Die Rezeption Pestalozzis in Preußen im Spiegel neuerer Veröffentlichungen.

Heinz Stübig

In: Bildungsforschung und Bildungspraxis 1/1997, S. 91-99.

In den neueren Veröffentlichungen zur preußischen Pestalozzi-Rezeption sieht Stübig zwei unterschiedliche Argumentationslinien, die zu unterschiedlichen Einschätzungen führen: Hinz, Stadler und auch Stübig in seinen früheren Arbeiten sehen die Übernahme der Pestalozzischen Ideen primär unter politischen Gesichtspunkten. Die Übereinstimmung zwischen den preußischen Reformern und dem Schweizer Pädagogen war anfangs eine unter politischer Zielsetzung rezipierte Pädagogik einer Bildung zum Bürger mit Hilfe der Elementarmethode. Als das preußische Reformkonzept zum Erliegen kommt, schwindet das politische Interesse an Pestalozzi, aber eine nun veränderte pädagogische Rezeption bleibt über die Reformphase hinaus wirksam: nach dem Scheitern der Methode wird Pestalozzis Konzept der Menschenbildung weiterverfolgt und der Mythos vom "Vater Pestalozzi" in der Restaurationsperiode zum Leitbild und Selbstverständnis der sich professionalisierenden preußischen Volksschullehrerschaft. Die stärker pädagogisch akzentuierte Rezeptionsforschung der Gruppe um Oelkers und Osterwalder setzt zeitlich später an und fragt gezielt nach dem tatsächlichen Einfluß Pestalozzis auf die Neugestaltung des preußischen Elementarschulwesens und der direkten Rezeption von Pestalozzis Methode und kommt dabei zu dem Schluß, daß von Pestalozzi schließlich nur die Legende und die sich von der Person Pestalozzis lösende Generalisierung des guten Beispiels übrig geblieben sei.

Für Stübig haben beide Argumentationslinien ihre Berechtigung, denn erst zusammengenommen hätten deren Ergebnisse unsere Kenntnisse zum Thema "Pestalozzi und Preußen" beträchtlich erweitert.