Zur virtuellen 18. Generalversammlung 2020 des Vereins „Pestalozzi im Internet“

Jahresbericht zur Arbeit an der Website www.heinrich-pestalozzi.de

Liebe Freunde und Mitglieder unseres Vereins „Pestalozzi im Internet“,

zuerst möchte ich mich bei unserem Webmaster, Herrn Rainer Grundel, für die gute Zusammenarbeit und die schnelle und sorgfältige Umsetzung aller Veränderungen bedanken. Auf Herrn Grundel kommen weitere Aufgaben zu: Es sind ein aufwändiges Update des CMS-Systems der Website und einige Veränderungen der Darstellung notwendig. Diese Arbeiten können nicht mehr durch Herrn Bucca, der unsere aktuelle Website entwickelt hat, geleistet werden, da dieser seine Webdienstleistungen aufgegeben hat.

I.

Für den Berichtszeitraum 01.10.2019 bis 30.09.2020 kann erneut ein Zuwachs unserer Benutzerzahlen vermeldet werden. Wir hatten 136.096 Seitenaufrufe bei 50.755 Besuchern. Ein Grossteil der Besucher kam wieder über die Suchmaschine Google und wie in den vergangenen Jahren kamen die weitaus meisten Besucher aus Deutschland, es waren 18.600 und damit knapp die Hälfte aller Besucher. Nach Deutschland kommt bereits China mit 10.115 Besuchern. Deutlich weniger Besucher kamen aus der Schweiz, im ganzen Jahr 4.713, gefolgt von Italien, Mexiko, Japan, USA, Österreich, und Frankreich. Aus Japan hatten wir im zurückliegenden Jahr 1.404 Besucher und besonders bemerkenswert, aus China kamen über 10.000 Besucher, womit China an der zweiten Stelle der Herkunftsländer rangierte. Der Einbau der Seiten in türkischer Sprache auf unserer Website führte zu 722 Besuchern aus der Türkei mit insgesamt 1.005 Sitzungen. 

Mit dem neuen Design ist eine Zählung der Dateien nicht exakt möglich, es können z.B. die zahlreichen Anmerkungen und die Zahl der Bilder nicht gezählt werden. Die Website umfasst ohne Bilder und Anmerkungen ca.1.800 Dateien, darunter italienische, englische, chinesische, spanische, französische, türkische, russische und japanische. Nachgefragt waren vor allem die biographischen Seiten, die Grundgedanken, die Liste mit den Werken Pestalozzi und die Seite zu Zeit, Leben und Werk Pestalozzis mit ihren zahlreichen Linkangeboten. Die häufigsten Suchbegriffe waren ‚Pestalozzi‘, ‚Johann Heinrich Pestalozzi‘, ‚Heinrich Pestalozzi‘, ‚Pestalozzi Biographie‘ und ‚Pestalozzi Pädagogik‘. Bei der Suchmaschine Google stehen wir mit diesen Suchwörtern jeweils auf der ersten Ergebnisseite. Im Vergleich mit den Auflagenzahlen wissenschaftlicher Veröffentlichungen, die bei ca. 800-1.000 liegen, übertrifft die Ausstrahlung unserer Website weit die von gedruckter Literatur über Pestalozzi.
 

II.

-    In der Zeitschrift für Pädagogik werden alljährlich die erziehungswissenschaftlichen Promotionen und Habilitationen an deutschen, österreichischen und schweizerischen Universitäten und Hochschulen veröffentlicht. In Heft 4/2019 (S. 627-665) sind es für das Jahr 2018 insgesamt 417 Dissertationen und 32 Habilitationen, wobei sich die Zahl der Dissertationen zum wiederholten Mal reduziert hat. Eine Arbeit mit Bezug auf Pestalozzi ist nicht darunter und allgemein finden sich nur wenige Arbeiten zur historischen Pädagogik. In Heft 4/2020 (S. 564-610) werden für das Berichtsjahr 2019 460 Dissertationen und 30 Habilitationen aufgeführt. Ein Bezug zu Pestalozzi findet sich in keiner dieser Arbeiten, die Zahl historischer Arbeiten ist äusserst gering. Ihre Themen beziehen sich zumeist auf Themen zum Nationalsozialismus der Jahre 1933-1945 oder sind thematisch eng begrenzt, z.B.: „Ehre als tragbares Zeichen. Zur politischen, sozialen und kulturgeschichtlichen Bedeutung von Orden und Ehrenzeichen des Königreichs Hannover 1814-1866“.

-    Der Verfasser konnte an einem Rundfunkbeitrag des Bayrischen Rundfunks (BR 2) in der Sendereihe „Wissen“ über Johann Heinrich Pestalozzi mitwirken. Eventuell wird es möglich sein, diesen Hörbeitrag in unsere Website einzubauen.

-    Scheier, Hans Peter: Pestilenz! Roman. Mit einem Nachwort von Marcel Müller-Wieland. Schaffhausen 2019, 185 S. (Verl. Syngeneia).
Unser Präsident Kurt Werder hat das Buch von Hans Peter Scheier „Pestilenz“ rezensiert: Scheier will Pestalozzi anhand von einzelnen Szenen, die Pestalozzi in verschiedenen Lebenslagen zeigen, über die bekannte Floskel von Kopf, Herz und Hand hinaus sichtbar machen. Diese Lebensbilder sollten die Ausgangslage für das Drehbuch eines Films über Pestalozzi werden, der sich leider aus finanziellen Gründen nicht verwirklichen liess.

Der ausführliche Text findet sich unter:
www.heinrich-pestalozzi.de/wissen/fachliteratur-ab-1946-auswahl/fachliteratur-ab-2003/pestilenz-roman
 

III.

Auf unserer Website habe ich unter „Wissen“ einen neuen Ordner „Pestalozzi-Literatur aus 200 Jahren“ eingebaut, in dem wichtige und richtungsgebende Pestalozzi-Literatur der Vergangenheit aufgeführt und rezensiert wird. Bisher konnten fünf Titel bearbeitet werden, weitere werden folgen.
 

1.    Blochmann, Karl Justus: Heinrich Pestalozzi. Züge aus dem Bilde seines Lebens und Wirkens nach Selbstzeugnissen, Anschauungen und Mittheilungen. Dresden 1846, 182 S. (mit Abb.).

Karl Justus Blochmann (1786-1855) hatte vor seinem Aufenthalt in Yverdon Theologie studiert und war von 1809-1816 Lehrer für Religion, Geographie und deutsche Sprache an Pestalozzis Erziehungsinstitut in Yverdon. In diesem Buch gibt er – verfasst zum 100. Geburtstag Pestalozzis – ein lebendiges Bild vom Leben im Institut und auch Schilderungen anderer Mitarbeiter. 1816 verliess Blochmann im Zusammenhang mit den dortigen Streitigkeiten das Institut, den Grund für den Zerfall und dessen Auflösung 1825 sieht er in den Auseinandersetzungen zwischen Schmid und Niederer und Pestalozzis mangelndem Leitungsgeschick. Die Elementarmittel Zahl, Form und Laut spielen bei Blochmann nur eine untergeordnete Rolle, im Unterricht dominierte die Individualität der Unterrichtsabläufe, die nicht organisiert oder kontrolliert waren. Etwas störend ist Blochmanns Deutschtümelei und seine pietistisch ausgerichtete Frömmelei: Pestalozzi gehe wie Rousseau immer vom reinen Herzen der Kinder aus und verkenne den Keim der Sünde in allen Menschen. Nach seiner Rückkehr nach Dresden gründet Blochmann dort ein Erziehungsinstitut, das sich vereint mit dem Vitzthum-Gymnasium in der Folgezeit zu einer deutschlandweit bekannten Bildungseinrichtung entwickelt. 1851 übergibt er die Leitung an seinen Schwiegersohn. Blochmann stirbt 1855 in Lancy bei Genf beim Besuch seiner Tochter, deren Ehemann dort ebenfalls ein Bildungsinstitut aufgebaut hatte. 

Der ausführliche Text findet sich unter:
www.heinrich-pestalozzi.de/wissen/pestalozzi-literatur-aus-200-jahren/blochmann-karl-justus-heinrich-pestalozzi-zuege-aus-dem-bilde-seines-lebens-und-wirkens-nach-selbstzeugnissen-anschauungen-und-mittheilungen-dresden-1846
 

2.    Morf, Heinrich: Zur Biographie Pestalozzi’s. Ein Beitrag zur Geschichte der Volkserziehung. 4 Theile in 2 Bdn., 2. vermehrte Aufl. Winterthur 1868-1889, 1654 S.

  1. Theil: Pestalozzi’s Wirksamkeit bis in die Mitte des Burgdorfer Aufenthaltes. Winterthur 1868, XII, 344 S., 3 Beilagen.
  2. Theil: Pestalozzi und seine Anstalt in der zweiten Hälfte der Burgdorfer Zeit. Winterthur 1885, X, 276 S.
  3. Theil: Von Burgdorf über Münchenbuchsee nach Yverdon. Winterthur 1885, 385 S.
  4. Theil: Blüthe und Verfall des Instituts zu Yverdon. Pestalozzi’s letzte Lebenstage. Winterthur 1889, VIII, 619 S.

Heinrich Morf (1818-1899) hat in einem vierteiligen monumentalen Werk von über 1600 Seiten sehr ausführlich die Biografie Pestalozzis aufgearbeitet, noch bis heute werden in Veröffentlichungen zu Pestalozzi Zitate aus diesem Werk von Morf eingebracht. Aber die Veröffentlichung von Morf hat aus wissenschaftlicher Sicht gravierende Mängel: Es fehlen Register, die Inhaltsverzeichnisse der vier Teile sind wenig differenziert und die zahlreich zitierten Quellen werden nicht eindeutig dokumentiert. Während Morf die Chronologie zur Pestalozzis Biographie im ganzen strikt durchhält, wirken die beiden letzten Kapitel deutlich schwächer, der Autor wollte wohl sein umfangreiches Werk endlich zum Abschluss bringen. Zu den Inhalten von Pestalozzis Werken erfährt man nur wenig, nur der Stanser Brief und „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt“ werden ausführlicher angesprochen, die zahlreichen weiteren Werke Pestalozzis bleiben weitgehend ausser Betracht.

Der ausführliche Text findet sich unter:
www.heinrich-pestalozzi.de/wissen/pestalozzi-literatur-aus-200-jahren/zur-biographie-pestalozzis-ein-beitrag-zur-geschichte-der-volkserziehung-morf-heinrich
 

3.    Israel, August: Pestalozzi-Bibliographie. Die Schriften u. Briefe Pestalozzis nach der Zeitfolge. Schriften u. Aufsätze über ihn nach Inhalt u. Zeitfolge, 3 Bde. Berlin 1903/04, Reproduktion 1976 by Rinsen book.

Bd. 1: Die Schriften Pestalozzis. XXXV, 636 S.
Bd. 2: Die Briefe Pestalozzis. X, 339 S.
Bd. 3: Schriften u. Aufsätze über Pestalozzi. LVIII, 639 S.

Die dreibändige „Pestalozzi-Bibliographie“ mit 1717 Seiten von August Israel (1836-1906) ist im eigentlichen Sinn keine Bibliographie, sondern eine Mischung von Textauszügen, Inhaltsangaben, editionsgeschichtlichen Erläuterungen, der Wiedergabe von Archivmaterialien und mischt Buchveröffentlichungen mit Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträgen. Diese Veröffentlichung ist allerdings für das 19. Jahrhundert eine materialreiche Fundgrube zur Pestalozzi-Rezeption. Zwar gelingt es Israel nicht, eine Gesamtschau der Pestalozzi-Rezeption in 19. Jahrhundert zu erstellen, aber er beschreibt einige bis heute gängigen Einordnungen Pestalozzis, einmal als mythische Person in Kreisen der Volksschullehrerschaft und die Entdeckung von Pestalozzis eigentlichem Lebenswerk, seine Einordnung als Sozialpädagoge.

Der ausführliche Text findet sich unter:
www.heinrich-pestalozzi.de/wissen/pestalozzi-literatur-aus-200-jahren/israel-august-pestalozzi-bibliographie-die-schriften-u-briefe-pestalozzis-nach-der-zeitfolge-schriften-u-aufsaetze-ueber-ihn-nach-inhalt-u-zeitfoge-3-bde-berlin-1903/04
 

4.    Natorp, Paul: Pestalozzi. Sein Leben und seine Ideen. Leipzig 1909, 134 S.

Paul Natorp (1854-1924) war von 1898-1922 an der Universität Marburg Prof. für Philosophie und Pädagogik und gilt als einer der massgeblichen Vertreter des Neukantianismus. Im ersten Teil stellt Natorp eine bis heute lesenswerte Beschreibung von Pestalozzis Lebensgang und die Entwicklungsgeschichte seiner Ideen zusammen. Auf dieser Grundlage versucht Natorp Pestalozzi mit fünf Prinzipien systematisch zu erfassen. Das erste Prinzip ist das Prinzip der Spontaneität, die Bildung des Menschen muss immer die Selbstentfaltung der eigenen Kräfte sein. Das zweite Prinzip ist das Pinzip der Methode, Erziehung führt mit dem Ausgehen von den Anfängen über das lückenlose Fortschreiten hin zum gewünschten Ergebnis. Das dritte Prinzip ist das Prinzip der Anschauung, hier geht es immer um aktives Schauen. Das vierte Prinzip ist das Prinzip des Gleichgewichts der Kräfte. Es müssen sich die Grundkräfte, die geistigen, sittlichen und physischen Kräfte harmonisch und im Gleichgewicht naturgemäss entfalten. Das fünfte Prinzip ist das Prinzip der Gemeinschaft. Ohne die Gemeinschaft wird das Individuum nicht zum Menschen, Pädagogik ist immer zugleich Sozialpädagogik. Natorp geht ausführlich auf die sittliche Bildung und die Verstandesbildung ein. Sittlichkeit hat ihre Grundlage im häuslichen Kreis, in der „Wohnstube“, sittliche Erziehung ist dabei immer das Erleben der sittlichen Tat. Auch die Schule sollte die Wohnstube fortführen, Erziehung ist die primäre Aufgabe der Schule, der Unterricht tritt dagegen zurück. Auch die Verstandesbildung ruht immer auf der Kraft der ausführenden Tat.

Der ausführliche Text findet sich unter:
www.heinrich-pestalozzi.de/wissen/pestalozzi-literatur-aus-200-jahren/pestalozzi-sein-leben-und-seine-ideen-natorp-paul
 

5.   Spranger, Eduard: Pestalozzis Denkformen. 2., stark erw. u. veränderte Aufl., Heidelberg 1959, 152 S., Anhang.

Eduard Spranger (1882-1963) hat von 1919 bis 1945 als Professor an der Universität Berlin und ab 1946 an der Universität Tübingen die pädagogische Diskussion in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachhaltig geprägt, vor allem seine Veröffentlichung zu Pestalozzis Denkformen hat die Sicht auf Pestalozzi stark beeinflusst. Diese Schrift beginnt mit Sprangers Gedenkrede in Zürich 1927, in der er die drei Schichten des menschlichen Lebens, die naturhafte, die gesellschaftliche und die sittliche Schicht beschreibt. Im Zentrum der titelgebenden Schrift „Pestalozzis Denkformen“ stehen die drei sich erweiternden Lebenskreise des Menschen: Der erste Kreis sind die häuslichen Verhältnisse, von Pestalozzi später als Wohnstube beschrieben, der zweite Kreis betrifft Arbeit und Beruf und der dritte Kreis umfasst Staat und Nation. Diese konzentrischen Kreise durchdringen sich gegenseitig und Spranger kommt zu den drei Zuständen, dem Naturzustand, dem gesellschaftlichen und dem sittlichen Zustand, wobei Sittlichkeit ganz aus dem Innern des Menschen kommt. Die drei Zustände sind eng miteinander verknüpft. Erziehung kann immer nur die im Menschen angelegten „Innenkräfte“ in Bewegung versetzen, diese selbst aber nicht in den Menschen einpflanzen. Erziehung muss beim Säugling beginnen, die Wohnstube tritt bei Pestalozzi in den Vordergrund und das harmonische Gleichgewicht aller Kräfte, Herz, Geist und Tat. In zwei weiteren Teilen der Schrift legt Spranger eine Analyse der Nachforschungen und eine Analyse des Schwanengesangs vor.

Der ausführliche Text findet sich unter:
www.heinrich-pestalozzi.de/wissen/pestalozzi-literatur-aus-200-jahren/spranger-eduard-pestalozzis-denkformen-heidelberg-1959