Ausstieg aus der Theologie? Pestalozzis un-ordentlicher Studienabbruch (1765)

Peter Stadler

In: Kirche, Staat und katholische Wissenschaft in der Neuzeit, Festschrift für Heribert Raab, Hrsg. Portmann, Albert et. al., Paderborn 1988, S. 183-189
ISBN 3-50673262-5
WLB: 38/14331
SW: Theologie; Studienabbruch

Stadtler beschreibt, wie es zu Pestalozzis Studienabbruch kam. Es gab für ihn keine richtige Alternative zur Theologenlaufbahn, da er aus einer armen und vaterlosen Kleinfamilie kam, wenn auch die Großfamilie begütert war. Nach Ansicht des Autors hat Pestalozzi zunächst nicht besonders unter der Enge der Verhältnisse gelitten. Er hatte keine Schwierigkeiten in der Schule. „Allerdings stiegen ihm während der oberen Klassen doch Zweifel an seiner Eignung für den Pfarrberuf auf. Bei Zeremonienauftritten mußte er lachen. Im Frühjahr 1763 ging seine Schulzeit zu Ende. „Nun bezog er die ‘Classis philologica’ das Carolinum als Student.“ (S. 184). „Sein Studium ließ sich normal an und wurde auch durch Zuwendungen aus dem Familienfonds gefördert.“ (S. 184). Er durchlief die üblichen Propädeutika vor dem theologischen Fachstudium. „Unter seinen Lehrern waren so große Anreger wie der greise Johann Jakob Bodmer...“ (S. 184) und der Gräzist Johann Jakob Steinbrüchel., der Pestalozzi „zu seiner ersten publizistischen Veröffentlichung provozierte“. (S. 185). Seine Interessen verlagerten sich vom Carolinum weg. Das eigentliche Studium der Theologie hatte noch nicht begonnen. „Das recht abrupte Ende des Studiums aber erfolgte im Herbst 1765 und ergab sich aus der Verkettung bisher unbekannter Umstände.“ (S. 185). Ein gravierender Disziplinarfall stand am Anfang. „Am 10. Januar 1765 mußten ... vor ... dem höchsten Aufsichtsorgan des Carolinums ... Heinrich Pestalozzi und Conrad Wolf erscheinen ...“ (S. 185). Letzterer hatte den Anstoß gegeben. Die Vorladung ergab keinen eindeutigen Befund. Pestalozzi gab zu, verleumdet zu haben, doch „Wolf ... bestritt kurzerhand den Tatbestand der Verleumdung ... „ (S. 186). Zu einer Abbitte waren beide nicht bereit. Nach einer Denkpause mußten sie beide Abbitte leisten und Pestalozzi mußte die philosophische Klasse zur Strafe wiederholen. Er „hat die ihm gebotene Chance nicht wahrgenommen.“ (S. 187), er brach also das Studium ab. Die beiden Studenten hatten für ihr Vorgehen Modelle, d.h. drei andere Skandale wurden auf dieselbe Weise aufgedeckt. Es bleibt offen, ob Pestalozzi aus eigenem Antrieb handelte. Zu dieser Zeit war Pestalozzi in Zürich nicht mehr unbekannt, da er ein Mitglied der ‘Patrioten’ war. „ Seine starke Religiosität aber suchte und fand fortan ihre Form außerhalb der institutionalisierten Theologie.“ (S. 189).

Literaturangaben

(FR)