Kopf-Herz-Hand. Eine diskursanalytische Untersuchung der drei Begriffe in Pestalozzis Werken.

Hischier, David Stefan

Eine Masterarbeit am Institut für Bildungswissenschaften an der Universität Basel 2017, 92 S.

Die Begriffe „Kopf, Herz und Hand“ werden allgemein auf Pestalozzi zurückgeführt und fanden besonders in der Pädagogik eine weite Verbreitung: Man spricht in diesem Zusammenhang von ganzheitlichem Lernen oder ganzheitlicher Bildung. In der Werbung steht „Kopf, Herz und Hand“ häufig für die Ausbildung in Pflegeberufen oder die Ausbildung von Erziehern bzw. Erzieherinnen in Kindertagesstätten oder Kindergärten. In seiner Einleitung (S. 7-16) beschreibt Hischier das Vorkommen der drei Termini neben der Verwendung in pädagogischen Zusammenhängen auch in politischen und alltagsprachlichen Situationen und ihre Einbettung in letztlich beliebige Diskurse

So ist es verdienstvoll, dass sich Hischier mit seiner Masterarbeit mit der Stellung der drei Begriffe „Kopf, Herz und Hand“ in Pestalozzis Werken und Briefen auseinandersetzt. Bei Pestalozzi sind diese drei Begriffe immer nur in ihrem historischen Kontext zu sehen, der bei Pestalozzi allerdings mehrfach wechselt. Oft stehen diese drei Begriffe auch in einem Zusammenhang mit der Dreiheit „Denken, Fühlen, Wollen“ oder „Geist, Seele, Leib“ oder den „sittlichen geistigen, physischen Kräften“ des Menschen. Nach Pestalozzi kann der Mensch erst durch die Harmonie dieser drei Grundkräfte zu wahrer „Menschlichkeit“ gelangen.

An „Lienhard und Gertrud“ arbeitet Hischier heraus, dass Pestalozzi in der Arbeit einen menschenbildenden Zweck sieht. Dabei hat die Dreiheit von „Kopf, Herz und Hand“ gleichzeitig eine theologische Funktion und spiegelt deutlich Pestalozzis pietistische Grundeinstellung. Erst das Zusammenwirken dieser drei Begriffe führt zu einer umfassenden naturgemässen Erziehung von Armen und Reichen und letztlich zu einem religiös-sittlichen Bürger. Das Nichtgebrauchen von „Kopf, Herz und Hand“ gilt danach als unchristlich, denn um einen guten Christen zu schaffen, müssen alle natürlichen Kräfte entfaltet und geübt werden. Der Autor arbeitet dies an Aussagen des Schulmeisters Glülphi in „Lienhard und Gertrud“ eindrucksvoll heraus (vgl. S. 35f).

Bei seiner Recherche greift Hischier auf die CD-ROM von Pestalozzis Werken und Briefen von 1994 zurück. In einer Grafik zeigt er die Häufigkeit verschiedener Wortformationen, am häufigsten „Kopf-Herz-Hand“, aber auch „Kopf-Herz-Hände-Füsse“ oder „Kopf-Herz-Fertigkeiten“ u.a. (S. 78). Leider fehlt eine Gesamtstatistik zur Häufigkeit der einschlägigen Formulierungen in Pestalozzis umfangreichen Werken, das in 31Bänden (PSW 1-29) und in 14 Briefbänden (PSB 1-14) dokumentiert ist, dabei hat er nicht die Daten der 1995 und 1996 erschienenen Bände PSW 17 B, PSW 29 und PSB 14 in seine Auswertung einbezogen. Durch seine Recherchen allein nach „Kopf, Herz und Hand“ entgehen dem Autor Textstellen, die nicht diese Suchbegriffe enthalten, aber ebenfalls Aussagen zu den drei Grundkräften machen. So spricht Pestalozzi beispielsweise 1826 in „Versuch einer Skizze über das Wesen der Elementarbildung und über meine Lebensbestrebungen“ von den drei Grundkräften unserer Natur: „erstens von der Bildung unsers Herzens, zweytens von der Bildung unsers Geistes, drittens von der Bildung unserer Sinne, Organe und Glieder“ (PSW 28, S. 4).

In Hischiers Untersuchung zu den drei Begriffen „Kopf, Herz und Hand“ in Pestalozzis Werken und Briefen wird deutlich, dass diese Dreiheit zu Recht auf Pestalozzi zurückgeführt wird, aber eine pauschale Verwendung dieser drei Begriffe dem Autor Pestalozzi nicht gerecht wird. Pestalozzi hat diese Dreiheit in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen und mit unterschiedlichen Formulierungen, teilweise auch wechselnd in seinem langen Leben und seinen umfangreichen Texten gebraucht. Dies deutlich herausgestellt zu haben, ist der besondere Verdienst dieser Masterarbeit.

Gerhard Kuhlemann