Menschen bilden. 27 Mosaiksteine.

Arthur Brühlmeier

Baden-Verlag: Baden (CH), 2007. 231 Seiten
(Herausgeber: Stiftung „Schule für das Kind“)

Das komplette Buch kann unter der Adresse www.menschenbilden.ch als PDF heruntergeladen werden.
 

Brühlmeier will mit seiner Veröffentlichung „Impulse zur Gestaltung des Bildungswesens nach den Grundsätzen von Johann Heinrich Pestalozzi“ geben und „Pestalozzis tragende Gedanken verstehbar machen und Möglichkeiten praktischer Umsetzung aufzeigen“ (Vorwort, Seite 9).

Während die wissenschaftliche Literatur über Pestalozzi beispielsweise Analysen seines Werks vorlegt, Untersuchungen zu seinem Einfluss auf die Gestaltung des Schul- und Bildungswesens erarbeitet oder Aussagen zur Person Pestalozzis im Kontext seiner Zeit macht, nähert sich der durch zahlreiche wissenschaftliche Beiträge hervorgetretene Autor Pestalozzi von einer anderen Seite. Brühlmeier greift ausgewählte Anregungen Pestalozzis auf, um aktuelle pädagogische Fragen anzusprechen. Dabei werden nicht Pestalozzis Gedanken und Vorstellungen vordergründig auf heute übertragen, sondern die von Pestalozzi ausgehenden Impulse zur ganzheitlichen Bildung und Menschenbildung als bis heute aktuell und wegweisend vorgestellt. In der Frage, ob Schule „nur“ eine Unterrichtsanstalt zur Wissensvermittlung sein, oder sich Unterricht mit Erziehung zu einer umfassenden Bildung des jungen Menschen verbinden soll, bezieht Brühlmeier eine eindeutige Position.

An zwei der 27 Mosaiksteine wird Brühlmeiers Vorgehen deutlich. Ausgehend von Pestalozzis Satz „Es kann nicht zwei gute Unterrichtsmethoden geben. Es ist nur eine gut, und das ist diejenige, die vollkommen auf den ewigen Gesetzen der Natur beruht.“ (Seite 26) arbeitet Brühlmeier im 3. Mosaikstein (Seiten 26-34) heraus, wie diese Aussage zu verstehen ist. Der Mensch lebt zwar in einem ständigen Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse, aber Pestalozzis Forderung nach Naturgemässheit in der Erziehung ist für Pestalozzi und sei bis heute ein absolutes Fundament pädagogischen Handelns. Auf dem Weg zur Menschlichkeit darf die Erziehung nichts in den Menschen hineinlegen, sondern muss es immer aus ihm herausentwickeln. Die Natur hat den Menschen von Geburt an mit Kräften und Anlagen ausgestattet, und es ist die Aufgabe der Erziehung in Schule und Elternhaus, dem jungen Menschen bei der Entwicklung dieser Kräfte und Anlagen beizustehen. Diese Kräfte und Anlagen drängen zur Entwicklung, dass man geradezu von einem „Entfaltungstrieb“ sprechen kann. Nicht naturgemäss ist Unterricht immer dann, wenn die Wahl eines Stoffes oder Themas nicht das Alter der Schüler beachtet oder nur von den zukünftigen Bedürfnissen der Schüler ausgeht.

Im 19. Mosaikstein (Seiten 148-159) geht Brühlmeier von der Frage „Was ist der Mensch“ aus. Zuerst stellt er die Zwiefältigkeit des menschlichen Wesens dar, die Pestalozzi in „tierische“ oder „sinnliche“ und „höhere“ Menschennatur unterscheidet. In Anlehnung an die „Nachforschungen“ von 1797 werden der Naturzustand, der gesellschaftliche Zustand und der sittliche Zustand vorgestellt. Der „unverdorbene“ Naturzustand ist nur denkbar, real ist immer nur der „verdorbene“ Naturzustand, in dem Individuen ihre egoistischen Macht- und Besitzansprüche auf Kosten anderer durchzusetzen versuchen. Im gesellschaftlichen Zustand regelt das Recht die Rechte und Pflichten des Einzelnen, um eben diese egoistischen Macht- und Besitzansprüche zu begrenzen. Zum sittlichen Zustand und damit zu Friede und Harmonie mit sich selbst kommt das Individuum nur, wenn es aus freien Stücken die eigene Selbstsucht überwindet. Aber der Mensch verbleibt immer in Konflikten und Spannungen, denn er ist als natürliches Wesen mit Trieben und Bedürfnissen ausgestattet und bleibt stets in die vorgegebenen gesellschaftlichen Regeln und Strukturen eingebunden.

Brühlmeiers Buch zwingt zu der Frage, ob Pestalozzi nur als historische Figur in ihrem zeitgenössischen Kontext wahrgenommen werden darf, oder ob die Auseinandersetzung mit dem vielschichtigen Werk Pestalozzis auch heute noch menschliches bzw. pädagogisches Handeln beeinflussen kann. In der Auseinandersetzung mit seiner Profession wird jeder Lehrer auf Grundeinstellungen und Prinzipien zurückgreifen müssen, und Brühlmeier macht deutlich, dass dafür Pestalozzis Einsichten geeignet sind, dass sie vielfältige Anregungen geben, auch aktuelle pädagogische Alltagssituationen besser zu bewältigen.

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