Pestalozzischer Geist im pädagogischen Wirken Karl Volkmar Stoys.

Rotraud Coriand

In: Pädagogische Rundschau 6/1996, S. 735-744.

Rotraud Coriand beschreibt den Jenaer Universitätspädagogen und Schulpraktiker Karl Volkmar Stoy als einen Mann, dem es gelungen ist, seine auf Herbart gründende wissenschaftliche Lehre aus den Grenzen der Abstraktion zu lösen und ihr durch eigene praktische Tätigkeit Ausdruck zu verleihen. So verbindet Stoy das pädagogische Seminar mit einer Übungsschule und einer Erziehungsanstalt mit Internatsteil und setzt dabei auf die Verbindung von Unterricht und Erziehung: das Ziel der Lehrerbildung soll der lehrende Erzieher sein und Unterricht in erster Linie erziehender Unterricht und erst danach Fach- und Berufsunterricht. Für sein Leitbild des erziehenden Unterrichts weist Stoy vor allem auf die gemeinsame Arbeit im Schulgarten und auf die große Bedeutung von Schulausflügen und Schulreisen hin, um die durch den Unterricht zwangsläufig geschaffene Distanz zwischen Lehrenden und Lernenden zu verringern, und um die sinnliche Anschauung mit den geistigen Vorgängen zu verbinden.

Gerade die erzieherischen Momente in Stoys Schul- und Unterrichtsarbeit bezieht Coriand auf die Übernahme pestalozzischen Gedankenguts. Stoy kannte Pestalozzis Schriften, in "Lienhard und Gertrud" sieht er die Idee einer neuen Erziehung in Einfachheit und Naturwahrheit von den ersten Anfängen der Anschauung in der Kinderstube bis hin zur Schule programmatisch formuliert. Pestalozzi habe die Pädagogik aus den Banden sowohl einer unwürdigen Glückseligkeitslehre als auch eines plumpen Realismus erlöst. In der Verbindung von Kenntnissen mit Fähigkeiten und Fertigkeiten beruft sich Stoy ein weiteres Mal auf Pestalozzi, wobei Stoy den Begriff des Interesses als eine zentrale Kategorie in seine Pädagogik einfügt. Auch in seiner Argumentation für die Notwendigkeit einer pädagogischen Vorbildung und ständigen Fortbildung der Lehrer bezieht sich Stoy auf Pestalozzis Metapher vom "Pulsgreifen der Kunst", die Pestalozzi allerdings nicht im Zusammenhang mit der Lehrerbildung verwendet hat.

Coriand hebt in ihrer Studie hervor, daß Stoy Pestalozzis Schriften kannte und sich auch in seinen eigenen Schriften auf diese bezieht. Aber Coriand wird mit ihren Nachweisen wenig konkret und diskutiert nicht die Frage, ob Pestalozzi durch seine Schriften direkt auf Stoy wirkte, oder ob es nicht doch stärker die Pestalozzi-Legende war. Die Anmerkungen und Literaturangaben des Beitrags verweisen ausschließlich auf Schriften von Stoy und auf Schriften über ihn, Titel der Pestalozzi-Literatur werden nicht angeführt.