im Vordergrund, das nicht zuletzt aus der engen Zusammenarbeit mit Pestalozzi und Krüsi in Burgdorf resultiert und in die unveröffentlicht gebliebene Schrift "Einige Schwierigkeiten, die mit der Ausübung der Pestalozzischen Methode verbunden sind" einfließt. (Vgl. Blendermann: Einige Schwierigkeiten, die mit der Ausübung der Pestl. Methode verbunden sind. Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, MS. Pestal. 961, Fasz.1.) Sein besonderes Verdienst liegt somit sowohl in der theoretischen Auseinandersetzung mit der Pestalozzischen Pädagogik als auch in ihrer praktischen Umsetzung und ihrer Unterstützung durch die Beförderung von Subskriptionen.