Pestalozziforschung. Kritische Bestandsaufnahme in Folge der Zürcher Feierlichkeiten zum 250. Geburtstag von Johann Heinrich Pestalozzi im Januar 1996.

Werner Keil

Pestalozziforschung. Kritische Bestandsaufnahme in Folge der Zürcher Feierlichkeiten zum 250. Geburtstag von Johann Heinrich Pestalozzi im Januar 1996.

Werner Keil versucht eine kritische Einschätzung der Pestalozziforschung aus Anlaß der Wiederkehr des 250. Geburtstags Pestalozzis im Januar 1996. Im Mittelpunkt des Beitrags stehen die Themen, Ergebnisse und Abläufe des wissenschaftlichen Symposiums "Pestalozzi- wirkungsgeschichtliche Aspekte" vom 15.-17. Januar 1996 an der Universität Zürich, dem die öffentliche Gedenkfeier am 14. Januar 1996 im Schauspielhaus Zürich mit der stark biographisch ausgerichteten Rede von Peter Stadler zum Thema "Pestalozzis Erziehung zur Politik" unmittelbar vorausging.

Keil sieht im zeitlichen Vorfeld des Gedenkdatums zahlreiche "vorauseilende Initiativen": von dem Berner Symposium 1987 "Pestalozzis Erbe - Verteidigung gegen seine Verehrer" (vgl. die gleichnamige Veröffentlichung: Pestalozzis Erbe - Verteidigung gegen seine Verehrer. Hrsg. v. Johannes Gruntz-Stoll. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 1987) und Gerhard Eickenbuchs Roman "Wie eine Feder im Flug. Vermutungen über Johann Heinrich, Jacques und Anna Pestalozzi (Stuttgart: Union 1989. 257 S.) über die Editionsaktivitäten des Pestalozzianums Zürich mit der zügigen Weiterführung der Kritischen Gesamtausgabe Sämtlicher Werke und Briefe, dem Aufbau einer Pestalozzi-Forschungsstelle und den Neubegründungen der Buchreihe "Neue Pestalozzi-Studien" und der Zeitschrift "Neue Pestalozzi-Blätter". In seiner "Nachbetrachtung zum Symposium und zur neueren Pestalozziliteratur" hebt Keil vor allem auf Stadlers zweibändige Geschichtliche Biographie und die drei Habilitationsschriften von Osterwalder (Pestalozzi - ein pädagogischer Kult), Kraft (Pestalozzi oder das pädagogische Selbst) und seiner eigenen (Lebensgeschichte und Erziehung des Hans Jacob Pestalozzi) ab.

Im Fazit seines Beitrags fordert Keil eine "revisionistische Entmythologisierung", da das am Ende des 20. Jahrhunderts nun in einmaliger Komplettierung vorliegende Pestalozzibild zeige, daß dieser Klassiker der Pädagogik "gerade im alltäglichen Scheitern und in Krisen, in Belehrungen, Ermahnungen und Appellen auch ein Höchstmaß an Anerkennung verdient" (S. 238). Unstrittig sind für Keil die Pestalozzi-Jubiläen früherer Jahre von Lobhuldigungen und Überhöhungen geprägt, während eine "konstruktive" und vor allem "produktive" Kritik unterblieben sei. Allerdings wirkt Keils Auseinandersetzung mit Flitners Beitrag in der Zeit (Legendärer Pädagoge. Schweizer Forscher holen ihren Nationalhelden Pestalozzi vom Sockel. In: Die Zeit vom 12. Jan. 1996) ausgesprochen kleinlich, wenn er diesem wegen seiner Formulierung "Schweizer Forscher holen ihren Nationalhelden Pestalozzi vom Sockel" entgegenhält, daß er wohl nicht wisse, daß der in Buxtehude geborene Jürgen Oelkers Deutscher sei, der erst mit seiner Berufung nach Bern in die Schweiz kam.