Die Kategorie der Selbstüberwindung in Pestalozzis Pädagogik

Leonard Friedrich

In: Pädagogische Rundschau, 34 (1980), S. 121-142
SW: Selbstüberwindung ; Einfluß

Zunächst fragt der Autor, ob Selbstüberwindung eine antiquierte Kategorie sei. Sie sei "einer der fundamentalen Begriffe Pestalozzis" (S.122). Der Autor fragt, "ob sie den Menschen unseres Jahrhunderts ... noch zu einer humanen Antwort auf brennende nahe und globale Probleme verhelfen kann." (S. 122). Angesichts der ökologischen Probleme hält er die Selbstüberwindung für besonders wichtig. Dann schreibt der Autor einiges zur Konstituierung der Pestalozzischen Kategorie der Selbstüberwindung. Dabei sei "eine Vielzahl von Einflüssen wirksam geworden" (S. 123). Die Philosophie der Antike, für Pestalozzi bei Bodmer und in der Patriotischen Gesellschaft, Menalk, Pestalozzis Frau Anna sowie Kants Philosophie und das Christentum hätten Pestalozzi beeinflußt. "Pestalozzis Denk- und Begriffswelt hat sich stets in Auseinandersetzung mit den "Realverhältnissen" konstituiert." (S. 125). Während der Lehrzeit bei Tschiffeli "wandte sich Pestalozzi gegen den moralischen Verbalismus ... den unvorsichtigen, wilden Eifer, ... vieler Patrioten" (S. 126). "Die landwirtschaftliche Praxis bei Tschiffeli brachte Pestalozzi erstmals mit dem produktions- und konsumfreundlichen Liberalismus der Physiokraten in Berührung und eröffnete ihm eine neue Perspektive.“ (S. 126). „Im Horizont der ersten Praxisbegegnung hieß Selbstüberwindung realistische Planung, exakte Rechnungsführung, fleißige Arbeit Tag um Tag.“ (S. 126). „Daß Selbstüberwindung not tut ... wußte er nicht nur aus seinem eigenen Lebensgang, sondern auch aus seinen Beobachtungen der ihn umgebenden gesellschaftlichen Wirklichkeit.“ (S. 127). „Seinen dominierende Frage lautete: Wie kann der Mensch - trotz der Realverhältnisse - ‘Hilfe finden gegen sich selbst’ ... und sittliche Existenz werden?“ (S. 127). Der Autor beschreibt dann „die Selbstüberwindung im Horizont der Anthropologie Pestalozzis“. (S. 127). Die Selbstüberwindung ist für Pestalozzi ein Prinzip der Erziehung. „Zunächst erscheint Selbstüberwindung als ein Ziel der Erziehung. Sie bezeichnet die Qualifikation, die beim Heranwachsenden aufgebaut werden soll, um zum (zur, F.R.) Bewältigung von Anforderungen des gesellschaftlichen Lebens dienen zu können. Instrumentelle Funktion kommt der Selbstüberwindung aber auch im Prozeß der sittlichen Selbsterziehung zu.“ (S. 132). ... In der Schlußbetrachtung hält der Autor folgendes fest: „Pestalozzis Argumentation fügt sich durchaus in die geistesgeschichtliche Tradition ein. Er hat viele Elemente aus ihr, vornehmlich Denkmuster des 18. Jahrhunderts, in seine Pädagogik in originärer Weise integriert.“ (S. 139). Einflüsse auf Pestalozzi hatten Shaftesburys und Rousseaus Gefühlsphilosophie, später auch der Kantsche Kritizismus. „Pestalozzis Kategorie der Selbstüberwindung hat sich in den einzelnen Phasen seiner Denkentwicklung in jeweils spezifischen ... Funktionen ausgeprägt.“ (S. 140). Der Autor hält Pestalozzis Postulat der Selbstüberwindung für die Friedenssicherung noch dringender als im Blick auf die ökologischen Probleme. Für Pestalozzi hat das rechtliche und sittliche Wollen eine wichtige Rolle im Streben nach Humanität, „ obwohl er beide nicht für deren letzten Grund hält....“ (S. 141). „Pestalozzi wollte den Begriff der Sittlichkeit“ tiefer gründen, zumal er selbst erfahren mußte, daß autonomes sittliches Handeln Verzweiflung nicht immer fernhält“ (S. 141). „Er fand ‘Elemente der Sittlichkeit’ ... letztlich im Glauben ... „ (S. 141). Der Autor ist der Meinung, daß man die Kategorie der Selbstüberwindung für unsere Zeit neu durchdenken sollte.

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(FR)