Neue Wege der Pestalozzi-Forschung. Methodische und hermeneutische Perspektiven am Beispiel der Pestalozzi-CD-ROM.

Sylvia Springer

In: Jahrbuch für Historische Bildungsforschung, Bd. 3. Weinheim: Juventa 1996, S. 93-115.

Sylvia Springer geht von den Begriffen Struktur und Strukturierung aus, die sie einmal auf die Buchausgabe und einmal auf die CD-ROM-Volltextausgabe von Pestalozzis Sämtlichen Werken und Briefen bezieht. Danach ist die Struktur eines gedruckten Textes immer einflächig undpräsentiert sich bei jeder Nutzung vollständig. Anders die mehrflächige Struktur der CD-ROM, deren Text als Fließtext eingescannt wird und der seine Strukturen erst durch die Codierungen der Bearbeiter erhält. Die Volltext-Datenbank kann entsprechend den Strukturen der Buchausgabe genutzt werden, geht aber in ihrem Erschließungspotential weit über diese hinaus, da sie den Benutzern sämtliche Fundstellen ungefiltert und ungewertet präsentiert. So steht der Text der Datenbank sowohl als Fließtext zur Verfügung als auch in einer mehrfachen Strukturierung nach Dokumententypen und kleineren Einheiten, sog. Feldern (Band, Briefnummer, Schlagwort, Titel, Adressat), nach Textgattungen und nach der zeitlichen Zuordnung der Texte. Noch komplexere Strukturen ergeben sich aus der möglichen Kombination dieser Strukturflächen und macht damit Antworten auf Suchanfragen möglich, die mit der Buchausgabe nicht recherchierbar sind. Ihre einzelnen Punkte verdeutlicht Springer jeweils durch Recherchebeispiele, die dazu verführen, entweder die Beispiele nachzurecherchieren oder mit anderen Beispielen ihren Recherchewegen zu folgen: die Aussage, daß die Kinder der Armen zur Armut erzogen werden sollten, Pestalozzis Verbindung zu Goethe oder dem Grafen Karl Johann Christian von Zinzendorf, Pestalozzis Verwendung des Begriffs Gewalt oder seine Aussagen zu Körperstrafen.

Die Grenzen der Arbeit mit der Pestalozzi-CD-ROM sieht Springer in der lückenlosen Verfügbarkeit von Fundstellen und in der Gefahr, daß Worte gefunden werden, ohne zuvor die Texte zu lesen und den Zusammenhang zu erarbeiten. Die Ursachen für eine unzureichende Ergebnisqualität sind damit nicht in dem Arbeitsinstument CD-ROM begründet, sondern liegen einzig und allein in der mangelnden Kompetenz des Benutzers. Allein der Benutzer bestimmt mit seinen hermeneutischen Kenntnissen und seinem Vorwissen zu Pestalozzis Wortschatz und zum Umfang und Zusammenhang seiner Texte die Qualität der Ergebnisse.