Pestalozzi und Lehrermobilität zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Gerhard Kuhlemann

Abstract

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde Pestalozzis Erziehungsinstitut in Burgdorf und ab 1805 in Yverdon zu einem Anziehungspunkt für Lehrer aus der Schweiz, Deutschland und weiteren europäischen Ländern. Mobilität war zu dieser Zeit mit viel Unbequemlichkeit verbunden, längere Reisen zu Fuss oder mit Kutschen dauerten oft Tage oder Wochen und Kommunikation war allein über handgeschriebene Briefe möglich. 

Pestalozzi war zwar als Person innerhalb des deutsch und französisch sprechenden Teils der Schweiz durchaus mobil, aber Lehrermobilität war primär eine Mobilität zu Pestalozzis Erziehungsinstitut zuerst in Burgdorf und später in Yverdon. Anfangs war es überwiegend eine innerschweizerische Mobilität, aber mit zunehmender Bekanntheit des Autors Pestalozzi und seines Erziehungsinstituts kamen immer mehr Lehrer und Besucher nach Burgdorf und Yverdon, welche die Ideen und Vorstellungen Pestalozzis weitertrugen und die Lehrer wurden nach Ihrem Aufenthalt in Pestalozzis Erziehungsinstitut in der Regel als Schulleiter und Leiter von Schullehrerseminaren tätig. 

In einem abschliessenden Teil werden andere Orte in Deutschland benannt, wohin es ebenfalls Lehrer zog, um Anregungen für die eigene Arbeit zu gewinnen.
 

I. Lehrermobilität um 1800

Lehrermobilität ist kein neues Thema, versetzen wir uns 200 Jahre zurück: Es gab keine schnellen Reisemöglichkeiten, keine Autos, keine Eisenbahn und anstelle von Strassen nur staubige ausgefahrene Pisten und vereinzelt kopfsteingepflasterte Wege. Informationen konnten nicht schnell per Telefon oder e-mail übermittelt werden, handgeschriebene Briefe waren das einzige persönliche Informationsmittel. Als beispielsweise der Livländer Carl Otto von Transehe-Roseneck (1761-1837) 1809 mit seiner ganzen Familie nach Yverdon reiste, um seine beiden ältesten Söhne an Pestalozzis Erziehungsinstitut zu übergeben, so bedeutete diese Reise von Lettland in die Schweiz bei einer Entfernung Riga – Yverdon von ca. 2.200 km eine wochenlange Strapaze mit der Kutsche durch zahlreiche selbständige deutsche Staaten und immer vor dem Hintergrund der napoleonischen Kriege dieser Jahre.   Dafür gab es - anders als heute - mit der Gleichwertigkeit von Abschlüssen oder deren Anerkennung keine Probleme.

Auf den ersten Blick scheint es abwegig, das Thema der Lehrermobilität mit Pestalozzi, der von 1746-1827 lebte, in Verbindung zu bringen. Pestalozzi war zwar viel in der Schweiz unterwegs, aber er hat dieses Land nur zweimal verlassen: 1792 zur Regelung von Erbschaftsangelegenheiten zu seiner in Leipzig verheirateten Schwester und 1802/03 nach Paris zur Teilnahme an der von Napoleon einberufenen Consulta, die den Helvetischen Einheitsstaat wieder in einen Staatenbund mit föderaler Struktur umwandelte. Pestalozzi war mehrmals in Mühlhausen (Mulhouse), das seit 1798 zu Frankreich gehörte, davor aber Teil der Eidgenossenschaft war. Noch kurz vor seinem Tod besuchte Pestalozzi in Beuggen das Erziehungsinstitut von Christian Heinrich Zeller  , 20 km östlich von Basel, das auf der deutschen Seite am Hochrhein liegt. Dagegen war Pestalozzi in der Schweiz sehr mobil, er ist in Zürich aufgewachsen, zur Schule gegangen und hat in Zürich studiert. Diese Stadt war in der zweiten Hälfe des 18. Jahrhunderts unter dem Einfluss von Johann Jakob Bodmer (1698-1783) und Johann Jakob Breitinger (1701-1776) das Zentrum der schweizerischen Aufklärung. Pestalozzi errichtete seinen „Neuhof“ 1769 bei Birr im heutigen Kanton Aargau, der zu jener Zeit Berner Untertanengebiet war. 1798 verliess Pestalozzi den Neuhof, um in Stans, dem Hauptort des Kantons Nidwalden, einem der katholischen Urkantone der Innerschweiz, erstmals einen pädagogischen Erziehungsversuch zu starten. Danach errichtete er in Burgdorf im Kanton Bern sein erstes Erziehungsinstitut, das nach einer Zwischenstation in Münchenbuchsee, in den Jahren 1804/05 in Yverdon, seit 1798 Hauptort des Kantons Waadt in der französischen Schweiz am Südende des Neuenburger Sees, zur europaweiten Bekanntheit gelangte. Pestalozzi war zweimal bereit, seinen Aufenthalt ins Ausland zu verlegen: Nach dem Zusammenbruch des Neuhofs Mitte der 1780er Jahre setzte er seine Hoffnungen auf den aufgeklärten Absolutismus am Wiener Hof unter dem österreichischen Kaiser Joseph II. - der Sohn Maria Theresias regierte von 1780-1790 - und führte darüber Korrespondenz mit dem einflussreichen österreichischen Politiker und Innenminister Karl Graf von Zinzendorf (1739-1813).  Pestalozzi wäre wohl bereit gewesen, die Verantwortung für einen landwirtschaftlich betriebenen Hof, verbunden mit einem Heim zur Erziehung vernachlässigter Kinder zu übernehmen, aber dieser Plan realisierte sich nicht. Nach Pestalozzis Zusammentreffen mit Zar Alexander I. Anfang 1814 in Basel, von dem er im November 1814 aus Wien den russischen St. Wladimir-Orden 4. Klasse erhalten hatte, eröffnete sich ihm das Angebot an die Universität nach Dorpat zu kommen. Dorpat war als einzige deutschsprachige Universität des russischen Zarenreichs unter Zar Alexander I. 1802 neu gegründet worden. Dorpat (heute Tartu) ist die zweitgrösste Stadt Estlands und besitzt die einzige Volluniversität des Landes. Aber auch diese Pläne kamen nicht zur Ausführung, zum einen tat sich Pestalozzi schwer, seine schweizerische Umgebung zu verlassen und zum andern hatte man im Baltikum den Vorbehalt, dass Pestalozzi mit seinem schweizerischen Deutsch Probleme haben könnte. In Blochmanns Pestalozzi-Biographie von 1846 wird dies anschaulich, wenn er schreibt: „wegen seines für Deutsche kaum fassbaren Schweizerdialekts“ sei Pestalozzi kaum verständlich gewesen und immer wenn er dies bemerkt habe, dann habe er „in einem noch weit unverständlicheren, harten und mit Patois gemischten Französisch das Gesagte“ noch einmal wiederholt. 

II. Anfangs eine innerschweizerische Lehrermobilität

Erst mit dem Aufbau des Erziehungsinstituts in Burgdorf im Jahr 1800, Pestalozzi ist bereits 54 Jahre alt, kann von einer auf Pestalozzi bezogenen Lehrermobilität gesprochen werden. Pestalozzi gewinnt in Burgdorf erste Mitarbeiter, anfangs sind es überwiegend schweizer Lehrer, die sich ihm zuwenden. Am Beispiel der ersten Mitarbeiter zeigt sich, dass diese nach dem Ende ihrer Zusammenarbeit mit Pestalozzi letztlich alle in pädagogischen Berufen tätig blieben und die Ideen und Anregungen aus ihrem Aufenthalt in Pestalozzis Erziehungsinstitut sowohl in der Schweiz als auch im Ausland weitertrugen, wobei die beiden zuletzt genannten, Niederer und Schmid, massgeblich zum Zerfall und zur Auflösung des Erziehungsinstituts in Yverdon beigetragen haben:

-    Hermann Krüsi (1775-1844) aus Gais im Kanton Appenzell-Ausserrhoden begleitete 1800 einen Kindertransport nach Burgdorf, blieb danach in Pestalozzis Erziehungsinstitut und wechselte mit diesem über Münchenbuchsee nach Yverdon. Krüsi war an der Ausarbeitung der Elementarbücher und der Elementarmethode wesentlich beteiligt und zugleich im Unterrichtsbetrieb sehr engagiert. Nachdem er sich 1816 von Pestalozzi getrennt hatte, gründete er zuerst in Yverdon eine eigene Erziehungsanstalt, übernahm 1822 in Trogen im Kanton Appenzell-Ausserrhoden die Leitung der dortigen Kantonsschule und rief zugleich eine Vor- und Fortbildungsanstalt für Lehrer ins Leben. Er veröffentlichte mehrere Texte zu pädagogischen und theologischen Fragen, u.a.: „Meine Bestrebungen und Erfahrungen im Gebiete der Volkserziehung, dargestellt in Briefen an Freunde“ (Gais 1842) und „Erinnerungen aus meinem pädagogischen Leben und Wirken“. 

-    Johannes Ramsauer (1790-1848) stammte ebenfalls aus dem Kanton Appenzell-Ausserrhoden und hat eine besondere Biografie, denn er kam bereits 1800 als neunjähriger Junge mit einem Kindertransport nach Burgdorf. Da für ihn niemand das Schulgeld bezahlen konnte, wurde er zuerst als Hausdiener („Tischdecker“) beschäftigt und bald darauf als Unterlehrer. Mit Pestalozzi wechselte Ramsauer nach Münchenbuchsee und Yverdon. In Yverdon wurde er bezahlter Oberlehrer und von 1812-1814 zeitweise Pestalozzis Privatsekretär. Ramsauer schildert seine Arbeit mit Pestalozzi: „wo er mir des Morgens früh von 2-6 Uhr (den Tag über hatte er äusserlich keine Ruhe, und ich Unterricht zu ertheilen und Aufsicht zu halten) bald interessante Briefe, noch öfters aber seine Ansichten und Erfahrungen über Unterricht und Erziehung, besonders aber über Armenschulen dictirte.“  Im Zusammenhang mit den zunehmenden Streitigkeiten unter den Lehrern verlies Ramsauer 1816 das Institut, ging zuerst als Lehrer an eine nach Pestalozzis Lehrmethode unterrichtende Schule in Würzburg und wechselte 1817 als Prinzenerzieher der beiden Söhne der Königin Katharina von Württemberg nach Stuttgart. Nach deren Tod kamen die Prinzen an den Hof ihres Grossvaters nach Oldenburg und Ramsauer unterrichtete dort auch die nachfolgende Prinzen- und Prinzessinnengeneration. Bis zu seinem Tod gehörte er dem Kollegium der von Prinz Peter, seinem früheren Schüler, gestifteten privaten Mädchenschule an.

-    Johannes von Muralt (1780-1850) aus dem Thurgau hatte in Zürich und Halle Theologie studiert und war von 1803-1810 Lehrer für Französisch und Religion in Pestalozzis Erziehungsinstitut in Burgdorf, Münchenbuchsee und Yverdon. Danach war er von 1810-1850 Pfarrer der deutschen reformierten Gemeinde in St. Petersburg und leitete dort zugleich von 1811-1837 eine Erziehungsanstalt. Pestalozzi liess Muralt ungern von Yverdon nach St. Petersburg wechseln, ihn verband mit Muralt ein lebenslanges freundschaftliches Verhältnis, dies bezeugen zahlreiche erhaltene Briefe Pestalozzis an Muralt und Muralts an Pestalozzi. 

-    Joseph Neef (1770-1854) aus dem Elsass war ab 1801 Lehrer in Burgdorf für Mathematik, Französisch, Zeichnen und Turnen. Neef wirkte ab 1803 in Paris, siedelte 1806 nach Philadelphia (USA) über und leitete dort von 1809-1816 eigene Erziehungsinstitute. Neef hat in Philadelphia mehrere pädagogische Texte verfasst: „Sketch of a plan and method of education“ (Philadelphia 1808) und „The method of instructing children rationelly in the arts of writing and reading“ (Philadelphia 1813). Der Biograph Keller beschreibt Neef als „Ein Vorläufer der Pestalozzibewegung in den Vereinigten Staaten“. 

-    Johann Georg Gustav Tobler (1769-1843) aus Trogen im Kanton Appenzell-Ausserrhoden war der älteste unter den ersten Mitarbeitern Pestalozzis. Nach einer entbehrungsreichen Kindheit konnte er ab 1792 in Basel Theologie studieren, das Studium aber nicht abschliessen. Danach war er Hauslehrer in Basel und richtete nach einem Besuch in Burgdorf in Basel eine eigene Erziehungsanstalt ein. Von 1803-1808 war Tobler in Burgdorf, Münchenbuchsee und Yverdon Lehrer für Geographie, Naturgeschichte und Gesang. Nach 1808 leitete er für zwei Jahre eine Fabrikschule in Mülhausen (Mulhouse) und gründete 1820 nach finanziell schwierigen Jahren in Arbon im Thurgau und ein Jahr später in St. Gallen eine Knabenerziehungsanstalt, deren Leitung er bis 1835 behielt. Danach übergab er die Leitung seinem Sohn Gustav und zog nach einer kurzen Zwischenzeit in Basel nach Nyon im Kanton Waadt, wo sein jüngerer Sohn Eduard ebenfalls ein Erziehungsinstitut leitete. Insgesamt sind aus den Jahren 1800-1803 26 Briefe von Tobler an Pestalozzi erhalten und von Pestalozzi an Tobler im gleichen Zeitraum 24 Briefe. 

-     Johannes Niederer (1779-1843) kommt eine besondere Rolle bei seiner Tätigkeit in Yverdon zu. Niederer war bereits Pfarrer, bevor er sich 1803 Pestalozzi in Burgdorf anschloss und dort als Lehrer für Religion und Sprache arbeitete. Anfangs war Niederer eng mit Pestalozzi verbunden, er verteidigte mit zahlreichen Schriften das Institut nach aussen und gab sich zunehmend als Interpret Pestalozzis aus. Niederer gilt weitgehend als Verfasser von Pestalozzis Lenzburger Rede „Über die Idee der Elementarbildung“ . Nach 1815 kam es zu Zerwürfnissen mit Pestalozzi und Schmid in der Frage um Pestalozzis Nachfolge als Leiter des Instituts. Niederers Auseinandersetzungen mit Schmid und sein erbitterter Streit mit Pestalozzi waren entscheidende Gründe für den Niedergang des Instituts und seine Auflösung 1825. Besonders dramatisch gestaltete sich Niederers endgültige Trennung von Pestalozzi mitten im Konfirmationsgottesdienst an Pfingsten 1817. Danach zog sich Niederer in das Töchterinstitut seiner Ehefrau Rossette Kasthofer zurück, das 1838 von Yverdon nach Genf wechselte. Es liegen von Niederer mehrere Veröffentlichungen zur Verteidigung von Pestalozzis Wirken in Yverdon vor, teilweise mit äusserst umständlichen Titeln.  Nach seiner Trennung von Pestalozzi verhielt sich Niederer diesem gegenüber unversöhnlich, er soll auch Biber zu seiner gegen Pestalozzi gerichteten Schrift „Beitrag zur Biographie Pestalozzi‘s“  angeregt haben.

-    Josef Schmid (1785-1851) aus Au in Vorarlberg (Österreich) war bereits 1801 als Schüler in Pestalozzis Erziehungsinstitut in Burgdorf eingetreten und wurde von 1804 bis 1810 Lehrer für Mathematik in Münchenbuchsee und Yverdon. Nach Streitigkeiten im Institut trat er 1810 aus und war bis 1815 Leiter einer Schule in Bregenz. 1815 kehrte Schmid in das Institut nach Yverdon zurück, er sollte das Institut reorganisieren und wurde zu einem wichtigen Mitarbeiter Pestalozzis. Der grösste Verdienst Schmids ist sein Anteil am Zustandekommen der 15bändigen Cotta-Ausgabe von „Pestalozzi’s sämmtliche Schriften“ in den Jahren 1819-1826. Eine ausführliche Beschreibung von Schmids Wirken findet sich bei Schönebaum  und Stadler beschreibt Schmids Wirken knapp aber wohl zutreffend: “Die Paradoxie bestand darin, dass dieser Mann um 1815 ganz entscheidend zur Rettung beigetragen hatte und nun der Anstalt langsam, aber sicher zum Verhängnis gereichte.“  Die Auseinandersetzungen mit Niederer nahmen nach 1817 sehr unschöne Formen an, bis Schmid 1824 aus dem Kanton Waadt ausgewiesen wurde und Pestalozzi 1825 das Institut in Yverdon auflösen musste. In den Jahren 1826-1851 lebte Schmid überwiegend in Paris, war zeitweise Lehrer für Mathematik, bestritt seinen Lebensunterhalt mit Übersetzungen und Privatunterricht und verfasste mehrere Schriften zum Mathematikunterricht und zur Zeichendidaktik.

III. Motive für die Lehrermobilität nach Burgdorf und Yverdon

Für die Lehrer- und Besuchermobilität hin zu Pestalozzi und seinem Erziehungsinstitut in Burgdorf und später in Yverdon können drei Motive herausgearbeitet werden:

  1. Zuerst war es die Unzufriedenheit mit dem desolaten und als bedrückend empfundenen Zustand der allgemeinen Volksbildung, hierfür zeichnet die Stapfer-Enquête von 1799  ein eindrucksvolles Bild dieser Zustände vor allem in der ländlichen Schweiz. Philipp Albert Stapfer , der Minister der Künste und Wissenschaften der Helvetischen Republik, hatte diese Umfrage in Auftrag gegeben. Er war bemüht, das Niveau der allgemeinen Schulbildung anzuheben und hat Pestalozzi den Aufbau des Erziehungsinstituts in Burgdorf ermöglicht. Es war nicht der Zustand der höheren Bildung, dieser war in den grösseren Städten für die privilegierte Bevölkerung durchaus anspruchsvoll und in wohlhabenden Familien war eine gute Ausbildung der Kinder durch Privatlehrer und Privatunterricht weit verbreitet, aber die allgemeine Volksbildung - das betraf einen grossen Teil der städtischen Bevölkerung und ganz besonders die Landbevölkerung - war erschreckend niedrig. Soweit ein Schulbesuch überhaupt möglich war, beschränkte er sich weitgehend auf das Auswendiglernen von Katechismusfragen und -antworten, das Singen von Kirchenliedern, im Rechnen allenfalls auf das kleine Einmaleins und eventuell auf Lesen und Schreiben durch Lesen und Abschreiben von Liedtexten und Bibelstellen. Die Lehrer waren häufig ausgediente Soldaten oder Söldner, die mit körperlicher Züchtigung eine strenge Disziplin herstellten. Schulherr war in der Regel der Dorfpfarrer, der meist aus dem privilegierten städtischen Milieu stammte. Pestalozzi hatte diese Verhältnisse bei den häufigen Besuchen bei seinem Grossvater, der Dorfpfarrer in Höngg bei Zürich gewesen war, selbst gesehen. Aus diesen Eindrücken erklärt sich Pestalozzis lebenslanges Bemühen zur Verbesserung der Lebensumstände vor allem der armen und rechtlosen Landbevölkerung.
  1. Ein zweites Motiv nach Burgdorf zu kommen, war Pestalozzis Bekanntheit als Schriftsteller. Diese Bekanntheit ging von dem 1781 erschienenen ersten Band von „Lienhard und Gertrud“ aus, dem 1783 ein zweiter, 1785 ein dritter und 1787 ein vierter Teil folgte. Hinzu kam Pestalozzis Bekanntheit als politisch agierende Person: 1792 war Pestalozzi zusammen mit Friedrich Schiller, Joachim Heinrich Campe, Friedrich Gottlieb Klopstock, George Washington, Tadeusz Kościuszko und weiteren 11 Personen, die den politischen Ereignissen im revolutionären Frankreich positiv gegenüberstanden, von der französischen Nationalversammlung zum Ehrenbürger der Französischen Republik ernannt worden. Diese Ehrung erfolgte am 26. August 1792, die nachfolgenden Septembermorde und die Hinrichtung des französischen Königs Ludwig XVI. am 21. Januar 1793 änderten allerdings die Einstellung der meisten Geehrten, auch die Einstellungen Pestalozzis. 
  1. Für die grosse Bekanntheit von Pestalozzi und seinem Erziehungsinstitut kam in der zweiten Hälfte der Burgdorfer Jahre und in Yverdon als weiterer Grund hinzu: In pädagogisch interessierten Kreisen wurde das 1801 erschienene Werk „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt, ein Versuch den Müttern Anleitung zu geben, ihre Kinder selbst zu unterrichten in Briefen von Heinrich Pestalozzi“ (PSW 13, S. 181-359) sehr bekannt. Gleichzeitig erschienen zahlreiche Berichte in Zeitungen und Zeitschriften über Pestalozzis Erziehungsinstitut und zusätzlich machte das Institut durch eine recht wirksame Selbstvermarktung auf sich aufmerksam, wozu die Veröffentlichungen und die umfangreiche Korrespondenz von Pestalozzi und seinen Mitarbeitern wesentlich beitrugen. Auch die Besucher des Instituts trugen ihre Eindrücke mündlich und oft in Veröffentlichungen weiter. 

    Wesentlich wurde der Begriff der „Methode“, erste Schulen ausserhalb der Schweiz nannten ihren Unterricht „nach der pestalozzischen Methode“. Pestalozzi hat den Begriff der „Methode“ oft in unterschiedlichen Formulierungen und in Verbindung mit „Elementarbildung“ bzw. „methodischer Elementarbildung“ gebraucht. „Methode“ meint letztlich die naturgemässe Entwicklung der sittlichen, geistigen und physischen Grundkräfte des Menschen. Für Pestalozzi muss diese Entwicklung mit der Mutter-Kind-Beziehung beginnen, für ihn ist die „Wohnstube“ die Voraussetzung jeder gesunden Entwicklung. Der Begriff der „Methode“ ist bei Pestalozzi einmal ein Programm zur Rettung des Menschen durch Bildung und Erziehung und einmal eine Unterrichtsmethode zur Verbesserung des Unterrichts vornehmlich im Lesen, Schreiben und Rechnen.  Eng verbunden mit dem Begriff der Methode sind die Anschauung, die Elementarbildung und die Kräftebildung. Dieses Verständnis der Methode ist weit interpretierbar und führte daher oft zu sehr unterschiedlichen Ausprägungen in Schulen, die sich auf Pestalozzi oder die pestalozzische Methode bezogen.

IV. Besucher und Lehrer in Pestalozzis Erziehungsinstitut in Burgdorf und Yverdon

In der zweiten Hälfte der Burgdorfer Jahre und in Yverdon müssen es hunderte von Besuchern gewesen sein, denn Pestalozzi war fast täglich mit Besuchern und Besuchergruppen in seinem Institut unterwegs, um diese durch das Haus zu führen und am Unterricht in den einzelnen Klassen teilhaben zu lassen. 

Die Quellenlage zu den Besuchern und Lehrern ist nicht sehr günstig, es gibt keine allein auf diese Gruppe bezogene Darstellungen. Meine Quellen sind die Angaben bei Schönebaum, der den Personen um Pestalozzi eigene Kapitel widmet,  Monographien zu einzelnen Personen, Recherchen im Internet und eigene Nachforschungen, wobei die Veröffentlichungen der Besucher und Lehrer, besonders deren Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge heute teilweise schwer zu ermitteln und noch schwerer zu beschaffen sind. In meiner Darstellung beschränke ich mich auf wenige ausgewählte Personen.

-    Johann Friedrich Herbart (1776-1841), der später als Professor in Königsberg und Göttingen wirkte und zu einem der berühmten und einflussreichsten Pädagogen des 19. Jahrhunderts werden sollte, hat Pestalozzi mehrfach in Burgdorf besucht und über seine Besuche berichtet: „Pestalozzi‘s Idee eines ABC der Anschauung als ein Cyklus von Vorübungen im Auffassen der Gestalten wissenschaftlich ausgeführt“ (Göttingen 1804). Später hat sich Herbart bemüht, Pädagogik zur Wissenschaft zu erheben im Gegensatz zu der in seinen Augen eher unwissenschaftlichen Erziehung in Burgdorf und Yverdon. Anfangs ging Herbart in seiner Pädagogik von der Selbstentfaltung des Kindes aus und entwickelte darauf die Formalstufentheorie: Klarheit, Assoziation, System und Methode. In der Nachfolge von Herbart machte der sog. Herbartianismus daraus ein strenges Regelwerk, das dem Kind bzw. dem Schüler nur wenig Freiraum zur Selbstentfaltung liess. 

-    Der Pfarrer und Pädagoge Johann Ludwig Ewald (1748-1822)  hielt sich 1804 mehrere Wochen in Burgdorf auf. Ewald hatte Theologie in Marburg und Göttingen studiert, war danach Pfarrer in der Grafschaft Hanau und in Offenbach, Hofprediger und Superintendant in Lippe-Detmold und von 1796-1805 Pfarrer an der St. Stephanikirche in Bremen. 1805 wurde Ewald zum Professor für Theologie an die Universität in Heidelberg berufen und ab 1807 war er zugleich badischer Kirchenrat in Karlsruhe. Vor allem in Lippe-Detmold und Bremen setzte er sich nachdrücklich für eine Reform des Elementarschulwesens im pestalozzischen Verständnis ein. Ewalds Verdienste begründen sich sowohl in der theoretischen als auch in der praktischen Auseinandersetzung mit der Pädagogik Pestalozzis, unter seinen zahlreichen Veröffentlichungen, meist theologischen oder philosophischen Inhalts, findet sich  eine  umfangreiche Veröffentlichung zu Pestalozzi: „Geist und Vorschritte der Pestalozzischen Bildungsmethode, psychologisch entwickelt“ , eine Zusammenstellung von 11 Vorlesungen zu Pestalozzis Pädagogik, beginnend mit „Grundsätze einer naturgemässen Bildungsmethode“. 

-    Johann Heinrich Jung-Stilling (1740-1817) wurde als Johann Heinrich Jung geboren, er wurde „Jung-Stilling“ genannt, weil er zu den „Stillen im Land“, den Pietisten, gehörte. Jung-Stilling ist bekannt als Augenarzt, Staatsrechtler, Wirtschaftswissenschaftler und produktiver pietistisch orientierter, mystisch spiritualistischer Schriftsteller. Jung-Stilling hat ein wechselvolles Leben hinter sich, er ist in Grund, heute ein Ortsteil von Hilchenbach im Kreis Siegen-Wittgenstein im Südwesten des Rothaargebirges in einer streng pietistisch ausgerichteten Familie geboren und besuchte dort die Dorf- und Lateinschule. Mit 22 Jahren ging er als Kaufmannsgehilfe und Lehrer von dessen Kindern zu einem Fernhandelskaufmann ins Bergische Land und lernte als Autodidakt die Fremdsprachen Französisch, Griechisch und Hebräisch. Von 1770 bis 1772 studierte er in Strassburg Medizin und lernte dort auch Goethe und Johann Gottfried Herder kennen. Danach liess er sich als Augenarzt in Elberfeld (Wuppertal) nieder und operierte lebenslang Patienten am Grauen Star. Aufgrund seiner technischen und ökonomischen Aufsätze erhielt er einen Ruf als Professor an die Hohe Schule in Kaiserslautern und wechselte mit dieser 1784 nach Heidelberg. Von 1787-1803 war er Professor für ökonomische Wissenschaften an der Universität Marburg/Lahn und wurde 1803 vom badischen Grossherzog Karl Friedrich zum Geheimen Hofrat berufen. Neben den in Marburg entstandenen Lehrbüchern zur Kameralwissenschaft, Finanzwissenschaft, Landwirtschaft und Tierarzneikunde sind vor allem die vierbändige Romanreihe „Das Heimweh“ (1794-1796) und eine von Jung-Stilling abgefasste fünfbändige autobiografische Reihe aus den Jahren 1777- 1804 beachtenswert. Mit seinen Romanen und Erzählungen wurde Jung-Stilling zu einem der führenden Erbauungsschriftsteller der Erweckungsbewegung. Nachdem er 1802 Pestalozzi in Burgdorf besucht hatte, wurde er zu einem eifrigen Befürworter Pestalozzis im Grossherzogtum Baden. Die sich für Pestalozzi einsetzende Einflussnahme in Karlsruhe überrascht, kam doch die Kritik an Pestalozzi gerade von strenggläubiger pietistischer Seite, die Pestalozzi das wahre Christentum absprach.

-    Johann Heinrich Anton Torlitz (1777-1834) aus Dänemark hat 1807 zusammen mit Johann Christian Ludwig Ström auf Veranlassung des Grafen Ernst Heinrich Schimmelmann Pestalozzis Institut in Burgdorf besucht. Von 1807-1824 war Torlitz Hauslehrer in Russland und veröffentlichte: „Reise in die Schweiz und einem Theile Italiens im Jahre 1803. Veranlasst durch Pestalozzi und dessen Lehranstalt“ (Kopenhagen u. Leipzig 1807, VI, 374 S.).

-    Karl Viktor von Bonstetten (1745-1832) aus Bern besuchte zusammen mit Ignaz Heinrich von Wessenberg (1774-1860) 1801 Pestalozzis Institut in Burgdorf und nochmals 1805 das Institut in Yverdon. Nach seinem ersten Besuch hielt sich Bonstetten längere Zeit in Dänemark auf und machte dort den einflussreichen Graf Ernst Heinrich Schimmelmann auf Pestalozzi aufmerksam. Wessenberg, der Bonstetten bei seinem ersten Besuch begleitet hatte, wurde von 1802-1821 Generalvikar des Bistums Stans und später als ein liberaler Vertreter des Katholizismus Generalvikar in Konstanz. Allerdings scheiterte seine Ernennung zum Bischof an der Ablehnung aus Rom.

-     Marc Antoine Jullien (1775-1848) hat als französischer Politiker, Diplomat, General und Schriftsteller Pestalozzi ab 1810 mehrfach in Yverdon besucht, seine beiden Söhne in Pestalozzis Institut unterrichten lassen und weitere Lehrer und französische Schüler nach Yverdon vermittelt. Jullien hat Schriften über Pestalozzi abgefasst, u.a. „Esprit de la méthode d’éducation de Pestalozzi, suivie et pratiquée dans l‘institut d’éducation d’Yverdon, en Suisse“ (Mailand 1812).

-    James Pierpont Greaves (1777-1842) stammte aus Merton in der Grafschaft (County) Surrey südlich von London. Greaves war von 1818-1822 Lehrer in Clindy und Yverdon. In England setzte er sich intensiv für die pestalozzischen Ideen ein, für Einrichtungen der Kleinkinderziehung und Einrichtungen für arbeitslose Industriearbeiter. In englischer Sprache sind von Pestalozzi die an Greaves gerichteten „Letters on early Education“ erhalten, aber nicht mehr das deutsche Original dieser Briefe. 

Von Pestalozzis langjährigen Mitarbeitern in Yverdon liegen zahlreiche Äusserungen zu ihrem Aufenthalt in Yverdon vor. Auf der einen Seite zeigen diese Schilderungen die grosse Anziehungskraft Pestalozzis und seines Erziehungsinstituts für Besucher, Lehrer und Schüler, in der Realität gab es aber auch eine andere Seite, Blochmann schreibt: 

„Die Räume des Schlosses waren düster, wie die alter Ritterschlösser, nur nothdürfig für das Unentbehrlichste eingerichtet … In jedem der zwei gossen, theilweise nicht einmal gedielten Schlafsäle schliefen über sechzig Zöglinge und sechs Lehrer; ausserdem gab es in dem alten Schlosse wohl grosse Esssäle und Lehrsäle, aber ausser Pestalozzi’s und seiner Gattin beengtem Gemache nicht ein gemüthliches Zimmer, um Lehrer oder Zöglinge aufzunehmen. Die Wohnstube, die doch sonst für Pestalozzi der ideale Mittelpunkt aller gedeihlichen Jugendbildung war, fehlte ganz, und die kleinen sechs- bis achtjährigen Kindlein irrten oft wie verscheucht und heimathlos umher.“ 

-      Karl Justus Blochmann (1786-1855) war sieben Jahre von 1809-1816 als Lehrer für Religion, Geographie und deutsche Sprache in Yverdon tätig, bereits vor seinem Aufenthalt in Yverdon hatte er Theologie studiert. Nach seiner Tätigkeit in Yverdon schloss Blochmann sein Theologiestudium ab und gründete in Dresden eine höhere private Bildungsanstalt, die sich 1828 mit dem Vitzthumschen Gymnasium vereinigte und sich danach zu einer deutschlandweit bekannten Bildungseinrichtung entwickelte. 1851 übergab Blochmann die Direktion an seinen Schwiegersohn Georg Bezzenberger. Blochmann starb 1855 in Lancy bei Genf beim Besuch seiner Tochter Johanna, die in Lancy mit Carl Haccius verheiratet war, der dort ein Erziehungsinstitut aufgebaut hatte. Zur Wiederkehr von Pestalozzi 100. Geburtstag 1846 legte Blochmann eine umfassende Darstellung von dessen Leben und Werk vor: „Heinrich Pestalozzi. Züge aus dem Bilde seines Lebens und Wirkens nach Selbstzeugnissen, Anschauungen und Mittheilungen“.  In dieser Darstellung finden sich viele Eindrücke, die unverändert bis in die neueste Literatur Eingang gefunden haben: Das Versprechen der Dienstmagd Babeli gegenüber dem sterbenden Vater Pestalozzis, lebenslang bei der Familie zu bleiben, die Eindrücke des jungen Pestalozzi bei den Aufenthalten bei seinem Grossvater in Höngg, der Einfluss von Bodmer und Breitinger am Zürcher Gymnasium und der grosse Einfluss Rousseaus auf Pestalozzis Entwicklung. Bei aller Sympathie und Bewunderung Blochmanns für Pestalozzi stören allerdings dessen Deutschtümelei und pietistische Grundeinstellung, wonach Pestalozzi immer nur vom reinen Herzen der Kinder ausgegangen sei, aber den Keim der Sünde in jedem Menschen verkenne. Nach Blochmanns Einschätzung hat sich Pestalozzi bei der Bearbeitung der Elementarmittel für die kindliche Entwicklung mit der Reduzierung der elementaren Sprachlehre auf Schall, Ton und Laut sicher etwas verrannt, aber im „Schwanengesang“ von 1826 habe Pestalozzi dieses Vorgehen selbst als einseitig und lebensfernen Formalismus angesehen. Der Unterricht in Yverdon entsprach durchweg nicht den von Pestalozzi aufgestellten Leitlinien der Elementarbildung, sondern verlief eher „chaotisch“ und im ganzen konventionell: 

„In der Vertheilung und Ertheilung der Stunden herrschte viel Willkühr und Unordnung, da es an einem durchgreifenden Leiter und Ueberwacher des Ganzen fehlte. Jeder nahm sich fast mehr seine Unterrichtsstunden, als dass sie ihm zugewiesen wurden, und verfuhr in denselben nach Gutdünken und Willkühr. Ich war jahrelang Lehrer, ohne dass auch nur irgend Jemand nach dem Gange gefragt hätte, den ich beim Unterrichten in der Religion, Geographie und deutschen Sprache nahm, und ausser den Fremden besuchte mich kein Mensch in meinen Stunden. Jeder Einzelne ging seinen Weg.“  

-    Wilhelm Christian von Türk (1774-1846) hatte Jura studiert, 1805 erstmals Pestalozzis Institut in Yverdon besucht und war dort von 1808-1811 Lehrer für Sprache und Naturwissenschaft. Danach gründete er ein eigenes Erziehungsinstitut in Vevey, wurde 1815 Schulrat in Frankfurt/Oder und 1818 in Potsdam. Dort gründete er Fürsorgeeinrichtungen, förderte die Seidenraupenzucht, veröffentlichte mehrere Bücher zu seinen pädagogischen und sozialen Projekten und zu Pestalozzi: „Briefe aus München-Buchsee über Pestalozzi und seine Elementarbildungs-Methode. Ein Handbuch für alle die, welche dieselbe anwenden und Pestalozzi‘s Elementarbücher gebrauchen lernen wollen, vorzüglich für Mütter und Lehrer bestimmt“ (2 Bde., Leipzig 1806). 

-    Theodor Schacht (1786-1870) war wohl ein uneheliches Kind des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel, den Besuch des Gymnasiums und sein Studium finanzierte er durch Hauslehrertätigkeiten. Zuerst studierte er Theologie in Helmstedt und ab 1807 Geschichte, Philosophie und Pädagogik in Göttingen. 1810 ging Schacht als Geschichtslehrer nach Yverdon und unterrichtete zusätzlich Geographie. 1813 leistete er ein freiwilliges Kriegsjahr in der preussischen Armee und übernahm danach eine Stelle als Geschichtslehrer an den Schulen von Philipp Emanuel von Fellenberg in Hofwil. 1815 wechselte er an eine Schule in Darmstadt und übernahm am 1. Januar 1818 eine Professur für Geschichte am Grossherzoglichen Gymnasium in Mainz. Nach dem Wiedererstarken des Katholizismus in Mainz liess sich der Protestant Schacht vorzeitig pensionieren. Schacht wurde Mitglied des Landtags des Grossherzogtums Hessen in Darmstadt und wechselte danach in die Schulverwaltung, wobei sein Bemühen der Aufwertung der Realien an den überwiegend sprachlich ausgerichteten Gymnasien galt. Als Direktor der Realschule Darmstadt war er massgeblich an deren Aufwertung zur Höheren Gewerbeschule beteiligt, aus der sich später die Technische Universität Darmstadt entwickelte. Unter Schachts zahlreichen Veröffentlichungen zur Geographie und Geschichte ragt besonders das „Lehrbuch der Geographie alter und neuer Zeit mit besonderer Rücksicht auf die politische und Kulturgeschichte“  heraus, das trotz seines Umfangs von ca. 800 Seiten noch zu seiner Lebzeit sieben Auflagen erlebte. Schacht war mit seiner ehemaligen Schülerin Emilie aus Yverdon verheiratet, mit der er fünf Kinder bekam.

-    Carl Ritter (1779-1859) aus Quedlinburg war Schüler an Salzmanns Philanthropinum in Schnepfenthal und danach Hauslehrer bei Bankier Bethmann-Hollweg in Frankfurt/Main gewesen. Er besuchte 1805 und 1809 mehrmals Pestalozzis Institut in Yverdon und blieb auch später in Verbindung mit Pestalozzi. Ritter nahm besonders Einfluss auf die Ausgestaltung des Geographieunterrichts, 1820 wurde er Professor in Berlin und gilt als Begründer der wissenschaftlichen Geographie. Martin hat Ritters Verhältnis zu Pestalozzi und seine Bedeutung für die Weiterentwicklung der Geographie und ihrer Didaktik im Sinne von Pestalozzis Methode herausgearbeitet. 

-    Wilhelm Heinrich Ackermann (1789-1848) studierte nach seinem Schulabschluss Theologie in Leipzig. Als Hauslehrer für englische Schüler ging er mit diesen von 1811-1813 nach Yverdon, 1813 trat er als Freiwilliger in das Lützowsche Freikorp ein und nahm an den Kämpfen bis zum Einzug in Paris teil. Danach nahm er seine Lehrertätigkeit wieder auf und wurde erneut Lehrer in Yverdon. 1819 ging er nach Frankfurt/Main an die dortige Musterschule und war bis 1847 Lehrer für Deutsch und Geschichte. Ackermann starb 1848 und ist in einem Ehrengrab auf dem Frankfurter Hauptfriedhof begraben. Zu Pestalozzis 100. Geburtstag veröffentlichte er: „Erinnerungen aus meinem Leben bei Pestalozzi, mitgetheilt den 12. Januar 1846 an seinem hundertjährigen Geburtsfeste in Frankfurt am Main“ (Frankfurt 1846). 

-    Johann Elias Mieg (1770-1842) hielt sich nach seinem Theologiestudium in Heidelberg von 1807-1810 als Privatlehrer von Abraham Willemer aus Frankfurt/Main in Yverdon auf und unterrichtete dort auch selbst. Nach Aufenthalten in Italien und als Feldprediger in Frankreich kam er nochmals 1813 nach Yverdon, jetzt als Erzieher der Söhne des Fürsten von Isenburg. In den Jahren 1816-1818 bemühte sich Mieg intensiv um eine Schlichtung des virulenten Lehrerstreits. Pestalozzi wünschte sich Mieg als Lehrer und Nachfolger am Institut, wozu sich dieser aber nicht in der Lage sah. Beide standen in dieser Zeit in einem intensiven Briefverkehr, Mieg setzte sich auch schriftlich intensiv für Pestalozzi ein, er schrieb z.B. in GutsMuths „Neuer Bibliothek für Pädagogik“ unter dem 09. Juli 1811 „Bemerkungen über die über Pestalozzi in den Gelehrten Göttingischen Anzeigen gemachten Beschuldigungen“ . In den Jahren 1817/18 kam es zu einer weiteren Annäherung zwischen Mieg und Pestalozzi, Mieg beriet Pestalozzi bei der geplanten Kooperation mit Fellenberg und schrieb am 12. Januar 1818 „Gott, was könntet Ihr ausrichten, wenn Ihr zusammenhaltet!“ 

-    Philipp Jakob Nabholz (1782-1842) war ein Benediktinermönch, hatte in Freiburg i.Br. Theologie, Philosophie und Mathematik studiert und 1806 die Priesterweihe erhalten. 1810 übernahm Nabholz die Leitung des Priesterseminars in Kreuzlingen und hielt sich 1807-1808 und nochmals 1817 in Pestalozzis Erziehungsinstitut in Yverdon auf. Das Angebot Pestalozzis, die Leitung des Instituts zu übernehmen, konnte er nicht annehmen, der Orden rief ihn nach Deutschland zurück. Nabholz wurde danach Pfarrverweser in Waldkirch, einem Ortsteil von Waldshut-Tiengen und leitete zuletzt das katholische Lehrerseminar des Landes Baden in Meersburg am Bodensee. Nabholz galt als Vertreter eines offenen liberalen Katholizismus, von konservativer Seite wurde ihm vorgeworfen, er besitze keinen Funken Christentum. Von Nabholz sind mehrere pädagogische Veröffentlichungen erhalten, u.a.: „Leitfaden zum deutschen Sprachunterrichte für Elementarschulen.“ (Karlsruhe u. Freiburg 1839), zusammen mit K. Jung: „Anleitung zur Ertheilung des Schreiblese-Unterrichtes.“ (Karlsruhe 1845) und nach seinem Tod erschien: „Gott-Büchlein oder erster Unterricht von Gott und Jesus Christus nebst Vorübungen zum Gedrucktlesen nach der Nabholz'schen Schreiblesemethode für Badens Elementarschulen.“ (Rastatt 1858). 

Von den ca. 20 preussischen Eleven  können nur wenige angeführt werden, letztlich wurden alle nach ihrer Rückkehr in Preussen als Leiter von Schulen, in der Lehrerbildung oder in der Schulverwaltung tätig. Am 29. November 1810 berichtete Pestalozzi dem preussischen Staatsrat im Innenministerium, Johann Wilhelm von Süvern (1775-1829), sehr positiv über die Eleven Kawerau, Henning, Preuss und Dreist, aber auch, dass Ksionzek nicht bleiben wolle.  In einem späteren Brief vom 24. Dezember 1816 gab Pestalozzi Rechenschaft über erhaltene Zahlungen, ihre Verwendung und berichtete gleichzeitig über die Fortschritte der Eleven Baltrusch, Steeger und Ruge. 

-    Peter Friedrich Theodor Kawerau (1789-1844) hielt sich von 1809-1812 als preussischer Eleve in Yverdon auf. Nach seiner Rückkehr war er erst Lehrer in Bunzlau (Niederschlesien), danach Leiter einer Erziehungsanstalt in Jenkau bei Danzig und Leiter eines Waisenhauses in Königsberg. 1828 wurde er Seminardirektor in Bunzlau und 1837 Regierungs- und Schulrat in Köslin (Westpommern). Kawerau war seit 1814 mit einer Schülerin aus dem Töchterinstitut in Yverdon verheiratet.

-    Karl August Gottlieb Dreist (1784-1836) aus Rügenwalde an der Ostsee (heute Polen) war ebenfalls von 1809-1812 preussischer Eleve in Yverdon. Nach seiner Rückkehr wurde er Seminarlehrer in Bunzlau, danach Lehrer an Plamanns Institut in Berlin und ab 1827 Sachbearbeiter für Seminar- und Volksschulangelegenheiten im Berliner Innenministerium. 1834 wurde er zum Regierungs- und Schulrat in Stettin (Westpommern) berufen.

-    Johann Wilhelm Mathias Henning (1783-1868) war zuerst Hauslehrer in Basel und von 1809-1812 Lehrer am Institut in Yverdon. Danach wurde er Seminarlehrer in Bunzlau und von 1827-1851 Seminardirektor in Köslin (Westpommern). 1857 zog er nach Zürich, hat geographische Lehrbücher und auch Veröffentlichungen zu Pestalozzi abgefasst, so schon 1812: „Leitfaden beim methodischen Unterricht in der Geographie“ (Iferten). 

-    Johann Wilhelm Preuss (1790-1867) aus Tilsit in Ostpreussen hielt sich von 1809-1811 in Yverdon auf. Nach seiner Rückkehr wurde er Lehrer am Lehrerseminar in Karalene (Ostpreussen, heute Teil der russischen Enklave Königsberg/Kaliningrad) und von 1825-1857 dessen Direktor. Das Schullehrerseminar in Karalene sollte zur Verbesserung der Schulverhältnisse in den polnisch- und litauischsprachigen Teilen Preussens dienen.

V. Erziehungsinstitute in Deutschland

Pestalozzis Erziehungsinstitut, zuerst in Burgdorf und danach in Yverdon, war nicht der einzige Ort, an dem sich junge Lehrer auf ihre Lehrertätigkeit vorbereiteten:

-    Das Philanthropinum  in Dessau von Johann Bernhard Basedow

Basedow (1724-1790) war nach seinem Theologiestudium zuerst Hauslehrer, aus seinen ersten beruflichen Stationen wurde er aufgrund seiner liberalen und rationalistischen Positionen entlassen. 1774 eröffnete Basedow das Philanthropinum in Dessau, um dort Kinder verschiedener Herkunft im Sinne eines aufklärungspädagogischen Gedankenguts zu unterrichten. Basedow gewann pädagogische Reformer als Mitarbeiter wie Joachim Heinrich Campe, Ernst Christian Trapp, Christian Gotthilf Salzmann und Christian Heinrich Wolke. Er wollte keine Paukschule errichten, sondern Lernen durch Anschauung und Selbsttätigkeit ermöglichen. Nach Streitigkeiten in der Lehrerschaft musste er 1793 das Philanthropinum schliessen, Basedow galt als herrschsüchtig und in finanziellen Dingen als wenig verlässlich. Danach arbeitete er nur noch als Schriftsteller, von seinen Veröffentlichungen ist besonders: „Das Basedowische Elementarwerk. Ein Vorrath der besten Erkenntnisse zum Lernen, Lehren, Wiederholen und Nachdenken“ hervorzuheben.  Zu diesem Elementarwerk gehörten Kupfertafeln von Daniel Chodowiecki , die auf anschauliche Weise den Text illustrieren. Mit diesem Elementarwerk entstand das erste moderne Realienbuch, das Text, Bild und Sachinformation miteinander verband.

-    Das Philanthropinum in Schnepfenthal von Christian Gotthilf Salzmann

Salzmann (1744-1811) hatte zuerst Theologie studiert und als Pfarrer gearbeitet. Nachdem er von 1781-1784 als Lehrer an Basedows Philanthropinum in Dessau gearbeitet hatte, gründete er 1784 ein eigenes Erziehungsinstitut in Schnepfenthal in Thüringen, 22 km südwestlich von Gotha. Als Mitarbeiter gewann er Johann Christoph Friedrich GutsMuths (1759-1839). Hatte schon Salzmann erste Turnübungen in Schnepfenthal eingeführt - die historischen Turngeräte in Schnepfenthal sind noch heute zu besichtigen -, so hat GutsMuths diese weiter ausgebaut. GutsMuths wandelte sich vom kosmopolitischen Weltbürger und Aufklärer zunehmend zu einem deutschen Nationalerzieher: Gymnastik und körperliche Erziehung wurden bei ihm zur vormilitärischen Kräftebildung. GutsMuths wurde in Schnepfenthal auch zum Lehrer von Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852), der als „Turnvater Jahn“ bis heute bekannt ist. Salzmann und GutsMuths waren sehr produktive Schriftsteller, von Salzmann sind u.a. zu nennen: „Krebsbüchlein oder Anweisung zu einer unvernünftigen Erziehung der Kinder“ (1780), „Konrad Kiefer oder Anweisung zu einer vernünftigen Erziehung“ (Schnepfenthal 1796) und „Ameisenbüchlein oder Anweisung zu einer vernünftigen Erziehung der Erzieher“ (1806).  Von GutsMuths ist zu nennen: „Gymnastik für die Jugend“ (1793), das in der 2. Aufl. 1804 den Untertitel „Ein Beytrag zur schulischen Verbesserung der körperlichen Erziehung“ erhielt, wobei in diesen beiden Auflagen der Wandel im Denken von GutsMuths vom Aufklärer zum Nationalerzieher deutlich wird.  Nach 1800 ist GutsMuths Herausgeber der Zeitschrift „Bibliothek der Pädagogischen Literatur“ .

-    Die Erziehungsanstalt in Hamburg von Joachim Heinrich Campe

Campe (1746-1818) hatte zunächst Theologie studiert, war zeitweilig Pfarrer in Potsdam und Hauslehrer der Familie Humboldt gewesen. Als Lehrer trat er in das Philanthropinum von Basedow in Dessau ein, aber die Erziehungsmethoden für die dort betreuten Söhne wohlhabender Kaufmannsfamilien sagten ihm nicht zu, und er gründete 1777 am Hammer Deich in Hamburg eine eigene Erziehungsanstalt. Diese übergab er 1783 an Ernst Christian Trapp (1745-1818) und widmete sich danach verstärkt seiner schriftstellerischen Arbeit. Campe gilt mit seinen zahlreichen Kinder- und Jugendromanen zusammen mit Christian Felix Weise und Christian Gotthilf Salzmann als Begründer einer spezifischen Kinder- und Jugendliteratur, von Campe sind vor allem seine Bearbeitungen des Robinson hervorzuheben.  1786 sollte er als „Hochfürstlicher Schulrath“ das Schulwesen des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel reformieren und gründete dort gleichzeitig die Braunschweigische Schulbuchhandlung. Campe hatte zusammen mit seinem ehemaligen Schüler Wilhelm von Humboldt kurz nach dem Sturm auf die Bastille Paris besucht und erhielt 1792 die Ehrenbürgerschaft der Französischen Republik. In seinen Studien zur deutschen Sprache hat er zahlreiche Fremdwörter eingedeutscht, z.B. Erdgeschoss für Parterre oder fortschrittlich für progressiv, nicht durchgesetzt haben sich dagegen Heiltümelei für Reliquie oder Schalkernst für Ironie.  Allerdings sind diese Vorschläge Campes aufklärerisch und nicht deutschtümelnd zu verstehen.

-    Friedrich Eberhard von Rochow (1734-1805) und sein Wirken in Reckahn für die deutsche Volksaufklärung und Schulreform. 

Rochows Wirken für eine Schulreform geht nicht von einem Bürgerlichen oder Pfarrer aus, sondern von einem aufgeklärten preussischen Adligen und Gutsbesitzer. Rochow hatte in Dom Brandenburg eine Ritterakademie durchlaufen und an Feldzügen des siebenjährigen Krieges (1756-1763) teilgenommen. Nach Verletzungen widmete er sich ab 1760 der Landwirtschaft und wissenschaftlichen Arbeiten. Rochow wollte die landwirtschaftliche Produktion auf seinen Gütern ertragreicher gestalten, aber der Bildungsstand der Bauern und Gutsarbeiter reichte für diese Reformen nicht aus. So gründete er zehn km südlich der Stadt Brandenburg auf seinem Gut Reckahn eine Dorfschule, um die Lage der Landarbeiter zu verbessern, die zum Vorbild für ähnliche Anstalten in Deutschland wurde. Rochows Bekanntheit beruhte auf seinen Veröffentlichungen, an erster Stelle „Der Kinderfreund. Ein Lesebuch zum Gebrauch in Landschulen“. (Erster und zweiter Theil. Brandenburg u. Leipzig 1776 u. 1779).  Sein Reformprojekt zog zahlreiche Interessierte nach Reckahn, seine guten Beziehungen zum preussischen Hof und seine Verbindungen zu den Philanthropien von Basedow und Salzmann taten ein übriges. Im restaurierten Schloss Reckahn ist heute ein Rochow-Museum eingerichtet und in der ehemaligen Dorfschule ein Schulmuseum. 

-    Die Musterschule in Frankfurt/Main und das Wirken von Gottlieb Anton Gruner  

1803 wurde diese Schule in Frankfurt/Main von Wilhelm Friedrich Hufnagel als Realschule gegründet, sie sollte eine Probier- und Experimentierschule für die pädagogischen Konzepte im Geiste Pestalozzis werden und erhielt daher den Namen „Musterschule“. Der erste Schulleiter war Friedrich August Klitscher, für ein Jahr Friedrich Wilhelm August Fröbel und von 1805-1810 Gottlieb Anton Gruner. Gruner (1778-1844) hatte in Göttingen und Jena Theologie und Philosophie studiert, war Schüler von Trapp und Salzmann und Hauslehrer des Ministers von Bernsdorff gewesen. 1801 besuchte Gruner das Pestalozzische Erziehungsinstitut in Burgdorf und war dort von 1803-1804 Lehrer. Nach seinem Ausscheiden aus der Musterschule wurde er 1810 Gymnasialprofessor für Geschichte und hebräische Sprache in Coburg und danach von 1817-1827 Leiter des simultanen Lehrerseminars in Idstein/Taunus. Von Gruner liegen Veröffentlichungen vor, u.a.: „Briefe aus Burgdorf über Pestalozzi, seine Methode und Anstalt“.  Gruner war langjähriger Korrespondenzpartner Pestalozzis, die Musterschule besteht trotz wechselvoller Geschichte bis heute als Gymnasium mit offener Ganztagsschule und einem Schwerpunkt auf musikalischer Bildung.

-    Die Plamannsche Erziehungsanstalt in Berlin  

Nach einem Theologiestudium in Halle unterrichtete der aus Repzin in der Neumark stammende Johann Ernst Plamann (1771-1834) zuerst an Berliner Privatschulen, 1803 war er für mehrere Wochen in Pestalozzis Erziehungsinstitut in Burgdorf und nochmals 1812 in Yverdon. Plamann war von Pestalozzis Methode begeistert und nach seiner Rückkehr eröffnete er eine Schule in Berlin, um diese zu einer Musterschule für die pestalozzische Methode auszubauen. Es gelang ihm, fähige Lehrer in seiner Schule zu beschäftigen, darunter Karl August Gottlieb Dreist, der sich davor als preussischer Eleve drei Jahre in Yverdon aufgehalten hatte. Noch 1818 erhielt Plamann den Titel Professor, aber die Karlsbader Beschlüsse von 1819 machten die Arbeit der reformorientierten Anstalt zunehmend schwierig und 1827 musste Plamann seine Anstalt schliessen. Von ihm sind u.a. die Schriften „Anordnung des Unterrichts für die Pestalozzische Knabenschule in Berlin“ und „Zurechtweisung des Herrn Directors Snethlage in seinem abermaligen Eifer über Pestalozzi’s Methode“.  Der bekannteste Schüler der Plamannschen Erziehungsanstalt war der spätere Reichskanzler Otto von Bismarck.

VI. Fazit

Die Mobilität von Lehrern und Lehramtskandidaten hat eine lange Tradition. Im ausgehenden 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde eine vielfältige Mobilität zur Voraussetzung für den Ausbau einer flächendeckenden Elementarbildung und einer professionellen Lehrerbildung, die sich nicht auf ausgediente Soldaten oder eine geringfügige Bezahlung mit Naturalien stützte. Pestalozzis Erziehungsinstitut in der Schweiz und die Philanthropine in Deutschland sind dafür gute Beispiele. Diese Institute waren in etwa zeitgleich und die handelnden Personen Zeitgenossen, allerdings hatten diese Einrichtungen wenig bzw. keine direkten Berührungspunkte. Die Philanthropine waren der Aufklärung verpflichtet und meist Gründungen territorialer Fürsten. Dagegen war der etwas später agierende Pestalozzi nicht von Fürsten gefördert, sondern anfangs von der Helvetischen Regierung, deren Existenz ein Ergebnis der Französischen Revolution und der französischen Besetzung des Landes war. Pestalozzis Förderung aus Preussen kam ausschliesslich von den Kräften der preussischen Reformer und war deutlich multinationaler ausgerichtet als die deutschen Philanthropine. Für die Lehrermobilität um 1800 waren aber sowohl Pestalozzis Erziehungsinstitut als auch die Philanthropine von grosser Bedeutung, denn diese Einrichtungen haben über den Einfluss ihrer Besucher und Lehrer wesentlich zum Ausbau einer allgemeinen Schulbildung beigetragen. Pestalozzis Sicht des Kindes war allerdings eine grundlegend andere: In jedem Kind sind von Geburt an Kräfte angelegt, die es durch Erziehung herauszuholen gilt, wobei für ihn die Bedeutung des Unterrichts zurücktritt. Ich schliesse mit einem Zitat Pestalozzis, worin dieses unterschiedliche Verständnis deutlich wird: 

„Das Bild der Erziehung, das innere, heilige Wesen einer bessern Erziehung steht im Bild eines Baums, der an den Wasserbächen gepflanzt ist, vor meinen Augen. Siehe, was ist er? Woraus entspringt er? Woher kommt er mit seinen Wurzeln, mit seinem Stamm, mit seinen Ästen, mit seinen Zweigen, mit seinen Früchten? Siehe, du legst einen kleinen Kern in die Erde. In ihm ist des Baumes Geist. In ihm ist des Baumes Wesen. Er ist des Baumes Saamen.“